Waisenhaus

Die Siebererschule im Innsbrucker Stadtteil Saggen war einst ein Waisenheim. Als am 1. Oktober 1889, im 40. Jubiläumsjahr der Thronbesteigung Kaiser Franz Josef I., das Sieberer Waisenhaus eröffnet wurde, überschlugen sich die Innsbrucker Nachrichten in ihrem Lob für den edlen Spender Johann von Sieberer. „Wohl selten hat eine Stadtgemeinde gerechtere und begründetere Ursache sich zu freuen und festlich zu schmücken, als heute die Stadt Innsbruck, da eine Stiftung derselben übergeben wird, wie eine solche wohl selten eine Stadt sich erfreuen kann. Diese Freude und Festestimmung wird noch erhöht durch die Anwesenheit des erlauchten Bruders unseres geliebten Monarchen, seiner k. und k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Karl Ludwig, der hierher gekommen ist um zu beweisen wie hoch der edle Prinz ein Werk reinster Menschenfreundlichkeit zu schätzen weiß und demselben seine Anerkennung zu zollen. Schon wenn der Name des kaiserlichen Prinzen ertönt, schlägt höher das Tiroler Herz….“

Das Waisenhaus für 100 Mädchen und 100 Burschen ist heute eine Volksschule mit Kindergarten. Der Bau im Neorenaissancestil ist ein wunderbares Beispiel für die Architektur um die Jahrhundertwende. Wie ein kleiner Palast soll es neben dem Zweck des Waisenhauses auch zur Mehrung des Ruhms seines Spenders beitragen. Die beiden Statuen über dem Eingang repräsentieren den „Unterricht“ und die „Menschenliebe“. Im Untergeschoss ließ sich Freiherr Johann von Sieberer seine Gruft mit einem marmornen Grab errichten.

Wer war Johann von Sieberer?

Selfmademan, Patriot und Menschenfreund. So könnte man Johann von Sieberer wohl beschreiben. Waren es in Mittelalter und früher Neuzeit vor allem Aristokraten, die für die Entwicklung von Städten, Infrastruktur und Bauwesen verantwortlich waren, machten sich im 18. und 19. Jahrhundert mehr und mehr Mitglieder des wohlhabenden Bürgertums dazu auf, das Stadtbild zu prägen. Einer dieser wohlhabenden Mäzen war Johann von Sieberer.

Sieberer kam 1830 in Going im Tiroler Unterland als uneheliches Kinde auf die Welt. Das Unterland gehörte damals noch zum Bistum Salzburg. Der Erzbischof von Salzburg scheint früh das herausragende Talent erkannt zu haben und ermöglichte dem Jungen den Besuch des Franziskanergymnasiums in Hall in Tirol. Vermutlich studierte er anschließend in Wien.

Trotz seines unglücklichen Starts ins Leben, er wurde sehr schnell zum Waisenkind, machte er eine herausragende Karriere. Ab 1860 arbeitete er für die Versicherungsgesellschaft Österreichischer Phönix. Durch den Verkauf hoher Polizzen an Mitglieder der Habsburgerfamilie und andere Adlige kam er zu einem großen Vermögen.

Wofür Johann von Sieberer vor allem bekannt ist, sind seine großzügigen Stiftungen in Innsbruck. Das Waisenhaus samt einem Fond zur Betreibung sowie das Franz-Joseph-Jubiläums-Greisenasyl gehen auf die Spenden des Menschenfreunds Sieberer zurück. Auch am Umbau der Jesuitenkirche beteiligte er sich. 1909 wurde Sieberer zum Ehrenbürger Innsbrucks, 1910 zum Freiherrn ernannt. In Innsbruck erinnert die Siebererstraße im Stadtteil Saggen an diesen großen Innsbrucker.