Claudiana – Altes Regierungsgebäude
Herzog-Friedrich-Straße 3
Wissenswert
Gegenüber dem Gasthof Goldener Adler befindet sich das Alte Regierungsgebäude, das seit 1569 den Tiroler Landesfürsten als Gerichts- und Verwaltungsgebäude sowie als Landhaus diente. Erzherzog Ferdinand II. hatte es als Zerrenmantelhaus gekauft und als Heimstätte für seine Regierungsgeschäfte umfunktioniert. Der Einfluss des Klerus und des Adels innerhalb des Feudalsystems hatte unter dem schweren finanziellen Erbe, das Maximilian I. in Tirol hinterlassen hatte, zugenommen. Diese frühe Form der Landesregierung bedurfte eines offiziellen Sitzes nahe dem landesfürstlichen Hof. Ferdinand war als Renaissancefürst von einer Demokratie im heutigen Sinn weit entfernt, nach dem Aufstand von 1525 unter Michael Gaismair und den Wirren der Zeit nach Maximilian I. war er aber durchaus darauf bedacht, sich in Regierungsgeschäften von den Ständen, die immer mächtiger wurden, beraten zu lassen.
Ein Wasserschaden sorgte für eine komplette Renovierung. Abwasser aus dem Hofwaschhaus hatte 1641 für markante Schäden am Regierungsgebäude gesorgt. Claudia de Medici ließ das Gebäude 1645 umbauen. Die Ratsstuben ließ sie aufwändig im Stil ihrer Heimat Florenz gestalten. Der prächtigste der Säle mit dem barocken Ofen und der wunderschönen Holzdecke, die noch heute das Wappen der florentinischen Familie der Medici trägt, ist leider nur bei Veranstaltungen der Universität Innsbruck zugänglich.
Nur wenige Jahre später musste erneut Hand an das Regierungsgebäude gelegt werden. Nach dem Erdbeben, das Innsbruck 1689 erschütterte, wurde das nun als Claudiana bekannte Gebäude an der Fassade durch Johann Martin Gumpp den Älteren im Barockstil renoviert. Gumpp verpasste ihm das barocke Antlitz, das zwischen den anderen Gebäuden des Unteren Stadtplatzes heraussticht. Die gotische Innenausstattung der Räume blieb aber erhalten. 1732 erfolgte die einfach und schlicht gehaltene Erneuerung der Fassade zur Innseite hin. Den alten, gotischen Kern des Gebäudes kann man im Innenhof noch erahnen.
Leopold V. & Claudia de Medici: Glanz und Gloria in Innsbruck
Das für das barocke Gesicht Innsbrucks bedeutendste Fürstenpaar regierte Tirol während der Zeit, in der der Dreißigjährige Krieg Europa verheerte. Der Habsburger Leopold (1586 – 1632) um die landesfürstlichen Regierungsgeschäfte im oberösterreichischen Regiment in Tirol und den Vorlanden zu führen. Er hatte die klassische Erziehung unter den Fittichen der Jesuiten genossen. In Graz und Judenburg studierte er Philosophie und Theologie, um sich für den machtpolitischen Bereich des Klerus vorzubereiten, eine übliche Karriere nachgeborener Söhne, die kaum Chancen auf weltliche Throne hatten. Leopolds frühe Karriere im Machtapparat der Kirche steht für all das, was Protestanten und Kirchenreformer an der katholischen Kirche ablehnten. Mit 12 Jahren wurde er zum Bischof von Passau gewählt, mit dreizehn wurde er zum Koadjutor des Bistums Straßburg in Lothringen ernannt. Kirchliche Weihen hingegen erhielt er nie. Für die geistlichen Pflichten war sein Fürstbischof zuständig. Er war leidenschaftlicher Politiker, reiste viel zwischen seinen Bistümern und beteiligte sich auf kaiserlicher Seite am Konflikt zwischen Rudolf II. und Matthias, der Vorlage für Franz Grillparzers „Bruderzwist im Hause Habsburg“. Diese Agenden, die einem Kirchenmann nicht unbedingt zur Ehre gereichten, sollten Leopolds Chance auf weltliche Fürstenwürden am Leben halten.
Diese Chance kam, als der unverheiratete Maximilian III. 1618 kinderlos verstarb. Leopold fungierte auf Geheiß seines Bruders als habsburgischer Gubernator und Regierer dieser Ober- und Vorderösterreichischen, auch Mitincorpierter Leuth und Lannde. In seinen ersten Jahren als Regent musste er weiterhin zwischen seinen von den Wirren des Dreißigjährigen Krieges bedrohten Bistümern in Süd- und Westdeutschland pendeln. Der ambitionierte Machtpolitiker war zwar wohl mit dem aufregenden Leben inmitten der hohen Politik zufrieden, nicht aber mit seinem Status als Gubernator. Er wollte den Titel des Landesfürsten samt Huldigung und dynastischem Erbrecht. Für den Fürstentitel und um einen Hofstaat einzurichten, fehlten eine passende Braut, Zeit und Geld. Die kostspieligen Auseinandersetzungen, an denen er beteiligt war, hatten Leopolds Säckel geleert.
Das Geld kam mit der Braut und mit ihr auch die Zeit. Claudia de Medici (1604 – 1648) aus dem reichen toskanischen Kaufmanns- und Fürstengeschlecht wurde dazu auserkoren, den mittlerweile schon auf die 40 zugehenden Landesfürsten in Spe mit dynastischen Freuden zu beglücken. Claudia war bereits im Kindesalter dem Herzog von Urbino versprochen worden, den sie mit 17 Jahren trotz eines Antrags Kaiser Ferdinands II. heiratete. Nach zwei Jahren Ehe verstarb ihr Gatte. Die Bande mit den Habsburgern waren noch vorhanden. Spätestens seit der Hochzeit Francesco de Medici mit Johanna von Habsburg, einer Tochter Ferdinands I. waren die beiden Dynastien gut verzahnt. Auch Leopold und Claudia waren ein Perfect Match aus Titel, Macht, barocker Frömmigkeit und Geld. Leopolds Schwester Maria Magdalena war als angeheiratete Großherzogin der Toskana in Florenz gelandet und schickte ihrem Bruder ein gemaltes Portrait der jungen Witwe Claudia mit den Begleitworten, dass sie „von gesicht, leib und tugendt schön“ sei. Nach einem Tanz im Huhn-Ei-Prinzip – die Familie der Braut wollte eine Versicherung um die Titel des Schwiegersohnes während dessen Bruder der Kaiser für die Vergabe der Herzogswürde den Beweis einer Braut forderte – war es so weit. 1625 verzichtete der mittlerweile zum Herzog erhobene, wohlgenährte und vierzig Jahre alte Leopold auf seine kirchlichen Besitztümer und Würden, um heiraten und mit seiner fast 20 Jahre jüngeren Braut eine neue Tiroler Linie des Hauses Habsburg gründen zu können.
