Alter Militärfriedhof Pradl

Anzengruberstraße

Wissenswert

Der k.u.k. Militärfriedhof in Pradl liegt heute inmitten eines ruhigen Wohngebietes zwischen Anzengruberstraße und Resselstraße direkt gegenüber des Freischwimmbades Tivoli. Während man im Mittelalter Friedhöfe bei den Kirchen, häufig also im Zentrum der Städte und Dörfer anlegte, wanderten sie nach und nach immer weiter an den Stadtrand. Im 19. Jahrhundert hatte sich ein Bedürfnis nach Hygiene weit genug durchgesetzt, dass Friedhöfe wie der hinter der Spitalskirche nicht mehr tragbar waren. Es war weniger die Sorge um die Verunreinigung des Grundwassers, als vielmehr die Sorge um schädliche Miasmen, die die Luft verpesten würden. Neue Friedhöfe waren aber nötig – wuchs die Stadt doch unaufhaltsam. Die freie Fläche zwischen Pradl und Amras bot sich dafür an. Die Aushebung des Friedhofs erfolgte 1831 auf Geheiß des kaiserlichen Hofkriegsrates, der Vorgängerorganisation des k.u.k. Kriegsministeriums. 1844 wurde die Mauer um den Friedhof gebaut, nachdem zuvor lediglich ein Wall die Gräber schützte. Auch die Kapelle wurde in diesem Jahr errichtet. Während des 1. Weltkriegs wurde der k.u.k. Militärfriedhof zu klein für die Anzahl der Opfer, weshalb der Militärfriedhof in Amras neu angelegt wurde. Seit 1918 steht der Friedhof im Besitz der Republik Österreich. 1933 wurde die Anlage unter Denkmalschutz gestellt.

Die erhaltenen Grabsteine reichen weit in der Zeit zurück und lassen die Bedeutung des Militärs in vergangenen Tagen erahnen. Ein Blick in die Liste der kriegerischen Auseinandersetzungen, die sich zwischen der Gründung des Kaiserreiches Österreich 1806 und dem ersten Weltkrieg abspielten, zeigt, dass Friede jeweils nur eine kurze Unterbrechung des Kriegszustandes war. Die Umtitulierung des Hofkriegsrats in den heutigen Begriff Verteidigungsministerium zeigt, wie sehr sich die Vorstellungen rund um dieses Thema seit den beiden Weltkriegen zum Glück gewandelt haben.

Das Militär war aber mehr als nur Kriegsmaschinerie. Die Armee war seit dem 18. Jahrhundert ein gesellschaftlicher Faktor geworden. Die immer größer werdenden Heere brauchten mehr Personal als je zuvor. Für Untertanen ergaben sich durch den Militärdienst Berufschancen. Ansehen und Bedeutung der Soldaten und Offiziere in der Bevölkerung waren eine ganz andere als heute, wo der Militärdienst vom überwiegenden Teil der Menschen als lästige Pflicht wahrgenommen wird. Die patriotische Pflicht für im Felde zu erfüllen, galt vor allem im kleinen Adel und dem gehobenen Bürgertum als ehrenvolle Pflichterfüllung. Junge Burschen aus dem ländlichen Bereich, die durch das Anerbenrecht, das vorsah, Bauernschaften ungeteilt weiterzugeben, durch den Rost fielen, konnten Karriere machen und innerhalb der Gesellschaft Ansehen erlangen. Im 19. Jahrhundert war es möglich, sich auf den Schlachtfeldern in den niederen Adelsstand zu kämpfen. Wer einen Spaziergang durch den alten Pradler Militärfriedhof unternimmt, entdeckt nicht nur kunstvoll gestaltete Gräber, sondern auch sich durch die Zeit wandelnde Formulierungen für den lange Zeit romantisch verklärten „Heldentodfür Gott, Kaiser und Vaterland.

