Tiroler Landestheater & Kongresshaus
Rennweg 3
Wissenswert
Wo heute gegenüber dem Hofgarten das große und sehr moderne Kongresshaus steht, befand sich seit 1581 das von Alberto Lucchese entworfene Comdedihaus, das Landesfürst Ferdinand II. für den Innsbrucker Hof erbauen ließ. Der Name Comedihaus ist irreführend. Die Stücke, die aufgeführt wurden, waren meist stundenlang dauernde Stücke, die sich auf ein biblisches Thema oder ganz im Geist der Renaissance auf die Antike bezogen. Theater sollte das Publikum für den konfessionellen Widerstand gegen die drohende Verrohung durch den Protestantismus rüsten und die Stimmung gegen die osmanische Bedrohung hochhalten. Zur Hochzeit Kaisers Ferdinand 1622 kam ein Stück mit dem einprägsamen Titel „Action von Ovinio Gallicono, der einst die Skythen besiegt, nachdem er vorher Christ geworden ist und so die Hand der Tochter Konstantins erwirbt“ zur Aufführung durch die Jesuiten und ihre Schüler. Lange Zeit war ein Großteil der Stücke auf Latein, erst später setzte sich in Theaterstücken, die sich an ein gebildetes Publikum richteten, die deutsche Volkssprache als Theatersprache durch. Neben Theaterstücken war es möglich Aufwändiges wie Dressurreit- und Wasserspiele aufzuführen.
Landesfürst Leopold V. ließ das Ballhaus 1630 zum Hoftheater umfunktionieren. Seine Frau Claudia de Medici und er schätzten als gebildete Zeitgenossen der Renaissance und des 17. Jahrhunderts Kunst und Kultur. Ihre Residenzstadt sollte auf der Höhe der Zeit sein. Bis dahin war es üblich, dass Theater fahrende Institutionen waren, die von Stadt zu Stadt zogen, nun sollte ein fixes Team den Hof und die Bürger auf Bedarf amüsieren. Die Dogana war eines der ersten Opern- und Theaterhäuser im Heiligen Römischen Reich überhaupt. Highlights waren das Ross- und das Damenballett, das vom Fürstenpaar bis an den Hof in Wien exportiert wurde. Innsbruck allerdings war eine kleine Stadt mit etwa 5000 Einwohnern. Das Theater war zu groß geraten und auf Dauer nicht rentabel zu erhalten.
1653 übersiedelte das Stadttheater auf den Platz des heutigen Tiroler Landestheaters auf den gegenüberliegenden Platz neben den Hofgarten. Christoph Gumpp plante eines der ehemaligen Ballspielhäuser zu einem moderneren Comedihaus im venezianischen Stil um, in dem um die 1000 Zuschauer Platz fanden.
Das Landestheater in seinem aktuellen Aussehen wurde im 19. Jahrhundert vom italienischen Architekten Giuseppe Segusini geplant. Die kunstsinnigen Bürger Innsbrucks gierten nach Unterhaltung, wie sie international üblich war. Dafür musste das alte Nationaltheater modern aus- und umgebaut werden. Ein großer Teil der Kosten wurde ganz im Zeitgeist der gesellschaftlichen Verbürgerlichung vom Theaterverein der Stadt übernommen. Die Neueröffnung in seinem jetzigen Aussehen erfolgte am 19. April 1846, dem Geburtstag Kaisers Ferdinand I., einem der Stadt Innsbruck besonders gewogenen Monarchen.
Der klassizistische Bau war vor einem ähnlichen gesellschaftlichen Hintergrund wie das Ferdinandeum entstanden. Die Form des Gebäudes ähnelt einem römischen Triumphbogen. Der wuchtige Eingangsbereich über Treppen wird von mächtigen Säulen gestützt. Heute wirkt das altehrwürdige Landestheater neben dem wuchtigen und modernen Haus der Musik beinahe etwas verloren.
Auch in Innsbruck war die Hochkultur und deren Deutung immer auch ein Zeichen der Macht und Herrschaftsverhältnisse. Die Namen des Theaterhauses spiegeln die Geschichte Innsbrucks, Tirols und Österreichs wider. 1765 unter Maria Theresia wurde das „Hoftheater“ renoviert und unter ihrem Sohn Josef, einem Anhänger des modernen Nationalstaates, zum Nationaltheater.. 1805 unter bayrischer Fremdherrschaft war es das „Königlich-Bayrische Hof-Nationaltheater“. Im Zeitalter des Nationalismus wurde es wieder austrianisiert und 1844 erneut unter dem Namen „Nationaltheater“ wegen Baufälligkeit geschlossen. Von 1938 - 1945 war es als „Reichsgautheater“ bekannt, der Platz davor wurde in Adolf-Hitler-Platz umbenannt. Nach dem Krieg erhielt es den heutigen Namen Tiroler Landestheater.
Das ehemalige Ballhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite, das heutige Kongresshaus, wurde zuerst als Hofreitschule, ab 1776 als Mauthaus genutzt. Die Zentralisierung unter Maria Theresia bedurfte neuer Infrastruktur, um die Beamtenschaft für die Besteuerung unterzubringen. Der Name Dogana, italienisch für Zoll, rührt von dieser Verwendung. Im 2. Weltkrieg erlitt die Dogana erheblichen Schaden. Von 1970-1973 wurde sie zu einem Teil des heutigen Kongresszentrums umgebaut. Seit 2007 ist die erste Station der Hungerburgbahn neben dem Kongresshaus zu finden. 2018 befand sich vor dem Kongresshaus das Ziel der Radweltmeisterschaften.
