Cafe Katzung & Trautsonhaus

Herzog-Friedrich-Straße 16 / 22

Wissenswert

In der Herzog-Friedrich-Straße befinden sich einige der schönsten gotischen Häuser Innsbrucks. Es lohnt sich, die Fassaden, Erker, Reliefs und Fresken genau zu taxieren. Die Steinhäuser lösten im 15. Jahrhundert nach und nach die alten Holzbauten ab. Nicht nur veränderte sich mit der Erhebung Innsbrucks zur landesfürstlichen Residenzstadt das Publikum und nahm der Wohlstand zu, die Fachwerkhäuser mit ihrem Holzkern stellten auch ein Risiko dar. Ein großer Teil der Bauten geht auf die Baumeisterfamilie Thüring zurück. Das Katzunghaus wurde 1455 erstmals urkundlich erwähnt. Sehenswert sind die 1530 von den Türings gestalteten Reliefs am Erker des Gebäudes am Eck zur Riesengasse, die ein spätmittelalterliches Turnier zeigen. Heute beherbergt es das älteste, durchgehend bestehende Kaffeehaus der Stadt. Hofzuckerbäcker Anton Georg Katzung öffnete diese Innsbrucker Institution im Jahr 1793. Interessanterweise wählte er für sein Etablissement nicht wie Gastwirtschaften vorheriger Jahrhunderte Tiernamen wie Adler, Bär und Hirsch, sondern zog selbstbewusst seinen eigenen Namen heran. Die Besitzer nachfolgender Innsbrucker Kaffeehäuser und Konditoreien wie dem Munding und dem Cafe Grabhofer sollten es ihm gleichtun. Eine Novität war auch der Billardtisch, der im Katzung einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stand. Das Spiel auf den kostspieligen Tischen, das bis dato der Aristokratie in ihren privaten Salons vorbehalten war, stand nun einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung. Der ikonische Schriftzug an der Fassade stammt aus der Nachkriegszeit.

Ebenfalls sehenswert ist das Trautsonhaus. Namensgeber des Gebäudes ist Erbmarschall Hans Freiherr von Trautson, der das Haus 1541 erwarb. Auch dieses Gebäude entstammt der Baumeisterkunst Gregor Türings. Die gotischen Erker aus Sandstein sind mit kleinteiligen Verzierungen reich geschmückt und geben einen guten Eindruck von der Mode der Zeit, in der auf Symmetrie besonderes Augenmerk in der Architektur gelegt wurde. Auch die Gewölbe unter den Laben entstammen der Übergangszeit zwischen Renaissance und Gotik. Der barocke Brunnen, der auf einer kleinen Empore steht, wurde 1806 unter bayerischer Verwaltung installiert und ist der letzte bis heute in seiner ursprünglichen Form erhaltene Brunnen der Altstadt. Wo sich heute Touristen laben und Gäste des Christkindlmarktes die Hände vom Kiachlfett oder Glühwein befreien, wurden früher Lebensmittel und Wäsche gewaschen. 1889 wurde das Gebäude wie viele der alten Gemäuer generalsaniert. Nach dem Krieg musste das von Bomben versehrte Gebäude wieder renoviert werden. Während diesen Renovierungsarbeiten kamen die Malereien, die die Fassade bis heute schmücken, zum Vorschein. Einen kurzen Abstecher wert ist der gotische Innenhof. Er zeigt die klassische Struktur der steinernen Innsbrucker Wohnhäuser dieser Zeit mit Schacht und Aufgang.