Die Verbindung des Landesfürsten mit der Italienerin sollten Innsbruck prägen. Die Medici hatten mit Baumwoll- und Textilhandel, vor allem aber mit Finanzgeschäften ein Vermögen verdient und waren zu politischer Macht gekommen. Unter den Medici war Florenz das kulturelle und finanzwirtschaftliche Zentrum Europas geworden, vergleichbar mit dem New York des 20 oder den Arabischen Emiraten des 21. Jahrhunderts. Der Florentiner Dom, der im Auftrag der mächtigen Wollhändlergilde errichtet wurde, war in Ausstattung und Größe das spektakulärste Gebäude weltweit. Galileo Galilei war Erster Mathematiker Herzog Cosimos II. 1570 wurde Cosimo de Medici vom Papst zum ersten Großherzog der Toskana ernannt. Aus dem toskanischen Geldadel wurde dank großzügiger Kredite und Spenden europäischer Hochadel. Im 17. Jahrhundert hatte die Stadt am Arno zwar an politischem Gewicht eingebüßt, in kultureller Hinsicht war Florenz aber noch immer die Benchmark. Leopold setzte alles daran, um seine Residenzstadt in diese Liga zu katapultieren.
Im Februar 1622 hatten die Hochzeitsfeierlichkeiten zwischen Kaiser Ferdinand II. und Eleonore von Mantua in Innsbruck stattgefunden. Für den norditalienischen Brautanhang war Innsbruck leichter zu erreichen als Wien. Tirol war auch konfessionell geeint und war von den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges verschont geblieben. Während die kaiserliche Hochzeit in fünf Tagen erledigt war, zog sich die Party von Leopold und Claudia über 2 Wochen. Die offizielle Hochzeit hatte ohne Beisein des Bräutigams im Florentiner Dom stattgefunden. Das anschließende Fest zu Ehren der Verbindung von Habsburg und Medici ging als eines der prächtigsten in Geschichte Innsbrucks ein und hielt die Stadt zwei Wochen lang in Atem. Nach einem frostigen Einzug vom verschneiten Brenner herunter empfing Innsbruck seine neue Fürstin und ihre Familie. Ehemann und Untertanen hatten zur inneren Reinigung im Vorfeld gebetet, um göttlichen Segen zu erbitten. Das Brautpaar zog wie zuvor der Kaiser in einem langen Zug durch zwei eigens errichtete Pforten in der Stadt ein. 1500 Schützen feuerten Salven aus allen Rohren ab. Trommler, Pfeifer und die Glocken der Hofkirche untermalten den Zug, der aus 750 Personen am staunenden Volk vorbeizog. Ein breites Unterhaltungsprogramm mit Jagden, Theater, Tänzen, Musik sowie allerlei exotischem wie „Bären, Türggen und Mohren“ versetzten Gäste und Stadtbürger in Verzückung und Erstaunen. Aus heutiger Sicht wenig glanzvolles Highlights war das Katzenrennen, bei dem mehrere Reiter danach trachteten, einer an den Beinen aufgehängten Katze im Vorbeireiten den Kopf abzuhacken.
Weniger glorreich waren Leopolds frühe Regierungsjahre für seine Untertanen. Seine Politik wurde von vielen Auseinandersetzungen mit den Landständen geprägt. Er war als Hardliner der Gegenreformation ein Unterstützer der kaiserlichen Truppen. Das Unterengadin, über das Leopold die Gerichtsgewalt hatte, war ein steter Unruheherd. Unter dem Vorwand, die dort ansässigen katholischen Untertanen vor protestantischen Übergriffen zu schützen, ließ Leopold das Gebiet besetzen. Er konnte Aufstände zwar immer wieder erfolgreich unterdrücken, die Ressourcen, die dafür nötig waren, brachten Bevölkerung und Landstände aber in Rage. Auch an der Nordgrenze zu Bayern war die Lage unruhig und erforderte Leopold als Kriegsherrn. Herzog Bernhard von Weimar hatte Füssen eingenommen und stand bei der Ehrenberger Klause vor den Landesgrenzen. Innsbruck blieb zwar von direkten Kriegshandlungen verschont, war aber dank den nahen Fronten trotzdem Teil des Dreißigjährigen Krieges.
Die finanziellen Mittel dafür stellte er über eine umfassende Steuerreform zu Ungunsten der Mittelschicht zur Verfügung. Die in Kriegen übliche Inflation durch das Stocken des für Innsbruck wichtigen Handels verschlechterte das Leben der Untertanen. 1622 verschärfte eine wetterbedingte Missernte die Lage, die durch die Zinsbelastung des Staatshaushaltes durch Altlasten ohnehin stets angespannt war. Auch sein Beharren auf flächendeckende Durchsetzung des modernen Römischen Rechtes gegenüber dem traditionellen Gewohnheitsrecht brachte ihm bei vielen Untertanen keine Sympathiepunkte ein.
Das alles hielt Leopold und Claudia nicht davon ab, in absolutistischer Manier prächtig Hof zu halten. Innsbruck wurde unter Leopolds Regentschaft großflächig barock umgestaltet. Am Hof fanden Feste im Beisein des europäischen Hochadels statt. Showeinlagen wie Löwenkämpfe mit den exotischen Tieren aus dem landesfürstlichen Bestand, den Ferdinand II. am Hofgarten gründen ließ, Theater und Konzerte dienten der Zerstreuung der höfischen Gesellschaft.
Moral und Sitten der rauen Älpler sollten sich bessern. Es war ein Balanceakt zwischen Festen bei Hof und Verbot von Karnevalsfeiern für normale Bürger. Der Zorn Gottes, der immerhin Pest und Krieg nach sich gezogen hatte, sollte so gut als möglich durch tugendhaftes Verhalten ferngehalten werden. Fluchen, Herumschreien und der Gebrauch von Schusswaffen auf offener Straße wurden verboten. Gegen Zuhälterei, Prostitution, Ehebruch und moralischen Verfall ging man am frommen Hof streng vor. Juden hatten unter Leopold und Claudia ebenfalls schwere Zeiten. Der Hass auf die immer schon ungeliebten Hebreer brachte eine der unappetitlichsten Traditionen Tiroler Frömmigkeit hervor. 1642 verfasste der italienischstämmige Stiftsarzt zu Hall und Gründer der Karlskirche in Volders Dr. Hippolyt Guarinoni die Legende des Märtyrerkinds Anderle von Rinn. Angeregt vom angeblich durch Juden 1475 in seiner Heimatstadt ermordeten Simon von Trient verfasste Guarinoni 1642 das Anderl-Lied in Versform. In Rinn bei Innsbruck entwickelte sich rund um die Gebeine des angeblich 1462 von Juden ermordeten Andreas Oxner, die Jahreszahl war dem Doktor im Traum erschienen, ein antisemitischer Anderl-Kult, der erst 1989 vom Innsbrucker Bischof verboten wurde.
Innsbruck wurde nicht nur moralisch, sondern auch tatsächlich gesäubert. Abfälle, die besonders bei ausbleibendem Regen, wenn kein Wasser durch das Kanalsystem floss, ein Problem waren, wurden per fürstlicher Verordnung regelmäßig gereinigt. Nutztiere durften nicht mehr frei innerhalb der Stadtmauern herumlaufen. Die Pestwelle wenige Jahre vorher war noch frisch im Gedächtnis. Schlechte Gerüche und Miasmen sollten um jeden Preis ferngehalten werden.