Zwei bekannte Innsbrucker Bürger, denen ein Straßenname gewidmet wurde, liegen am Militärfriedhof Pradl begraben. Der aufsässige Dichter Johann Chrysostomus Senn, der posthum für sein Gedicht Der rote Tiroler Adler Ansehen erlangte, wurde als ehemaliger k.k. Militärangehöriger hier beerdigt. Der visionäre Bauherr und Unternehmer Josef Riehl, der mit der Hungerburgbahn und der Karwendelbahn zwei richtungsweisende Infrastrukturprojekte der späten k.u.k. Zeit finanzierte und errichtete, fand seine letzte Ruhestätte im sehenswerten Familiengrab samt aufwändiger Frauen- und Mädchenskulptur.

1796 - 1866: Vom Herzen Jesu bis Königgrätz

Die Zeit zwischen der Französischen Revolution und der Schlacht bei Königgrätz 1866 war eine kriegerische Periode. Viele der politischen Grundhaltungen, Animositäten gegenüber anderen Gruppen und der europäische Nationalismus des 19. und 20. Jahrhunderts, die auch die Geschichte Innsbruck beeinflussen sollten, hatten ihre Wurzeln in den Auseinandersetzungen dieser Zeit. Die Monarchien Europas angeführt von den Habsburgern hatten der Französischen Republik den Krieg erklärt. Die Angst ging um, dass sich der Wahlspruch der Revolution „Liberté, Égalité, Fraternité“ in Europa ausbreiten könnte. Ein junger General namens Napoleon Bonaparte war mit seiner italienischen Armee im Rahmen der Koalitionskriege über die Alpen vorgerückt und traf dort auf die österreichischen Truppen. Es war nicht nur ein Krieg um Territorium und Macht, es war ein Kampf der Systeme. Die Grande Armee der revolutionären Republik Frankreich traf auf die Truppen der erzkatholischen Habsburger.

Tiroler Schützen waren am Kampfgeschehen beteiligt, um die Landesgrenzen gegen die einrückenden Franzosen zu verteidigen. Die Stärke von Einheiten wie den 1796 ins Leben gerufenen Höttinger Schützen lag nicht in der offenen Feldschlacht, sondern im Guerrillakampf. Darüber hinaus hatten sie eine Geheimwaffe auf ihrer Seite gegen die fortschrittlichste und modernste Armee der damaligen Zeit: Das Herz Jesu. Seit 1719 waren jesuitische Missionare bis in die hintersten Seitentäler unterwegs gewesen und hatten den Herz Jesu Kult als verbindendes Element erfolgreich im Kampf gegen heidnische Bräuche und Protestantismus etabliert. Nun, da man den gottlosen revolutionären Franzosen, die nicht nur der Monarchie, sondern auch dem Klerus den Kampf ansagten, gegenüberstand, war es nur logisch, dass das Herz Jesu schützend über die Tiroler Gotteskrieger wachen würde. In aussichtsloser Situation erneuerten die Tiroler Truppen ihren Bund mit dem Herzen Jesu, um Schutz zu erbitten.  Gegen jede Wahrscheinlichkeit waren die Tiroler Schützen erfolgreich in ihrem Abwehrkampf. Der Abt des Klosters Stams war es, der bei den Landständen beantragte, von nun an alljährlich "das Fest des göttlichen Herzens Jesu mit feierlichem Gottesdienst zu begehen, wenn Tirol von der drohenden Feindesgefahr befreit werde." Alljährlich wurden die Herz-Jesu-Feiern mit großem Pomp in der Presse besprochen und angekündigt. Sie waren vor allem im 19. und im frühen 20. Jahrhundert ein explosives Gemisch aus Volksaberglauben, Katholizismus und nationalen Ressentiments gegen alles Französische und Italienische. Unzählige Soldaten vertrauten ihr Wohl noch im technologisierten Kampfgeschehen des Ersten Weltkriegs dem Herzen Jesu an und trugen im Granatenhagel Bilder dieses Symbols bei sich. Neben der Gnadenmutter Cranachs ist die Darstellung des Herzen Jesu wohl bis heute das beliebteste christliche Motiv im Tiroler Raum und prangt auf der Fassade unzähliger Häuser.