Ferdinand II.: Innsbrucks Principe und Renaissancefürst
Erzherzog Ferdinand II. von Österreich (1529 – 1595) zählt zu den schillerndsten Figuren der Tiroler Landesgeschichte. Sein Vater Kaiser Ferdinand I. ließ ihm eine ausgezeichnete Ausbildung angedeihen. Er wuchs am spanischen Hof seines Onkels Kaiser Karl V auf. Die Jahre, in denen Ferdinand seine Schulbildung erhielt, fallen in die Anfangszeit des jesuitischen Einflusses an den habsburgischen Höfen. Der junge Staatsmann wurde ganz im Sinne des frommen Humanismus erzogen. Dazu gesellten sich die Sitten des Hochadels der Renaissance. In jungen Jahren reiste er durch Italien und Burgund und hatte an den wohlhabenden Höfen dort einen Lebensstil kennengelernt, der sich unter der deutschen Aristokratie noch nicht durchgesetzt hatte. Ferdinand war das, was man heute als Globetrotter, Mitglied der Bildungselite oder Kosmopolit bezeichnen würde. Er galt als intelligent, charmant und kunstsinnig. Bei weniger exzentrischen Zeitgenossen genoss Ferdinand den Ruf eines unmoralischen und genusssüchtigen Wüstlings. Es wurde ihm schon zu Lebzeiten nachgesagt, ausschweifende und unsittliche Orgien zu veranstalten.
Ferdinands Vater teilte sein Reich unter seinen Söhnen auf. Maximilian II., der zu Recht unter dem elterlichen Verdacht der Häresie und dem Anhängen protestantischer Lehren stand, erbte Ober- und Niederösterreich sowie Böhmen und Ungarn. Ferdinands jüngerer Bruder Karl regierte in Innerösterreich, also Kärnten, Steiermark und der Krain. Das Mittelkind erhielt Tirol, das damals bis ins Engadin reichte, und die zerstückelten habsburgischen Vorlande im Westen der zentraleuropäischen Besitzungen.
Ferdinand übernahm das Land Tirol als Landesfürst in turbulenten Zeiten. Er hatte bereits in seiner Jugend einige Jahre in Innsbruck verbracht. Die Bergwerke in Schwaz begannen wegen des billigen Silbers aus Amerika unrentabel zu werden. Die Silberschwemme aus den habsburgischen Besitzungen in Neu-Spanien jenseits des Atlantiks führte zu einer Inflation. Diese finanziellen Probleme hielten Ferdinand aber nicht davon ab, persönliche und öffentliche Infrastruktur in Auftrag zu geben. Innsbruck profitierte kulturell enorm davon, dass es nach Jahren ohne dezidiert einen Landesfürsten zu haben, nun wieder zum Zentrum eines Regenten wurde. Die italienischen Städte Florenz, Venedig und Mailand waren stilbildend in Kultur, Kunst und Architektur. Der Tiroler Hof Ferdinands sollte ihnen in nichts nachstehen. Vorbei sollten die Zeiten sein, in denen Deutsche in den schöneren Städten südlich der Alpen als unzivilisiert, barbarisch oder gar als Schweine bezeichnet wurden. Dazu ließ er Innsbruck im Geist der Renaissance umgestalten. Ganz im Trend der Zeit ahmte er die italienischen Adelshöfe nach. Hofarchitekt Giovanni Lucchese stand ihm dabei zur Seite.
Einen ansehnlichen Teil seines Lebens verbrachte er auf Schloss Ambras bei Innsbruck, wo er sich eine der kostbarsten Sammlungen von Kunstwerken und Rüstungen anlegte, die noch heute zu den wertvollsten der Welt ihrer Art zu zählen ist. Ferdinand verwandelte die Burg oberhalb des Dorfes Amras in einen modernen Hof. Seine Feste, Maskenbälle und Umzüge waren legendär. Während der Hochzeit eines Neffen ließ er 1800 Kälber und 130 Ochsen braten. Aus den Brunnen soll 10 Tage lang Wein statt Wasser geflossen sein.
Mit dem Schloss Ambras war es aber nicht getan, was die Veränderung Innsbrucks anbelangt. Westlich der Stadt erinnert ein Torbogen noch an den Tiergarten, ein Jagdrevier Ferdinands samt Lusthaus entworfen ebenfalls von Lucchese. Damit der Landesfürst sein Wochenenddomizil erreichen konnte, wurde eine Straße in die sumpfige Höttinger Au gelegt, die die Basis für die heutige Kranebitter Allee bildete. Das Lusthaus wurde 1786 durch den heute als Pulverturm bekannten Bau ersetzt, der einen Teil der sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck beheimatet. Dem fürstlichen Sport des Jagens folgte im ehemaligen Lusthaus, das der Pulverturm war, die Sportuniversität nach. In der Innenstadt ließ er das fürstliche Comedihaus am heutigen Rennweg errichten. Um Innsbrucks Trinkwasserversorgung zu verbessern, wurde unter Ferdinand die Mühlauerbrücke errichtet, um eine Wasserleitung vom Mühlaubach ins Stadtgebiet zu verlegen. Die Jesuiten, kurz vor Ferdinands Amtsantritt in Innsbruck eingetroffen, um lästigen Reformatoren und Kirchenkritikern das Leben schwer zu machen und das Bildungswesen neu aufzustellen, erhielten in der Silbergasse eine neue Kirche.