Nach dem frühen Tod Leopolds regierte Claudia an Stelle ihres minderjährigen Sohnes das Land mit Hilfe ihres Hofkanzlers Wilhelm Biener (1590 – 1651) mit moderner, konfessionell motivierter, frühabsolutistischer Politik und strenger Hand. Sie konnte sich dabei auf eine gut funktionierende Verwaltung stützen. Die junge Witwe umgab sich mit Italienern und italienischsprachigen Tirolern, die frische Ideen ins Land brachten, gleichzeitig aber auch Härte im Kampf gegen den Lutheranismo zeigten. Um Feuer zu vermeiden, 1636 waren direkt vor der Hofburg das Löwenhaus und der Ansitz Ruhelust Ferdinands II. abgebrannt, mussten Ställe und andere Gebäude aus Holz innerhalb der Stadtmauern abgerissen werden. Die Seidenraupenzucht im Trentino und erste, zarte Überlegungen rund um eine Tiroler Universität gediehen unter Claudias Regentschaft. Kanzler Biener zentralisierte Teile der Verwaltung. Vor allem das fragmentierte Rechtsystem innerhalb der Tiroler Territorien sollte durch einen allgemeingültigen Kodex ersetzt werden. Dafür musste der oft willkürlich agierende lokale Kleinadel zu Gunsten des Landesfürsten weiter entmachtet werden.
Dieses System sollte nicht nur den teuren Hofstaat, sondern auch die Landesverteidigung finanzieren. Nicht nur protestantische Truppen aus Süddeutschland bedrohten den habsburgischen Besitz. Auch Frankreich, eigentlich eine katholische Macht, wollte sich an den Ländern der Casa de Austria in Spanien, Italien und den Vorlanden, den heutigen Benelux-Staaten, schadlos halten. Innsbruck wurde zu einem der Zentren des habsburgischen Kriegsrates. Am Rande der Front in den deutschen Ländern und mittig zwischen Wien und der Toskana war die Stadt perfekt für Österreicher, Spanier und Italiener, um sich zu treffen. Die für ihre Brutalität berüchtigten Schweden bedrohten Tirol direkt, konnten aber vom Einmarsch abgehalten werden. Die Burg- und Wallanlagen, die Tirol schützten, wurden von unerwünschten Bewohnern des Landes, Bettlern, Zigeunern und desertierten Soldaten in Zwangsarbeit errichtet. Bei Scharnitz an der heutigen deutschen Grenze wurden Verteidigungsanlagen errichtet und nach der Landesfürstin Porta Claudia genannt.
Als Claudia de Medici 1648 starb, kam es wie fast zur gleichen Zeit in England unter Cromwell zu einem Aufstand der Stände gegen die Zentralregierung. Claudia, die nie die deutsche Landessprache gelernt hatte und auch sonst auch nach über 20 Jahren noch mit lokalen Bräuchen fremdelte, war nie besonders beliebt in der Bevölkerung gewesen. An eine Absetzung war aber nicht zu denken. Der Schierlingsbecher wurde an ihren Kanzler weitergereicht. Der unbequeme Biener wurde vom Nachfolger Claudias, Erzherzog Ferdinand Karl, und den Landständen als Persona non grata inhaftiert und 1651 wie Charles I. zwei Jahre nach einem Schauprozess geköpft.
Ein Hauch Florenz und Medici prägt Innsbruck bis heute: Sowohl in der Jesuitenkirche, wo Claudia und Leopold ihre letzte Ruhestätte fanden, als auch in der Pfarrkirche Mariahilf prangt bis heute das Wappen ihrer Familie mit den roten Kugeln und den Lilien. Das Alte Rathaus in der Altstadt ist auch als Claudiana bekannt. Überreste der Porta Claudia bei Scharnitz stehen ebenfalls bis heute. Mit Leopolds Namen verbunden ist in Innsbruck besonders das Theater. Der Leopoldsbrunnen vor dem Haus der Musik erinnert an ihn. Wer sich an die Besteigung des markanten Berges Serles wagt, startet die Wanderung beim Kloster Maria Waldrast, das Leopold 1621 hingebungsvoll zum wunderbarlichen Unser lieben Frawen bildnus auf der Waldrast dem Servitenorden stiftete und Claudia ausbauen ließ. Kanzler Wilhelm Biener wurde ein Straßenname im Saggen gewidmet.
Innsbruck - Stadt der Bürokraten und Beamten
Innsbruck brüstet sich voll Stolz seiner vielen Titulierungen. Universitätsstadt, Österreichs Hauptstadt des Sportes oder Heimat des weltbesten Krankenhauses. Wirft man einen Blick auf die Liste der größten Arbeitgeber der Region oder in die Geschichte, ist Innsbruck vor allem eins: Beamtenstadt. Universität und Landeskrankenhaus sind die größten singulären Arbeitgeber. Rechnet man aber die öffentlichen Bediensteten aller Ebenen, Stadt, Land und Bund zusammen und nimmt die ausgelagerten Unternehmen im Besitz der öffentlichen Hand wie die ÖBB, TIWAG oder die Innsbrucker Kommunalbetriebe hinzu sowie Lehrer und Polizei, sind die Beamten klar in der Überzahl. Spätestens seit der Übersiedlung der landesfürstlichen Residenz unter Friedrich IV. machte die Beamtenschaft nicht nur einen beträchtlichen quantitativen Teil der Bürgerschaft aus, sie bestimmt die Geschicke der Stadt in einflussreicher, wenn auch unauffälliger Manier. Bis heute sind es Beamten, die den Laden am Laufen halten. Sie setzen Gesetze durch, kümmern sich um die Planung und Instandhaltung von Infrastruktur, machen eifrig Aufzeichnungen über die Bevölkerung, um Steuern ein- und Soldaten auszuheben.
Die erste nennenswerte Bürokratie kam wohl mit dem Imperium Romanum. Den Römern folgten die Brüder des Stiftes Wilten im Mittelalter. Die schreibkundigen Männer verwalteten nicht nur die herzoglichen und eigenen Besitztümer durch ihre Urbare und hoben die Abgaben bei den bäuerlichen Untertanen ein, sondern legten Taufmatrikel, Heiratsverzeichnisse und Sterbebücher an. Die Feudalherrschaft erforderte zwar einen Panoramablick über das, was sich innerhalb ihres Herrschaftsbereichs abspielte, vor allem in der Stadt war das Leben aber eher von den Beschränkungen der Zünfte als von denen der Obrigkeit bestimmt. Es gab Gesetze, aber keine Polizei, Steuern aber kein Finanzamt. Städtische Infrastruktur war praktisch nicht vorhanden, schließlich gab es weder fließend Wasser, elektrischen Strom, Kanalisation, städtische Kindergarten, ein Arbeitsamt oder eine Krankenkasse. Die zur Stadt erhobene Gemeinde Innsbruck wurde lange von einem Stadtrichter, ab dem 14. Jahrhundert von einem Bürgermeister mit Gemeinderat regiert. Es handelte sich dabei nicht um hauptberufliche Beamte, sondern Mitglieder der städtischen Elite.
Im 15. Jahrhundert wurden Berufswelt und Gesellschaft differenzierter, die Heere größer und die Steuerbelastungen höher. Das traditionelle Gewohnheitsrecht wurde vom modernen, für Unkundige schwerer durchschaubaren Römischen Recht abgelöst. Mit der Stadt wuchs auch der Beamtenapparat. Hofstaat, Verwaltung, Zoll, Steuern, Fernhandel und Finanzwirtschaft benötigten schreibkundiges Personal. Wenn überhaupt kamen die Bürger mit diesen fremden Beamten nur in unangenehmen Situationen in Berührung. Besonders straff wurden die Zügel von Maximilian I. angezogen. Seine zentral beschlossenen Gesetze wurden von den Reichskreisen lokal umgesetzt. Die besoldeten Beamten durchdrangen das Leben des Einzelnen in einer Art und Weise, die es im Mittelalter so nicht gab.
