Quaternionenadler
Herzog-Friedrich-Straße 35
In der Nähe des Altstadteingangs befindet sich mit dem Quaternionenadler unter dem Laubengang der Herzog-Friedrich-Straße 35 ein sehr interessantes imperiales Zeugnis Innsbrucks. Der Quaternionenadler, auch Blutbannadler genannt, galt als Symbol für die Einheit aus Kaisertum, den einzelnen Ländern des Kaiserreichs, der Kirche und den Landständen. Die Darstellung zeigt die Wappen der einzelnen Länder des Heiligen Römischen Reiches. Unter der Maiestas domini, der Herrschaft Christi, die gleichsam wie ein Mantel um all diese Institutionen liegt, sollten sich diese einzelnen Instanzen, Fürsten und Länder harmonisch vereinen.
Der Quaternionenadler Innsbrucks wurde 1496 am Haus des Stadtrichters, bekannt als Kohlegger-Haus, als Symbol für die Symbol des kaiserlichen Rechts angebracht. Innsbruck hatte unter der Herrschaft Kaiser Maximilians I. als Residenzstadt an Bedeutung gewonnen und sollte mehr Verfügungsgewalt haben. Deshalb gestand der Regent dem damaligen Stadtrichter Walter Zeller die Hohe Gerichtbarkeit, also die Verhängung der Todesstrafe bei Blutverbrechen zu, ein Recht, das normalerweise dem Landesfürsten vorenthalten war. Dieses Blutrecht an den Stadtrichter zu vergeben, blieb ein einmaliges Experiment. Aus Stolz und Dankbarkeit dem Kaiser gegenüber ließ Zeller die Malerei an seinem Haus anbringen. Während einer Pestwelle im 17. Jahrhundert wurde das Kunstwerk wie viele andere auch überpinselt. Erst in den 1930er Jahren tauchte das Gemälde wieder auf. Dass es bis heute ohne Verwüstung besteht, grenzt an ein kleines Wunder.
Das Heilige Römische Reich
Der Staat Österreich ist eine recht junge Erfindung, ebenso die Staatsbürgerschaft. Über mehr als 1000 Jahre war Innsbruck ein Land des Heiligen Römischen Reiches. Innsbrucker waren Untertanen des Kaisers. Und Untertanen des Tiroler Landesfürsten. Und ihres Grundherrn. Falls sie das Bürgerrecht hatten, waren sie auch Innsbrucker. Und sehr wahrscheinlich auch Christen. Was sie nicht waren, zumindest nicht bis 1806, war Österreicher. Was aber war dieses Heilige Römische Reich. Und wer war der Kaiser? Und war er wirklich mächtiger als der König?
Das Kaiserreich war ein Zusammenschluss einzelner Länder, geprägt von Konflikten und Zankereien um Macht, sowohl zwischen den Fürsten des Reiches untereinander wie auch zwischen den Fürsten und dem Kaiser. Es hatte keine Hauptstadt. Das Zentrum des Reiches war dort, wo der Kaiser war, der seine Residenzen immer wieder änderte. Kaiser Maximilian I. machte Innsbruck zu einer seiner Residenzstädte, was einem Turbo für die Entwicklung der Stadt gleichkam. Nationalität und gefühlte Zugehörigkeit spielte für die Staatszugehörigkeit, bis ins 19. Jahrhundert weniger eine Rolle als heute. Das Christentum war das Band, das vieles zusammenhielt. Institutionen wie das Reichskammergericht oder der Reichstag wurden erst im späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit eingeführt, um die Verwaltung zu erleichtern und Streitigkeiten unter den einzelnen Landesfürsten beizulegen. Die Goldene Bulle, die unter anderem die Wahl des Kaisers regelten, war eine sehr einfache Form einer frühen Verfassung. Drei geistliche und 4 weltliche Kurfürsten wählten ihr Oberhaupt. Im Reichstag hatten die Fürsten Sitz und Stimme, der Kaiser war von ihnen abhängig. Um sich durchzusetzen, bedurfte er einer starken Hausmacht. Die Habsburger konnten dabei unter anderem auf Tirol zurückgreifen. Tirol war auch einer der Zankäpfel zwischen den Habsburgern und den Herzögen von Bayern, obwohl beide dem Heiligen Römischen Reich angehörten. Innsbruck wurde mehrmals von den Bayern besetzt.
