Deutsches Blut geflossen!
Erschienen: Innsbrucker Nachrichten / 4. November 1904
Über diesen Text...
In der Nacht vom 3. auf den 4. November 1904 kam es in der Innsbrucker Innenstadt zu einem folgenschweren Zusammenstoß deutsch- und italienischsprachiger Studenten mit einem Todesopfer. Grund war ein lange schwelender Streit rund um eine Italienische Universität innerhalb der Donaumonarchie. In der Folge kam es zu wüsten Ausschreitungen, die als „Fatti di Innsbruck“ in die Stadtgeschichte eingingen.
Der Artikel
Es war halb 11 Uhr nachts. Der Tag der Eröffnung der italienischen Rechtsfakultät in der Siebenengasse war ruhig zu Ende gegangen, und manche mochten wohl meinen, die Unruhen seien damit für allemal geschlichtet. Da scholl ein Warnruf durch die nächtlich stillen Straßen. Wer ihn ausstieß? Wer weiß es? Doch bald stellte es sich heraus, daß sich die Italiener im Gasthof zum „Weißen Kreuz“ versammelt hatten und Demonstrationen nicht abgeschlossen seien. Und bald hatte sich nun vor genanntem Gasthof eine Schar von deutschen Studenten versammelt, zugleich erschien aber auch ein starkes Polizeiaufgebot am Platze.
Die Italiener schießen mit Revolvern.
Als Vertreter der Gewalt vor Ort war, vergeblich entwaffnend, zur Stelle herangekommen, da zunächst schien es auch, als ob die Italiener sich zu entfernen, anstandslos durchzuführen hätten. Aber schon trat es in der Tat zu Tage, daß von den im Gasthof „Weißen Kreuz“ versammelten Italienern plötzlich eine Schimpfwortsalve, und bald schon folgte darauf, daß auf der Stelle ein Handgemenge entstand. Die Polizei bot alles auf, die Streitenden zu trennen, doch es mußte Gewalt angewendet werden, und es entwickelte sich ein Ereignis, das blutig ausspielte. Auf offener Gasse kam es zu einer blutigen Katastrophe. Italiener schossen wild um sich und einer der deutschen Studenten blieb blutend am Boden. Zwei Kugeln trafen ihn in den Arm, eine in den Hals. Blut floß. Schüsse krachten. Weitere Deutsche wurden schwer verletzt, Schuß in beide Arme. Bahnbeamter Gruber verletzt, Schuß in die Untergegend. Physiker, deutscher Student aus Wien, am Kopfe verletzt. Außerdem erlitt noch ein deutscher Bahnbeamter einen Streifschuß ins Gesicht.
Die Revolverschlacht konnte schließlich erst durch Polizei gewaltsam unterdrückt werden. Bald 300 Italiener sich ansammelnd, bildeten die Verwundeten noch mit einem eigenen Sanitätsdetachement, denn auf deutscher Seite fiel ein Schwerverwundeter.
Deklaration des Gasthofes „Weißes Kreuz“.
Dafür brach auf der deutschen Seite eine ungeheure Wut gegen jene aus, welche die Gewalttaten verübten und unter dem Schutze der italienischen Demonstranten Polizei gegen ihre Brüder, die Italiener waffenmäßig deckend. Und aus dieser Parole heraus, welche zum Glück in der letzten Schreckensnacht herrschend geworden ist, kam es zu jener furchtbaren Katastrophe.
Unmittelbar wurde der Schuß der Deutschen immer mehr. An allen Ecken, in allen Gassen die furchtbarsten Drohungen. Italiener und deutsche Studenten waffenmäßig aufeinander. Was für eine furchtbare Nacht! Ein Meer von Blut, von Revolverschüssen durch die Straßen, und die schreckliche Erfahrung, daß mehrere deutsche Studenten auf offener Gasse blutüberströmt zu Boden stürzten. Einer mit Streifschuß ins Gesicht, ein anderer mit Schuß in die Brust, ein dritter mit Schuß in den Arm.
Schließlich griff die Gewalt der Polizei ein. Mit blanken Bajonetten drängte man die Italiener zurück in die Gassen. Unter furchtbarem Lärmen, wildem Geschrei, mit Schimpfworten und Drohungen auf den Lippen. Noch einmal krachten Schüsse, ein Italiener sank schwer getroffen. Schließlich löste sich die Menge auf.
Noch am Freitagmorgen.
Noch am Freitagmorgen waren die Straßen voll von Blutlachen, aus den Pflasterfugen quoll das Blut der Verwundeten, das nicht gestillt werden konnte.
Immer mehr trat es zu Tage, daß die Italiener eingedenk auf die Polizei schossen, und damit die ganze Schuld auf sich nahmen. Es ist unwidersprechlich, daß die Menge nur sich selbst verteidigen mußte, und daß so ein furchtbares Ereignis aus dem Verhalten der italienischen Studenten erwachsen ist.
Die Gelegenheit wurde ergriffen, das „Weiße Kreuz“ wegen des deutschen Blutes und der unleugbaren Rechtswidrigkeit zu sperren. Am Freitag wieder Umbauarbeiten. Bald stand das Gebäude in Flammen. Ein neuer „Befreiungsversuch“ war es.
Die Menge verlangte dieses, damit der Name „Weißes Kreuz“ aus der Stadt für immer verschwinden solle.