Innbrücke

Gegenüber Innstraße 5 / Innrain 1

Innbrücke

Man könnte sagen, die Innbrücke war die Geburtshelferin Innsbrucks. Sie ist Namensgeber für die Stadt und war lange Zeit die einzige Brücke, die die heutige Altstadt mit den älteren Stadtteilen St. Nikolaus und Mariahilf verband. Nicht umsonst ist sie bis heute im Stadtwappen vertreten. Die Innbrücke war es auch, die der Stadt ihren Wohlstand verschaffte. Die Grafen von Andechs erkannten die Bedeutung des Knotenpunkts zwischen Nord und Süd im Warenverkehr und ließen eine Brücke über den Inn bauen. Das hatte seinen Preis für die Händler. An der Innbrücke wurde Zoll auf Waren eingehoben, die nach Innsbruck kamen. Nicht nur füllte der Zoll die Stadtkasse, die Bürger genossen auch die Passage der Händler, die ansonsten im Alpenraum nur schwer verfügbare Güter teils zum Verkauf in der Stadt anbieten mussten. Wein, Bier, Fleisch, Salz, Gewürze, Textilien – Innsbruck hob sich dank des Warenverkehrs über die Innbrücke vom Umland ab. Für die Kaufleute war die Brücke eine sicherere, zuverlässigere und schnellere Möglichkeit den Fluss zu passieren.

1871 wurde die regelmäßig von Hochwasser zerstörte Holzbrücke durch eine von nur zwei Betonpfeilern getragene, 83 m lange Eisenfachwerkbrücke ersetzt. Damals hatte Innsbruck auf Grund der Eisenbahn und der Neuerungen im Transportwesen seine Bedeutung als Umschlagplatz verloren, der zunehmende innerstädtische Verkehr machte die Renovierung aber dringend notwendig. Auch der Innsteg östlich der großen Brücke, der eingerichtet wurde, um die damals durchaus noch übliche Fahrt mit der Fähre über den Inn endgültig zu ersetzen, wurde im selben Jahr gebaut. Bis dahin waren noch Flöße mit Waren, vor allem Holz aus dem Tiroler Oberland, am Inn unterwegs, die in St. Nikolaus anlegten. Der Waltherpark, früher Innpark, vor dem Turnusvereinshaus wurde nach Abriss des Floßabladeplatzes errichtet. 1982 wurde die Innbrücke in ihre aktuelle Form gebracht. Die letzte Renovierung und Verbreiterung fand 2023 statt.

Ein besonderes Schmankerl Innsbrucker Kulturgeschichte befindet sich mittig auf der Innbrücke. Das Kruzifix des Thaurer Künstlers Rudi Wach, das Christus in allzu menschlicher Art und Weise nackt und ohne Wunden zeigt, sollte 1986 aufgestellt werden. Unter dem Druck einer Unterschriftenkampagne besonders frommer Tiroler musste dieses „Skandalwerk“ bis 2007 im Volkskunstmuseum ausharren, bis Innsbrucks erste Bürgermeisterin Hilde Zach es doch noch aufstellen ließ, offiziell um dem Himmlischen für die Verschonung der Stadt vor dem Hochwasser von 2005 zu danken.

Die Grafen von Andechs und die Gründung Innsbrucks

Das 12. Jahrhundert brachte in Teilen Europas wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwung und gilt als eine Art früher Renaissance im Mittelalter. Über die Kreuzzüge kam es zum verstärkten Austausch mit den in vielerlei Hinsicht weiter entwickelten Kulturen des Nahen Ostens. Arabische Gelehrte brachten über Südspanien und Italien Übersetzungen griechischer Denker wie Aristoteles nach Europa. Das römische Recht wurde wiederentdeckt. In Italien entstanden die ersten Universitäten. Landwirtschaftliche Erkenntnisse erlaubten die Entstehung von Städten und größeren Siedlungen. Eine dieser Siedlungen befand sich nördlich des Klosters Wilten zwischen dem Inn und der Nordkette.