Hierarchie innerhalb des feudalen Lehensystems war streng geordnet vom Kaiser bis zum Bauern. Kaiser und Könige erhielten Macht und Legitimation direkt von Gott. Das Feudalsystem war gottgewollt. Bauern arbeiteten am Feld, um den für das Seelenheil betenden Klerus und die für die Schutzlosen kämpfenden und den Klerus beschützende Aristokratie zu ernähren. Es war eine Dreierbeziehung in der eine Seite Gebet für das Seelenheil, eine Seite Schutz und die dritte Seite Gehorsam, Treue und Arbeit einbrachten.
Diese Treue mag uns Staatsbürgern moderner Prägung fremd erscheinen, sind die Pflichten heutzutage über Steuern, der Einhaltung von Gesetzen, Wahlen oder Präsenzdienst abstrakter und wesentlich weniger persönlich. Bis ins 20. Jahrhundert hinein baute das Feudalsystem aber genau darauf auf. Treue basierte nicht wie die heutige Staatsbürgerschaft auf einem Geburtsrecht. Der „österreichische“ Militär Prinz Eugen mag französischer Abstammung gewesen sein, trotzdem kämpfte er in der Armee Leopolds I., des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches gegen Frankreich. Er war ein Untertan des Erzherzogs von Österreich mit Wohnsitzen in Wien und Ungarn. Während man gebürtiger US-Amerikaner sein muss, um Präsident werden zu können, war aber auch umgekehrt der Herrscher nicht an eine angeborene Nationalität gebunden. Kaiser Karl V. wurde im heute belgischen Gent geboren, wuchs am burgundischen Hof auf, wurde spanischer König, bevor er das Erzherzogtum Österreich erbte und später zum Kaiser gewählt wurde. Germanicus zu sein bedeutete nicht, Deutscher zu sein, es bezog sich meist auf die Alltagssprache, die eine Person verwendete.
Als Karl der Große im Jahr 800 in Rom zum Römisch-Deutschen Kaiser gekrönt wurde, trat er das Erbe der römischen Kaiser mit göttlicher Legitimation durch die Salbung des Papstes an. und gleichzeitig als weltlicher Schutzherr des Papstes an. Der Kaiser war im Gegenzug die Schutzmacht des Heiligen Vaters auf Erden. Das Heilige Römische Reich unter dem Mantel des Kaisers hörte erst 1806 zu Zeiten der Napoleonischen Kriege auf zu existieren. Zentraleuropa begann sich ab dieser Zeit langsam in eine Ansammlung von Nationalstaaten nach dem Vorbild Frankreichs und Englands zu verwandeln.
Die Idee des Römischen Reiches ging auf eine abenteuerliche, sehr alte Vorstellung zurück, dass das antike Rom weiter Bestand haben musste. Die Römisch-Deutschen Kaiser verstanden sich als direkte Nachfolger der Römischen Kaiser der Antike. Für gläubige Christen war es laut der Lehre der Vier Weltreiche von enormer Wichtigkeit, dass das Kaisertum fortbestand. Grundlage der Lehre der Vier Weltreiche war das Buch Daniel des Alten Testaments. Laut dieser Geschichte träumte der babylonische König Nebukadnezar von vier aufeinanderfolgenden Weltreichen. Mit dem Ende des vierten Weltreiches ginge dem Propheten nach auch die Welt unter. Der christliche Kirchenvater Hieronymus deutete diese vier Reiche um 400 nach Christus als die Abfolge Babylon, Persien, Griechenland und eben dem Römischen Kaiserreich. Das Ende der römischen Herrschaft bedeutete im Glauben des Mittelalters gleichzeitig das Ende der Welt und somit durfte Rom nicht untergehen. Über diese sogenannte Translatio Imperii, also die Übertragung des Rechtsanspruchs des Imperium Romanum der Antike auf die Römisch Deutschen Kaiser nach Karl dem Großen, wurde die Beständigkeit Roms formell gewahrt und die Erde konnte fortbestehen.