Besonderes Augenmerk legte er auf die konfessionelle Ausrichtung seiner Schäfchen. Die Bevölkerung zu schröpfen, prunkvoll zu leben, Protestantismus unter seinen wichtigen Beratern zu tolerieren und gleichzeitig den Protestantismus im Volk zu bekämpfen, war für den gelernten Renaissancefürsten kein Widerspruch. Bereits mit 15 Jahren zog er unter seinem Onkel Karl V. im Schmalkaldischen Krieg in die Schlacht gegen die Feinde der Römischen Kirche. Als Landesfürst verstand er sich als Advocatus Ecclesiae (Anm.: Vertreter der Kirche) in einem konfessionell absolutistischen Sinn, der für das Seelenheil seiner Untertanen verantwortlich war. Zwangsmaßnahmen, Stiftung von Kirchen und Klöstern wie den Franziskanern und den Kapuzinern in Innsbruck, verbesserte Seelsorge und die Inszenierung jesuitischer Theaterstücke wie „Die Enthauptung des Johannes“ waren die Waffen der Wahl gegen den Protestantismus. Ferdinands Frömmigkeit war zwar nicht aufgesetzt, er schaffte es aber wie die meisten seiner Zeitgenossen, sich situationselastisch anzupassen.
Die Politik Ferdinands stand unter passendem italienischem Einfluss der zeitgenössischen Avantgarde. Machiavelli schrieb sein Werk „Il Principe“, in dem davon die Rede war, dass Regierenden alles erlaubt sei, was für den Erfolg nötig ist, so sie denn unfähig waren, sie auch abgesetzt werden könnten. Ferdinand II. probierte diesem frühen absolutistischen Führungsstil gerecht zu werden und erließ mit seiner Tiroler Landesordnung für damalige Verhältnisse ein modernes juristisches Regelwerk. Für seine Untertanten bedeutete das höhere Steuerabgaben auf ihre Erträge sowie weitgehende Einschränkungen bei Almende, Fischerei- und Jagdrechten. Die Knappen, Bergbauunternehmer und die ausländischen Handelsgesellschaften mit ihren Kontoreien in Innsbruck trieben die Lebensmittelpreise zusätzlich in die Höhe. Man könnte es zusammenfassen, dass Ferdinand auf seinen Anwesen vergnüglich dem exklusiven Jagdvergnügen nachging, während seine Untertanten durch steigende Belastungen, Preise und Wildschäden am Existenzminimum lebten.
Sein Beziehungsleben war für ein Mitglied der Hocharistokratie exzentrisch. In erster "halbwilder Ehe" war Ferdinand mit der Bürgerlichen Philippine Welser verheiratet. Der Landesfürst soll in seine schöne Ehefrau regelrecht vernarrt gewesen sein, weshalb er sich über alle Konventionen der Zeit hinwegsetzte. Ihre Kinder wurden ob der strengen Gesellschaftsordnung des 16. Jahrhunderts von der Erbfolge ausgeschlossen. Nachdem Philippine Welser verstorben war, heiratete Ferdinand mit 53 Jahren die tiefgläubige Anna Caterina Gonzaga, eine erst 16jährige Prinzessin von Mantua. Große Zuneigung haben die beiden allem Anschein nach aber nicht zueinander empfunden, zumal Anna Caterina eine Nichte Ferdinands war. Die Habsburger waren beim Thema Hochzeit unter Verwandten weniger zimperlich als bei der Ehe eines Adeligen mit einer Bürgerlichen. Auch mit ihr konnte er allerdings "nur" drei Töchter zeugen. Seine letzte Ruhestätte fand Ferdinand in der Silbernen Kapelle bei seiner ersten Ehefrau Philippine Welser.
Leopold V. & Claudia de Medici: Glanz und Gloria in Innsbruck
Das für das barocke Gesicht Innsbrucks bedeutendste Fürstenpaar regierte Tirol während der Zeit, in der der Dreißigjährige Krieg Europa verheerte. Der Habsburger Leopold (1586 – 1632) um die landesfürstlichen Regierungsgeschäfte im oberösterreichischen Regiment in Tirol und den Vorlanden zu führen. Er hatte die klassische Erziehung unter den Fittichen der Jesuiten genossen. In Graz und Judenburg studierte er Philosophie und Theologie, um sich für den machtpolitischen Bereich des Klerus vorzubereiten, eine übliche Karriere nachgeborener Söhne, die kaum Chancen auf weltliche Throne hatten. Leopolds frühe Karriere im Machtapparat der Kirche steht für all das, was Protestanten und Kirchenreformer an der katholischen Kirche ablehnten. Mit 12 Jahren wurde er zum Bischof von Passau gewählt, mit dreizehn wurde er zum Koadjutor des Bistums Straßburg in Lothringen ernannt. Kirchliche Weihen hingegen erhielt er nie. Für die geistlichen Pflichten war sein Fürstbischof zuständig. Er war leidenschaftlicher Politiker, reiste viel zwischen seinen Bistümern und beteiligte sich auf kaiserlicher Seite am Konflikt zwischen Rudolf II. und Matthias, der Vorlage für Franz Grillparzers „Bruderzwist im Hause Habsburg“. Diese Agenden, die einem Kirchenmann nicht unbedingt zur Ehre gereichten, sollten Leopolds Chance auf weltliche Fürstenwürden am Leben halten.