Zu allem Übel kamen die Beamten oft aus dem Ausland. Besonders Italiener und Burgunder waren gefragte Schlüsselarbeitskräfte, die aber mit der einheimischen Bevölkerung fremdelten. Nicht nur sprachen sie oft kein Deutsch, sie konnten lesen und schreiben, waren Angestellte und keine untertänigen Landwirten und hatten mehr Geld zur Verfügung. Sie kleideten sich anders, hatten andere Sitten und aßen andere Speisen. Anders als der Landesfürst beriefen sie sich nicht auf Gott, sondern auf von Menschen geschriebene, von der Antike und der Vernunft inspirierte Regelwerke. Je nach Mode, Sitte und Moralvorstellung der Zeit, änderten sich die Gesetze. So wie Naturschutz oder Tempolimits auf Autobahnen heute immer wieder zur Diskussion gestellt werden obwohl sie Sinn machen, wurden damals Verbote von Ausspucken, Entsorgung des Nachttopfes, Holzbauten und Viehhaltung innerhalb der Stadtmauern kritisch gesehen, obwohl sie Hygiene und Sicherheit drastisch erhöhten.
War es lange Sitte gewesen, dass Bürger sich in Abwesenheit des Regenten gewisse Freiheiten bei der Holzschlägerung, dem Bauwesen, der Jagd und der Fischerei herausnahmen, war die Bürokratie immer anwesend. Während der Landesfürst als guter Vater seiner Untertanen gesehen wurde und Bischöfe und Äbte zwar strenge Grundherren waren, aber als Gegenleistung zumindest Seelenheil anbieten konnten, erschienen die neue Amtsgewalt anonym, abgehoben, gesichtslos, fremd und distanziert. Die Verhandlungsbasis, die man im direkten Kontakt als Untertan mit seinem Grundherrn hatte, wurde vom gnadenlosen Gesetz beerdigt, zumindest wenn man keine Bestechungsgelder bezahlen konnte oder niemand in höherer Position kannte. Als der unbedingte Glaube an den immer korrupter werdenden Klerus zu bröckeln begann und Ferdinand I. den Spanier Salamanca als obersten Finanzverwalter des Landes einsetzte, verwandelte sich das unterschwellige unzufriedene Brodeln 1525 in eine offene Rebellion. Die Untertanen forderten nicht die Absetzung des Fürsten, sondern eine Veränderung der Herrschaft des Klerus und der fremdländischen Beamtenschaft. Auch im 17. Jahrhundert war es mit Wilhelm Biener der oberste Beamte des Landes, dessen Kopf rollte und nicht der des Landesherrn.
Dabei barg die Bürokratie, die Herrschaft der Verwaltung, durchaus auch Vorteile für die Untertanen. Sie setzte fixe Regeln dort ein, wo oft Willkür herrschte. Das über unterschiedliche Territorien harmonisierte Gesetz war berechenbarer. Und man konnte mit etwas Glück und Talent auch ohne dem Adel anzugehören sozial durch den Dienst für die öffentliche Hand sozial aufsteigen. Michael Gaismair, einer der Anführer der Rebellion von 1525, war als Sohn eines Bergwerksunternehmers vor seiner Karriere als Revolutionär in Diensten des Landeshauptmanns gestanden.
Die nächste Modernisierung der Verwaltung erfolgte im 18. Jahrhundert. Unter den aufgeklärten, absolutistischen Monarchen Maria Theresia und Josef II. wehte ein neuer Wind bis hin zur Kommunalebene. Innsbruck erhielt erstmals eine Polizei. Die Stadtverwaltung wurde 1784 modernisiert. Anstelle des alten Stadtrats mit Gemein regierte nun ein von einem Rat, vor allem aber von Beamten unterstützter Bürgermeister. Dieser Magistrat bestand aus besoldeten Experten, die zwar immer noch vorwiegend aus Mitgliedern des Kleinadels bestanden, sich nun aber durch Prüfungen für die Ausübung ihres Amtes qualifizieren mussten. Die Bürokratie erhielt auf operativer politischer Ebene mehr Macht. Während der Bürgermeisterposten zeitlich begrenzt war, kamen Beamte in den Genuss einer lebenslangen, unkündbaren Stellung. Diese Pragmatisierung und ein neuerlicher Schwall an neuen, oftmals den Traditionen widersprechenden Gesetzen, verstärkten den Ruf der Beamten, abgehoben und bürgerfern zu sein. Als mit der bayerischen Besetzung Tirols das Element des ausländischen, noch dazu nach französischem Vorbild, dazukam, brach 1809 erneut ein Aufstand aus. Die Massenaushebung junger Männer für den Militärdienst, eine Reglementierung des religiösen Lebens und eine Impfpflicht, durchgesetzt von bayerischen Beamten, war zu viel für die Tiroler Seelenlandschaft.
Nach 1809 hielt die Bürokratie im Rahmen der Industrialisierung und neuen Technologien in immer mehr Lebensbereichen Einzug. Nicht nur das Staatswesen über Steuern und Militär, auch Universität, Schulen, Bauwesen, Eisenbahn, Post und Institutionen wie die Kammer für Handel und Gewerbe bedurften Verwaltungsmitarbeitern. Die Stadt wuchs was Einwohner und Unternehmen anbelangte. Neue Infrastruktur wie Gas, Kanalisation und Elektrizität und neue Vorstellungen was Hygiene, Lebensmittelkontrolle, Gesundheit und Bildung anbelangte, verlangten nach neuen Mitarbeitern im Stadtmagistrat. Das alte Rathaus in der Altstadt wurde zu klein. Eine angedachte Erweiterung erwies sich als unmöglich. 1897 übersiedelten die Beamten in das Neue Rathaus in der Maria-Theresien-Straße. Die Tiroler Landesregierung mit den diversen Ämtern fand 1905 im Palais Fugger-Taxis für kurze Zeit eine neue Heimstätte, bevor sie ins Gauhaus am Landhausplatz zog.
Als 1918 die Monarchie zusammenbrach, war der Übergang nicht nahtlos, dank der Strukturen verlief er aber unvorstellbar glatt. Es war aber nicht mehr der Kaiser, der die Last des Staates trug, sondern eine Heerschar an Staatsbediensteten und Hütern der Ordnung, die für Wasser, Strom und ein funktionierendes Eisenbahnnetz sorgten. Mit Eduard Klingler und Theodor Prachensky hinterließen zwei Bauamtsleiter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre bis heute gut sichtbaren Spuren im Innsbrucker Stadtbild. Die Republik übernahm mit Agenden wie dem öffentlichen Wohnbau, dem Arbeitsamt, dem Bildungswesen, der städtischen Infrastruktur, Straßenbau, öffentlichem Verkehr bis hin zu Meldewesen und Hochzeit mehr oder minder alle Aufgaben des täglichen Lebens von Monarchie und Kirche. Wer sich also beim nächsten Besuch im Neuen Rathaus über überbordendes Beamtentum und quälend langsame Bürokratie ärgert, dem sei in Erinnerung gerufen, dass der Wohlfahrtsstaat in Person seiner Staatsdiener von der Wiege bis zur Bahre das soziale Auskommen und öffentliche Infrastruktur Tausender Menschen meist unbemerkt managet.