Innsbruck und das Haus Habsburg
Innsbrucks Innenstadt wird heute von Gebäuden und Denkmälern geprägt, die an die Familie Habsburg erinnern. Die Habsburger waren über viele Jahrhunderte ein europäisches Herrscherhaus, zu dessen Einflussbereich verschiedenste Territorien gehörten. Am Zenit ihrer Macht waren sie die Herrscher über ein „Reich, in dem die Sonne nie untergeht“. Durch Kriege und geschickte Heirats- und Machtpolitik saßen sie in verschiedenen Epochen an den Schalthebeln der Macht zwischen Südamerika und der Ukraine. Innsbruck war immer wieder Schicksalsort dieser Herrscherdynastie. Besonders intensiv war das Verhältnis zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert. Durch die strategisch günstige Lage zwischen den italienischen Städten und deutschen Zentren wie Augsburg und Regensburg kam Innsbruck spätestens nach der Erhebung zur Residenzstadt unter Kaiser Maximilian ein besonderer Platz im Reich zu. Manche der Habsburger Landesherren hatten weder eine besondere Beziehung zu Tirol noch brachten sie diesem deutschen Land besondere Zuneigung entgegen. Ferdinand I. (1503 – 1564) wurde am spanischen Hof erzogen. Maximilians Enkel Karl V. war in Burgund aufgewachsen. Als er mit 17 Jahren zum ersten Mal spanischen Boden betrat, um das Erbe seiner Mutter Johanna über die Reiche Kastilien und Aragorn anzutreten, sprach er kein Wort spanisch. Als er 1519 zum Deutschen Kaiser gewählt wurde, sprach er kein Wort Deutsch.
Tirol war Provinz und als konservativer Landstrich der Herrscherfamilie meist zugetan. Die schwer zugängliche Lage machte es zum perfekten Fluchtort in unruhigen und krisenhaften Zeiten. Karl V. (1500 – 1558) floh während einer Auseinandersetzung mit dem protestantischen Schmalkaldischen Bund für einige Zeit nach Innsbruck. Ferdinand I. (1793 – 1875) ließ seine Familie fern der osmanischen Bedrohung im Osten Österreichs in Innsbruck verweilen. Franz Josef I. genoss kurz vor seiner Krönung im turbulenten Sommer der Revolution 1848 gemeinsam mit seinem Bruder Maximilian, der später als Kaiser von Mexiko von Aufständischen Nationalisten erschossen wurde, die Abgeschiedenheit Innsbrucks. Eine Tafel am Alpengasthof Heiligwasser über Igls erinnert daran, dass der Monarch hier im Rahmen seiner Besteigung des Patscherkofels nächtigte.
Nicht alle Habsburger waren stets glücklich in Innsbruck zu sein. Angeheiratete Prinzen und Prinzessinnen wie Maximilians zweite Frau Bianca Maria Sforza oder Ferdinand II. zweite Frau Anna Caterina Gonzaga strandeten ungefragt nach der Hochzeit in der rauen, deutschsprachigen Bergwelt. Stellt man sich zudem vor, was ein Umzug samt Heirat von Italien nach Tirol zu einem fremden Mann für einen Teenager bedeutet, kann man erahnen, wie schwer das Leben der Prinzessinnen war. Kinder der Aristokratie wurden bis ins 20. Jahrhundert vor allem dazu erzogen, politisch verheiratet zu werden. Widerspruch dagegen gab es keinen. Man mag sich das höfische Leben als prunkvoll vorstellen, Privatsphäre war in all dem Luxus nicht vorgesehen.
Als Sigismund Franz von Habsburg (1630 – 1665) als letzter Landesfürst kinderlos starb, war auch der Titel der Residenzstadt Geschichte und Tirol wurde von einem Statthalter regiert. Der Tiroler Bergbau hatte an Wichtigkeit eingebüßt. Kurz darauf verloren die Habsburger mit Spanien und Burgund ihre Besitzungen in Westeuropa, was Innsbruck vom Zentrum an den Rand des Imperiums rückte. In der K.u.K. Monarchie des 19. Jahrhunderts war Innsbruck der westliche Außenposten eines Riesenreiches, das sich bis in die heutige Ukraine erstreckte. Franz Josef I. (1830 – 1916) herrschte zwischen 1848 und 1916 über ein multiethnisches Vielvölkerreich. Sein neoabsolutistisches Herrschaftsverständnis allerdings war aus der Zeit gefallen. Österreich hatte seit 1867 zwar ein Parlament und eine Verfassung, der Kaiser betrachtete diese Regierung allerdings als „seine“. Minister waren dem Kaiser gegenüber verantwortlich, der über der Regierung stand. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zerbrach das marode Reich. Am 28. Oktober 1918 wurde die Republik Tschechoslowakei ausgerufen, am 29. Oktober verabschiedeten sich Kroaten, Slowenen und Serben aus der Monarchie. Der letzte Kaiser Karl dankte am 11. November ab. Am 12. November erklärte sich „Deutschösterreich zur demokratischen Republik, in der alle Gewalt vom Volke ausgeht“. Das Kapitel der Habsburger war beendet.