Diese Chance kam, als der unverheiratete Maximilian III. 1618 kinderlos verstarb. Leopold fungierte auf Geheiß seines Bruders als habsburgischer Gubernator und Regierer dieser Ober- und Vorderösterreichischen, auch Mitincorpierter Leuth und Lannde. In seinen ersten Jahren als Regent musste er weiterhin zwischen seinen von den Wirren des Dreißigjährigen Krieges bedrohten Bistümern in Süd- und Westdeutschland pendeln. Der ambitionierte Machtpolitiker war zwar wohl mit dem aufregenden Leben inmitten der hohen Politik zufrieden, nicht aber mit seinem Status als Gubernator. Er wollte den Titel des Landesfürsten samt Huldigung und dynastischem Erbrecht. Für den Fürstentitel und um einen Hofstaat einzurichten, fehlten eine passende Braut, Zeit und Geld. Die kostspieligen Auseinandersetzungen, an denen er beteiligt war, hatten Leopolds Säckel geleert.
Das Geld kam mit der Braut und mit ihr auch die Zeit. Claudia de Medici (1604 – 1648) aus dem reichen toskanischen Kaufmanns- und Fürstengeschlecht wurde dazu auserkoren, den mittlerweile schon auf die 40 zugehenden Landesfürsten in Spe mit dynastischen Freuden zu beglücken. Claudia war bereits im Kindesalter dem Herzog von Urbino versprochen worden, den sie mit 17 Jahren trotz eines Antrags Kaiser Ferdinands II. heiratete. Nach zwei Jahren Ehe verstarb ihr Gatte. Die Bande mit den Habsburgern waren noch vorhanden. Spätestens seit der Hochzeit Francesco de Medici mit Johanna von Habsburg, einer Tochter Ferdinands I. waren die beiden Dynastien gut verzahnt. Auch Leopold und Claudia waren ein Perfect Match aus Titel, Macht und Geld. 1625 verzichtete der mittlerweile zum Herzog Erhobene auf seine kirchlichen Besitztümer und Würden, um heiraten und eine neue Tiroler Linie des Hauses Habsburg gründen zu können.
Die Medici hatten mit Baumwoll- und Textilhandel, vor allem aber mit Finanzgeschäften ein Vermögen verdient und waren zu politischer Macht gekommen. 1570 wurde Cosimo de Medici vom Papst zum ersten Großherzog der Toskana ernannt. Aus dem toskanischen Geldadel wurde dank großzügiger Kredite und Spenden europäischer Hochadel. Unter den Medici war Florenz das kulturelle und finanzwirtschaftliche Zentrum Europas geworden, vergleichbar mit dem New York des 20. Jahrhunderts. Galileo Galilei war Erster Mathematiker Herzog Cosimos II. Im 17. Jahrhundert hatte die Stadt am Arno zwar an politischem Gewicht eingebüßt, in kultureller Hinsicht war Florenz aber noch immer die Benchmark. Leopold setzte alles daran, um seine Residenzstadt in diese Liga zu katapultieren.
Im Februar 1622 hatten die Hochzeitsfeierlichkeiten zwischen Kaiser Ferdinand II. und Eleonore von Mantua in Innsbruck stattgefunden. Für den norditalienischen Brautanhang war Innsbruck leichter zu erreichen als Wien. Tirol war auch konfessionell geeint und war von den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges verschont geblieben. Während die kaiserliche Hochzeit fünf Tage dauerte, zog sich die Party von Leopold und Claudia über 2 Wochen. Die offizielle Hochzeit hatte ohne Beisein des Bräutigams im Florentiner Dom stattgefunden, das Fest zu Ehren der Verbindung von Habsburg und Medici ging als eines der prächtigsten in Geschichte Innsbrucks ein und hielt die Stadt zwei Wochen lang in Atem. Das Brautpaar zog wie zuvor der Kaiser in einem langen Zug durch zwei eigens errichtete Pforten in der Stadt ein. Ein breites Unterhaltungsprogramm, darunter „Bären, Türken und Mohren“ versetzten Gäste und Stadtbürger in Verzückung und Erstaunen.
Weniger glorreich waren Leopolds frühe Regierungsjahre für seine Untertanen. Seine Politik wurde von vielen Auseinandersetzungen mit den Landständen geprägt. Er war als Hardliner der Gegenreformation ein Unterstützer der kaiserlichen Truppen. Das Unterengadin, über das Leopold die Gerichtsgewalt hatte, war ein steter Unruheherd. Unter dem Vorwand, die dort ansässigen katholischen Untertanen vor protestantischen Übergriffen zu schützen, ließ Leopold das Gebiet besetzen. Er konnte Aufstände zwar immer wieder erfolgreich unterdrücken, die Ressourcen, die dafür nötig waren, brachten Bevölkerung und Landstände aber in Rage. Auch an der Nordgrenze zu Bayern war die Lage unruhig und erforderte Leopold als Kriegsherrn. Herzog Bernhard von Weimar hatte Füssen eingenommen und stand bei der Ehrenberger Klause vor den Landesgrenzen. Innsbruck blieb zwar von direkten Kriegshandlungen verschont, war aber dank den nahen Fronten trotzdem Teil des Dreißigjährigen Krieges.
Die finanziellen Mittel dafür stellte er über eine umfassende Steuerreform zu Ungunsten der Mittelschicht zur Verfügung. Die in Kriegen übliche Inflation durch das Stocken des für Innsbruck wichtigen Handels verschlechterte das Leben der Untertanen. 1622 verschärfte eine wetterbedingte Missernte die Lage, die durch die Zinsbelastung des Staatshaushaltes durch Altlasten ohnehin stets angespannt war. Auch sein Beharren auf flächendeckende Durchsetzung des modernen Römischen Rechtes gegenüber dem traditionellen Gewohnheitsrecht brachte ihm bei vielen Untertanen keine Sympathiepunkte ein.
