Pradlerstraße
Pradlerstraße
Worth knowing
There was already a bridge over the Sill in the early modern period. This was the beginning of the fortified Fürstenweg, der bis zum Schloss Ambras führte. Der nördliche Teil dieser frühen Nord-Süd-Verbindung ist die heutige Pradlerstraße. Ein Blick auf den Werdegang dieses kleinen Gebietes erzählt die Entwicklungsgeschichte Innsbrucks zwischen dem 16. und dem 20. Jahrhundert.
Durch das Mittelalter und die frühe Neuzeit hindurch war Pradl eines von vielen kleinen, ländlich geprägten Dörfern. Wo heute die Leitgebhalle steht, befand sich bereits ab dem späten 17. Jahrhundert eine kleine Kapelle. Dieses Gotteshaus beheimatete eine Kopie von Lukas Cranachs Gnadenmutter, deren Original im Innsbrucker Dom zu finden ist. Das Haus Pradlerstraße 9 an der Ecke zur Reichenauerstraße zeigt an der nördlichen Fassade die Mariahilf-Gnadenmutter. Dieses Haus war auch das Geburtshaus des Schriftstellers Rudolf Greinz (1866 – 1942), der sich mit Tiroler Heimatromanen so sehr in die Gunst seiner Leser schrieb, dass man in Pradl noch zu Lebzeiten eine Straße nach ihm benannte.
Im 19. Jahrhundert wurde Pradl wie die anderen Randgebiete zur industriellen Boomtown. Die Bauernhäuser wurden im Rahmen der Stadterweiterung nach und nach von den modernen Wohnhäusern und Siedlungen umschlungen. Damit einher gingen auch soziale Spannungen zwischen den zugezogenen Arbeitern und den „einheimischen“ Pradlern. Bereits vor der Vereinigung Pradls mit Innsbruck 1904 siedelten sich große Arbeitgeber wie die Seidenspinnerei Rhomberg und das Gaswerk an. Bäckereien, Metzger, kleine Läden und Gaststätten eröffneten. Es bedurfte neuer Häuser und Wohnungen für die Angestellten und Arbeiter. Zwischen den Kreuzungen Amthorstraße/Pradlerstraße und Gumppstraße/Pradlerstraße befinden sich bis heute mehrere dieser sehenswerten bürgerlichen Wohn- und Mietzinshäuser.
Pradlerstraße 32 war Wohnhaus und Werkstätte Rafael Thalers, der als Restaurator und Künstler für viele Fassadenmalereien und Fresken im Heimatstil in und rund um Innsbruck verantwortlich war. Das Gebäude wird von seinen eigenen Werken geschmückt. Haus Nummer 36 wird von einer Darstellung des Weinhändlers Benedikt Fritz geziert. Hausnummer 38 ist ein wunderbares Beispiel für den Heimatstil, der zu dieser Zeit charakteristisch für Innsbrucks Architektur war. Die Wandmalerei dieses Eckhauses, ebenfalls von Rafael Thaler, zeigt zwei Frauenfiguren, die Trade und Trade represent. The bon mot underneath was an expression of the owners' new bourgeois, but still conservative, self-image.
„Arbeit ist des Bürgers Zierde,
Segen ist der Mühe Preis,
ehrt den König seine Würde,
ehret uns der Hände Fleiß“
Die wachsende Bevölkerung musste nicht nur mit Arbeit, sondern auch mit Bildung und Seelsorge versorgt werden. Zwischen den Bauernhäusern im Norden und den Wohnhäusern im Süden der Pradlerstraße entstand ein neues Stadtteilzentrum rund um die Wahrzeichen der Pradler Erweiterung, die Leitgebschule und die neue Pfarrkirche.