März 1848... und was er brachte

Das Jahr 1848 nimmt einen mythischen Platz in der europäischen Geschichte ein. Die Hotspots waren zwar nicht im abgeschiedenen Tirol, sondern in den großen Metropolen wie Paris, Wien, Budapest, Mailand oder Berlin zu finden, auch im Heiligen Land hinterließ das Revolutionsjahr aber kräftige Spuren.  Im Gegensatz zum bäuerlich geprägten Umland hatte sich in Innsbruck ein aufgeklärtes Bildungsbürgertum entwickelt. Aufgeklärte Menschen wollten keine Untertanen eines Monarchen oder Landesfürsten mehr sein, sondern Bürger mit Rechten und Pflichten gegenüber einem Staat. Studenten und Freiberufler forderten politische Mitsprache, Pressefreiheit und Bürgerrechte. Arbeiter verlangten nach besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen. Besonders radikale Liberale und Nationalisten stellten sogar die Allmacht der Kirche in Frage.

Im März 1848 entlud sich in vielen Städten Europas dieses sozial und politisch hochexplosive Gemisch in Aufständen. In Innsbruck feierten Studenten und Professoren die neu erlassene Pressefreiheit mit einem Fackelzug. Im Großen und Ganzen ging die Revolution im gemächlichen Tirol aber ruhig vonstatten. Von einem spontanen Ausbruch der Emotionen zu sprechen wäre verwegen, der Termin des Zuges wurde wegen Schlechtwetter vom 20. auf den 21. März verschoben. Es kam kaum zu antihabsburgischen Ausschreitungen oder Übergriffen, ein verirrter Stein in ein Fenster der Jesuiten war einer der Höhepunkte der alpinen Variante der Revolution von 1848. Die Studenten unterstützten das Stadtmagistrat sogar dabei, die öffentliche Ordnung zu überwachen, um so dem Monarchen ihre Dankbarkeit für die neu gewährten Freiheiten und ihre Treue zu zeigen.

Die anfängliche Begeisterung für bürgerliche Revolution wurde in Innsbruck schnell von deutschnationalem, patriotischen Rausch abgelöst. Am 6. April 1848 wurde vom Gubernator Tirols die deutsche Fahne während eines feierlichen Umzugs geschwungen. Auch auf dem Stadtturm wurde eine deutsche Tricolore gehisst. Während sich Studenten, Arbeiter, liberal-nationalistisch gesinnte Bürger, Republikaner, Anhänger einer konstitutionellen Monarchie und katholische Konservative bei gesellschaftlichen Themen wie der Pressefreiheit nicht einig wurden, teilte man die Abneigung gegen die italienische Unabhängigkeitsbewegung, die von Piemont und Mailand ausgehend Norditalien erfasst hatte. Innsbrucker Studenten und Schützen zogen mit Unterstützung der k.k. Armeeführung ins Trentino, um die Unruhen und Aufstände im Keim zu ersticken. Bekannte Mitglieder dieses Korps waren der bereits in die Jahre gekommene Pater Haspinger, der bereits mit Andreas Hofer 1809 zu Felde zog, und Adolf Pichler. Johann Nepomuk Mahl-Schedl, vermögender Besitzer von Schloss Büchsenhausen, stattete sogar eine eigene Kompanie aus, mit der er zur Grenzsicherung über den Brenner zog.

Auch die Stadt Innsbruck als politisches und wirtschaftliches Zentrum des multinationalen Kronlandes Tirol und Heimat vieler Italienischsprachiger wurde zur Arena dieses Nationalitätenkonflikts. In Kombination mit reichlich Alkohol bereiteten anti-italienische Gefühle in Innsbruck mehr Gefahr für die öffentliche Ordnung als die nach bürgerlichen Freiheiten. Ein Streit zwischen einem deutschsprachigen Handwerker und einem italienischsprachigen Ladiner schaukelte sich dermaßen auf, dass es beinahe zu einem Pogrom gegenüber den zahlreichen Betrieben und Gaststätten von italienischsprachigen Tirolern gekommen wäre.

Die relative Beschaulichkeit Innsbrucks kam dem unter Druck stehenden Kaiserhaus recht. Als es in Wien auch nach dem März nicht aufhörte zu brodeln, floh Kaiser Ferdinand im Mai nach Tirol. Folgt man den Presseberichten aus dieser Zeit, wurde er von der Bevölkerung begeistert empfangen.