Das alles hielt Leopold und Claudia nicht davon ab, in absolutistischer Manier prächtig Hof zu halten. Innsbruck wurde unter Leopolds Regentschaft großflächig barock umgestaltet. Am Hof fanden spektakuläre Feste im Beisein des europäischen Hochadels statt. Showeinlagen wie Löwenkämpfe mit den Tieren aus dem landesfürstlichen Bestand, den Ferdinand II. am Hofgarten gründen ließ, Theater und Konzerte dienten der Zerstreuung der höfischen Gesellschaft. Auch die Sitten der rauen Älpler sollten sich bessern. Fluchen, Herumschreien und der Gebrauch von Schusswaffen auf offener Straße wurden ebenso verboten wie das freie Umherlaufen von Nutztieren innerhalb des Stadtgebietes. Abfälle, die besonders bei ausbleibendem Regen, wenn kein Wasser durch das Kanalsystem floss, ein Problem waren, wurden per fürstlicher Verordnung regelmäßig gereinigt.
Nach dem frühen Tod Leopolds regierte Claudia an Stelle ihres minderjährigen Sohnes das Land mit Hilfe ihres Hofkanzlers Wilhelm Biener (1590 – 1651) mit moderner, frühabsolutistischer Politik und strenger Hand. Sie konnte sich dabei auf eine gut funktionierende Verwaltung stützen. Die junge Witwe umgab sich mit Italienern und italienischsprachigen Tirolern, die frische Ideen ins Land brachten. Die Seidenraupenzucht im Trentino und erste, zarte Überlegungen rund um eine Tiroler Universität gediehen unter Claudias Regentschaft. Kanzler Biener zentralisierte Teile der Verwaltung. Vor allem das fragmentierte Rechtsystem innerhalb der Tiroler Territorien sollte durch einen allgemeingültigen Kodex ersetzt werden. Dafür musste der oft willkürlich agierende lokale Kleinadel zu Gunsten des Landesfürsten weiter entmachtet werden. Dieses einheitliche System sollte auch den Ausbau der Verteidigungsanlagen an den Tiroler Grenzen in den unruhigen Kriegszeiten finanzieren. Die für ihre Brutalität berüchtigten Schweden bedrohten das Land, konnten durch diese Maßnahmen aber abgewehrt werden. Bei Scharnitz an der heutigen deutschen Grenze wurden Verteidigungsanlagen errichtet und nach der Landesfürstin Porta Claudia genannt. Als Claudia de Medici 1648 starb, kam es wie fast zur gleichen Zeit in England unter Cromwell zu einem Aufstand der Stände gegen die Zentralregierung. Claudia, die nie die deutsche Landessprache gelernt hatte und auch sonst auch nach über 20 Jahren noch mit lokalen Bräuchen fremdelte, war nie besonders beliebt in der Bevölkerung gewesen. An eine Absetzung war aber nicht zu denken. Der Schierlingsbecher wurde an ihren Kanzler weitergereicht. Der unbequeme Biener wurde vom Nachfolger Claudias, Erzherzog Ferdinand Karl, und den Landständen als Persona non grata inhaftiert und 1651 wie Charles I. zwei Jahre nach einem Schauprozess geköpft.
Ein Hauch Florenz und Medici prägt Innsbruck bis heute: Sowohl in der Jesuitenkirche, wo Claudia und Leopold ihre letzte Ruhestätte fanden, als auch in der Pfarrkirche Mariahilf prangt bis heute das Wappen ihrer Familie mit den roten Kugeln und den Lilien. Das Alte Rathaus in der Altstadt ist auch als Claudiana bekannt. Überreste der Porta Claudia bei Scharnitz stehen ebenfalls bis heute. Mit Leopolds Namen verbunden ist in Innsbruck besonders das Theater. Ein Brunnen am Vorplatz erinnert an ihn. Kanzler Wilhelm Biener wurde ein Straßenname im Saggen gewidmet.