Um den vielen neuen Seelen Pradls Herr zu werden, war die kleine Kirche im 19. Jahrhundert zu klein geworden. Von 1905 bis 1908 wurde die Pradler Kirche errichtet. Eindrucksvoll ist das Löwenportal aus rotem Marmor. Die Flügeltüre wurde nach einem Bombenschaden im Zweiten Weltkrieg neu gestaltet. Die neoromanische Kirche stellt das letzte Hurra der monarchischen Dominanz in der Architektur dar. Das gegenüberliegende Gebäude, obwohl gleichzeitig errichtet, weist schon den Weg zu einer moderneren Architektur. Die Leitgebschule wurde zwischen 1907 und 1908 nach Plänen Eduard Klinglers erbaut. Namensgeber war der Innsbrucker Schriftsteller Josef Leitgeb (1897 – 1952), dessen Erzählungen und Gedichte einen Einblick in die bewegte Zwischenkriegszeit Österreichs geben. Der auf den ersten Blick sperrige und nüchterne Kubus wirkt bei näherem Hinsehen in seinen Details erstaunlich leicht, beinahe klassizistisch.
Zwischen die alten Bauernhäuser der Frühen Neuzeit im Süden, die schicken Gründerzeithäuser und die Mietskasernen der Jahrhundertwende mischen sich viele Wohnprojekte, die in der Nachkriegszeit errichtet wurden. Wegen ihrer Nähe zum Bahnhof wurden viele Gebäude der Pradlerstraße Opfer des Luftkrieges. Die Bronzeschilder mit der Aufschrift
„Dieses Haus wurde in den Kriegsjahren 1939/45 zerstört und aus Fondsmitteln des Bundesministeriums f. Handel u. Wiederaufbau in den Jahren unter dem Bundeskanzler Ing. Julius Raab wiederhergestellt.“
deuten auf diese Zerstörung und den darauffolgenden Wiederaufbau hin.
Pradl entwickelte sich seit den 1950er Jahren zu einem typischen Wohnviertel der Innsbrucker Mittelklasse. Seit den 1990er Jahren erlitt die Pradlerstraße das typische Schicksal zentrumsnaher Stadtviertel Europas. Während der bayerischen Besatzung zur Zeit der napoleonischen Kriege war die Straße mit Papeln zu beiden Seiten geschmückt worden. Während der Industrialisierung Pradls und in der finanziell klammen Zwischenkriegszeit wurde auf die Pflege der einst schönen Allee nach und nach vergessen. Im Rahmen der Straßenverbreiterung der autozentrierten 1960er Jahre wurden die Bäume endgültig dem Autoverkehr geopfert. Alteingesessene Gewerbe- und Handelsbetriebe werden nicht mehr übernommen, neue Geschäfte sperrten häufig auf, um kurz darauf wieder zu schließen. Einkäufe wurden nicht mehr lokal, sondern in den Einkaufszentren am Stadtrand oder im Sillpark erledigt. Seit einigen Jahren gibt es Initiativen, um die einstige Prachtstraße neu erblühen zu lassen.
Klingler, Huter, Retter & Co: Baumeister der Erweiterung
Die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts gingen als Gründerzeit in die österreichische Geschichte ein. Nach einer Wirtschaftskrise 1873 begann sich die Stadt im Wiederaufschwung auszudehnen. Von 1880 bis 1900 wuchs Innsbrucks Bevölkerung von 20.000 auf 26.000 Einwohner an. Das 1904 eingemeindete Wilten verdreifachte sich von 4000 auf 12.000. Im Zuge technischer Innovationen veränderte sich auch die Infrastruktur. Gas, Wasser, Elektrizität wurden Teil des Alltags von immer mehr Menschen. Das alte Stadtspital wich dem neuen Krankenhaus. Im Saggen entstanden das Waisenhaus und das Greisenasyl Sieberers.
Die Gebäude, die in den jungen Stadtvierteln gebaut wurden, waren ein Spiegel einer neuen Gesellschaft. Unternehmer, Freiberufler, Angestellte und Arbeiter mit politischem Stimmrecht entwickelten andere Bedürfnisse als Untertanen ohne dieses Recht. Anders als im ländlichen Bereich Tirols, wo Bauernfamilien samt Knechten und Mägden in Bauernhäusern im Verbund einer Sippschaft lebten, kam das Leben in der Stadt dem Familienleben, das wir heute kennen, nahe. Der Wohnraum musste dem entsprechen. Der Lifestyle der Städter verlangte nach Mehrzimmerwohnungen und freien Flächen zur Erholung nach der Arbeitszeit. Das wohlhabende Bürgertum bestehend aus Unternehmern und Freiberuflern hatte den Adel zwar noch nicht überholt, den Abstand aber verringert. Sie waren es, die nicht nur private Bauprojekte beauftragten, sondern über ihre Stellung im Gemeinderat auch über öffentliche Bauten entschieden.
