Der Gemeinderat und die Zelger´schen Erben

By Karl Gideon Gössele

Erschienen: Innsbrucker Nachrichten / 2. April 1909

About this text...

Das Erbe der Familie Zelger war jahrelang Thema im Innsbrucker Stadtrat. Was sollte aus dem Land nah der Triumphpforte werden, auf dem schließlich das Hochhaus der Innsbrucker Kommunalbetriebe und das Casino entstanden.

Worth knowing

Von Seite der Zelger’schen Erben wurde unmittelbar vor der letzten Sitzung an sämtliche Gemeinderäte ein „Zur Aufklärung“ betiteltes Druckschreiben versendet, welches in der Angelegenheit der Verbauung der Zelgergründe bzw. der Errichtung eines öffentlichen Platzes an der Südseite der Maximilianstraße Stellung nimmt.
Nachdem dieses Aufklärungsschreiben den Vorbehalt enthält, ihm eventuell eine weitere Verbreitung zu sichern, hat die Dienstes- und Rechtssektion beschlossen, dasselbe vorerst in öffentlicher Sitzung zur Verlesung zu bringen.
(Hier folgte die Verlesung des ziemlich umfangreichen Schriftstückes.)

Die Dienstes- und Rechtssektion hat weiter beschlossen, dem Gemeinderat den Antrag zu stellen, es sei der Standpunkt der Stadtgemeinde in dieser Angelegenheit durch eine öffentliche Erklärung zu kennzeichnen, und zwar hätte diese Erklärung zu lauten:

 

„Es ist der Stadtgemeinde wohl bekannt, dass der Baulinie, welche eine Platzerweiterung an der Südseite der Maximilianstraße vorsieht, derzeit keine reale Existenz zukommt und auch nicht zukommen kann, weil weder an noch in dieser Baulinie eine Baulichkeit errichtet ist. Diese Baulinie steht wirklich nur auf dem Papier, dort aber besteht sie durch Statthaltereigenehmigung zu Recht, und wenn die Zelger’schen Erben glauben, dieser papiernen Existenz bald den Garaus zu machen, müssen sie sich bewusst sein, über Hilfen zu verfügen, die der Stadtvertretung und ihren juristischen Beratern völlig unbekannt sind.

Die Absicht des Gemeinderates, die Maximilianstraße durch eine Platzausbuchtung zu erweitern, erscheint keinesfalls als bloße Sorge für städtischen „Putz“, sondern als Erfüllung eines von der ganzen Bevölkerung erkannten dringenden Bedürfnisses, dessen Erfüllung überdies durch ausdrückliche gesetzliche Bestimmung gewährleistet ist. Die Innsbrucker Bauordnung (Gesetz vom 30. März 1896, § 3, Absatz 2) bestimmt wörtlich, es sei bei Abteilung größerer Grundstücke darauf Rücksicht zu nehmen, dass entsprechend große und freie Plätze belassen werden; und wenn die Stadtgemeinde dieser gesetzlichen Bestimmung nachkommt, kann doch wohl nur in grober Verkennung öffentlich-rechtlicher Grundsätze von einer Schadenersatzpflicht der Gemeinde gesprochen werden.

Dass die Anlegung neuer Straßezüge, deren Herstellung und Ausstattung mit Versorgungsleitungen der Stadtgemeinde bereits große Summen gekostet hat und noch kosten wird, die Zelgergründe zu Baugründen mit um ein Vielfaches gesteigertem Werte gemacht hat, erscheint den Zelger’schen Erben begreiflich und selbstverständlich. Dass aber die Stadtgemeinde in Wahrung der Bedürfnisse der Bevölkerung und auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung schließlich, als die Verbauungsfrage durch den Tod des Herrn Zelger aktuell wurde, nicht genau diejenige Baulinienführung wählte, die für das Zelger’sche Privatvermögen die vorteilhafteste wäre, erscheint den Zelger’schen Erben unbegreiflich, und sie halten dies für einen unverantwortlichen Eingriff in ihre Privatrechte.

Der Gemeinderat hat den Zelger’schen Erben in Erwiderung des von ihnen bei Eröffnung der Maximilianstraße gezeigten Entgegenkommens und um ihnen die sofortige Verwertung der Baugründe zu ermöglichen, für den fraglichen Platz und die denselben umführenden Straßen freiwillig den Betrag von über 80.000 Kronen angeboten, einen Preis, der weit über das Maß dessen hinausgeht, was die Zelger’schen Erben nach den Bestimmungen der Innsbrucker Bauordnung je erstreiten können, wenn nicht eine Entscheidung erfolgen sollte, die einen offenkundigen Rechtsirrtum bedeuten würde. Dieses Anbot vermochte nur die Heiterkeit der Zelger’schen Erben zu erwecken und zieht die Stadtgemeinde dasselbe hiermit zurück.

Es ist selbstverständlich, dass nunmehr nichts übrig bleibt, als die Angelegenheit vor den kompetenten Instanzen zum Austrag zu bringen. Nur sollen die Zelger’schen Erben bei dem bevorstehenden Streit nicht erwarten, dass die Stadtgemeinde ihnen hierbei behilflich sein und auf andere Interessen Rücksicht nehmen wird als auf die der Gemeinde.“

Der Antrag der Sektion wurde angenommen.