Bei allen nationalen, wirtschaftlichen und demokratiepolitischen Problemen, die es in den Vielvölkerstaaten gab, die in verschiedenen Kompositionen und Ausprägungen den Habsburgern unterstanden, die nachfolgenden Nationalstaaten schafften es teilweise wesentlich schlechter die Interessen von Minderheiten und kulturellen Unterschiede innerhalb ihres Territoriums unter einen Hut zu bringen. Seit der EU-Osterweiterung wird die Habsburgermonarchie von einigen wohlmeinenden Historikern als ein vormoderner Vorgänger der Europäischen Union gesehen. Gemeinsam mit der katholischen Kirche prägten die Habsburger den öffentlichen Raum über Architektur, Kunst und Kultur. Goldenes Dachl, Hofburg, die Triumphpforte, Schloss Ambras, der Leopoldsbrunnen und viele weitere Bauwerke erinnern bis heute an die Präsenz der wohl bedeutendsten Herrscherdynastie der europäischen Geschichte in Innsbruck.
Big City Life im frühen Innsbruck
Innsbruck hatte sich von einem römischen Castell nach Hunderten von Jahren zu einer Stadt entwickelt. Mit dieser rechtlichen Anerkennung durch den Landesfürsten gingen Rechte und Pflichten einher: Marktrecht, Baurecht, Zollrecht und eine eigene Gerichtsbarkeit gingen auf die Stadt über. Die Einhaltung der religiösen Ordnung wurde ebenfalls von der Stadt überwacht. „Ketzer“ und Querdenker wurden nicht von der Kirche, sondern der Stadtregierung gemaßregelt und im Fall der Fälle auch in den Kerker verfrachtet. Die Stadtbürger unterlagen nicht mehr direkt dem Landesfürsten, sondern der städtischen Gerichtsbarkeit, zumindest innerhalb der Stadtmauern. Das geflügelte Wort "Stadtluft macht frei" rührt daher, dass man nach einem Jahr in der Stadt von allen Verbindlichkeiten seines ehemaligen Grundherrn frei war. Die Bürger mussten im Gegenzug den Bürgereid leisten. Dieser Bürgereid beinhaltete die Abgabe von Steuern und die militärische Verteidigung der Stadt. Ab 1511 war der Stadtrat laut dem Landlibell Kaiser Maximilians auch verpflichtet ein Kontingent an Wehrpflichtigen für die Landesverteidigung zu stellen. Darüber hinaus gab es Freiwillige, die sich im Freifähnlein der Stadt zum Kriegsdienst melden konnten, so waren zum Beispiel bei der Türkenbelagerung Wiens 1529 auch Innsbrucker unter den Stadtverteidigern.
Innsbruck hatte eine gänzlich andere soziale Zusammensetzung als die umliegenden Dörfer. Handwerker, Händler, Beamte und Dienstboten des Hofstaats bestimmten den Alltag. Handwerker zählten, anders als Bauern, zu den mobilen Schichten im Mittelalter und der frühen Neuzeit. Sie gingen nach der Lehrzeit auf die Walz, bevor sie sich der Meisterprüfung unterzogen und entweder nach Hause zurückkehrten oder sich in einer anderen Stadt niederließen. Über Handwerker erfolgte nicht nur Wissenstransfer, auch kulturelle, soziale und politische Ideen verbreiteten sich in Europa durch sie. Die Handwerkszünfte übten teilweise eine eigene Gerichtsbarkeit neben der städtischen Gerichtsbarkeit unter ihren Mitgliedern aus. Es waren soziale Strukturen innerhalb der Stadtstruktur, die großen Einfluss auf die Politik hatten. Löhne, Preise und das soziale Leben wurden von den Zünften unter Aufsicht des Landesfürsten geregelt. Man könnte von einer frühen Sozialpartnerschaft sprechen, sorgten die Zünfte doch auch für die soziale Sicherheit ihrer Mitglieder bei Krankheit oder Berufsunfähigkeit. Die einzelnen Gewerbe wie Schlosser, Gerber, Plattner, Tischler, Bäcker, Metzger oder Schmiede hatten jeweils ihre Zunft, der ein Meister vorstand.