Die 40 Jahre vor dem Ersten Weltkrieg waren für Baufirmen, Handwerker, Baumeister und Architekten eine Art Goldgräberzeit. Die Gebäude spiegelten die Weltanschauung ihrer Bauherren wider. Baumeister vereinten dabei mehrere Rollen und ersetzten oft den Architekten. Die meisten Kunden hatten sehr klare Vorstellungen, was sie wollten. Es sollten keine atemberaubenden Neukreationen sein, sondern Kopien und Anlehnungen an bestehende Gebäude. Ganz im Geist der Zeit entwarfen die Innsbrucker Baumeister nach dem Wunsch der finanziell potenten Auftraggeber die Gebäude in den Stilen des Historismus und des Klassizismus sowie des Tiroler Heimatstils. Klare Formen, Statuen und Säulen waren stilprägende Elemente bei der Anlage neuer Gebäude. In einem teils wüsten Stilmix wurden die Vorstellungen, die Menschen vom klassischen Griechenland und dem antiken Rom hatten, verwirklicht. Nicht nur Bahnhöfe und öffentliche Gebäude, auch große Mietshäuser und ganze Straßenzüge, sogar Kirchen und Friedhöfe entstanden entlang der alten Flurwege in diesem Design. Das gehobene Bürgertum zeigte sein Faible für die Antike mit neoklassizistischen Fassaden. Katholische Traditionalisten ließen Heiligenbilder und Darstellungen der Landesgeschichte Tirols in Wandmalereien auf ihren Heimatstilhäusern anfertigen. Während im Saggen und Wilten der Neoklassizismus dominiert, finden sich in Pradl Großteils Gebäude im konservativen Heimatstil.
Die Zeit der großen Villen, die die Adelsansitze vergangener Tage mit bürgerlicher Note nachahmten, kam mangels Platzgründen nach einigen wilden Jahrzehnten an ihr Ende. Eine weitere Bebauung des Stadtgebietes mit Einzelhäusern war nicht mehr möglich, zu eng war der Platz geworden. 1898 beschloss der Gemeinderat, östlich der Claudiastraße nur noch Wohnblöcke anstatt der Villen im großzügigen Cottage Stil zu genehmigen. Der Bereich Falkstraße / Gänsbachstraße / Bienerstraße gilt bis heute als Villensaggen, die Gebiete östlich als Blocksaggen. In Wilten und Pradl kam es zu dieser Art der Bebauung gar nicht erst gar nicht. Trotzdem versiegelten Baumeister im Goldrausch immer mehr Boden. Albert Gruber hielt zu diesem Wachstum 1907 eine mahnende Rede, in der er vor Wildwuchs in der Stadtplanung und Bodenspekulation warnte.
"It is the most difficult and responsible task facing our city fathers. Up until the 1980s (note: 1880), let's say in view of our circumstances, a certain slow pace was maintained in urban expansion. Since the last 10 years, however, it can be said that cityscapes have been expanding at a tremendous pace. Old houses are being torn down and new ones erected in their place. Of course, if this demolition and construction is carried out haphazardly, without any thought, only for the benefit of the individual, then disasters, so-called architectural crimes, usually occur. In order to prevent such haphazard building, which does not benefit the general public, every city must ensure that individuals cannot do as they please: the city must set a limit to unrestricted speculation in the area of urban expansion. This includes above all land speculation."