Die Tirolische Nation, "Demokratie" und das Herz Jesu
Viele Tiroler sehen sich bis heute oft und gerne als eigene Nation. Mit „Tirol isch lei oans“, „Zu Mantua in Banden“ und „Dem Land Tirol die Treue“ besitzt das Bundesland gleich drei mehr oder weniger offizielle Hymnen. Dieser ausgeprägte Lokalpatriotismus hat wie auch in anderen Bundesländern historische Gründe. Oft wird die Tiroler Freiheit und Unabhängigkeit wie ein lokales Heiligtum herangezogen, um das zu untermauern. Gerne wird von der ersten Demokratie Festlandeuropas gesprochen, was wohl eine maßlose Übertreibung ist, betrachtet man die feudale und von Hierarchien geprägte Geschichte des Landes bis ins 20. Jahrhundert an. Eine gewisse Eigenheit in der Entwicklung kann man dem Land allerdings nicht absprechen, auch wenn es sich dabei weniger um Partizipation breiter Teile der Bevölkerung als vielmehr die Beschneidung der Macht des Landesfürsten von Seiten der lokalen Eliten handelte.
Den ersten Akt stellte das dar, was der Innsbrucker Historiker Otto Stolz (1881 – 1957) in den 1950ern in Anlehnung an die englische Geschichte überschwänglich als Magna Charta Libertatum feierte. Nach der Hochzeit des Bayern Ludwigs von Wittelsbach mit der Tiroler Landesfürstin Margarete von Tirol-Görz waren die bayrischen Wittelsbacher für kurze Zeit Landesherren von Tirol. Um die Tiroler Bevölkerung auf seine Seite zu ziehen, beschloss Ludwig den Landständen im 14. Jahrhundert ein Zuckerl anzubieten. Im Großen Freiheitsbrief von 1342 versprach Ludwig den Tirolern keine Gesetze oder Steuererhöhungen zu erlassen, ohne sich nicht vorher mit den Landständen zu besprechen. Von einer demokratischen Verfassung im Verständnis des 21. Jahrhunderts kann allerdings keine Rede sein, waren diese Landstände doch vor allem die adeligen, landbesitzenden Klassen, die dementsprechend auch ihre Interessen vertraten. In einer Ausfertigung der Urkunde war zwar davon die Rede, Bauern als Stand in den Landtag miteinzubeziehen, offiziell wurde diese Version allerdings nie.
Als im 15. Jahrhundert Städte und Bürgertum durch ihre wirtschaftliche Bedeutung mehr politisches Gewicht erlangten, entwickelte sich ein Gegengewicht zum Adel innerhalb der Landstände. Beim Landtag von 1423 unter Friedrich IV. trafen erstmals 18 Mitglieder des Adels auf 18 Mitglieder der Städte und der Bauernschaft. Nach und nach entwickelte sich in den Landtagen des 15. und 16. Jahrhundert eine feste Zusammensetzung. Vertreten waren die Tiroler Bischöfe von Brixen und Trient, die Äbte der Tiroler Klöster, der Adel, Vertreter der Städte und der Bauernschaft. Den Vorsitz hatte der Landeshauptmann. Natürlich waren die Beschlüsse und Wünsche des Landtags für den Fürsten nicht bindend, allerdings war es für den Regenten wohl ein beruhigendes Gefühl, wenn er die Vertreter der Bevölkerung auf seiner Seite wusste oder schwere Entscheidungen mitgetragen wurden.
Eine weitere wichtige Urkunde für das Land war das Tiroler Landlibell. Maximilian hielt darin im Jahr 1511 unter anderem fest, Tiroler Soldaten nur für den Kriegsdienst zur Verteidigung des eigenen Landes heranzuziehen. Der Grund für Maximilians Großzügigkeit war weniger seine Liebe zu den Tirolern als die Notwendigkeit die Tiroler Bergwerke am Laufen zu halten, anstatt die kostbaren Arbeiter und die sie versorgende Bauernschaft auf den Schlachtfeldern Europas zu verheizen. Dass im Landlibell gleichzeitig massive Einschränkungen der Bevölkerung und höhere Belastungen einhergingen, wird oft gerne vergessen. Das Landlibell regelte neben der Stärke der Truppenkontingente auch die Sondersteuern, die eingehoben wurden. Adel und Klerus mussten den Kapitalertrag aus ihren Ländereien als Steuerbasis heranziehen, was oft einer groben Schätzung gleichkam. Städte hingegen wurden nach der Anzahl der Feuerstätten in den Häusern besteuert, was recht genau erhoben werden konnte. Die begehrten Bergwerksarbeiter waren von diesen Steuern ausgenommen und mussten auch nur im äußersten Notfall zum Heeresdienst antreten.
Diese im Landlibell festgehaltene Sonderregelung bei der Landesverteidigung war einer der Gründe für die Erhebung von 1809, als junge Tiroler bei der Mobilisierung der Streitkräfte im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht ausgehoben wurden. Bis heute prägen die Napoleonischen Kriege, als das katholische Kronland von den „gottlosen Franzosen“ und der revolutionären Gesellschaftsordnung bedroht wurde, das Tiroler Selbstverständnis. Bei diesem Abwehrkampf entstand ein Bund zwischen Katholizismus und Tirol. Die Tiroler Schützen vertrauten ihr Schicksal vor einer entscheidenden Schlacht im Kampf gegen Napoleons Armeen im Juni 1796 dem Herzen Jesu an und schlossen einen Bund mit Gott persönlich, der ihr Heiliges Land Tirol behüten sollte. Eine weitere identitätsstiftende Legende des Jahres 1796 rankt sich um eine junge Frau aus dem Dorf Spinges. Katharina Lanz, die als die Jungfrau von Spinges in die Landesgeschichte als identitätsstiftende Nationalheldin einging, soll die beinahe geschlagenen Tiroler Truppen mit ihrem herrischen Auftreten im Kampf solcherart motiviert haben, dass sie schlussendlich den Sieg über die französische Übermacht davontragen konnten. Je nach Darstellung soll sie mit einer Mistgabel, einem Dreschflegel oder einer Sense ähnlich der französischen Jungfrau Johanna von Orleans den Truppen Napoleons das Fürchten gelehrt haben. Legenden und Traditionen rund um die Schützen und das Gefühl, eine selbstständige und von Gott auserwählte Nation zu sein, die zufällig der Republik Österreich angehängt wurde, gehen auf diese Legenden zurück.
Die partikularen Identitäten der einzelnen Kronländer entsprachen nicht dem, was sich aufgeklärte Politik unter einem modernen Staatswesen vorstellten. Unter Maria Theresia erfuhr der Zentralstaat eine Stärkung gegenüber den Kronländern und dem lokalen Adel. Das Zugehörigkeitsgefühl der Untertanen sollte nicht dem Land Tirol, sondern dem Haus Habsburg gelten. Im 19. Jahrhundert wollte man die Identifikation mit der Monarchie stärken und ein Nationalbewusstsein entwickeln. Die Presse, Besuche der Herrscherfamilie, Denkmäler wie der Rudolfsbrunnen oder die Eröffnung des Berg Isels mit Hofer als kaisertreuem Tiroler sollten dabei helfen, die Bevölkerung in kaisertreue Untertanen zu verwandeln.
Als nach dem Ersten Weltkrieg das Habsburgerreich zusammenbrach, zerbrach auch das Kronland Tirol. Das, was man bis 1918 als Südtirol bezeichnete, der italienischsprachige Landesteil zwischen Riva am Gardasee und Salurn im Etschtal, wurde zum Trentino mit der Hauptstadt Trient. Der deutschsprachige Landesteil zwischen Neumarkt und dem Brenner ist heute Südtirol / Alto Adige, eine autonome Region der Republik Italien mit der Hauptstadt Bozen.