Das habsburgische Tirol hatte sich während den Kriegswirren ohne sein Zutun, und wohl auch ohne das des Herzen Jesu, vergrößert. Das Trentino war in den letzten Atemzügen des Heiligen Römischen Reiches vor dessen Auflösung 1803 zu einem Teil des Kronlandes geworden. Nach den Napoleonischen Kriegen blieb es für etwa 30 Jahre ruhig an den Tiroler Landesgrenzen. Das änderte sich mit dem italienischen Risorgimento, der Nationalbewegung unter Führung Sardinien-Piemonts und Frankreichs. 1848, 1859 und 1866 kam es zu den sogenannten Italienischen Einigungskriegen. Im Lauf des 19. Jahrhunderts, spätestens seit 1848, war es unter jungen Männern der Oberschicht zu einem regelrechten nationalen Rausch gekommen. Freiwilligenheere schossen in allen Regionen Europas aus dem Boden. Studenten und Akademiker, die sich in ihren Verbindungen zusammentaten, Turner, Schützen, alle wollten ihre neue Liebe zur Nation auf dem Schlachtfeld unter Beweis stellen und unterstützten die offiziellen Armeen.

Innsbruck war als Garnisonsstadt ein wichtiger Versorgungsposten. Nach dem Wiener Kongress war aus dem Tiroler Jägerkorps das k.k. Tiroler Kaiserjägerregiment geworden, eine Eliteeinheit, die in diesen Auseinandersetzungen zum Einsatz kam. Auch freiwillige Einheiten wie die Innsbrucker Akademiker oder die Stubaier Schützen kämpften in Italien. Tausende fielen im Kampf gegen die Koalition aus dem Erzfeind Frankreich, den gottlosen Garibaldinern und der Bedrohung durch das sich auf Kosten Österreichs konstituierende Königreich Italien unter der Führung der frankophilen Savoyer aus Piemont. Medien heizten die Stimmung abseits der Frontlinie auf. Die "Innsbrucker Zeitung" predigte in ihren Artikeln Kaisertreue und großdeutsch-tirolischen Nationalismus, wetterte gegen das Italienertum und Franzosen und pries den Mut Tiroler Soldaten.

"Die starke Besetzung der Höhen am Ausgange des Valsugana bei Primolano und le Tezze gab schon oft den Innsbrucker-Akademikern I. und den Stubaiern Anlaß, freiwillige Ercur:sionen gegen le Tezze, Fonzago und Fastro, als auch auf das rechte Brenta-Ufer und den Höhen gegen die kleinen Lager von den Sette comuni zu machen...Am 19. schon haben die Stubaier einige Feinde niedergestreckt, als sie sich das erste mal hinunterwagten, indem sie sich ihnen entgegenschlichen..."

Die wohl bekannteste Schlacht der Einigungskriege fand in Solferino 1859 in der Nähe des Gardasees statt. Entsetzt vom blutigen Geschehen entschloss sich Henry Durant das Rote Kreuz zu gründen. Der Schriftsteller Joseph Roth beschrieb das Geschehen auf den ersten Seiten seines lesenswerten Klassikers Radetzkymarsch.

„In der Schlacht bei Solferino befehligte er (Anm.: Leutnant Trotta) als Leutnant der Infanterie einen Zug. Seit einer halben Stunde war das Gefecht im Gange. Drei Schritte vor sich sah er die weißen Rücken seiner Soldaten. Die erste Reihe seines Zuges kniete, die zweite stand. Heiter waren alle und sicher des Sieges. Sie hatten ausgiebig gegessen und Branntwein getrunken, auf Kosten und zu Ehren des Kaisers, der seit gestern im Felde war. Hier und dort fiel einer aus der Reihe.“