Eine Handvoll Baumeister und das Bauamt Innsbruck begleiteten diese Entwicklung in Innsbruck. Bezeichnet man Wilhelm Greil als Bürgermeister der Erweiterung, verdient der gebürtige Wiener Eduard Klingler (1861 – 1916) wohl den Titel als deren Architekt. Klingler prägte das Stadtbild Innsbrucks in seiner Funktion als Beamter und Baumeister wesentlich mit. 1883 begann er für das Land Tirol zu arbeiten. 1889 trat er zum städtischen Bauamt über, das er ab 1902 leitete. In Innsbruck gehen unter anderem die Handelsakademie, die Leitgebschule, der Friedhof Pradl, die Dermatologische Klinik im Klinikareal, der Städtische Kindergarten in der Michael-Gaismair-Straße, die Trainkaserne (Anm.: heute ein Wohnhaus), die Markthalle und das Tiroler Landeskonservatorium auf Klinglers Konto als Leiter des Bauamtes. Ein sehenswertes Gebäude im Heimatstil nach seinem Entwurf ist das Ulrichhaus am Berg Isel, das heute den Alt-Kaiserjäger-Club beheimatet.
Das vielleicht bedeutendste Innsbrucker Baubüro war Johann Huter & Söhne. Johann Huter übernahm das kleine Baugewerbe seines Vaters. 1856 erwarb er das erste Firmengelände, die Hutergründe, am Innrain. Drei Jahre später entstand in der Meranerstraße der erste repräsentative Hauptsitz. Die Firmeneintragung gemeinsam mit seinen Söhnen Josef und Peter stellte 1860 den offiziellen Startschuss des bis heute existierenden Unternehmens dar. Huter & Söhne verstand sich wie viele seiner Konkurrenten als kompletter Dienstleister. Eine eigene Ziegelei, eine Zementfabrik, eine Tischlerei und eine Schlosserei gehörten ebenso zum Unternehmen wie das Planungsbüro und die eigentliche Baufirma. 1906/07 errichteten die Huters ihren eigenen Firmensitz in der Kaiser-Josef-Straße 15 im typischen Stil der letzten Vorkriegsjahre. Das herrschaftliche Haus vereint den Tiroler Heimatstil umgeben von Garten und Natur mit neogotischen und neoromanischen Elementen. Bekannte von Huter & Söhne errichtete Gebäude in Innsbruck sind das Kloster der Ewigen Anbetung, die Pfarrkirche St. Nikolaus und mehrere Gebäude am Claudiaplatz.
Der zweite große Player war Josef Retter. Der gebürtige Tiroler wuchs in der Wachau auf. In früher Jugend absolvierte er eine Maurerlehre bevor er die k.k. Staatsgewerbeschule in Wien und die Werkmeisterschule der baugewerblichen Abteilung besuchte. Nach Berufserfahrungen über das Gebiet der Donaumonarchie verteilt in Wien, Kroatien und Bozen konnte er dank der Mitgift seiner Ehefrau im Alter von 29 Jahren seine eigene Baufirma mit Sitz in Innsbruck eröffnen. Wie Huter beinhaltete auch sein Unternehmen ein Sägewerk, ein Sand- und Schotterwerk und eine Werkstatt für Steinmetzarbeiten. 1904 eröffnete er in der Schöpfstraße 23a seine Wohn- und Bürogebäude, das bis heute als Retterhaus bekannt ist. Mit einem Neubau des Akademischen Gymnasiums und dem burgähnlichen Schulgebäude für die Handelsakademie und der Evangelischen Christuskirche im Saggen, der herrschaftlichen Sonnenburg in Wilten und dem neugotischen Schloss Mentlberg am Sieglanger realisierte er einige der bis heute für diese Zeit herausragendsten Gebäude Innsbrucks.