"Wie heißt das Land, dem solche Ehre zu Theil wird, wer ist das Volk, das ein solches Vertrauen genießt in dieser verhängnißvollen Zeit? Stützt sich die Ruhe und Sicherheit hier bloß auf die Sage aus alter Zeit, oder liegt auch in der Gegenwart ein Grund, auf dem man bauen kann, den der Wind nicht weg bläst, und der Sturm nicht erschüttert? Dieses Alipenland heißt Tirol, gefällts dir wohl? Ja, das tirolische Volk allein bewährt in der Mitte des aufgewühlten Europa die Ehrfurcht und Treue, den Muth und die Kraft für sein angestammtes Regentenhaus, während ringsum Auflehnung, Widerspruch. Trotz und Forderung, häufig sogar Aufruhr und Umsturz toben; Tirol allein hält fest ohne Wanken an Sitte und Gehorsam, auf Religion, Wahrheit und Recht, während anderwärts die Frechheit und Lüge, der Wahnsinn und die Leidenschaften herrschen anstatt folgen wollen. Und während im großen Kaiserreiche sich die Bande überall lockern, oder gar zu lösen drohen; wo die Willkühr, von den Begierden getrieben, Gesetze umstürzt, offenen Aufruhr predigt, täglich mit neuen Forderungen losgeht; eigenmächtig ephemere- wie das Wetter wechselnde Einrichtungen schafft; während Wien, die alte sonst so friedliche Kaiserstadt, sich von der erhitzten Phantasie der Jugend lenken und gängeln läßt, und die Räthe des Reichs auf eine schmähliche Weise behandelt, nach Laune beliebig, und mit jakobinischer Anmaßung, über alle Provinzen verfügend, absetzt und anstellt, ja sogar ohne Ehrfurcht, den Kaiser mit Sturm-Petitionen verfolgt; während jetzt von allen Seiten her Deputationen mit Ergebenheits-Addressen mit Bittgesuchen und Loyalitätsversicherungen dem Kaiser nach Innsbruck folgen, steht Tirol ganz ruhig, gleich einer stillen Insel, mitten im brausenden Meeressturme, und des kleinen Völkchens treue Brust bildet, wie seine Berge und Felsen, eine feste Mauer in Gesetz und Ordnung, für den Kaiser und das Vaterland."

Im Juni stieg auch ein junger Franz Josef, damals noch nicht Kaiser, am Rückweg von den Schlachtfeldern Norditaliens in der Hofburg ab, anstatt direkt nach Wien zu reisen. Innsbruck war wieder Residenzstadt, wenn auch nur für einen Sommer. Während in Wien, Mailand und Budapest Blut floss, genoss die kaiserliche Familie das Tiroler Landleben. Ferdinand, Franz Karl, seine Frau Sophie und Franz Josef empfingen Gäste von ausländischen Fürstenhöfen und ließen sich im Vierspänner zu den Ausflugszielen der Region wie der Weiherburg, zur Stefansbrücke, nach Kranebitten und hoch hinauf bis Heiligwasser chauffieren. Wenig später war es allerdings vorbei mit der Gemütlichkeit. Der als nicht mehr amtstauglich geltende Ferdinand übergab unter sanftem Druck die Fackel der Regentenwürde an Franz Josef I. Im Juli 1848 kam es in Wien in der Hofreitschule zur Abhaltung einer ersten parlamentarischen Sitzung. Eine erste Verfassung wurde in Kraft gesetzt. Der Reformwille der Monarchie flachte aber schnell wieder ab. Das neue Parlament war ein Reichsrat, es konnte keine bindenden Gesetze erlassen, der Kaiser besuchte es Zeit seines Lebens nie und verstand auch nicht, warum die Donaumonarchie als von Gott eingesetzt diesen Rat benötigt.

