Pradl & Amras

Wissenswertes zu Amras & Pradl

Pradl und Amras, heute zwei separate Stadtteile, waren bis 1904 eine Gemeinde. In diesem Jahr wurde Pradl, gleichzeitig mit Wilten, eingemeindet. Innsbruck war bis an die Grenzen gewachsen. Die Verbindung mit Pradl war der nächste logische Schritt, zumal die kleine Gemeinde die notwendigen finanziellen Mittel zur Verbesserung der Infrastruktur nicht aufbringen konnte. Das Trinkwasser Pradls verbreitete noch im 20. Jahrhundert Typhus, von Modernisierung war wenig bis nichts zu spüren. Bei einer Bürgerversammlung 1902 stimmte eine erhebliche Mehrheit der Pradler für den Zusammenschluss. In Amras war die Mehrheit gegen die Eingemeindung, weshalb sich Pradl zuerst von Amras abspalten musste, um ein Teil Innsbrucks werden zu können. Der Name Pradl geht wohl auf den lateinischen Ausdruck Pratellum, kleine Wiese, zurück, was auf eine römische Besiedlung des Gebiets hinweist. Bis zur Industrialisierung war Pradl eine kleine ländliche Siedlung zwischen der Sill und der heutigen Pradler Pfarrkirche mit 20 Bauernhäusern, die sich aus einem Gutshof der Grafen von Andechs entwickelt hatten. Der älteste Bauernhof kann gar bis ins 13. Jahrhundert nachgewiesen werden. Folgt man den Polizeiakten des Jahres 1748 waren Pradls Bauern in der Viehzucht tätig, wurden doch vor allem Pradler Metzger für die Überschreitung der Fleischtare mit Geldbußen belegt. Als sich im 19. Jahrhundert die Baumwollspinnerei Herrburger und Rhomberg (1839), die Seifenfabrik Epp (1885) und das Gaswerk (1859) ansiedelten und nach und nach vergrößerten, wuchs der Stadtteil schnell. Auch die zunehmende Bedeutung der Eisenbahn und der nahe Bahnhof hatten einen Anteil am regen Zuzug. 1900 hatte Pradl nur um die 2000 Einwohner, heute ist es der größte Stadtteil Innsbrucks. Vom ehemaligen Ortskern beim Florianibrunnen wurden nach Süden hin Zinshäuser im Heimatstil oder dem klassizistischen Historismus als Wohnstätten für die Arbeiter und Angestellten gebaut. Die Fabriksarbeiter hatten, obwohl sie immer noch zu den ärmeren Bevölkerungsteilen zählten, nicht das Los der Verelendung zu teilen, das dem Proletariat in anderen großen Städten durch den ungezügelten Kapitalismus zugemutet wurde. Das war wohl neben der kirchlichen Dominanz mit ein Grund, warum Kommunismus und Sozialismus in Tirol nur gebremst Fahrt aufnahmen. Die Straßenzüge entstanden am Reißbrett. Die großen Wohnanlagen weiter im Osten in der Pembaurstraße oder der Gabelsbergerstraße wurden nach den damals neuesten Erkenntnissen in der Architektur mit geräumigen Innenhöfen und viel Grün angelegt. Der soziale Wohnbau wurde von seinem architektonischen Vertreter in Innsbruck Theodor Prachensky nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ weiterentwickelt. Viele dieser Häuser und Wohnanlagen kann man bis heute noch sehen. Ab 1912 führte die Straßenbahn von der Stadt nach Pradl. 1927 wurde in der sozialen Not der Nachkriegszeit das Obdachlosenheim in der Hunoldstraße eröffnet. Wie die Menschen die Verstädterung des ehemals ländlichen Bereichs erlebten, lässt uns der Innsbrucker Schriftsteller Josef Leitgeb in einem seiner Texte wissen:

„…viel fremdes, billig gekleidetes Volk, in wachsenden Wohnblocks zusammengedrängt, morgens, mittags und abends die Straßen füllend, wenn es zur Arbeit ging oder von ihr kam, aus Werkstätten, Läden, Fabriken, vom Bahndienst, die Gesichter oft blaß und vorzeitig alternd, in Haltung, Sprache und Kleidung nichts Persönliches mehr, sondern ein Allgemeines, massenhaft Wiederholtes und Wiederholbares: städtischer Arbeitsmensch. Bahnhof und Gaswerk erschienen als Kern dieser neuen, unsäglich fremden Landschaft.“

Zwischen 1939 und 1945 wurden die Südtirolersiedlungen im Osten Pradls gebaut. Eichhof, Ahornhof und Lindenhof prägen mit ihren großen Innenhöfen noch heute das Bild Pradls. Auf dem Areal des ehemaligen Gaswerkes entstand ab 1974 der Stadtpark Rapoldi, ein bei Jung und Alt beliebtes Naherholungsgebiet mit Liegewiesen, Ententeich, Sportanlagen und Spielplätzen. Der Rapoldipark genoss nicht immer den besten Ruf, Pradler sind trotzdem stolz auf ihren grünen Stadtteil am Rand der Innenstadt, frei nach dem Motto: „In Pradl wohnt der Adel“. Seit den 1990er Jahren wird der Park und damit auch Pradl zur Innenstadt hin vom Einkaufszentrum Sillpark abgeschlossen. Die vielleicht größte Veränderung erfuhr Pradl aber mit der Umgestaltung des Tivoliareals seit dem Jahr 2000. Das alte Fußballstadion samt Trainingsgelände und Leichtathletikanlage wurde abgerissen und das 1961 eröffnete Schwimmbad umgestaltet. Die Sportanlagen fanden hinter dem Olympiastadion eine neue Heimat. Wo einst die Fans und Spieler der Innsbrucker Fußballvereine fieberten und feierten entstand ein komplett neues Stadtviertel mit über 400 Wohnungen, Altersheim, Kindergarten, Spielplatz, Supermärkten, Bürogebäude und Skateboardpark.