Spätberufen aber mit einem ähnlich praxisorientieren Hintergrund, der typisch für die Baumeister des 19. Jahrhunderts war, startete Anton Fritz 1888 sein Baubüro. Er wuchs abgelegen in Graun im Vinschgau auf. Nach Stationen als Polier, Stuckateur und Maurer beschloss er mit 36 Jahren die Gewerbeschule in Innsbruck zu besuchen. Talent und Glück bescherten ihm mit der Villa im Landhausstil in der Karmelitergasse 12 seinen Durchbruch als Planer. Seine Baufirma beschäftigte zur Blütezeit 150 Personen. 1912, kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und dem damit einhergehenden Einbruch der Baubranche, übergab er sein Unternehmen an seinen Sohn Adalbert. Das eigene Wohnhaus in der Müllerstraße 4 sowie Häuser am Claudiaplatz und dem Sonnenburgplatz zählen zu den Hinterlassenschaften von Anton Fritz.
Mit Carl Kohnle, Carl Albert, Karl Lubomirski und Simon Tommasi hatte Innsbruck weitere Baumeister, die sich mit typischen Gebäuden des späten 19. Jahrhunderts im Stadtbild verewigten. Sie alle ließen Innsbrucks neue Straßenzüge im architektonisch vorherrschenden Zeitgeist der letzten 30 Jahre der Donaumonarchie erstrahlen. Wohnhäuser, Bahnhöfe, Amtsgebäude und Kirchen im Riesenreich zwischen der Ukraine und Tirol schauten sich flächendeckend ähnlich. Nur zögerlich kamen neue Strömungen wie der Jugendstil auf. In Innsbruck war es der Münchner Architekt Josef Bachmann, der mit der Neugestaltung der Fassade des Winklerhauses einen neuen Akzent in der bürgerlichen Gestaltung setzte. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges setzte die Bautätigkeit aus. Nach dem Krieg war die Zeit des neoklassizistischen Historismus und Heimatstils endgültig Geschichte. Spaziergänge im Saggen und in Teilen von Wilten und Pradl versetzen zurück in die Gründerzeit. Der Claudiaplatz und der Sonnenburgplatz zählen zu den eindrücklichsten Beispielen. Die Baufirma Huter und Söhne existiert bis heute. Das Unternehmen ist mittlerweile im Sieglanger in der Josef-Franz-Huter-Straße, benannt nach dem Firmengründer.
Wilhelm Greil: DER Bürgermeister Innsbrucks
Einer der wichtigsten Akteure der Stadtgeschichte war Wilhelm Greil (1850 – 1923). Von 1896 bis 1923 bekleidete der Unternehmer das Amt des Bürgermeisters, nachdem er vorher bereits als Vizebürgermeister die Geschicke der Stadt mitgestaltet hatte. Es war die Zeit des Wachstums, der Eingemeindung ganzer Stadtviertel, technischer Innovationen, neuer Medien und bis dahin unvorstellbarer gesellschaftlicher, sozialer und politischer Umwälzungen.
Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war in der Politik vom Kampf liberaler und konservativer Kräfte geprägt. Die Konservativen hatten es, anders als im restlichen Tirol, schwer in Innsbruck, dessen Bevölkerung seit der Zeit Napoleons liberale Morgenluft geschnuppert hatte. Jede Seite hatte nicht nur Politiker, sondern auch Vereine und eigene Zeitungen. Steuern, Gesellschaftspolitik, Bildungswesen, Wohnbau und die Gestaltung des öffentlichen Raumes wurden mit Leidenschaft und Eifer diskutiert. Bedingt durch eine Wahlordnung, die auf das Stimmrecht über Vermögensklassen aufgebaut war, konnten nur etwa 10% der gesamten Innsbrucker Bevölkerung zur Wahlurne schreiten. Dabei galt das relative Wahlrecht innerhalb der drei Wahlkörper, was so viel heißt wie: The winner takes it all. Mass parties such as the Social Democrats were unable to assert themselves until the electoral law reform of the First Republic. Mayors like Greil could rely on 100% support in the municipal council, which naturally made decision-making and steering much easier.
Greil belonged to the "Deutschen Volkspartei", a liberal and national-Great German party. What appears to us today as a contradiction, liberal and national, was a politically common and well-functioning pair of ideas in the 19th century. Pan-Germanism was not a political peculiarity of a radical right-wing minority, but rather a centrist trend, particularly in German-speaking cities of the Reich, which was important in varying forms through almost all parties until after the Second World War. Whoever issues the liberal Innsbrucker Nachrichten of the period around the turn of the century, you will find countless articles in which the common ground between the German Reich and the German-speaking countries was made the topic of the day.