Besonders verlustreich für das Kaiserreich Österreich war das Jahr 1866. In Italien gingen Venetien und die Lombardei verloren. Gleichzeitig übernahm Preußen die Führung im Deutschen Bund, der Nachfolgeorganisation des Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Für Innsbruck bedeutete das Ausscheiden der Habsburgermonarchie aus dem Deutschen Bund, dass man endgültig zu einer Stadt an der westlichen Peripherie des Reiches geworden war. Der Hang zur sogenannten Großdeutschen Lösung, also einer Staatlichkeit mit dem Deutschen Reich gemeinsam anstatt dem alleinstehenden Kaisertum Österreich, war in Innsbruck sehr stark ausgeprägt. Wie sehr diese Deutsche Frage die Stadt spaltete, zeigte sich noch über 30 Jahre später, als der Innsbrucker Gemeinderat dem Eisernen Kanzler Bismarck, der für den Bruderkrieg zwischen Österreich und Deutschland federführend verantwortlich war, eine Straße widmen wollte. Während sich kaisertreue Konservative entsetzt ob dieses Vorschlages zeigten, waren die großdeutschen Liberalen rund um Bürgermeister Wilhelm Greil begeistert.

Mit dem Tummelplatz, dem Militärfriedhof Pradl und dem Kaiserjägermuseum am Berg Isel besitzt die Stadt mehrere Erinnerungsorte an diese blutigen Konflikte, bei denen viele Innsbrucker ins Feld zogen.

Der Erste Weltkrieg

Beinahe hätte nicht Gavrilo Princip, sondern ein Innsbrucker Student die Geschicke der Welt verändert. Es ist dem Zufall zu verdanken, dass der 20 Jahre alte Serbe im Jahr 1913 gestoppt wurde, weil er mit dem geplanten Attentat auf den Thronfolger vor einer Kellnerin prahlte. Erst als es tatsächlich zu den die Welt verändernden Schüssen in Sarajevo kam, erschien ein Artikel in den Medien dazu. Welche Auswirkungen der daraufhin ausgebrochene Erste Weltkrieg auf die Welt und den Alltag der Menschen haben sollte, war nach dem tatsächlichen Attentat auf Franz Ferdinand am 28. Juni nicht absehbar. Zwei Tage nach der Ermordung des Habsburgers in Sarajewo war aber in den Innsbrucker Nachrichten bereits prophetisches zu lesen: „Wir sind an einem Wendepunkte – vielleicht an dem Wendepunkte“ – der Geschicke dieses Reiches angelangt“.

Auch in Innsbruck war die Begeisterung für den Krieg 1914 groß gewesen. Vom „Gott, Kaiser und Vaterland“ der Zeit angetrieben, begrüßten die Menschen den Angriff auf Serbien zum allergrößten Teil einhellig. Politiker, Klerus und Presse stimmten in den allgemeinen Jubel mit ein. Neben dem kaiserlichen Appell „An meine Völker“, der in allen Medien des Reiches erschien, druckten die Innsbrucker Nachrichten am 29. Juli, dem Tag nach der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien einen Artikel rund um die Einnahme Belgrads durch Prinz Eugen im Jahr 1717. Der Ton in den Medien war feierlich, wenn auch nicht ganz ohne böse Vorahnung auf das, was kommen sollte.

„Der Appell des Kaisers an seine Völker wird tief ergreifen. Der innere Hader ist verstummt und die Spekulationen unserer Feinde aus Unruhen und ähnliche Dinge sind jämmerlich zu Schanden geworden. In alter und vielbewährter Treue stehen vor allem auch diesmal die Deutschen zu Kaiser und Reich: auch diesmal bereit, mit ihrem Blute für Dynastie und Vaterland einzustehen. Wir gehen schweren Tagen entgegen; niemand kann auch nur ahnen, was uns das Schicksal bescheiden wird, was es Europa, was es der Welt bescheiden wird. Wir können nur mit unserem alten Kaiser auf unsere Kraft und auf Gott vertrauen und die Zuversicht hegen, daß, wenn wir einig find und zusammenhalten, uns der Sieg beschieden sein muß, denn wir wollten den Krieg nicht und unsere Sache ist die der Gerechtigkeit!“

Besonders „verdient“ machten sich bei der Kriegstreiberei Theologen wie Joseph Seeber (1856 – 1919) und Anton Müllner alias Bruder Willram (1870 – 1919) die mit ihren Predigten und Schriften wie „Das blutige Jahr“ den Krieg zu einem Kreuzzug gegen Frankreich und Italien erhoben.