Als das weströmische Reich im 5. Jahrhundert zusammenbrach übernahmen bajuwarische Stämme die Kontrolle über das Gebiet des heutigen Innsbrucks. Gerne übernahmen sie kirchliche Einrichtungen und Strukturen, waren Kleriker doch häufig die einzigen, die der Schrift mächtig waren. Mit der Zeit Karls des Großen (748 – 814) begann sich in Zentraleuropa das Feudalsystem durchzusetzen. Die Herzöge von Bayern waren Lehensmänner der Deutschen Könige und Kaiser, deren Reich sich über weite Teile Zentraleuropas und Norditalien erstreckte.

Tirol hatte mit dem Reschen- und dem Brennerpass über zwei niedrige Alpenübergänge, die für die kaiserliche Verbindung zwischen den deutschen Ländern im Norden und den Ländereien in Italien wichtig waren. Im Jahr 1024 wurde Konrad II., ein Konkurrent der Bayerischen Herzöge, zum König gewählt. Um diese beiden Alpenübergänge weg von seinen bayrischen Konkurrenten und unter die Kontrolle der Kirche zu bringen, die dem Kaiser näher und treuer ergeben war, sprach Konrad II. das Territorium Tirols 1027 den Bischöfen von Brixen und Trient als Lehen zu. Um ihre Länder zu verwalten und die Gerichtsbarkeit auszuüben, benötigten die Bischöfe Vertreter vor Ort, die sogenannten Vögte. Die Vögte des Bischofs von Brixen waren die Grafen von Andechs. Sie stammten aus der Gegen des bayerischen Ammersees. Für die Bischöfe verwalteten sie den mittleren Teil des Inntals, das Wipptal und das Eisacktal. Dieses bayerische Fürstengeschlecht sollte in den nächsten 200 Jahren Geburtshelfer der Stadt Innsbruck werden.

Innsbruck erstreckt sich heute zu beiden Seiten entlang des Inns. Im 11. Jahrhundert stand dieses Gebiet unter dem Einfluss zweier Grundherren. Südlich des Inns hatte das Kloster Wilten seine Grundherrschaft. Das Gebiet nördlich des Inns gehörte den Grafen von Andechs. Während das südliche Stadtgebiet rund um das Stift schon früh landwirtschaftlich genutzt wurde, war das Schwemmgebiet des nicht regulierten Flusses vor dem Hochmittelalter nicht kultivierbar und wenig besiedelt. 1133 gründeten die Andechser hier den Markt Anbruggen und verbanden das nördliche und das südliche Innufer über eine Brücke. Aus dem landwirtschaftlich nicht nutzbaren Stück Land war ein Handelsplatz geworden. Die Brücke erleichterte den Warenverkehr in den Ostalpen ungemein. Die Zolleinnahmen des Handels zwischen den deutschen und italienischen Städten, die daraus erwirtschaftet wurden, ließen die Siedlung prosperieren. Das erste noch erhaltene Wappen Innsbrucks stammt aus dem Jahr 1267 und zeigt die Innbrücke auf den damals zur Sicherung verwendeten Steinkästen.

Anbruggen wuchs schnell, der Platz aber zwischen Nordkette und Inn war knapp bemessen. 1180 erwarb Berchtold V. von Andechs deshalb vom Kloster Wilten ein Stück Land auf der Südseite des Inns. Das war der Startschuss für Innsbruck. Die Grafen von Andechs ließen im Zuge der Errichtung der Stadtmauer die Andechser Burg bauen und verlegten ihren Stammsitz von Meran nach Innsbruck. Auch diese Siedlung wuchs rasch und irgendwann zwischen 1187 und 1204 konnten sich die Innsbrucker über das Stadtrecht freuen. Als offizielles Gründungsdatum wird häufig 1239 herangezogen, als vom letzten Grafen von Andechs Otto VIII. das Stadtrecht in einer Urkunde bestätigt wurde. Innsbruck war zu dieser Zeit bereits die Münzprägestätte der Andechser und wäre wohl zur Hauptstadt in deren Fürstentum geworden. Es kam aber anders. Otto starb im Jahr 1248 ohne Nachkommen. Die Grafen von Tirol übernahmen die Kontrolle über das Inntal und die Stadt. Sie machten Meran zur ersten Hauptstadt des Landes Tirol.