Greil war ein geschickter Politiker, der sich innerhalb der vorgegebenen Machtstrukturen seiner Zeit bewegte. Er wusste sich um die traditionellen Kräfte, die Monarchie und den Klerus geschickt zu manövrieren und sich mit ihnen zu arrangieren. Die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg war von einer allgemeinen wirtschaftlichen Boomzeit charakterisiert. Das verschaffte ihm viel Gestaltungsspielraum. Unter ihm wurde von der Stadt ganz im Stil eines Kaufmanns vorausschauend Grund angekauft, um Projekte zu ermöglichen. Unter Wilhelm Greil erweiterte sich Innsbruck im Eiltempo. Der Politiker Greil konnte sich bei den großen Bauprojekten der Zeit auf die Beamten und Stadtplaner Eduard Klingler, Jakob Albert und Theodor Prachensky stützen. Infrastrukturprojekte wie das neue Rathaus in der Maria-Theresienstraße 1897, die Hungerburgbahn 1906 und die Karwendelbahn wurden umgesetzt. Weitere Meilensteine waren die Erneuerung des Marktplatzes und der Bau der Markthalle.
Much of what was pioneered in the second half of the 19th century is part of everyday life today. For the people of that time, however, these things were a real sensation and life-changing. The four decades between the economic crisis of 1873 and the First World War were characterised by unprecedented economic growth and rapid modernisation. The city's economy boomed. Businesses were founded in Pradl and Wilten and attracted workers. Tourism also brought fresh capital into the city. At the same time, however, the concentration of people in a confined space under sometimes precarious hygiene conditions also brought problems. The outskirts of the city in particular were repeatedly plagued by typhus.
His predecessor, Mayor Heinrich Falk (1840 - 1917), had already contributed significantly to the modernisation of the town and the settlement of Saggen. Since 1859, the lighting of the city with gas pipelines had progressed steadily. Between 1887 and 1891, Innsbruck was equipped with a modern high-pressure water pipeline, which could also be used to supply flats on higher floors with fresh water. Wilhelm Greil arranged for the gas works in Pradl and the electricity works in Mühlau to be taken over into municipal ownership. The street lighting was converted to electric light.
Greil was able to secure Innsbrucker Renaissance on patrons from the town's middle classes. Baron Johann von Sieberer donated the old people's asylum and the orphanage in Saggen. Leonhard Lang donated the building, previously used as a hotel, to which the town hall moved from the old town in 1897, in return for the town's promise to build a home for apprentices.
Noch vor dem Ersten Weltkrieg kam es zu Veränderungen im politischen Alltag. Die ersten freien Wahlen innerhalb der k.u.k. Monarchie zum Reichsrat für alle männlichen Bürger im Jahr 1907 veränderten die sozialen Spielregeln. In seinen letzten Amtsjahren begleitete Greil Innsbruck am Übergang von der Habsburgermonarchie zur Republik durch Jahre, die vor allem durch Hunger, Elend, Mittelknappheit und Unsicherheit geprägt waren. Er war 68 Jahre alt, als italienische Truppen nach dem Ersten Weltkrieg die Stadt besetzten und Tirol am Brenner geteilt wurde, was für ihn als Vertreter des Deutschnationalismus besonders bitter war.
In 1928, former mayor Greil died as an honorary citizen of the city of Innsbruck at the age of 78. Wilhelm-Greil-Straße was named after him during his lifetime.
