Tiroler Landhaus

Wo ist das?

Eduard-Wallnöfer-Platz 2, Innsbruck

 

Wissenswertes

Das Tiroler Landhaus und der Eduard-Wallnöfer-Platz samt dem dazugehörigen „Franzosendenkmal“ gelten vielen Innsbruckern als die größte Bausünde der Stadt. Der des Platzes ist höchst interessant und gibt Anlass, in die Zeitgeschichte Innsbrucks einzutauchen. Wer den Landhausplatz vor und nach 1938 vergleicht, erkennt ihn nicht wieder. Kaum ein Ort in Innsbruck hat sich wohl derart stark verändert.

Der Platz zwischen Maria-Theresien-Strasse und Wilhelm-Greil-Strasse beheimatete bis 1933 die Knaben-Bürgerschule. Auf der Nordseite des Platzes reichte der Hof des heute noch bestehenden Palais Fugger bis zur Wilhelm-Greil-Strasse. Im Palais Fugger waren zwischen 1905 und 1938 Amtsräume der Tiroler Landesregierung untergebracht. Erst 1939 übersiedelten die Beamten in das neue Gebäude, wo bis heute die Geschicke Tirols bestimmt werden. Auf alten Fotos der Zeit vor 1938, kann man die Lohnkutscherei und Autovermietung Heinrich Menardi am heutigen Landhausplatz erkennen. Gegründet wurde das Unternehmen 1880 mit dem einsetzenden Tourismus in Tirol für Ausflugsfahrten in die alpine Umgebung. Anfangs mit Kutschen, nach dem 1. Weltkrieg mit Bussen und PKW, wurden zahlungskräftige Touristen bis nach Venedig chauffiert. Das Unternehmen besteht bis heute und hat seinen Firmensitz mittlerweile im Menardihaus in der Wilhelm-Greil-Strasse 17 gegenüber des Landhausplatzes. Die Namen der Leiter des Unternehmens sind ganz im Stile österreichischer Tradition gehalten. Von Heinrich Menardi I. bis Heinrich Menardi IV. reicht die Dynastie mittlerweile, auch wenn man sich von der Transport- und Handelsbranche mittlerweile auf die einträglichere Immobilienwirtschaft spezialisiert.

1938 wurde mit dem Bau der Reichsstatthalterei unter Gauleiter Franz Hofer begonnen und der Platz somit vollkommen umgestaltet. Heute ist das Tiroler Landhaus Sitz des Tiroler Landtags. Die Errichtung des Tiroler Landhauses wurde unter Gauleiter Hofer 1938 als erster repräsentativer Bau während der NS-Diktatur in Innsbruck geplant. In einer Ausschreibung gewannen die beiden Architekten Walter und Ewald Guth. Östlich an das alte Landhaus (Maria-Theresien-Straße) sollte der Neubau anschließen. Die Form der Fassade sollte von vorne gesehen an einen zum Schwung ansetzenden Adler erinnern. Immer wieder kam es in der dilettantisch geführten Bauphase, von Hofer höchstpersönlich beaufsichtigt, zu Verzögerungen und Problemen. Tatsächlich geblieben ist ein eher öder Funktionsbau, mit dem man auch im fernen Berlin nicht so recht glücklich war. In der sogenannten Reichsstatthalterei mitten in der Stadt wurden keine Verhöre oder Misshandlungen durchgeführt, dafür war die Zentrale der Gestapo (Geheime Staatspolizei) in Innsbruck zuständig. Im heutigen Tiroler Landhaus wurden Verbrechen sehr wohl aber geplant und Befehle aus Berlin umgesetzt. In einigen Zimmern des Landhauses sind bis heute Symbole der NS-Zeit vorhanden, einige wurden sorgfältig entfernt. Die Kanzlei von Gauleiter Hofer war lange Zeit das Sitzungszimmer der Tiroler Landesregierung. Auf Grund fehlender Hinweise wissen viele Innsbrucker bis heute nicht um die traurige Vergangenheit des Tiroler Regierungssitzes. Ein trauriges Kapitel war die Aufbahrung der Todesopfer eines Luftangriffs am 15. Dezember 1943 am Landhausplatz. Der Landhausplatz wurde, anders als das Landhaus, erst in der Nachkriegszeit, fertiggestellt. Wer heute den Landhausplatz überquert, findet einen belebten innerstädtischen Funpark für junge Skater und BMXer vor. Sein heutiges Aussehen trägt er seit 2011, nachdem das Architekturbüro LAAC 2008 eine Ausschreibung zur Neugestaltung gewonnen hatte, um den Platz vom Autoverkehr zu befreien und neu auszurichten. In den ersten Jahren nach der Eröffnung waren Radfahren und Skaten am kargen Landhausplatz mit den einladenden Betonwellen streng verboten. Die Jugend allerdings ließ sich davon nicht abschrecken und blieb hartnäckig und konnte sich so den Platz erobern. Ein beeindruckendes Beispiel für erfolgreichen zivilen Ungehorsam, der dazu führte, dass diese urbane Betonwüste doch noch zu einer sinnvollen Verwendung kommt.