Viele Innsbrucker meldeten sich freiwillig für den Feldzug gegen Serbien, von dem man dachte, er wäre eine Angelegenheit weniger Wochen oder Monate. Von außerhalb der Stadt kam eine so große Anzahl an Freiwilligen zu den Stellungskommissionen, dass Innsbruck beinahe aus allen Nähten platzte. Wie anders es kommen sollte, konnte keiner ahnen. Schon nach den ersten Schlachten im fernen Galizien war klar, dass es keine Sache von Monaten werden würde. Kaiserjäger und andere Tiroler Truppen wurden regelrecht verheizt. Schlechte Ausrüstung, mangelnder Nachschub und die katastrophale des Oberkommandos unter Konrad von Hötzendorf brachten Tausenden den Tod oder in Kriegsgefangenschaft, wo Hunger, Misshandlung und Zwangsarbeit warteten.

1915 trat das Königreich Italien an der Seite Frankreichs und Englands in den Krieg ein. Damit ging die Front quer durch das damalige Tirol. Vom Ortler im Westen über den nördlichen Gardasee bis zu den Sextener Dolomiten fanden die Gefechte des Gebirgskriegs statt. Innsbruck war nicht direkt von den Kampfhandlungen betroffen. Zumindest hören konnte man das Kriegsgeschehen aber bis in die Landeshauptstadt, wie in der Zeitung vom 7. Juli 1915 zu lesen war:

„Bald nach Beginn der Feindseligkeiten der Italiener konnte man in der Gegend der Serlesspitze deutlich Kanonendonner wahrnehmen, der von einem der Kampfplätze im Süden Tirols kam, wahrscheinlich von der Vielgereuter Hochebene. In den letzten Tagen ist nun in Innsbruck selbst und im Nordosten der Stadt unzweifelhaft der Schall von Geschützdonner festgestellt worden, einzelne starke Schläge, die dumpf, nicht rollend und tönend über den Brenner herüberklangen. Eine Täuschung ist ausgeschlossen. In Innsbruck selbst ist der Donner der Kanonen schwerer festzustellen, weil hier der Lärm zu groß ist, es wurde aber doch einmal abends ungefähr um 9 Uhr, als einigermaßen Ruhe herrschte, dieser unzweifelhafte von unseren Mörsern herrührender Donner gehört.“

Bis zur Verlegung regulärer Truppen von der Ostfront an die Tiroler Landesgrenzen hing die Landesverteidigung an den Standschützen, einer Truppe, die aus Männern unter 21, über 42 oder mit Untauglichkeit für den regulären Militärdienst bestand. Die Opferzahlen waren dementsprechend hoch.

Die Front war zwar relativ weit von Innsbruck entfernt, der Krieg drang aber auch ins zivile Leben ein. Diese Erfahrung der totalen Einbeziehung der gesamten Gesellschaft war für die Menschen neu. In der Höttinger Au wurden Baracken zur Unterbringung von Kriegsgefangenen errichtet. Verwundetentransporte brachten eine so große Zahl grauenhaft Verletzter, dass viele eigentlich zivile Gebäude wie die sich gerade im Bau befindliche Universitätsbibliothek oder Schloss Ambras in Militärspitäler umfunktioniert wurden. Um der großen Zahl an Gefallenen Herr zu werden, wurde der Militärfriedhof Pradl angelegt. Ein Vorgänger der Straßenbahnlinie 3 wurde eingerichtet, um die Verwundeten vom Bahnhof ins neue Garnisonsspital, die heutige Conradkaserne in Pradl, bringen zu können.