Die zart in Gang gesetzte Liberalisierung nahm in den Städten trotzdem ihren Lauf. Innsbruck erhielt den Status einer Stadt mit eigenem Statut. Das Innsbrucker Gemeinderecht sah ein Bürgerrecht vor, das zwar an Besitz oder die Abgabe von Steuern gebunden war, jedoch den Angehörigen der Gemeinde gewisse Rechte gesetzlich zusicherte. Das Heimatrecht konnte durch Geburt, Verehelichung oder außerordentlicher Verleihung erworben werden und verlieh zumindest den männlichen Volljährigen das Wahlrecht auf kommunaler Ebene. Geriet man in finanzielle Notlage, so hatte man das Anrecht auf eine Grundversorgung durch die Stadt.

Innerhalb der Stadtregierung setzte sich dank des Mehrheitswahlrechtes nach Zensus die großdeutsch-liberale Fraktion durch, in der Händler, Gewerbetreibende, Industrielle und Gastwirte den Ton angaben. Am 2. Juni 1848 erschien die erste Ausgabe der liberal und großdeutsch gesinnten Innsbrucker Zeitung, der obiger Artikel zur Ankunft des Kaisers in Innsbruck entnommen ist. Konservative hingegen lasen das Volksblatt für Tirol und Vorarlberg. Gemäßigte Leser, die eine konstitutionelle Monarchie befürworteten, konsumierten bevorzugt den Bothen für Tirol und Vorarlberg. Mit der Pressefreiheit war es aber schnell wieder vorbei. Die zuvor abgeschaffte Zensur wurde in Teilen wieder eingeführt. Herausgeber von Zeitungen mussten einigen Schikanen der Obrigkeit unterziehen. Zeitungen durften nicht gegen Landesregierung, Monarchie oder Kirche schreiben.

"Wer durch Druckschriften andere zu Handlungen auffordert, aneifert oder zu verleiten sucht, durch welche die gewaltsame Losreißung eines Theiles von dem einheitlichen Staatsverbande... des Kaiserthums Österreich bewirkt... oder der allgemeine öster. Reichstag oder die Landtage der einzelnen Kronländer... gewalttätig stört... wird mit schwerem Kerker von zwei bis zehn Jahren Haft bestraft."

Nachdem Innsbruck 1849 Meran auch offiziell als Landeshauptstadt abgelöste hatte und somit auch endgültig zum politischen Zentrum Tirols geworden war, bildeten sich Parteien. Ab 1868 stellte die liberal und großdeutsch orientierte Partei den Bürgermeister der Stadt Innsbruck. Der Einfluss der Kirche nahm in Innsbruck im Gegensatz zu den Umlandgemeinden ab. Individualismus, Kapitalismus, Nationalismus und Konsum sprangen in die Bresche. Neue Arbeitswelten, Kaufhäuser, Theater, Cafés und Tanzlokale verdrängten Religion zwar auch in der Stadt nicht, die Gewichtung wurde durch die 1848 errungenen bürgerlichen Freiheiten aber eine andere.

Die vielleicht wichtigste Gesetzesänderung war das Grundentlastungspatent. In Innsbruck hielt der Klerus, vor allem das Stift Wilten, einen großen Teil des bäuerlichen Grundbesitzes. Kirche und Adel waren nicht steuerpflichtig. 1848/49 wurden in Österreich Grundherrschaft und Untertänigkeitsverhältnis aufgehoben. Abgelöst wurden damit Grundzinsen, Zehent und Robot. Die Grundherren erhielten im Rahmen der Grundentlastung ein Drittel des Wertes ihrer Ländereien vom Staat, ein Drittel wurde als Steuererleichterung gewertet, ein Drittel der Ablöse mussten die Bauern selbst übernehmen. Sie konnten diesen Betrag in Raten innert zwanzig Jahren abzahlen.