Innsbrucker fühlten sich durch die Jahrhunderte hindurch als Tiroler, Deutsche, Katholiken und Untertanen des Kaisers. Als Österreicher aber fühlte sich vor 1945 kaum jemand. Erst nach dem 2. Weltkrieg begann sich auch in Tirol langsam ein Zugehörigkeitsgefühl zu Österreich zu entwickeln. Bis heute aber sind viele Tiroler vor allem stolz auf ihre lokale Identität und grenzen sich gerne von den Bewohnern anderer Bundesländer und Staaten ab. Für viele Tiroler stellt der Brenner nach über 100 Jahren noch immer eine Unrechtsgrenze dar, auch wenn man im Europa der Regionen auf EU-Ebene politisch grenzüberschreitend zusammenarbeitet.
Die Legende vom Heiligen Land, der unabhängigen Tirolischen Nation und ersten Festlanddemokratie hält sich bis heute. Das Bonmot „bisch a Tiroler bisch a Mensch, bisch koana, bisch a Oasch“ fasst den Tiroler Nationalismus knackig zusammen. Dass das historische Kronland Tirol mit Italienern, Ladinern, Zimbern und Rätoromanen ein multiethnisches Konstrukt war, wird dabei in rechtsgerichteten Kreisen gerne übersehen. Gesetze aus der Bundeshauptstadt Wien oder gar der EU in Brüssel werden bis heute skeptisch betrachtet. Nationalisten zu beiden Seiten des Brenners bedienen sich noch heute der Jungfrau von Spinges, dem Herzen Jesu und Andreas Hofers, um ihre Anliegen publikumstauglich anzubringen. Die Säcularfeier des Bundes Tirols mit dem göttlichen Herzen Jesu wurde noch im 20. Jahrhundert unter großer Anteilnahme der politischen Elite gefeiert.
Die Baumeister Gumpp und die Barockisierung Innsbrucks
Die Werke der Familie Gumpp bestimmen bis heute sehr stark das Aussehen Innsbrucks. Vor allem die barocken Teile der Stadt sind auf sie zurückzuführen. Der Begründer der Dynastie in Tirol, Christoph Gumpp (1600-1672) war eigentlich Tischler. Sein Talent allerdings hatte ihn für höhere Weihen auserkoren. Den Beruf des Architekten oder Künstler gab es zu dieser Zeit noch nicht, selbst Michelangelo und Leonardo da Vinci galten als Handwerker. Der gebürtige Schwabe Gumpp trat nach seiner Mitarbeit an der Dreifaltigkeitskirche in die Fußstapfen der italienischen Baumeister, die unter Ferdinand II den Ton angegeben hatten. Auf Geheiß Leopolds V. reiste Gumpp nach Italien, um dort Theaterbauten zu studieren und bei den zeitgenössisch stilbildenden Kollegen sein Know-How für das geplante landesfürstliche Comedihaus aufzupolieren.
Seine offizielle Tätigkeit als Hofbaumeister begann 1633. Neue Zeiten bedurften eines neuen Designs, abseits des architektonisch von der Gotik geprägten Mittelalters und den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges. Über die folgenden Jahrzehnte wurde Innsbruck unter der Regentschaft Claudia de Medicis einer kompletten Renovierung unterzogen. Gumpp vererbte seinen Titel an die nächsten beiden Generationen innerhalb der Familie weiter. Die Gumpps traten nicht nur als Baumeister in Erscheinung. Sie waren Tischler, Maler, Kupferstecher und Architekten, was ihnen erlaubte, ähnlich der Bewegung der Tiroler Moderne rund um Franz Baumann und Clemens Holzmeister Anfang des 20. Jahrhunderts, Projekte ganzheitlich umzusetzen. Auch bei der Errichtung der Schanzwerke zur Landesverteidigung während des Dreißigjährigen Krieges waren sie als Planer beteiligt.
Christoph Gumpps Meisterstück aber war die Errichtung des Comedihaus im ehemaligen Ballhaus. Die überdimensionierten Maße des damals richtungsweisenden Theaters, das in Europa zu den ersten seiner Art überhaupt gehörte, erlaubte nicht nur die Aufführung von Theaterstücken, sondern auch Wasserspiele mit echten Schiffen und aufwändige Pferdeballettaufführungen. Das Comedihaus war ein Gesamtkunstwerk an und für sich, das in seiner damaligen Bedeutung wohl mit dem Festspielhaus in Bayreuth des 19. Jahrhunderts oder der Elbphilharmonie heute verglichen werden muss.
Seine Nachfahren Johann Martin Gumpp der Ältere, Georg Anton Gumpp und Johann Martin Gumpp der Jüngere waren für viele der bis heute prägendsten Gebäude im Stadtbild zuständig. So stammen die Wiltener Stiftskirche, die Mariahilfkirche, die Johanneskirche und die Spitalskirche von den Gumpps. Neben dem Entwurf von Kirchen und ihrer Arbeit als Hofbaumeister machten sie sich auch als Planer von Profanbauten einen Namen. Viele der Bürgerhäuser und Stadtpaläste Innsbrucks wie das Taxispalais oder das Alte Landhaus in der Maria-Theresien-Straße wurden von Ihnen entworfen. Mit dem Verlust des Status als Residenzstadt gingen die prunkvollen Großaufträge zurück und damit auch der Ruhm der Familie Gumpp. Ihr ehemaliges Wohnhaus beherbergt heute die Konditorei Munding in der Altstadt. Im Stadtteil Pradl erinnert die Gumppstraße an die Innsbrucker Baumeisterdynastie.
Innsbruck und das Haus Habsburg
Innsbrucks Innenstadt wird heute von Gebäuden und Denkmälern geprägt, die an die Familie Habsburg erinnern. Die Habsburger waren über viele Jahrhunderte ein europäisches Herrscherhaus, zu dessen Einflussbereich verschiedenste Territorien gehörten. Am Zenit ihrer Macht waren sie die Herrscher über ein „Reich, in dem die Sonne nie untergeht“. Durch Kriege und geschickte Heirats- und Machtpolitik saßen sie in verschiedenen Epochen an den Schalthebeln der Macht zwischen Südamerika und der Ukraine. Innsbruck war immer wieder Schicksalsort dieser Herrscherdynastie. Besonders intensiv war das Verhältnis zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert. Durch die strategisch günstige Lage zwischen den italienischen Städten und deutschen Zentren wie Augsburg und Regensburg kam Innsbruck spätestens nach der Erhebung zur Residenzstadt unter Kaiser Maximilian ein besonderer Platz im Reich zu.
Viele der Tiroler Landesfürsten aus dem Haus Habsburg hatten weder eine besondere Beziehung zu Tirol noch brachten sie diesem deutschen Land besondere Zuneigung entgegen. Ferdinand I. (1503 – 1564) wurde am spanischen Hof erzogen. Maximilians Enkel Karl V. war in Burgund aufgewachsen. Als er mit 17 Jahren zum ersten Mal spanischen Boden betrat, um das Erbe seiner Mutter Johanna über die Reiche Kastilien und Aragorn anzutreten, sprach er kein Wort spanisch. Als er 1519 zum Deutschen Kaiser gewählt wurde, sprach er kein Wort Deutsch.