Die Baumeister Gumpp und die Barockisierung Innsbrucks
Die Werke der Familie Gumpp bestimmen bis heute sehr stark das Aussehen Innsbrucks. Vor allem die barocken Teile der Stadt sind auf die Hofbaumeister zurückzuführen. Der Begründer der Dynastie in Tirol, Christoph Gumpp (1600-1672) war eigentlich Tischler. Sein Talent allerdings hatte ihn für höhere Weihen auserkoren. Den Beruf des Architekten gab es zu dieser Zeit noch nicht. Michelangelo und Leonardo Da Vinci galten in ihrer Zeit als Handwerker, nicht als Künstler. Der Ruhm ihrer Kunstwerke allerdings hatte den Wert italienischer Baumeister innerhalb der Aristokratie immens nach oben getrieben. Wer auf sich hielt, beschäftigte jemand aus dem Süden am Hof. Christoph Gumpp, obwohl aus dem Schwabenland nach Innsbruck gekommen, trat nach seiner Mitarbeit an der Dreifaltigkeitskirche in die Fußstapfen der von Ferdinand II. hochgeschätzten Renaissance-Architekten aus Italien. Auf Geheiß Ferdinands Nachfolger Leopold V. reiste Gumpp nach Italien, um dort Theaterbauten zu studieren- Er sollte bei den kulturell den Ton angebenden Nachbarn südlich des Brenners sein Wissen für das geplante landesfürstliche Comedihaus aufzupolieren. Gumpps offizielle Tätigkeit als Hofbaumeister begann 1633 und er sollte diesen Titel an die nächsten beiden Generationen weitervererben. Über die folgenden Jahrzehnte sollte Innsbruck einer kompletten Renovierung unterzogen werden. Neue Zeiten bedurften eines neuen Designs, abseits des düsteren, von der Gotik geprägten Mittelalters. Die Gumpps traten nicht nur als Baumeister in Erscheinung. Sie waren Tischler, Maler, Kupferstecher und Architekten, was ihnen erlaubte, ähnlich der Bewegung der Tiroler Moderne rund um Franz Baumann und Clemens Holzmeister Anfang des 20. Jahrhunderts, Projekte ganzheitlich umzusetzen. Johann Martin Gumpp der Ältere, Georg Anton Gumpp und Johann Martin Gumpp der Jüngere waren für viele der bis heute prägendsten Gebäude im Stadtbild zuständig. So stammen die Wiltener Stiftskirche, die Mariahilfkirche, die Johanneskirche und die Spitalskirche von den Gumpps. Neben dem Entwurf von Kirchen und ihrer Arbeit als Hofbaumeister machten sie sich auch als Planer von Profanbauten einen Namen. Viele der Bürgerhäuser und Stadtpaläste Innsbrucks wie das Taxispalais oder das Alte Landhaus in der Maria-Theresien-Straße wurden von Ihnen entworfen. Das Meisterstück aber war das Comedihaus, das Christoph Gumpp für Leopold V. und Claudia de Medici im ehemaligen Ballhaus plante. Die überdimensionierten Maße des damals richtungsweisenden Theaters, das in Europa zu den ersten seiner Art überhaupt gehörte, erlaubte nicht nur die Aufführung von Theaterstücken, sondern auch Wasserspiele mit echten Schiffen und aufwändige Pferdeballettaufführungen. Das Comedihaus war ein Gesamtkunstwerk an und für sich, das in seiner damaligen Bedeutung wohl mit dem Festspielhaus in Bayreuth des 19. Jahrhunderts oder der Elbphilharmonie heute verglichen werden muss. Das ehemalige Wohnhaus der Familie Gumpp kann heute noch begutachtet werden, es beherbergt heute die Konditorei Munding. Im Stadtteil Pradl erinnert die Gumppstraße an die Baumeisterdynastie.
Innsbruck und der Nationalsozialismus
In den 1920er und 30er wuchs und gedieh die NSDAP auch in Tirol. Die erste Ortsgruppe der NSDAP in Innsbruck wurde bereits 1923 gegründet. Mit „Der Nationalsozialist – Kampfblatt für Tirol und Vorarlberg“ erschien ein eigenes Wochenblatt. 1933 erlebte die NSDAP auch in Innsbruck einen kometenhaften Aufstieg. Die allgemeine Unzufriedenheit und Politikverdrossenheit der Bürger und theatralisch inszenierte Fackelzüge durch die Stadt samt hakenkreuzförmiger Bergfeuer auf der Nordkette im Wahlkampf verhalfen der Partei zu einem großen Zugewinn. Über 1800 Innsbrucker waren Mitglied der SA, die ihr Quartier in der Bürgerstraße 10 hatte. Konnten die Nationalsozialisten bei ihrem ersten Antreten bei einer Gemeinderatswahl 1921 nur 2,8% der Stimmen erringen, waren es bei den Wahlen 1933 bereits 41%. Neun Mandatare, darunter der spätere Bürgermeister Egon Denz und der Gauleiter Tirols Franz Hofer, zogen in den Gemeinderat ein. Nicht nur die Wahl Hitlers zum Reichskanzler in Deutschland, auch Kampagnen und Manifestationen in Innsbruck verhalfen der ab 1934 in Österreich verbotenen Partei zu diesem Ergebnis. Wie überall waren es auch in Innsbruck vor allem junge Menschen, die sich für den Nationalsozialismus begeisterten. Das Neue, das Aufräumen mit alten Hierarchien und Strukturen wie der katholischen Kirche, der Umbruch und der noch nie dagewesene Stil zogen sie an. Besonders unter den großdeutsch gesinnten Burschen der Studentenverbindungen und vielfach auch unter Professoren war der Nationalsozialismus beliebt.
Als der Anschluss Österreichs an Deutschland im März 1938 erfolgte, kam es zu bürgerkriegsähnlichen Szenen. Bereits im Vorfeld des Einmarsches war es immer wieder zu Aufmärschen und Kundgebungen der Nationalsozialisten gekommen, nachdem das Verbot der Partei aufgehoben worden war. Noch bevor Bundeskanzler Schuschnigg seine letzte Rede an das Volk vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten mit den Worten „Gott schütze Österreich“ am 11. März 1938 geschlossen hatte, rotteten sich bereits die Nationalsozialisten in der Innenstadt zusammen um den Einmarsch der deutschen Truppen vorzufeiern. Die Polizei des Ständestaates war dem Aufruhr der organisierten Manifestationen teils gewogen, teils stand sie dem Treiben machtlos gegenüber. Landhaus und Maria-Theresien-Straße wurden zwar abgeriegelt und mit Maschinengewehrständen gesichert, an ein Durchgreifen seitens der Exekutive war aber nicht zu denken. „Ein Volk – ein Reich – ein Führer“ hallte durch die Stadt. Die Bedrohung des deutschen Militärs und der Aufmarsch von SA-Truppen beseitigten die letzten Zweifel. Mehr und mehr schloss sich die begeisterte Bevölkerung an. Am Tiroler Landhaus, damals noch in der Maria-Theresienstraße, sowie im provisorischen Hauptquartier der Nationalsozialisten im Gasthaus Alt-Innsprugg, wurde die Hakenkreuzfahne gehisst.