Die Nachwirkungen sind bis heute zu spüren. Die Nachkommen der damals erfolgreichen Bauern genießen durch den geerbten Landbesitz, der auf die Grundentlastung 1848 zurückzuführen ist, die Früchte des Wohlstandes und auch politischen Einfluss durch Grundstücksverkäufe für Wohnbau, Pachten und Ablösen der öffentlichen Hand für Infrastrukturprojekte. Die grundbesitzenden Adeligen von einst mussten sich mit der Schmach abfinden, bürgerlicher Arbeit nachzugehen. Der Übergang vom Geburtsrecht zum privilegierten Status innerhalb der Gesellschaft dank finanzieller Mittel, Netzwerken und Ausbildung gelang häufig. Viele Innsbrucker Akademikerdynastien nahmen ihren Ausgang in den Jahrzehnten nach 1848.

Das bis dato unbekannte Phänomen der Freizeit kam, wenn auch für den größten Teil nur spärlich, auf und begünstigte gemeinsam mit frei verfügbarem Einkommen einer größeren Anzahl an Menschen Hobbies. Zivile Organisationen und Vereine, vom Lesezirkel über Sängerbünde, Feuerwehren und Sportvereine, gründeten sich. Auch im Stadtbild manifestierte sich das Revolutionsjahr. Parks wie der Englische Garten beim Schloss Ambras oder der Hofgarten waren nicht mehr exklusiv der Aristokratie vorbehalten, sondern dienten den Bürgern als Naherholungsgebiete vom beengten Dasein. In St. Nikolaus entstand an der Stelle der Floßanlegestelle am Inn der Waltherpark. Einen Stock höher eröffnete im Schloss Büchsenhausen Tirols erste Schwimm- und Badeanstalt, wenig später folgte ein weiteres Bad in Dreiheiligen. Ausflugsgasthöfe rund um Innsbruck florierten. Neben den gehobenen Restaurants und Hotels entstand eine Szene aus Gastwirtschaften, in denen sich auch Arbeiter und Angestellte gemütliche Abende bei Theater, Musik und Tanz leisten konnten.

Baumeisterdynastie Türing: Innsbruck wird Weltstadt

Siegmund der Münzreiche war es, der im 15. Jahrhundert Niklas Türing (1427 – 1496) nach Innsbruck holte. 1488 trat er erstmals nachweislich in Erscheinung. Die Türings waren eine Steinmetz- und Baumeisterfamilie aus dem heutigen Schwaben, das damals als Teil Vorderösterreich zur Habsburgermonarchie gehörte. Innsbruck war seit einigen Jahrzehnten Residenzstadt der Tiroler Landesfürsten, der architektonische Glanz war aber noch nicht nördlich der Alpen angekommen. Die Stadt war eine Ansammlung von Holzhäusern und wenig repräsentativ. Für Handwerker und Baumeister brachen goldene Zeiten an, die unter Maximilian nochmals mehr an Fahrt aufnehmen sollte. Es kam zu einem wahren Bauboom. Aristokraten wollten einen Wohnsitz in der Stadt haben, um möglichst nahe am Zentrum der Macht zu sein. Die Politik spielte sich in der Zeit vor Presse, funktionierendem Postwesen, Fax und E-Mail vor allem im direkten Kontakt ab.

Die Türings machten Karriere im Gleichschritt mit der Stadt. Aus dem Jahr 1497 wird berichtet, dass Niklas Türing als „besoldeter Hofmaurer“ in den Diensten des Landesfürsten stand. Als er 1517 oder 1518 verstarb, so genau weiß man das nicht, wurde er auf seinem Grabstein als „römisch kaiserlicher Majestät oberster Werkmeister“ tituliert. Gemeinsam mit seinem Sohn Gregor wurde er als Steinmetzmeister geführt. Das ermöglichte den Türings das Bürgerrecht in Innsbruck zu erwerben. Spätestens 1506 hatten sie ein Haus im Arbeiter- und Handwerkerviertel Anbruggen. 1509 konnten sie das Haus des heutigen Gasthofs zum Lamm in der Mariahilfstraße erwerben. Weiterer Immobilienbesitz kam in der heutigen Schlossergasse 21 hinzo.

