Kaiser-Franz-Josephs-Jubiläums-Greisenasyl

 

Wie der Bürgermeister in einer der letzten Gemeinderatssitzungen berichtete, trägt sich Herr von Sieberer mit dem Plan, hier ein großes, schönes Armenhaus zu errichten … Der Bau soll auf einer jetzt freistehenden Parzelle hinter dem Claudiaplatz, neben dem Südbahnviadukt errichtet werden und zwei gesonderte Trakte (einen für Frauen und einen für Männer) erhalten. Zwischen den Trakten ist die Erbauung einer Kapelle projektiert.“ Das konnte man am 1. Juni 1907 als Innsbrucker der Presse rund um die Pläne des bürgerlichen Gönners entnehmen, der die Wohnstätte für Innsbrucks Senioren plante. 1908 stiftete Johann von Sieberer das Innsbrucker Greisenasyl zur Ehre des 60jährigen Thronjubiläums von Kaiser Franz Josef I. Der Bau wurde im Frühling 1908 begonnen und konnte schon im Oktober 1909 vollendet werden. Am 29 August 1909, zum 100. Jubiläum der Berg-Isel Schlacht wurde das Gebäude von Franz Josef I. persönlich in Anwesenheit des Bischofs von Brixen eingeweiht. 

Eine staatlich geregelte Pensionsversicherung wie wir sie heute kennen, gab es im Habsburgerreich nicht. Ältere Untertaten, die nicht mehr arbeiten konnten, wurden zu Hause von Verwandten oder Angestellten versorgt. Bei Bauern wurde dies mit dem sogenannten Ausgedinge im Rahmen der Übergabe des Hofes geregelt. Wer nicht zu einer dieser privilegierten Schichten gehörte, fiel schnell durch den Rost. Arbeiter, Handwerksgesellen, Tagelöhner, Knechte und niederes Personal mussten betteln oder waren auf die Armen- und Altenpflege von Gönnern oder der Kirche angewiesen, die seit dem 16. Jahrhundert in Tirol Sache der Gemeinden war, denen ein Untertan angehörte. In Notzeiten waren die Gemeinden damit aber oft überfordert. Auch die Kirche konnte sich nicht dauerhaft und zuverlässig diesem Problem annehmen. Durch den durch die Industrialisierung und Urbanisierung bedingten Zuzug nach Innsbruck und dem Verkauf zweier Armenhäuser in St. Nikolaus, war die Situation in Innsbruck um 1900 angespannt.

Johann von Sieberer, zu dieser Zeit bereits selbst in fortgeschrittenem Alter, kam zum Entschluss, der Stadt Innsbruck mit Planung des Projekts und der Finanzierung eines großen Teils davon, bei der Errichtung eines Greisenasyls zu unterstützen. Die Stadt musste sich dafür verpflichten einen Baugrund, die Übernahme der Erschließung von Kanalisation und Elektrifizierung und den Kosten für Rechtliches, Architekten und der Bauleitung zu übernehmen. Das Armenamt der Stadt sollte das Altersheim betreiben. Die Betreuung wurde den Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz und Paul überlassen. Die revolutionäre Idee Freiherr Johann von Sieberers war es, älteren Ehepaaren die Möglichkeit zu geben ihren Lebensabend gemeinsam zu verbringen. Die Zimmer waren für damalige Verhältnisse mit Eisenbetten, Nachtkästchen, Kleiderschrank und Spucknapf gut ausgestattet. Der schmucklose Raum sollte die Pflege der Unterkünfte und die Freihaltung von Ungeziefer und Schädlingen erleichtern. Schwer sozialisierbare Bewohner wie Alkoholkranke wurden angenommen, jedoch separat untergebracht. Für die Stadtentwicklung waren Einrichtungen wie Greisenasyl und Waisenhaus sehr wichtig. Das Altersheim besteht bis zum heutigen Tag, auch wenn es natürlich mehrmals modernisiert wurde.

Neben dem ÖBB-Verwaltungsgebäude und dem Waisenhaus ist das Greisenasyl der dritte palastartige Bau im Saggen. Die prächtige Fassade auf einer Länge von 86 m ist bis heute erhalten geblieben. Sie erinnert nicht nur entfernt an einen Palast, sondern wurde bewusst so angelegt um der Würde des Alters einen geeigneten baulichen Rahmen zu geben. Dies spiegelte sich auch in der Einrichtung des Greisenasyls. Die Küche war so ausgestattet, dass Essen für bis zu 300 Personen verpflegt werden konnten. Die Kapelle wird von einem Glockenturm gekrönt. Man sieht die Statuen der Heiligen Petrus und Paulus sowie Christus als Zeichen für Güte gegenüber allen Menschen. An den Erbauer Freiherr Johann von Sieberer erinnert der Schriftzug „Gespendet von einem Patrioten„.  

Innsbruck unter Wilhelm Greil

Wilhelm Greil war Bürgermeister von 1896 bis 1923, nachdem er vorher bereits als Vizebürgermeister tätig war. Diese Zeit war für Innsbruck richtungsweisend, viele Projekte die damals vorangetrieben wurden gehören heute wie selbstverständlich zum täglichen Leben in Innsbruck, waren um die Jahrhundertwende aber eine echte Revolution. Wilhelm Greil gehörte der „Deutschen Volkspartei“ an, die sich als nationale Partei aus der liberalen Bewegung herausgeschält hatte. Was uns heute als Widerspruch erscheint, liberal und national, war im 19. Jahrhundert ein politisch übliches und gut funktionierendes Gedankenpaar. Bedingt durch eine Wahlordnung, die auf das Stimmrecht über Vermögensklassen aufgebaut war, konnten sich die großen Massenparteien wie die Sozialdemokraten nicht durchsetzen. Viel mehr waren es eben die von wohlhabenden Bürgern und Unternehmern unterstützten liberalnationalen Politiker, die den Ton in dieser Zeit angaben.

Unter Wilhelm Greil erweiterte sich Innsbruck beträchtlich. Vor allem die Dörfer Wilten und Pradl, die 1904 eingemeindet und Teil der Stadt wurden, trugen zum Wachstum bei. Von 1880 bis 1900 vermehrte sich Innsbrucks Bevölkerung von 20.000 auf 26.000 Einwohner, Wilten hingegen verdreifachte sich quasi von 4000 auf 12.000. Neben dem quantitativen Wachstum durch die Stadterweiterung wurde unter Wilhelm Greil auch die Bautätigkeit innerhalb der Stadtteile emsig vorangetrieben. Neben den Villen im Saggen entstanden auch die Wohnhäuser im östlichen Teil des Stadtviertels. Infrastrukturprojekte wie das neue Rathaus in der Maria-Theresienstraße 1897, die Hungerburgbahn 1906, die Karwendelbahn hinauf nach Seefeld, der Bau des Greisenasyls und des Waisenhauses im Saggen, die Verlegung der Schwemmkanalisation, die Erneuerung des Marktplatzes und der Bau der Markthalle, die Übernahme des Gaswerks in Pradl und des Elektrizitätswerks in Mühlau und die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf elektrisches Licht fielen unter die Ägide Wilhelm Greils. 1928 verstarb der verdiente Altbürgermeister als Ehrenbürger der Stadt Innsbruck im Alter von 78 Jahren.