Denunzianten vor dem Innsbrucker Volksgerichtshof

Erschienen: Tiroler Tageszeitung / 14. Juni 1946

Über diesen Text...

Die Anklage des Wiltener Blockwartes zeigt alle Aspekte Entnazifizierung exemplarisch: Vom subversiven Widerstand im Kleinen unter Katholiken zum flotten Wechsel 1938 zwischen Austrofaschismus und Nationalsozialismus des Angeklagten, der Verweis auf die Befehlskette, die Verleugnung der eigenen Schuld und die Vertagung des Verfahrens. Es waren nicht immer Folter, Mord und Deportation, die das System Nationalsozialismus hervorbrachte. 

Der Artikel...

​Vorsitzender: OLGR. Dr. Pfaundler

Beisitzer: Dr. Sternbach.

Staatsanwalt: Dr. Riccabona

Schriftführer: Dr. Gög1.

Vertreter der französischen Justizdirektion; Capt. Hinsberger

Verteidiger: RA.-Anwärter Dr. Kellner.

Angeklagter: Franz Wolf, Bundesbahnsekretär, 46 Jahre alt, in Innsbruck-Wilten wohnhaft.

Tatbestand: Der 46jährige, ehemalige Bundes Bahnsekretär Franz Wolf aus Innsbruck-Wilten ist seit 23. Mai 1938 Mitglied der NSDAP, mit der Nr. 7.295.000 und wurde im August 1938 Blockleiter in der Ortsgruppe Wilten-Ost, 1941 Zellenleiter der NSDAP. und war seit 1942 überdies Mitglied der SA. Auch seine Frau, seine Schwester und sein Schwager sind Parteigenossen, Wolf wohnte im Gasthof „Riesen Haymon“ in Wilten und zeigte den Gastwirt Heinrich Pfeifer wiederholt beim Ortsgruppenleiter wegen politischer Sachen an. Er äußerte sich ihm gegenüber: „Diese schwarze Brut muß wegkommen und meldete dem Ortsgrnppenleiter, daß Pfeifer an Hitlers Geburtstag nicht beflaggt und bei Parteisammlungen „ein zynisches und eines Geschäftsmannes vollkommen unwürdiges Verhalten an den Tag gelegt habe, überdies sei der „Riese Haymon“ eine schwarze Hochburg und Tummelplatz der schwarzen Brüder und er bitte nachdrücklich um Abhilfe“. Auf die wiederholten Anzeigen des Blockleiters wurde der Gastbetrieb am 1. April 1943 geschlossen und im März 1945 wurde Pfeifer wegen politischer Unzuverlässigkeit die Konzession entzogen. Der Ortsgruppenleiter Machek, der beim „Riesen Haymon“ viel verkehrte und dem Wirt nicht aufsässig war, meinte einmal: „Pfeifer, was haben Sie denn immer mit dem Wolf, er macht immer Anzeigen. Vertragt euch doch.“

Verwantwortung: Gibt einleitend zu, früher bei der Freien Gewerkschaft und dann bei der Vaterländischen Front gewesen zu sein. SA-Mann sei er von 1942 bis 1944 gewesen. Vom Vorsitzenden befragt, warum er die Anzeigen gegen Pfeifer gemacht habe, erklärt Wolf, das sei über Auftrag des damaligen Ortsgruppenleiters Feuerstein geschehen, auf den er sich dann auch noch im Zuge des weiteren Verhörs ausredet. Im Übrigen muß er dann doch zugeben, daß er die verschiedenen Anzeigen gegen Pfeifer erstattet habe. Neu war, daß Wolf den Pfeifer auch deswegen anzeigte, weil am Trauertage für Stalingrad in Pfeifers Gasthaus gesungen worden sei. Daß durch seine Anzeige dem Pfeifer schwerer Schaden entstehen sollte, habe er nicht beabsichtigt.

Zeugenaussagen: Gastwirt Pfeifer bestätigt als Zeuge, daß ihm durch die Anzeigen des Wolf wirtschaftlicher Schaden durch die Schließung und die spätere Konzessionsentziehung entstanden sei. Eine Beflaggung an Hitlers Geburtstag sei deshalb unterblieben, weil die Fensterstöcke in Umbau waren. Die Beflaggung des Hauses sei Sache des Hausmeisters gewesen.

Ein anderer Zeuge schilderte den Angeklagten als den Schecken der ganzen Haymongasse, denn Wolf lief mit allem, was ihm anzeigenswert schien, zur Ortsgruppe.

Vertagung: Ueber Beschluß des Volksgerichtshofes wurde hierauf die Verhandlung zwecks Einvernahme weiterer Zeugen, Einholung neuer Akten und neuerlicher Erhebungen bei der Kriminalpolizei auf unbestimmte Zeit vertagt.