Die Macht der Geographie

Was jedem Besucher Innsbrucks zuallererst auffällt, sind die Berge, die die Stadt einzukesseln scheinen. Diese Bergwelt ist nicht nur wunderschön anzusehen, sondern beeinflusste schon immer vieles in der Stadt. Das fängt bei vermeintlichen Kleinigkeiten wie dem Wetter an, wie uns der zeitgenössische Blick aus vergangenen Tagen beweist:

"Eine eigene Erscheinung ist der warme Wind oder Scirocco. Er kommt aus dem Süden, prallt am Nordgebirge ab, und fällt mit Gewalt ins Thal. Er macht gern Kopfweh, schmelzt aber die winterlichen Schneemasen schnell und befördert die Fruchtbarkeit ungemein. Dadurch wird in Innsbruck die Pflanzung des Maises möglich"

Dieses Wetterphänomen mag seinen Namen von Scirocco auf Föhn geändert haben und Verkehr war 1851 noch kein großes Problem. Genau wie der Innsbrucker Autofahrer heute jammerten aber mit Sicherheit der Hufschmied in der Altstadt im Jahr 1450 und der aus Mittelitalien in die Alpen abkommandierte Legionär im Jahr 350 über den warmen Fallwind, der mehrmals pro Monat alle verrückt zu machen scheint. Waren früher die Menschen froh um die warme, den Schnee auf den Feldern schmelzende Luft, jammern Touristiker heute über die aperen Skipisten auf der Nordkette.

Die Lage zwischen dem Wipptal im Süden und der Nordkette beeinflusst nicht nur die Migränehäufigkeit, sondern auch die Freizeitgestaltung der Innsbrucker, wie Beda Weber erkannte. "Die Einwohner zeichnen sich durch ihre Leutseligkeit und Wohlthätigkeit aus, sie lieben besonders Landausflüge in der schönen Jahreszeit.“ Man mag über Leutseligkeit und Wohlthätigkeit der Innsbrucker streiten, Landausflüge in Form von Wanderung, Skitour oder Radfahren erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit. Kein Wunder, Innsbruck ist von Bergen umgeben. Innerhalb weniger Minuten kann man von jedem Ort in der Stadt aus mitten im Wald stehen. Junge Menschen aus ganz Europa verbringen ihre Studienzeit zumindest zu einem Teil an der Universität Innsbruck, nicht nur wegen der hervorragenden Professoren und Einrichtungen, sondern auch um ihre Freizeit auf den Pisten, Mountainbikerouten und Wanderwegen zu verbringen, ohne auf urbanes Flair vermissen zu müssen. Das ist Fluch und Segen zugleich. Die Universität als großer Arbeitgeber und Ausbildungsort kurbelt die Wirtschaft an, gleichzeitig steigen durch auswärtige Studenten die Lebenserhaltungskosten in der Stadt, die zwischen den Bergen eingeklemmt räumlich nicht weiterwachsen kann.

Der Aufstieg Innsbrucks zum politischen Zentrum Tirols im 15. Jahrhundert ist ebenfalls zu einem großen Teil auf die Lage der Stadt zurückzuführen. Die ehemalige Landeshauptstadt Meran hatte in ihrer Abgelegenheit keine Chance gegen den Knotenpunkt zwischen Brenner, Scharnitz und Achenpass. Der Brennerpass ist sehr niedrig und erlaubt es, den Alpengürtel, der sich rund um Italiens Nordgrenze schlängelt, verhältnismäßig einfach zu überqueren. In den Zeiten vor die Eisenbahn Waren und Menschen mühelos von A nach B brachte, war die Alpenüberquerung harte Arbeit, der Brenner eine willkommene Erleichterung.