Die frühe Gotik und später die Renaissance hatte im Lauf des Spätmittelalters Europa mit einem neuen Verständnis von Architektur und Ästhetik in ein neues architektonisches Gewand getaucht. Bauten wie Notre Dame oder der Minster of York setzten den Trend, der ganz Europa bis zum Einsetzen des Barocks prägen sollte. Spitze Türme, Rippengewölbe, Erker und verspielte Schnitzereien, die den höfischen Alltag darstellen sind einige typische Merkmale, die den heterogenen Stil erkennbar machen. Vor allem in der Altstadt kann man das Wirken der Türings gut nachverfolgen. Viele der Bürgerhäuser wie das Trautsonhaus weisen heute noch gotische Grundrisse, Innenhöfe und Schnitzereien auf.

Die Türings prägten das gotische Innsbruck in der Übergangszeit zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit. Durch ihre Ausbildung kombinierten sie einen Blick für das Große Ganze und Details in ihren Bauprojekten. Sie waren bekannt für ihre besonders feine Steinarbeit, die kunstvolle Portale, Lauben, Treppen und Gewölbe ermöglichte. Sie fertigten Reliefschmuck mit Mustern in der typischen Art der Renaissancekunst an. Grotesken, Vasen und Tierdarstellungen gehörten zur typischen Art, Erker und glatte Wände zu verzieren. Die symmetrische Anordnung der einzelnen Elemente ist ebenfalls ein Merkmal der Zeit.

Auf Niklas Türing geht das Goldene Dachl zu einem guten Teil zurück. Er schuf auch die Statue des Burgriesen Haidl, eines besonders großen Mitglieds der Leibgarde Siegmunds, die heute im Stadtturm zu besichtigen ist. Kaiser Maximilian schätzte ihn derart hoch ein, dass er es ihm gestattete das Familienwappen der Türings und seiner Frau, einen Brunnen und einen Fisch, im Gewölbe des Goldenen Dachls zu verewigen. Sein Sohn Gregor verewigte sich unter anderem mit dem Trautsonhaus in der Herzog-Friedrich-Straße und am Burgriesenhaus in der Domgasse. Der letzte der Türings mit Einfluss auf die Innsbrucker Bauszene war Niklas Türing der Jüngere, der mit Andrea Crivelli gemeinsam die Planungen an der Hofkirche begann. Im 16. und 17. Jahrhundert begann der Einfluss der Gotik vor allem im heutigen Österreich nachzulassen. Vor allem Kirchen wurden im Rahmen der Gegenreformation zunehmend im Barockstil um- und neugebaut. In Innsbrucks Osten erinnert heute die Türingstraße an die frühneuzeitliche Baumeisterdynastie.

Kolonialwaren, Kaffee und Aufklärung

Die Legende besagt, dass die Türken, als sie 1683 Wien belagerten, zwei Dinge nach Österreich brachten, die das Frühstück bis heute nachhaltig beeinflussen: Das halbmondförmige Kipferl und den Kaffee. Wie es tatsächlich geschah, dass das exotische Getränk seinen Weg von den Anbaugebieten in Übersee in die deutschsprachige Welt kam, ist wohl nicht mehr einwandfrei nachzuvollziehen, auf dem Schlachtfeld vor Wien zurückgelassene Säcke voll mit Kaffeebohnen waren es aber wohl nicht. Zurückzuführen ist diese Urban Legend wohl auf den Zeitpunkt im späten 17. Jahrhundert, als sich die Kaffeebohne als Genussmittel der politischen und wirtschaftlichen Elite in Europa zu etablieren begann. Es war die Epoche der großen Handelskompanien, der ersten Börsen und der Philosophen, Rechtsgelehrten und Ökonomen der frühen Aufklärung, in der der lukrative Überseehandel die Kaffeebohne und die sich daraus entwickelnden Wirtschaftszweige in die Städte Europas brachte. Innsbruck war als Teil des Habsburgerreichs und Handelsstadt seit dem 16. Jahrhundert Teil des imperialen Business. Der Fernhandel war ein integraler Teil der Wirtschaft. Dank der Innbrücke und seiner günstigen Position war die Stadt seit dem 12. Jahrhundert in die europäischen Netzwerke eingebunden. Die wohlhabende Elite der Stadt, die über den Stadtrat auch politischen Einfluss hatte, entstammte zu einem guten Teil aus der Schicht der Händler.