Am 12. März empfingen die Innsbrucker das deutsche Militär frenetisch. Am 5. April besuchte Adolf Hitler persönlich Innsbruck, um sich von der Menge feiern zu lassen. Archivbilder zeigen eine euphorische Menschenmenge in Erwartung des Führers, des Heilsversprechers. Auf der Nordkette wurden Bergfeuer in Hakenkreuzform entzündet. Die Volksbefragung am 10. April ergab eine Zustimmung von über 99% zum Anschluss Österreichs an Deutschland. Die Menschen waren nach der wirtschaftlichen Not der Zwischenkriegszeit, der Wirtschaftskrise und den Regierungen unter Dollfuß und Schuschnigg müde und wollten Veränderung. Welche Art von Veränderung, war im ersten Moment weniger wichtig als die Veränderung an und für sich. „Es denen da oben zu zeigen“, das war Hitlers Versprechen. Wehrmacht und Industrie boten jungen Menschen eine Perspektive, auch denen, die mit der Ideologie des Nationalsozialismus an und für sich wenig anfangen konnten. Dass es immer wieder zu Gewaltausbrüchen kam, war für die Zwischenkriegszeit in Österreich ohnehin nicht unüblich. Anders als heute war Demokratie nichts, woran sich jemand in der kurzen, von politischen Extremen geprägten Zeit zwischen der Monarchie 1918 bis zur Ausschaltung des Parlaments unter Dollfuß 1933 hätte gewöhnen können. Was faktisch nicht in den Köpfen der Bevölkerung existiert, muss man nicht abschaffen.
Tirol und Vorarlberg wurden in einem Reichsgau zusammengefasst mit Innsbruck als Hauptstadt. Bewaffneter Widerstand war nicht vorhanden, dazu war die Linke in Tirol nicht stark genug. Unorganisiertes subversives Verhalten von der katholischen Bevölkerung, vor allem in einigen Landgemeinden rund um Innsbruck gab es vereinzelt. Auch wenn der Nationalsozialismus sich bei einem guten Teil der Bevölkerung skeptisch gesehen wurde, gab es kaum organisierten Widerstand. Zu allumfassend dominierte der Machtapparat den Alltag der Menschen. Viele Arbeitsstellen und sonstige Annehmlichkeiten des Lebens waren an eine zumindest äußerlich parteitreue Gesinnung gebunden. Eine Inhaftierung blieb dem größten Teil der Bevölkerung zwar erspart, die Angst davor war aber allgegenwärtig.
Das Regime unter Hofer und Gestapochef Werner Hilliges leistete auch ganze Arbeit bei der Unterdrückung. InTirol war die Kirche das größte Hindernis. Während des Nationalsozialismus wurde die katholische Kirche systematisch bekämpft. Katholische Schulen wurden umfunktioniert, Jugendorganisationen und Vereine verboten, Klöster geschlossen, der Religionsunterricht abgeschafft und eine Kirchensteuer eingeführt. Besonders hartnäckige Pfarrer wie Otto Neururer wurden in Konzentrationslager gebracht. Auch Lokalpolitiker wie die späteren Innsbrucker Bürgermeister Anton Melzer und Franz Greiter müssten flüchten oder worden verhaftet. Gewalt und die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung, dem Klerus, politisch Verdächtigen, Zivilpersonen und Kriegsgefangenen auch nur überblicksmäßig zusammenzufassen würde den Rahmen sprechen.
Das Hauptquartier der Gestapo befand sich in der Herrengasse 1. Hier wurden Verdächtige schwer misshandelt und teils mit Fäusten zu Tode geprügelt. 1941 wurde in der Rossau in der Nähe des Bauhofs Innsbruck das Arbeitslager Reichenau errichtet. Verdächtige Personen aller Art wurden hier zu Zwangsarbeiten in schäbigen Baracken verwahrt. Über 130 Personen fanden in diesem Lager bestehend aus 20 Baracken den Tod durch Krankheit, die schlechten Bedingungen, Arbeitsunfälle oder Hinrichtungen.
Auch im 10 km von Innsbruck entfernten Dorf Kematen kamen im Messerschmitt Werk Gefangene zum Zwangseinsatz. Darunter waren politische Häftlinge, russische Kriegsgefangene und Juden. Zu den Zwangsarbeiten gehörten unter anderem die Errichtung der Südtiroler Siedlungen in der Endphase oder die Stollen zum Schutz vor den Luftangriffen im Süden Innsbrucks. In der Klinik Innsbruck wurden Behinderte und vom System als nicht genehm empfundene Menschen wie Homosexuelle zwangssterilisiert.
Die Erinnerungsorte an die Zeit des Nationalsozialismus sind rar gesät. Das Tiroler Landhaus mit dem Befreiungsdenkmal und das Gebäude der Alten Universität sind die beiden auffälligsten Denkmäler. Der Vorplatz der Universität und eine kleine Säule am südlichen Eingang der Klinik wurden ebenfalls im Gedenken an das wohl dunkelste Kapitel Österreichs Geschichte gestaltet.