Mit dem Kriegsende rückte auch die Front näher. Im Februar 1918 schaffte es die italienische Luftwaffe, drei Bomben auf Innsbruck abzuwerfen. In diesem Winter, der als Hungerwinter in die europäische Geschichte einging, machte sich auch der Mangel bemerkbar. Die Versorgung erfolgte in den letzten Kriegsjahren über Bezugsscheine. 500 g Fleisch, 60 g Butter und 2 kg Kartoffel waren die Basiskost pro Person – pro Woche, wohlgemerkt. Auf Archivbildern kann man die langen Schlangen verzweifelter und hungriger Menschen vor den Lebensmittelläden sehen. Immer wieder kam es zu Protesten und Streiks. Politiker, Gewerkschafter, Arbeiter und Kriegsheimkehrer sahen ihre Chance auf Umbruch gekommen. Unter dem Motto Friede, Brot und Wahlrecht vereinten sich unterschiedlichste Parteien im Widerstand gegen den Krieg. Zu dieser Zeit war den meisten Menschen schon klar, dass der Krieg verloren war, und welches Schicksal Tirol erwarten würde, wie dieser Artikel vom 6. Oktober 1918 zeigt:

 „Aeußere und innere Feinde würfeln heute um das Land Andreas Hofers. Der letzte Wurf ist noch grausamer; schändlicher ist noch nie ein freies Land geschachert worden. Das Blut unserer Väter, Söhne und Brüder ist umsonst geflossen, wenn dieser schändliche Plan Wirklichkeit werden soll. Der letzte Wurf ist noch nicht getan. Darum auf Tiroler, zum Tiroler Volkstag in Brixen am 13. Oktober 1918 (nächsten Sonntag). Deutscher Boden muß deutsch bleiben, Tiroler Boden muß tirolisch bleiben. Tiroler entscheidet selbst über Eure Zukunft!

Am 4. November vereinbarten Österreich-Ungarn und das Königreich Italien schließlich einen Waffenstillstand. Damit verbunden war das Recht der Alliierten Gebiete der Monarchie zu besetzen. Bereits am nächsten Tag rückten bayerische Truppen in Innsbruck ein. Der österreichische Verbündete Deutschland befand sich noch im Krieg mit Italien und hatte Angst, die Front könnte nach Nordtirol näher an das Deutsche Reich verlegt werden. Zum großen Glück für Innsbruck und die Umgebung kapitulierte aber auch Deutschland eine Woche später am 11. November. So blieben die großen Kampfhandlungen zwischen regulären Armeen außen vor.

Trotzdem war Innsbruck in Gefahr. Gewaltige Kolonnen an militärischen Kraftfahrzeugen, Züge voller Soldaten und tausende ausgezehrte Soldaten, die sich zu Fuß auf den Heimweg von der Front machten, passierten die Stadt. Die Stadt musste nicht nur die eigenen Bürger in Zaum halten, die Verpflegung garantieren, sondern sich auch vor Plünderungen schützen. Um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, bildete der Tiroler Nationalrat am 5. November eine Volkswehr aus Schülern, Studenten, Arbeitern und Bürgern. Am 23. November 1918 besetzten italienische Truppen die Stadt und das Umland. Der beschwichtigende Aufruf an die Innsbrucker von Bürgermeister Greil, die Stadt ohne Aufruhr zu übergeben, hatte Erfolg. Es kam zwar zu vereinzelten Ausschreitungen, Hungerkrawallen und Plünderungen, bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Besatzungstruppen oder gar eine bolschewistische Revolution wie in München gab es aber nicht.

Über 1200 Innsbrucker verloren auf den Schlachtfeldern und in Lazaretten ihr Leben, über 600 wurden verwundet. Erinnerungsorte an den Ersten Weltkrieg und seine Opfer finden sich in Innsbruck vor allem an Kirchen und Friedhöfen. Das Kaiserjägermuseum am Berg Isel zeigt Uniformen, Waffen und Bilder des Schlachtgeschehens. Den beiden Theologen Anton Müllner und Josef Seeber sind in Innsbruck Straßennamen gewidmet. Auch nach dem Oberbefehlshaber der k.u.k Armee an der Südfront, Erzherzog Eugen, wurde eine Straße benannt. Vor dem Hofgarten befindet sich ein Denkmal für den erfolglosen Feldherren. An die italienische Besatzung erinnert der östliche Teil des Amraser Militärfriedhofs.