Das Dorf Amras entstand unterhalb des heutigen Schloss Ambras. Erstmals erwähnt wurde es schriftlich bereits im Jahr 837 als „locus omeras“.  Die Grafen von Andechs erbauten hier wenig später, oberhalb von Omeras, ihre Burg. Amras war eine Siedlung mit eigener Verwaltung, ein typisches, rural geprägtes Tiroler Dorf. Pradl war ein Teil Amras´, ebenso einige der Bauernhöfe an der Sill und ein großer Gutshof in der Reichenau. Kirchlich gehörte Amras bis 1256 nicht zum Stift Wilten, sondern zu Ampass. Dort wo heute das Einkaufszentrum DEZ an das alte Dorf anschließt, befand sich bis ins 19. Jahrhundert der Amraser See, der nach und nach vermoorte und heute nur noch auf alten Bildern und von der Amraser-See-Straße in Erinnerung gehalten wird. Kaiser Maximilian hatte hier in der Nähe Innsbrucks Fische züchten lassen. Einen Eindruck vom frühneuzeitlichen Amras gibt laut einer kunsthistorischen Untersuchung von Wilhelm Fischer aus dem Jahr 1951 das berühmte Gemälde Winterlandschaft des niederländischen Malers Pieter Bruegel (circa 1525 – 1569), das im Wiener Kunsthistorischen Museum hängt. Bruegel war neben dem apokalyptisch veranlagten Hieronymus Bosch der bekannteste Vertreter der flämischen Malerei der Zeit um 1500. Zwischen 1552 und 1555 hatte er sich nach seiner Ausbildung in Antwerpen nach Italien begeben, um sich dort im Geist der Zeit mit der Renaissancekunst zu beschäftigen. Diese Zeit ging als Anfang der Kleinen Eiszeit, die sich vom 15. Jahrhundert in unterschiedlicher lokaler Ausprägung bis ins 19. Jahrhundert zog, in die Geschichte ein. Auch in Tirol sorgte dieser kleine Klimawandel für eine höhere Quote an Ernteausfällen und zu großen wirtschaftlichen Verwerfungen und Versorgungsengpässen. Auf seiner Rückreise nach Nordeuropa machte Bruegel wie viele Zeitgenossen in Innsbruck Rast und ließ sich von Landschaft und Menschen inspirieren. Anders als wenige Jahre zuvor Albrecht Dürer auf seinem bekannten Aquarell, das eine Stadtansicht Innsbrucks zeigt, hielt er wie auf den meisten seiner Bilder eine Alltagsszene fest. Zwar siedelt er die Szene in den Niederlanden an, wie man an einigen Details wie dem Schild des Gasthofes erkennen kann, die winterliche, alpine Landschaft passt aber recht genau in die Perspektive, die man vom heutigen Ortsteil mit Blick nach Norden hat. Im Vordergrund sieht man eine Jagdgesellschaft, die mutmaßlich vom damals noch nicht ummauerten Schloss Ambras ins Inntal zurückkehrt. Im Hintergrund tummeln sich Erwachsene und Kinder beim Eislaufen und Spielen am See vor der Kulisse des Karwendels und des Inntals. Das bäuerliche Dorf Amras und das Treiben darin scheinen den Meister nachhaltig genug beeindruckt zu haben, dass er zurück in der Heimat das Erlebte zwölf Jahre später in Öl festhielt. Ob die eislaufenden Bauern nun Tiroler oder Flamen, die Bruegel in eine Tiroler Szenerie versetzte, sind, soll uns nicht weiter kümmern.

1938, also 34 Jahre nach Pradl wurde Amras im Rahmen der reichsweiten Eingliederungen unter den Nationalsozialsten in Innsbruck eingemeindet. Der Bau von größeren urbanen Wohnhäusern nahm erst später seinen Anfang, was sich im Baustil niederschlägt. Während in Pradl viele Häuser aus der Zeit um die Jahrhundertwende stammen, werden die Wohnblöcke in Amras von der Nachkriegsarchitektur dominiert. Ur-Amraser fühlen sich bis heute noch vielfach als Bewohner eines eigenen Dorfes, Innsbrucker ist man nur widerwillig. Im Osten der Philippine-Welser-Straße befinden sich heute noch einige der schönen Bauernhäuser, die den rural erhaltenen Stadtteil im Amraser Selbstverständnis charakterisieren. Östlich an Amras schließt ein Gewerbegebiet mit Einkaufszentren an, im Westen der Pradler Friedhof.