Anfang des 18. Jahrhunderts erschien Kaffee zum ersten Mal in der Innsbrucker Gesetzgebung, was ein starkes Indiz dafür ist, dass er die Schwelle zur Bedeutung innerhalb des Stadtgeschehens überschritt. 1713 beschloss der Stadtrat den Kauf von Kaffee ausschließlich in Apotheken zuzulassen. Ähnlich wie Red Bull in den 1990er Jahren stand das exotische Getränk unter dem Verdacht des Anrüchigen. Als die Nachfrage im Klima der Aufklärung in der Zeit Kaiser Josefs II. stieg und das Genussmittel mehr und mehr in der Gesellschaft ankam, lockerte man die Regelungen. Kaffee war aber noch immer kein Alltagsgetränk, sondern ein exklusives und teures Vergnügen exzentrischer Eliten. Spezereien, Geschäfte für Gewürze und Lebensmittel, begannen Kaffee zu verkaufen. Die noch immer bestehende Innsbrucker Kaffeemarke Nosko beansprucht als Nachfolgeunternehmen der 1751 eröffneten Spezerei Josef Ulrich Müllers in der Seilergasse 18 den Titel der ältesten Rösterei der Stadt für sich. Auch Unterberger&Comp Kolonialwaren, die zweite bis heute bestehende Kaffeerösterei Innsbrucks, nahm in einer Spezerei ihren Anfang. Jakob Fischnaller übernahm ein seit 1660 in der Altstadt ansässiges Geschäft, in dem er ab 1768 Kaffee verkaufte.

Mit den ersten Kaffeeschenkern Ende der 1750er begann der Siegeszug der Bohne. Die ersten Etablissements hatten noch wenig mit der heute weltweit bekannten Wiener Kaffeehauskultur zu tun. 1793 öffnete das Cafe Katzung seine Pforten für das zahlungskräftige Bürgertum, das den öffentlichen Raum mit Billardtisch und Zeitungsständer für sich zu erobern begann. 50 Jahre später gab es bereits 8 Kaffeehäuser im kleinen Innsbruck. Anders als traditionelle Gasthäuser waren sie Symbol für einen neuen, urbanen und aufgeklärten Lifestyle, ein Unterscheidungsmerkmal zwischen Stadt und Umland. Lange Zeit waren Wein und Bier die Alltagsgetränke der Massen gewesen. Auch wenn der Wein im Mittelalter nicht besonders stark war, trübte er doch die Sinne. In der Arbeiterklasse waren Spirituosen, am Land selbstgebrannter Schnaps beliebt und problematisch gleichermaßen. Wer auf sich hielt, hielt sich davon fern. Kaffee hingegen machte wach und leistungsfähig und begünstigte die neuen Tugenden der Arbeitsamkeit und des Fleißes. Der willige Untertan wurde in Städten wie Innsbruck mehr und mehr vom kritischen, Zeitung lesenden Bürger abgelöst. Durch den Genuss der teuren Kolonialware konnte man sich als Connaisseur, der den billigen, mit allerhand Füllmaterial versetzten Sud von echtem Bohnenkaffee zu unterscheiden wusste und ihn sich leisten konnte, vom niederen Pofl abheben. Als Napoleon 1810 in den von ihm kontrollierten Territorien den Import Kaffee verbot, um die englische Wirtschaft, die auf dem Fernhandel basierte, zu schwächen, kam es in ganz Europa zu heftigen Protesten. Feigen- und Zichorienkaffee als Ersatzprodukt erfreute sich, wie es später auch während der Weltkriege der Fall sein sollte, keiner besonderen Beliebtheit in der Bürgerschaft.