Innsbruck's industrial revolutions
Im 15. Jahrhundert begann sich in Innsbruck eine erste frühe Form der Industrialisierung zu entwickeln. Glocken- und Waffengießer wie die Löfflers errichteten in Hötting, Mühlau und Dreiheiligen Betriebe, die zu den führenden Werken ihrer Zeit gehörten. Unternehmer waren zwar nicht von edlem Blut, sie hatten aber oft mehr Kapital zur Verfügung als die Aristokratie. Die alten Hierarchien bestanden zwar noch, begannen aber zumindest etwas brüchig zu werden. Die Industrie änderten nicht nur die Spielregeln im Sozialen durch den Zuzug neuer Arbeitskräfte und ihrer Familien, sie hatte auch Einfluss auf die Erscheinung Innsbrucks. Die Arbeiter waren, anders als die Bauern, keines Herren Untertanen. Sie brachten neue Mode mit und kleideten sich anders. Kapital von außerhalb kam in die Stadt. Wohnhäuser und Kirchen für die neu zugezogenen Untertanen entstanden. Die großen Werkstätten veränderten den Geruch und den Klang der Stadt. Die Hüttenwerke waren laut, der Rauch der Öfen verpestete die Luft.
Die zweite Welle der Industrialisierung erfolgte im Verhältnis zu anderen europäischen Regionen in Innsbruck spät. Das Kleine Handwerk, die bäuerliche Herstellung von allerlei Gebrauchsgegenständen vor allem im weniger arbeitsintensiven Winter, und die ehemaligen in Zünften organisierten Handwerksbetriebe der Stadt gerieten unter den Errungenschaften der modernen Warenherstellung unter Druck. In St. Nikolaus, Wilten, Mühlau und Pradl entstanden entlang des Mühlbaches und des Sillkanals moderne Fabriken. Viele innovative Betriebsgründer kamen von außerhalb Innsbrucks. Im heutigen Haus Innstraße 23 gründete der aus der Lausitz nach Innsbrucker übersiedelte Peter Walde 1777 sein Unternehmen, in dem aus Fett gewonnene Produkte wie Talglichter und Seifen hergestellt wurden. Acht Generationen später besteht Walde als eines der ältesten Familienunternehmen Österreichs noch immer. Im denkmalgeschützten Stammhaus mit gotischem Gewölbe kann man heute das Ergebnis der jahrhundertelangen Tradition in Seifen- und Kerzenform kaufen. 1838 kam die Spinnmaschine über die Dornbirner Firma Herrburger & Rhomberg über den Arlberg nach Pradl. H&R hatte ein Grundstück an den Sillgründen erworben. Der Platz eignete sich dank der Wasserkraft des Flusses ideal für die schweren Maschinen der Textilindustrie. Neben der traditionellen Schafwolle wurde nun auch Baumwolle verarbeitet.
Wie 400 Jahre zuvor veränderte auch die Zweite Industrielle Revolution die Stadt nachhaltig. Stadtteile wie Mühlau, Pradl und Wilten wuchsen rasant. Die Betriebe standen oft mitten in den Wohngebieten. Über 20 Betriebe nutzten den Sillkanal um 1900. Der Lärm und die Abgase der Motoren waren für die Anrainer die Hölle, wie ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 1912 zeigt:
„Entrüstung ruft bei den Bewohnern des nächst dem Hauptbahnhofe gelegenen Stadtteiles der seit einiger Zeit in der hibler´schen Feigenkaffeefabrik aufgestellte Explosionsmotor hervor. Der Lärm, welchen diese Maschine fast den ganzen Tag ununterbrochen verbreitet, stört die ganz Umgebung in der empfindlichsten Weise und muß die umliegenden Wohnungen entwerten. In den am Bahnhofplatze liegenden Hotels sind die früher so gesuchten und beliebten Gartenzimmer kaum mehr zu vermieten. Noch schlimmer als der ruhestörende Lärm aber ist der Qualm und Gestank der neuen Maschine…“
Auch so mancher Angehörige des Kleinadels investierte das Geld der Grundentlastung von 1848 in Industrie und Wirtschaft. Der steigende Arbeitskräftebedarf wurde von ehemaligen Knechten und Landwirten ohne Land gedeckt. Während sich die neue vermögende Unternehmerklasse Villen in Wilten, Pradl und dem Saggen bauen ließ und mittlere Angestellte in Wohnhäusern in denselben Vierteln wohnten, waren die Arbeiter in Arbeiterwohnheimen und Massenunterkünften untergebracht. Die einen sorgten in Betrieben wie dem Gaswerk, dem Steinbruch oder in einer der Fabriken für den Wohlstand, während ihn die anderen konsumierten. Schichten von 12 Stunden in engen, lauten und rußigen Bedingungen forderten den Arbeitern alles ab. Zu einem Verbot der Kinderarbeit kam es erst ab den 1840er Jahren. Frauen verdienten nur einen Bruchteil dessen, was Männer bekamen. Die Arbeiter wohnten oft in von ihren Arbeitgebern errichteten Mietskasernen und waren ihnen mangels eines Arbeitsrechtes auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Es gab weder Sozial- noch Arbeitslosenversicherungen. Wer nicht arbeiten konnte, war auf die Wohlfahrtseinrichtungen seines Heimatortes angewiesen. Zur Bildung einer bedeutenden Arbeiterbewegung wie in Wien kam es in Tirol trotzdem nie. Innsbruck war immer schon vorwiegend Handels- und Universitätsstadt. Zwar gab es Sozialdemokraten und eine Handvoll Kommunisten, die Zahl der Arbeiter war aber immer zu klein, um wirklich etwas zu bewegen.