Im 15. Jahrhundert wurde der Platz eng im rasch wachsenden Innsbruck unter Maximilian I. Es war nur noch freien Untertanen aus ehelicher Geburt möglich, das Stadtrecht zu erlangen. Nicht mehr jeder durfte in die Stadt ziehen. Um Stadtbürger zu werden, mussten entweder Hausbesitz oder Fähigkeiten in einem Handwerk nachgewiesen werden, an der die Zünfte der Stadt interessiert waren. Der Streit darum, wer ein „echter“ Innsbrucker ist, und wer nicht hält sich bis heute. Dass Migration und Austausch mit anderen immer schon die Garantie für Wohlstand waren und Innsbruck zu der lebenswerten Stadt gemacht haben, die sie heute ist, wird dabei oft vergessen.
Ab dem 14. Jahrhundert besaß Innsbruck nachweisbar einen Stadtrat und einen Bürgermeister, der von der Bürgerschaft jährlich gewählt wurde. Es waren keine geheimen, sondern öffentliche Wahlen, die alljährlich rund um die Weihnachtszeit abgehalten wurden. Im Innsbrucker Geschichtsalmanach von 1948 findet man Aufzeichnungen über die Wahl des Jahres 1598.
Der Erhardstag, d.i. der 8. Jänner, spielte alljährlich im Leben der Innsbrucker Bürger eine große Rolle. An diesem Tage versammelten sie sich zur Wahl der Stadtobrigkeit, nämlich des Bürgermeisters, Stadtrichters, Gemeinredners und des zwölfgliedrigen Rates…. Ein genaues Bild über den Ablauf dieser Wahlen in den Jahren 1598 bis 1607 vermittelt ein im Stadtarchiv verwahrtes Protocoll: „… Das Läuten der großen Glocke rief Rat und Bürgerschaft auf das Rathaus und dann als ein ehrsamer Rat und ganze Gmein aufm Rathaus versammelt gwest, ist anfangs ein ehrsamer Rat in der Ratstuben zusammen gesessen und des nächsten Jahr her gwesten Bürgermeisters, Augustin Tauschers, Urlaub angehört.“
Der Bürgermeister vertrat die Stadt gegenüber den anderen Ständen und dem Landesfürsten, der die Oberherrschaft über die Stadt je nach Epoche mal mehr, mal weniger intensiv ausübte. Jeder Stadtrat hatte eigene, klar zugeteilte Aufgaben zu erfüllen wie die Überwachung des Marktrechts, die Betreuung des Spitals und der Armenfürsorge oder die für Innsbruck besonders wichtige Zollordnung. Bei all diesen politischen Vorgängen sollte man sich stets in Erinnerung rufen, dass Innsbruck im 16. Jahrhundert etwa 5000 Einwohner hatte, von denen nur ein kleiner Teil das Bürgerrecht besaß. Besitzlose, fahrendes Volk, Erwerbslose, Dienstboten, Diplomaten, Angestellte, Frauen und Studenten waren keine wahlberechtigten Bürger. Zu wählen war ein Privileg der männlichen Oberschicht.
Ab dem 14. Jahrhundert mussten die Steuern, die von den Bürgern gezahlt wurden, nicht mehr an den Landesfürsten weitergegeben werden. Es gab eine fixe Abgabe von der Stadt an den Landesfürsten. Welche Gruppe innerhalb der Stadt welche Steuer zu bezahlen hatte, konnte die Stadtregierung selbst festlegen. Die Differenz zwischen den Einnahmen und den Ausgaben durfte die Stadt nach ihrem Gutdünken verwalten. Zu den Ausgaben neben der Verteidigung gehörte die Armenfürsorge. Notleidende Bürger konnten in der „Siedeküche“ Speisen beziehen, so sie das Bürgerrecht hatten.
Neben den Steuern war der Zoll eine wichtige Einnahmequelle Innsbrucks. Der Zoll wurde am Stadttor an der Innbrücke erhoben. Es gab zwei Arten von Zöllen. Der kleine Zoll richtete sich nach den Zugtieren des Wagens, der große nach Art und Menge der Waren. Die Zolleinnahmen wurden zwischen Innsbruck und Hall geteilt. Hall hatte dafür die Aufgabe, die Innbrücke in Stand zu halten.