Einen Höhepunkt des Kolonialwarenhandels, der die ausbeuterischen Geschäftsmodelle afrikanischer Kaffeeplantagen, amerikanischer Tabakplantagen und südamerikanischer Obstplantagen mit den Alpen verband, erreichte Innsbruck wie der gesamte deutschsprachige Raum ab dem Ende des 19. Jahrhunderts, als der Wettlauf um Afrika der europäischen Mächte auf die Zielgerade einbog. 1900 gab es in Innsbruck um die 40 Kolonialwarenhändler. Dabei handelte es sich meistens um Spezereien und Gemischtwarenhändler, die unterschiedliche, in der Regel kostspielige Güter aus der ganzen Welt verkauften. Vor allem Genussmittel wie Rum, Tabak, Kakao, Tee und Kaffee oder exotische Früchte wie Bananen wurden als Kolonialwaren an das zahlungskräftige Innsbrucker Bürgertum verkauft. Ab dieser Zeit setzte sich auch die Wiener Kaffeehauskultur mit all ihren Eigenheiten endgültig als Standard für die bürgerliche Kultur der k.u.k. Monarchie durch. Egal wo man sich befand zwischen Innsbruck im Westen und Czernowitz im Osten des Riesenreiches, man konnte sich darauf verlassen, einen Bahnhof, ein angemessenes Hotel und ein Caféhaus mit deutschsprachigem Personal und ähnlicher Speisekarte und Einrichtung vorzufinden. Kaffeehäuser waren, anders als traditionelle Gastwirtschaften, Orte, an denen sich nicht nur Aristokratie und neue Eliten, sondern auch Mann und Frau, wenn auch häufig in getrennten Bereichen wie im Cafe Munding, aufhalten konnte.

Weder Kaffeehauskultur noch die Kolonialwarengeschäfte verschwanden mit der Zäsur des Ersten Weltkrieges und dem Ende der Monarchie aus dem Alltag der Republik Österreich. In den 1930er Jahren waren um die 60 dieser Geschäfte in Innsbruck ansässig. Es gab noch keine Supermärkte, die wie heute große Gesamtsortimente hatten, Einkäufe wurden noch immer an Markständen oder in kleinen Läden getätigt. Die „Einkaufsvereinigung der Specerei- und Kolonialwaren-Großhändler Nordtirol Ges.m.b.H“. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand der Ausdruck Kolonialwaren aus den Branchenbüchern der Stadt und wurden durch die Ausdrücke Kaffeerösterei und Fruchtimport ersetzt. Gekommen, um zu bleiben ist nicht nur die Wiener Kaffeehauskultur. Mit dem Katzung, dem Munding und dem Central gibt es noch einige der ältesten ihrer Art in Innsbruck. Die Firma Ischia vertreibt seit 1884 exotische Früchte in der Stadt und ist bis heute mit ihrem markanten Logo am Firmengebäude neben der neuen Stadtbibliothek prominent im Stadtbild vertreten. Ein Messingschild in der Herzog-Friedrich-Straße 26 und eine große Version des Logos mit dem Handelsschiff an der Hauptverkehrsader Egger-Lienz-Straße beim Westbahnhof zeugen von der Präsenz der Marke Unterberger. Wesentlich konfliktbeladener ist das Logo von Praxmarer Kaffee, das an einer Fassade in der Amraserstraße einen knieenden Mohren mit dargebotener Tasse zeigt. Das Traditionsunternehmen selbst gibt es nicht mehr, mit dem Unternehmen Praxmarer Obst gibt es aber noch einen Handel für Südfrüchte mit selbem Namen.