Dominiert wird der Platz vom Befreiungsdenkmal, das 1946 unter der französischen Besatzung errichtet wurde. Das Denkmal soll eine modernere Ausgabe der nahen Triumphpforte darstellen und an die „Freiheit der Gestorbenen Österreichs“ (Pro Libertate Austriae Mortuis) erinnern. Tatsächlich ist allerdings eine Ähnlichkeit mit diversen faschistischen Denkmälern, nicht zuletzt wegen des neoklassizistischen Stils und des thronenden Adlers mit Lorbeerkranz, kaum zu leugnen. Ein wesentlich kleineres Denkmal am Landhausplatz erinnert an die jüdischen Opfer der Pogrome der Reichskristallnacht von 1938.

Die Reichskristallnacht in Innsbruck

Auch Innsbruck war ein Tatort während der Ereignisse, die sich in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in Österreich und Deutschland abspielten und als Reichskristallnacht und Novemberpogrome einen traurigen Teil der Geschichte bilden sollten. Sie sollte den vorläufigen Höhepunkt der antisemitischen Politik der Nationalsozialisten bilden. Den Ausschreitungen vorhergegangen war das Attentat des polnisch-jüdischen Studenten Herschel Grynszpan auf den deutschen Botschafter in Paris, Ernst von Rath. Grynszpan hatte kurz zuvor erfahren, dass seine Familie abgeschoben worden war. Als von Rath am 9. November seinen Verletzungen erlag, nahm das NS-Regime dieses Attentat zum Anlass, um noch härter gegen die jüdische Bevölkerung im deutschen Reich vorzugehen. Ausgehend von Hitler, Heydrich und Himmler wurden die Pogrome an die lokalen Vertretungen in den Städten des Deutschen Reichs gegeben, um die Entjudung Deutschlands und die Arisierung, die Enteignung der jüdischen Bevölkerung, zu beschleunigen. Propagandaminister Goebbels stellte die sorgsam orchestrierten Ausschreitungen von SA und SS als spontanen Ausbruch des Volkszorns ob des Anschlags auf von Rath dar.

Innsbruck war, betrachtet man die Relation des kleinen jüdischen Bevölkerungsanteils zu den Opferzahlen, eine der am brutalsten agierenden Städte im Deutschen Reich im Rahmen der Novemberpogrome. Am 9. November wurde im Stadttheater, dem heutigen Landestheater, zur Erinnerung an den nationalsozialistischen Putschversuch von 1923 in München eine Feier abgehalten. Das Publikum wurde mit Vorführungen der Hitlerjugend sowie Richard Wagners Lohengrin auf die Angelobung der SS-Mitglieder am Adolf-Hitler-Platz vor dem Theater eingestimmt. Nach Mitternacht versammelten sich Gauleiter Hofer und hochrangige Mitglieder der SS, um die Details der zu folgenden „spontanen Erhebung des Deutschen Volkes gegen die Juden“ durchzugehen. Wohnungen und Geschäfte von Juden wurden zerstört. Jüdische Bürger wurden misshandelt und verprügelt. Richard Berger, Wilhelm Bauer und Richard Graubart kamen zu Tode. Mehr oder minder die gesamte jüdische Bevölkerung wurde in den Tagen nach der Reichspogromnacht nach Wien zwangsübersiedelt. Gut dokumentiert ist die Ermordung Richard Graubarts. Er führte ein Schuhgeschäft in der Museumstraße. Mit seiner Familie bewohnte er eine Villa in der Gänsbacherstraße im noblen Stadtteil Saggen. Unter Leitung des SS Hauptsturmführers Hans Aichinger drangen seine Mörder, die er zum Teil persönlich kannte, in die Wohnung der Familie ein. Graubart wurde erstochen, der eine Stunde später eintreffende Arzt konnte nur noch seinen Tod feststellen. Die Villa war bereits vor der Tat an einen NS-Parteifunktionär vergeben worden, ebenso der restliche Besitz der Familie Graubart. Als es nach dem Krieg zum Prozess vor dem Volksgericht am Landesgericht Innsbruck rund um die Ausschreitungen kam, wurde keiner der Angeklagten wegen Mordes verurteilt.