St. Nikolaus, Mariahilf, Hötting und Mühlau

Wissenswertes zu Hötting und der Koatlackn

Wenn man so will, nahm Innsbruck im 12. Jahrhundert seinen Anfang bei den als Fotomotiv so beliebten bunten Häusern am nördlichen Innufer. Um 1133 wurde in den heutigen Stadtteilen Mariahilf und St. Nikolaus von den Fürsten von Andechs ein Markt gegründet, von dem man in Urkunden als Ynbruggen sprach. Als die Stadt langsam über den Inn siedelte, etablierte sich für die Teile nördlich der Brücke der Name Anpruggen. Innsbruck war schon damals ein wichtiger Knotenpunkt für den Handelsverkehr. Ein Teil des Warenverkehrs zwischen den deutschen Ländern im Norden und den norditalienischen Städten im Süden führte über Innsbruck. Lange Zeit führte die Straße nach Westen über die heutige Schneeburggasse in Hötting. Die heutige Mariahilfstraße als Handelsweg wurde erst unter Kaiser Maximilian erschlossen, vorher verlief die Route von West nach Ost oberhalb von Mariahilf durch das noch eigenständige Dorf Hötting. Silber aus Schwaz und Salz aus Hall wurden über die Salzstraße Richtung Schweiz gehandelt.

St. Nikolaus galt sehr lange als verelendeter Stadtteil Innsbrucks. Die „Koatlackn“ beherbergte die ärmeren Bevölkerungsteile. Der Name „Koatlackler“ für seine Anwohner kommt von Überschwemmungen und dem von der Stadt abgeleiteten, verschmutzten Wasser, das flussabwärts in St. Nikolaus landete, eben in der „Koatlackn„. Einen großen Teil zur „Koatlackn“ trugen auch die Metzger und die Fleischbank an der Innbrücke bei, die ihre Fleischabfälle im Inn entsorgten. Es ist kein Zufall, dass der Stadtteil den Namen des Heiligen Nikolaus von Myra trägt, war er doch unter anderem der Schutzheilige der weniger vom Leben begünstigten wie Prostituierten und Kriminellen. In St. Nikolaus war all das ansässig, was man in der Stadt nicht haben wollte, für das Funktionieren aber unabdingbar war wie die Hinrichtungsstätte Köpflplatz und das Zucht- und spätere Arbeitshaus. Vom Mittelalter bis 1789 befand sich hier das Sondersiechenhaus für Menschen mit ansteckenden Krankheiten wie der Pest. Während das normale Spital noch in unmittelbarer Nähe zur Stadt war, wollte man die hochansteckenden Kranken und sozial Allerschwächsten weiter weghaben. Auch der jüdische Friedhof befand sich in St. Nikolaus am Judenbühel etwas unter dem Alpenzoo. Die unter Maximilian 1485 angelegte Trinkwasserleitung von der Nordkette, die die Innsbrucker Brunnen speiste, verlief durch St. Nikolaus. Innsbruck hatte das große Glück, durch die nahen Berge an frisches Trinkwasser zu kommen. Bis zur Erbauung der Trinkwasserleitung war Innsbruck wie andere Städte vom Wasser in den Brunnen abhängig. Das Wasser war häufig abgestanden und voller Krankheitserreger. Bier und Wein galten nicht umsonst als ungefährlicheres Alltagsgetränk als Wasser. Die Transportwege nach Osten führten direkt durch die heutige St-Nikolaus-Gasse. Östlich des heutigen Waltherparks befand sich die Floßlände, auf der die Warenabladung der Innschifffahrt abgewickelt wurde. Heute finden sich in den „bunten“ Stadtteilen Anpruggens, St. Nikolaus und Mariahilf, entlang des Inns viele Kneipen, Lokale und kleine Geschäfte.

Hötting war bis zu seiner Eingemeindung 1938 ein eigenes Dorf.  Die Höttinger galten stets als wilde Gesellen, kein Wunder, waren es doch vor allem Handwerker, Büchsengießer, Bauern und Arbeiter aus dem Bergwerk unter der Hungerburg, die im Dorf ansässig waren. Nach der Industrialisierung zogen die Arbeiter der Betriebe wie der Rauchmühle nach Hötting. 1923 stand in der Zeitung zu lesen:

„Kürzlich wurde in der Schneeburggasse einem 14jährigen Buben zwei Pistolen abgenommen, mit denen er sich angeblich mit Spatzenschießen vergnügt hatte. Kurz vorher wurde auf dem Platze der Hund des Handelsmannes Inwinkel angeschossen. Das Geschoß drang dem Tiere in den Kopf. Da auch viele Kinder gerade auf diesem Platze spielten, kann noch von einem Glücke gesprochen werden, daß durch die Schießerei kein größeres Unheil entstand. Der Fall dürfte noch ein gerichtliches Nachspiel haben.“

Im politisch radikalen und aufgeheizten Klima der Zwischenkriegszeit galt das Dorf oberhalb Innsbrucks als das „Rote Hötting“. Die Höttinger Saalschlacht von 1932, die in Innsbruck legendären Ruf genießt, war dem Ruf des Stadtteils als heißes Pflaster ebenfalls zuträglich. Das angrenzende Mühlau war ebenfalls von der Industrialisierung ergriffen worden. Das Weyrerareal war schon früh Produktionsstandort. Mühlau war auch Standort einer Kuranstalt. Was heute undenkbar wäre, funktionierte im Innsbruck des 19. Jahrhunderts. Wenige Meter von der Textilfabrik entfernt gab es mit dem Badehaus Mühlau eine Kuranstalt. Innsbruck war mittlerweile gut an das Bahnnetz angebunden und leicht für Gäste erreichbar. Das Bergpanorama versprühte alpinen Charme und ermöglichte dem nicht ausschließlich an der Gesundheit interessierten Reisenden und seiner Begleitung, anders als in abgelegenen Orten wie Davos, ein wenig Zerstreuung zwischen den Anwendungen, wie im Magazin Der Alpenfreund 1870 zu lesen war:

„Ist der Alpenfreund aber mit Familie gesegnet, so brauchen ihn weder Rücksichten auf die allfälligen nervösen Zustände und Anfälle der lieben Ehefrau, noch auf die skrophulösen Leiden eines aus den Kindern abzuhalten, alle Sorgen und Kümmernisse und Beschwerden des Geschäftslebens auf dem naheliegenden Gebirge auszuatmen. Er nehme nur seine Lieben mit nach Mühlau, überlasse die Heilung getrost der Obsorge des Besitzers erwähnten Etablissements, Dr. Schlechter, der mit Kaltwasserkur, Soolebädern, Gymnastik und Elektro-Magnetismus seine Heilzwecke schon zu erreichen wissen wird, und – wandere selbst getrost dem Himmel entgegen auf die Berge! (Anm.: zitiert aus sagen.at)“

Das Badehaus Mühlau ist heute ein sehenswertes Wohnhaus, das architektonisch im Stil des 19. Jahrhunderts erhalten wurde in der Anton-Rauch-Straße 30. Mittlerweile sind Hötting und Mühlau gutbürgerliche Viertel, in dem weder magnetische Anwendungen verabreicht werden noch umstürzlerische Gefahren drohen.