Tirol war Provinz und als konservativer Landstrich der Herrscherfamilie meist zugetan. Die schwer zugängliche Lage machte es zum perfekten Fluchtort in unruhigen und krisenhaften Zeiten. Karl V. (1500 – 1558) floh während einer Auseinandersetzung mit dem protestantischen Schmalkaldischen Bund für einige Zeit nach Innsbruck. Ferdinand I. (1793 – 1875) ließ seine Familie fern der osmanischen Bedrohung im Osten Österreichs in Innsbruck verweilen. Franz Josef I. genoss kurz vor seiner Krönung im turbulenten Sommer der Revolution 1848 gemeinsam mit seinem Bruder Maximilian, der später als Kaiser von Mexiko von Aufständischen Nationalisten erschossen wurde, die Abgeschiedenheit Innsbrucks. Eine Tafel am Alpengasthof Heiligwasser über Igls erinnert daran, dass der Monarch hier im Rahmen seiner Besteigung des Patscherkofels nächtigte.
Nicht alle Habsburger waren stets glücklich in Innsbruck zu sein. Angeheiratete Prinzen und Prinzessinnen wie Maximilians zweite Frau Bianca Maria Sforza oder Ferdinand II. zweite Frau Anna Caterina Gonzaga strandeten ungefragt nach der Hochzeit in der rauen, deutschsprachigen Bergwelt. Stellt man sich zudem vor, was ein Umzug samt Heirat von Italien nach Tirol zu einem fremden Mann für einen Teenager bedeutet, kann man erahnen, wie schwer das Leben der Prinzessinnen war. Kinder der Aristokratie wurden bis ins 20. Jahrhundert vor allem dazu erzogen, politisch verheiratet zu werden. Widerspruch dagegen gab es keinen. Man mag sich das höfische Leben als prunkvoll vorstellen, Privatsphäre war in all dem Luxus nicht vorgesehen.
Seine habsburgische Blütezeit erlebte Innsbruck, als die Stadt Hauptresidenz der Tiroler Landesfürsten war. Ferdinand II., Maximilian III. und Leopold V. prägten mit ihren Gattinnen die Stadt während ihrer Regentschaft. Als Sigismund Franz von Habsburg (1630 – 1665) als letzter Landesfürst kinderlos starb, war auch der Titel der Residenzstadt Geschichte und Tirol wurde von einem Statthalter regiert. Der Tiroler Bergbau hatte an Wichtigkeit eingebüßt und bedurfte keiner gesonderten Aufmerksamkeit. Kurz darauf verloren die Habsburger mit Spanien und Burgund ihre Besitzungen in Westeuropa, was Innsbruck vom Zentrum an den Rand des Imperiums rückte. In der K.u.K. Monarchie des 19. Jahrhunderts war Innsbruck der westliche Außenposten eines Riesenreiches, das sich bis in die heutige Ukraine erstreckte. Franz Josef I. (1830 – 1916) herrschte zwischen 1848 und 1916 über ein multiethnisches Vielvölkerreich. Sein neoabsolutistisches Herrschaftsverständnis allerdings war aus der Zeit gefallen. Österreich hatte seit 1867 zwar ein Parlament und eine Verfassung, der Kaiser betrachtete diese Regierung allerdings als „seine“. Minister waren dem Kaiser gegenüber verantwortlich, der über der Regierung stand. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zerbrach das marode Reich. Am 28. Oktober 1918 wurde die Republik Tschechoslowakei ausgerufen, am 29. Oktober verabschiedeten sich Kroaten, Slowenen und Serben aus der Monarchie. Der letzte Kaiser Karl dankte am 11. November ab. Am 12. November erklärte sich „Deutschösterreich zur demokratischen Republik, in der alle Gewalt vom Volke ausgeht“. Das Kapitel der Habsburger war beendet.
Bei allen nationalen, wirtschaftlichen und demokratiepolitischen Problemen, die es in den Vielvölkerstaaten gab, die in verschiedenen Kompositionen und Ausprägungen den Habsburgern unterstanden, die nachfolgenden Nationalstaaten schafften es teilweise wesentlich schlechter die Interessen von Minderheiten und kulturellen Unterschiede innerhalb ihres Territoriums unter einen Hut zu bringen. Seit der EU-Osterweiterung wird die Habsburgermonarchie von einigen wohlmeinenden Historikern als ein vormoderner Vorgänger der Europäischen Union gesehen. Gemeinsam mit der katholischen Kirche prägten die Habsburger den öffentlichen Raum über Architektur, Kunst und Kultur. Goldenes Dachl, Hofburg, die Triumphpforte, Schloss Ambras, der Leopoldsbrunnen und viele weitere Bauwerke erinnern bis heute an die Präsenz der wohl bedeutendsten Herrscherdynastie der europäischen Geschichte in Innsbruck.
Ferdinand II.: Innsbrucks Principe und Renaissancefürst
Erzherzog Ferdinand II. von Österreich (1529 – 1595) zählt zu den schillerndsten Figuren der Tiroler Landesgeschichte. Sein Vater Kaiser Ferdinand I. ließ ihm eine ausgezeichnete Ausbildung angedeihen. Er wuchs am spanischen Hof seines Onkels Kaiser Karl V auf. Die Jahre, in denen Ferdinand seine Schulbildung erhielt, fallen in die Anfangszeit des jesuitischen Einflusses an den habsburgischen Höfen. Der junge Staatsmann wurde ganz im Sinne des frommen Humanismus erzogen. Dazu gesellten sich die Sitten des Hochadels der Renaissance. In jungen Jahren reiste er durch Italien und Burgund und hatte an den wohlhabenden Höfen dort einen Lebensstil kennengelernt, der sich unter der deutschen Aristokratie noch nicht durchgesetzt hatte. Ferdinand war das, was man heute als Globetrotter, Mitglied der Bildungselite oder Kosmopolit bezeichnen würde. Er galt als intelligent, charmant und kunstsinnig. Bei weniger exzentrischen Zeitgenossen genoss Ferdinand den Ruf eines unmoralischen und genusssüchtigen Wüstlings. Es wurde ihm schon zu Lebzeiten nachgesagt, ausschweifende und unsittliche Orgien zu veranstalten.
Ferdinands Vater teilte sein Reich unter seinen Söhnen auf. Maximilian II., der zu Recht unter dem elterlichen Verdacht der Häresie und dem Anhängen protestantischer Lehren stand, erbte Ober- und Niederösterreich sowie Böhmen und Ungarn. Ferdinands jüngerer Bruder Karl regierte in Innerösterreich, also Kärnten, Steiermark und der Krain. Das Mittelkind erhielt Tirol, das damals bis ins Engadin reichte, und die zerstückelten habsburgischen Vorlande im Westen der zentraleuropäischen Besitzungen.