Die Industrialisierung betraf aber nicht nur den materiellen Alltag. Innsbruck erfuhr eine Gentrifizierung wie man sie heute in angesagten Großstadtvierteln wie dem Prenzlauer Berg in Berlin beobachten kann. Der Wechsel vom bäuerlichen Leben des Dorfes in die Stadt beinhaltete mehr als einen örtlichen Wechsel. Wie die Menschen die Verstädterung des ehemals ländlichen Bereichs erlebten, lässt uns der Innsbrucker Schriftsteller Josef Leitgeb in einem seiner Texte wissen:
„…viel fremdes, billig gekleidetes Volk, in wachsenden Wohnblocks zusammengedrängt, morgens, mittags und abends die Straßen füllend, wenn es zur Arbeit ging oder von ihr kam, aus Werkstätten, Läden, Fabriken, vom Bahndienst, die Gesichter oft blaß und vorzeitig alternd, in Haltung, Sprache und Kleidung nichts Persönliches mehr, sondern ein Allgemeines, massenhaft Wiederholtes und Wiederholbares: städtischer Arbeitsmensch. Bahnhof und Gaswerk erschienen als Kern dieser neuen, unsäglich fremden Landschaft.“
Für viele Innsbrucker kam es nach dem Revolutionsjahr 1848 und den neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten zu einer Verbürgerlichung. Erfolgreiche Unternehmer übernahmen die einstige Rolle der adeligen Grundherren. Gemeinsam mit den zahlreichen Akademikern bildeten sie eine neue Schicht, die auch politisch mehr und mehr Einfluss gewann. Beda Weber schrieb dazu 1851:
„Their social circles are without constraint, and there is a distinctly metropolitan flavour that is not so easy to find elsewhere in Tyrol."
Auch die Arbeiter verbürgerlichten. War der Grundherr am Land noch Herr über das Privatleben seiner Knechte und Mägde und konnte bis zur Sexualität über die Freigabe zur Ehe über deren Lebenswandel bestimmen, waren die Arbeiter nun individuell zumindest etwas freier. Sie wurden zwar nur schlecht bezahlt, immerhin erhielten sie aber nun ihren eigenen Lohn anstelle von Kost und Logis und konnten ihre Privatangelegenheiten für sich regeln ohne grundherrschaftliche Vormundschaft.
Innsbruck ist keine traditionelle Arbeiterstadt. Maiaufmärsche werden vom Großteil der Menschen maximal wegen billiger Schnitzel und Freibier besucht. Auch sonst gibt es kaum Erinnerungsorte an die Industrialisierung und die Errungenschaften der Arbeiterschaft. In der St.-Nikolaus-Gasse und in vielen Mietzinshäusern in Wilten und Pradl haben sich vereinzelt Häuser erhalten, die einen Eindruck vom Alltag der Innsbrucker Arbeiterschaft geben.