Der Standort zwischen Italien und Deutschland begünstigte auch den Tourismus, der schon früh Fuß fassen konnte. Reisende schätzten die Kombination aus leichter Erreichbarkeit, städtischer Infrastruktur und alpinem Flair. Mit der Erschließung des Landes im Gebirge durch die Eisenbahn konnte man bequem anreisen, seine Freizeit in der Bergwelt oder einem der Kurbäder verbringen, ohne auf den Komfort des Stadtlebens verzichten zu müssen.

Neben den Bergen waren die Flüsse maßgeblich an der Entwicklung Innsbrucks beteiligt. Das Trinkwasser kam seit den Zeiten Maximilians von der Nordkette in einer Leitung in die Stadt, für alles andere waren Inn und Sill zuständig. Am Inn wurde gewaschen, Abfälle wurden entsorgt und das Vieh zur Tränke geführt. Waren wurden auf Flößen am Inn von Westen nach Innsbruck und von Innsbruck nach Osten verschifft. Die Innbrücke spülte Zolleinnahmen in die Stadtkassa. Ebenso wichtig wie der Inn war der kleinere Fluss, der Innsbruck durchquert. Dort wo heute die Sill die Sillschlucht verlässt, entstand am Grund des Stiftes Wilten der Sillkanal, der die Stadt mit Wasser versorgte. Anfangs vor allem zum Brandschutz gedacht, machten sich die Betriebe an diesem künstlich angelegten Kanal das fließende Wasser bald für den Betrieb von Mühlen zur Energiegewinnung dienstbar. Die Kleine Sill floss knapp 3 Kilometer von Wilten zur Innenstadt zum Gebiet der heutigen Ing.-Etzel-Straße im Saggen und Dreiheiligen bis zur Pradler Brücke, wo sie sich wieder mit dem Hauptfluss vereinigte. Knapp 700 Jahre lang versorgte der Sillkanal Innsbruck mit Wasser und Energie. Erst in den 1970er Jahren verschwanden die letzten Teile davon, nachdem Bombentreffer ihn während des Zweiten Weltkriegs beschädigt hatten.

Nicht zuletzt ist es der breite Talkessel, der die Entwicklung Innsbrucks begünstigte. Während die Bauern in den höhergelegenen Seitentälern harte Bedingungen vorfanden, bot das Inntal fruchtbaren Boden und genügend Fläche für Viehzucht und Ackerwirtschaft. Die Urbarmachung der Landschaft erlaubte das Wachstum der Stadt. Im 13. Jahrhundert war es rund um Innsbruck wie in vielen Teilen Europas deshalb zu frühen großen und langfristigen Eingriffen des Menschen für wirtschaftliche Zwecke in die Natur gekommen. Bis ins Hochmittelalter war das Inntal wesentlich stärker bewaldet gewesen. Durch das Städtewachstum und den Bevölkerungsaufstieg stieg auch der Bedarf nach Nahrungsmitteln. Anders als oft dargestellt, war das Mittelalter keine primitive Zeit des Stillstands, während der Menschen sich zum Allmächtigen betend den unerklärlichen Naturgewalten aussetzten. Es war eine dynamische Zeit, vor allem ab dem 12. Jahrhundert verließ man sich nicht mehr auf Gebete und Gottes Gnade, um den Auswirkungen regelmäßig auftretender Ernteausfälle zu entkommen. Innovationen wie die Dreifelderwirtschaft ermöglichten die Ernährung der landwirtschaftlich gesehen unproduktiven Stadtbevölkerung, die man im modernen Sprachgebrauch als Overhead bezeichnen würde. Der Mais, den Beda Weber schon 1851 im Innsbrucker Stadtbild für erwähnenswert hielt, wächst noch immer munter vor sich hin und gibt auch heute großen Flächen am Stadtrand einen landwirtschaftlichen Anstrich.