Ferdinand übernahm das Land Tirol als Landesfürst in turbulenten Zeiten. Er hatte bereits in seiner Jugend einige Jahre in Innsbruck verbracht. Die Bergwerke in Schwaz begannen wegen des billigen Silbers aus Amerika unrentabel zu werden. Die Silberschwemme aus den habsburgischen Besitzungen in Neu-Spanien jenseits des Atlantiks führte zu einer Inflation. Diese finanziellen Probleme hielten Ferdinand aber nicht davon ab, persönliche und öffentliche Infrastruktur in Auftrag zu geben. Innsbruck profitierte kulturell enorm davon, dass es nach Jahren ohne dezidiert einen Landesfürsten zu haben, nun wieder zum Zentrum eines Regenten wurde. Die italienischen Städte Florenz, Venedig und Mailand waren stilbildend in Kultur, Kunst und Architektur. Der Tiroler Hof Ferdinands sollte ihnen in nichts nachstehen. Vorbei sollten die Zeiten sein, in denen Deutsche in den schöneren Städten südlich der Alpen als unzivilisiert, barbarisch oder gar als Schweine bezeichnet wurden. Dazu ließ er Innsbruck im Geist der Renaissance umgestalten. Ganz im Trend der Zeit ahmte er die italienischen Adelshöfe nach. Hofarchitekt Giovanni Lucchese stand ihm dabei zur Seite.
Einen ansehnlichen Teil seines Lebens verbrachte er auf Schloss Ambras bei Innsbruck, wo er sich eine der kostbarsten Sammlungen von Kunstwerken und Rüstungen anlegte, die noch heute zu den wertvollsten der Welt ihrer Art zu zählen ist. Ferdinand verwandelte die Burg oberhalb des Dorfes Amras in einen modernen Hof. Seine Feste, Maskenbälle und Umzüge waren legendär. Während der Hochzeit eines Neffen ließ er 1800 Kälber und 130 Ochsen braten. Aus den Brunnen soll 10 Tage lang Wein statt Wasser geflossen sein.
Mit dem Schloss Ambras war es aber nicht getan, was die Veränderung Innsbrucks anbelangt. Westlich der Stadt erinnert ein Torbogen noch an den Tiergarten, ein Jagdrevier Ferdinands samt Lusthaus entworfen ebenfalls von Lucchese. Damit der Landesfürst sein Wochenenddomizil erreichen konnte, wurde eine Straße in die sumpfige Höttinger Au gelegt, die die Basis für die heutige Kranebitter Allee bildete. Das Lusthaus wurde 1786 durch den heute als Pulverturm bekannten Bau ersetzt, der einen Teil der sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck beheimatet. Dem fürstlichen Sport des Jagens folgte im ehemaligen Lusthaus, das der Pulverturm war, die Sportuniversität nach. In der Innenstadt ließ er das fürstliche Comedihaus am heutigen Rennweg errichten. Um Innsbrucks Trinkwasserversorgung zu verbessern, wurde unter Ferdinand die Mühlauerbrücke errichtet, um eine Wasserleitung vom Mühlaubach ins Stadtgebiet zu verlegen. Die Jesuiten, kurz vor Ferdinands Amtsantritt in Innsbruck eingetroffen, um lästigen Reformatoren und Kirchenkritikern das Leben schwer zu machen und das Bildungswesen neu aufzustellen, erhielten in der Silbergasse eine neue Kirche.
Besonderes Augenmerk legte er auf die konfessionelle Ausrichtung seiner Schäfchen. In seiner 1573 erlassenen Tiroler Landesordnung schob er nicht nur Unzucht, Fluchen und Prostitution einen Riegel vor, sondern verpflichtete seine Untertanen zu einer gottesfürchtigen, also katholischen Lebensführung. Das „Verbott der Zauberey und Abgerglaubigen Warsagerey“ untersagte jedwegliche Abweichung vom wahren Glauben bei Androhung von Kerker, körperlicher Züchtigung und Enteignung. Juden mussten einen jederzeit gut sichtbaren Ring aus gelbem Stoff auf der linken Brustseite ihres Gewandes tragen. Gleichzeitig brachte Ferdinand einen jüdischen Finanzier nach Innsbruck, um die Geldgeschäfte für die aufwändige Hofführung abzuwickeln. Samuel May und seine Familie lebten als Fürstliche Schutzjuden in der Stadt. Daniel Levi erfreute Ferdinand mit Tanz und Harfenspiel am Theater und Elieser Lazarus kümmerte sich als Hofarzt um seine Gesundheit.
Die Bevölkerung zu schröpfen, prunkvoll zu leben, Protestantismus unter seinen wichtigen Beratern zu tolerieren und gleichzeitig den Protestantismus im Volk zu bekämpfen, war für den gelernten Renaissancefürsten kein Widerspruch. Bereits mit 15 Jahren zog er unter seinem Onkel Karl V. im Schmalkaldischen Krieg in die Schlacht gegen die Feinde der Römischen Kirche. Als Landesfürst verstand er sich als Advocatus Ecclesiae (Anm.: Vertreter der Kirche) in einem konfessionell absolutistischen Sinn, der für das Seelenheil seiner Untertanen verantwortlich war. Zwangsmaßnahmen, Stiftung von Kirchen und Klöstern wie den Franziskanern und den Kapuzinern in Innsbruck, verbesserte Seelsorge und die Inszenierung jesuitischer Theaterstücke wie „Die Enthauptung des Johannes“ waren die Waffen der Wahl gegen den Protestantismus. Ferdinands Frömmigkeit war zwar nicht aufgesetzt, er schaffte es aber wie die meisten seiner Zeitgenossen, sich situationselastisch anzupassen.
Die Politik Ferdinands stand unter passendem italienischem Einfluss der zeitgenössischen Avantgarde. Machiavelli schrieb sein Werk „Il Principe“, in dem davon die Rede war, dass Regierenden alles erlaubt sei, was für den Erfolg nötig ist, so sie denn unfähig waren, sie auch abgesetzt werden könnten. Ferdinand II. probierte diesem frühen absolutistischen Führungsstil gerecht zu werden und erließ mit seiner Tiroler Landesordnung für damalige Verhältnisse ein modernes juristisches Regelwerk. Für seine Untertanten bedeutete das höhere Steuerabgaben auf ihre Erträge sowie weitgehende Einschränkungen bei Almende, Fischerei- und Jagdrechten. Die Knappen, Bergbauunternehmer und die ausländischen Handelsgesellschaften mit ihren Kontoreien in Innsbruck trieben die Lebensmittelpreise zusätzlich in die Höhe. Man könnte es zusammenfassen, dass Ferdinand auf seinen Anwesen vergnüglich dem exklusiven Jagdvergnügen nachging, während seine Untertanten durch steigende Belastungen, Preise und Wildschäden am Existenzminimum lebten.
Sein Beziehungsleben war für ein Mitglied der Hocharistokratie exzentrisch. In erster "halbwilder Ehe" war Ferdinand mit der Bürgerlichen Philippine Welser verheiratet. Der Landesfürst soll in seine schöne Ehefrau regelrecht vernarrt gewesen sein, weshalb er sich über alle Konventionen der Zeit hinwegsetzte. Ihre Kinder wurden ob der strengen Gesellschaftsordnung des 16. Jahrhunderts von der Erbfolge ausgeschlossen. Nachdem Philippine Welser verstorben war, heiratete Ferdinand mit 53 Jahren die tiefgläubige Anna Caterina Gonzaga, eine erst 16jährige Prinzessin von Mantua. Große Zuneigung haben die beiden allem Anschein nach aber nicht zueinander empfunden, zumal Anna Caterina eine Nichte Ferdinands war. Die Habsburger waren beim Thema Hochzeit unter Verwandten weniger zimperlich als bei der Ehe eines Adeligen mit einer Bürgerlichen. Auch mit ihr konnte er allerdings "nur" drei Töchter zeugen. Seine letzte Ruhestätte fand Ferdinand in der Silbernen Kapelle bei seiner ersten Ehefrau Philippine Welser.