Entgegen landläufiger Meinung war das Mittelalter keine rechtfreie Zeit der Willkür. In Innsbruck, wie auch im Land Tirol, gab es einen Kodex, der Recht und Unrecht sowie Rechte und Pflichten von Bürgern sehr genau regelte. Diese Bestimmungen änderten sich nach den Sitten der Zeit. Die mittelalterlichen Gerichtstage wurden an der „Dingstätte“ im Freien abgehalten. Die Tradition des Ding geht zurück auf den altgermanischen Thing, bei dem sich alle freien Männer versammelten, um Recht zu sprechen. Der Stadtrat bestellte einen Richter, der für alle Vergehen zuständig war, die nicht dem Blutgericht unterlagen. Strafen reichten von Geldbußen über Pranger und Kerker.
Der Strafvollzug beinhaltete auch weniger humane Methoden als heutzutage üblich, es wurde aber nicht wahllos und willkürlich gefoltert. Folter als Teil des Verfahrens in besonders schweren Fällen war aber ebenfalls geregelt. Verdächtige und Verbrecher wurden im Innsbruck bis zum 17. Jahrhundert im Kräuterturm an der südöstlichen Ecke der Stadtmauer, am heutigen Herzog-Otto-Ufer, festgehalten und traktiert. Eine Polizei gab es nicht, der Stadtrichter beschäftigte aber Knechte und an den Stadttoren waren Stadtwächter aufgestellt, um für Ruhe zu sorgen. Es war Bürgerpflicht, bei der Erfassung von Verbrechern mitzuhelfen. Selbstjustiz war verboten.
Über schwere Vergehen hatte weiterhin das Landesgericht zu bestimmen. Diesem Blutrecht unterlagen Verbrechen wie Diebstahl, Mord oder Brandstiftung. Das Landesgericht war im Falle Innsbrucks auf der Sonnenburg, die sich südlich oberhalb Innsbrucks befand. Von 1817 – 1887 war das Leuthaus beim Stift Wilten der Sitz des Hofrichters.
Der Scharfrichter Innsbrucks war ab dem späten 15. Jahrhundert zentralisiert für mehrere Gerichte zuständig und in Hall ansässig. Die Richtstätten befanden sich durch die Jahre an mehreren Orten. Auf einem Hügel im heutigen Stadtteil Dreiheiligen befand sich lange direkt an der Landesstraße ein Galgen. Der Köpflplatz befand sich bis 1731 der heutigen Ecke Fallbachgasse / Weiherburggasse in Anpruggen. Es war nicht unüblich, dass der Verurteilte seinem Henker eine Art Trinkgeld zusteckte, damit sich dieser bemühte, möglichst genau zu zielen, um so die Hinrichtung so schmerzlos wie möglich zu gestalten. Für die Obrigkeit und öffentliche Ordnung besonders schädliche Delinquenten wie der „Ketzer“ Jakob Hutter oder die gefassten Anführer der Bauernaufstände von 1525 und 1526 wurden vor dem Goldenen Dachl publikumstauglich hingerichtet. „Peinliche“ Strafen wie Vierteilen oder Rädern, vom lateinischen Wort poena abgeleitet, waren nicht an der Tagesordnung, konnten in speziellen Fällen aber angeordnet werden. Hinrichtungen waren eine Machtdemonstration der Obrigkeit und öffentlich. Sie galt als eine Art der Reinigung der Gesellschaft von Verbrechern. Die Leichen der Hingerichteten wurden oft zur Abschreckung hängengelassen und außerhalb des geweihten Bereichs der Friedhöfe begraben.
Mit der Zentralisierung des Rechts unter Maria Theresia und Josef II im 18. und dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch im 19. Jahrhundert unter Franz I. ging das Recht von Städten und Landesfürsten an den Monarchen und deren Verwaltungsorgane auf verschiedenen Ebenen über. Die Folter wurde abgeschafft. Die Aufklärung hatte die Vorstellung von Recht, Strafe und Resozialisierung grundlegend verändert. Auch die Einhebung von Steuern wurde zentralisiert, was einen großen Bedeutungsverlust des lokalen Adels und eine Aufwertung der Beamtenschaft zur Folge hatte. Mit der zunehmenden Zentralisierung unter Maria Theresia und Josef II. wurden auch Steuern und Zölle nach und nach zentralisiert und von der Reichshofkammer eingehoben. Innsbruck verlor dadurch, wie viele Kommunen in dieser Zeit, Einnahmen in großer Höhe, die nur bedingt über Ausgleiche aufgefangen wurden.