Barock: Kunstrichtung und Lebenskunst
Wer in Österreich unterwegs ist, kennt die Kuppen und Zwiebeltürme der Kirchen in Dörfern und Städten. Diese Form der Kirchtürme entstand in der Zeit der Gegenreformation und ist ein typisches Kennzeichen des Architekturstils Barock. Auch in Innsbrucks Stadtbild sind sie vorherrschend. Die bekanntesten Gotteshäuser Innsbrucks wie der Dom, die Johanneskirche oder die Jesuitenkirche, sind im Stile des Barocks gehalten. Prachtvoll und prunkvoll sollten Gotteshäuser sein, ein Symbol des Sieges des rechten Glaubens. Die Religiosität spiegelte sich in Kunst und Kultur wider: Großes Drama, Pathos, Leiden, Glanz und Herrlichkeit vereinten sich zum Barock, der den gesamten katholisch orientierten Einflussbereich der Habsburger und ihrer Verbündeten zwischen Spanien und Ungarn nachhaltig prägte.
Das Stadtbild Innsbrucks veränderte sich enorm. Die Gumpps und Johann Georg Fischer als Baumeister sowie die Bilder Franz Altmutters prägen Innsbruck bis heute nachhaltig. Das Alte Landhaus in der Altstadt, das Neue Landhaus in der Maria-Theresien-Straße, die unzähligen Palazzi, Bilder, Figuren – der Barock war im 17. und 18. Jahrhundert das stilbildende Element des Hauses Habsburg und brannte sich in den Alltag ein. Das Bürgertum wollte den Adeligen und Fürsten nicht nachstehen und ließen ihre Privathäuser im Stile des Barocks errichten. Auf Bauernhäusern prangen Heiligenbilder, Darstellungen der Mutter Gottes und des Herzen Jesu.
Barock war nicht nur eine architektonische Stilrichtung, es war ein Lebensgefühl, das seinen Ausgang nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges nahm. Die Türkengefahr aus dem Osten, die in der zweimaligen Belagerung Wiens gipfelte, bestimmte die Außenpolitik des Reiches, während die Reformation die Innenpolitik dominierte. Die Barockkultur war ein zentrales Element des Katholizismus und der politischen Darstellung derselben in der Öffentlichkeit, das Gegenmodell zum spröden und strengen Lebensentwurf Calvins und Luthers. Feiertage mit christlichem Hintergrund wurden eingeführt, um den Alltag der Menschen aufzuhellen. Architektur, Musik und Malerei waren reich, füllig und üppig. In Theaterhäusern wie dem Comedihaus in Innsbruck wurden Dramen mit religiösem Hintergrund aufgeführt. Kreuzwege mit Kapellen und Darstellungen des gekreuzigten Jesus durchzogen die Landschaft. Die Volksfrömmigkeit in Form der Wallfahrten, Marien- und Heiligenverehrung hielt Einzug in den Kirchenalltag.
Die Barockfrömmigkeit wurde auch zur Erziehung der Untertanen eingesetzt. Auch wenn der Ablasshandel in der Zeit nach dem 16. Jahrhundert keine gängige Praxis mehr in der katholischen Kirche war, so gab es doch noch eine rege Vorstellung von Himmel und Hölle. Durch ein tugendhaftes Leben, sprich ein Leben im Einklang mit katholischen Werten und gutem Verhalten als Untertan gegenüber der göttlichen Ordnung, konnte man dem Paradies einen großen Schritt näherkommen. Die sogenannte Christliche Erbauungsliteratur war nach der Schulreformation des 18. Jahrhunderts in der Bevölkerung beliebt und zeigte vor, wie das Leben zu führen war. Das Leiden des Gekreuzigten für die Menschheit galt als Symbol für die Mühsal der Untertanen auf Erden innerhalb des Feudalsystems. Mit Votivbildern baten Menschen um Beistand in schweren Zeiten oder bedankten sich vor allem bei der Mutter Gottes für überstandene Gefahren und Krankheiten. Tolle Beispiele dafür finden sich an der östlichen Fassade der Basilika in Wilten.
Der Historiker Ernst Hanisch beschrieb den Barock und den Einfluss, den er auf die österreichische Lebensart hatte, so:
„Österreich entstand in seiner modernen Form als Kreuzzugsimperialismus gegen die Türken und im Inneren gegen die Reformatoren. Das brachte Bürokratie und Militär, im Äußeren aber Multiethnien. Staat und Kirche probierten den intimen Lebensbereich der Bürger zu kontrollieren. Jeder musste sich durch den Beichtstuhl reformieren, die Sexualität wurde eingeschränkt, die normengerechte Sexualität wurden erzwungen. Menschen wurden systematisch zum Heucheln angeleitet.“
Die Rituale und das untertänige Verhalten gegenüber der Obrigkeit hinterließen ihre Spuren in der Alltagskultur, die katholische Länder wie Österreich und Italien bis heute von protestantisch geprägten Regionen wie Deutschland, England oder Skandinavien unterscheiden. Die Leidenschaft für akademische Titel der Österreicher hat ihren Ursprung in den barocken Hierarchien. Der Ausdruck Barockfürst bezeichnet einen besonders patriarchal-gönnerhaften Politiker, der mit großen Gesten sein Publikum zu becircen weiß. Während man in Deutschland politische Sachlichkeit schätzt, ist der Stil von österreichischen Politikern theatralisch, ganz nach dem österreichischen Bonmot des „Schaumamal“.