Innbrücke

Gegenüber Innstraße 5 / Innrain 1

Wissenswert

Man könnte sagen, die Innbrücke war die Geburtshelferin Innsbrucks. Bereits das erste noch erhaltene Wappen Innsbrucks aus dem Jahr 1267 zeigt sie auf den damals zur Sicherung verwendeten Steinkästen. Sie war Namensgeber für die Stadt und für Jahrhunderte die einzige Brücke, die die heutige Altstadt mit den älteren Stadtteilen St. Nikolaus und Mariahilf verband. Vor allem aber war sie die Quelle des Aufschwunges und Wohlstandes der Stadt. Die Grafen von Andechs erkannten die Bedeutung des Knotenpunkts zwischen Nord und Süd im Warenverkehr und ließen im 12. Jahrhundert eine Brücke über den Inn bauen. Bis dahin war die einzige Brücke über den Inn in dieser Gegend das Überbleibsel aus der Antike beim römischen Militärlager Teriolis, dem heutigen Martinsbühel bei Zirl. Für die Kaufleute war die neue Brücke eine sicherere, zuverlässigere und schnellere Möglichkeit den Fluss zu passieren. Das hatte seinen Preis. Neben den Steuern war der Zoll die wichtigste Einnahmequelle Innsbrucks. Der Zoll war ein Steuerungswerkzeug der Landesfürsten. Während heutzutage Zentralbanken Leitzinsen verändern, hatten Regenten nach Naturkatastrophen, Seuchen, Bränden oder Kriegen Zölle und Abgaben zur Verfügung, um Handel, Konsum und Wirtschaft anzukurbeln. Der Zoll wurde am Stadttor an der Innbrücke erhoben. Es gab zwei Arten von Zöllen. Der kleine Zoll richtete sich nach den Zugtieren des Wagens, der große nach Art und Menge der Waren. Die Zolleinnahmen wurden zwischen Innsbruck und Hall geteilt. Hall hatte dafür die Aufgabe, die Innbrücke in Stand zu halten. Der Handel füllte nicht nur die Stadtkassen, die Bürger genossen auch das Niederlagsrecht. Waren, die ansonsten im Alpenraum nur schwer verfügbar waren, mussten zum Verkauf in der Stadt von den durchkommenden Händlern zum Verkauf angeboten werden. Wein, Bier, Fleisch, Salz, Gewürze, Textilien – Innsbruck hob sich dank des Warenverkehrs über die Innbrücke vom Umland ab. Die Innbrücke verlor mit der Öffnung der Mühlauer Brücke im 17. Jahrhundert ihre exklusive Bedeutung als Handelsweg in die Stadt. Mit der Eröffnung der Eisenbahn nahm der Warenverkehr weiter ab. Dafür nahm im 19. Jahrhundert der innerstädtische Verkehr zu. Arbeiter und Angestellte wurden nicht nur schlagartig zahlreicher, sondern auch mobiler. Die Innbrücke war mit Ausnahme der Flöße lange die einzige Verbindung zwischen den beiden Ufern des teilenden Flusses. War die Brücke gesperrt, weil ein Hochwasser sie in Mitleidenschaft gezogen hatte, waren die Stadtteile mehr oder minder getrennt. 1871 wurde die Holzbrücke durch eine von nur zwei Betonpfeilern getragene, 83 m lange Eisenfachwerkbrücke ersetzt. Im selben Jahr wurde auch der Emile-Bethouart-Steg in St. Nikolaus errichtet. 

Ein besonderes Schmankerl Innsbrucker Kulturgeschichte befindet sich mittig auf der Innbrücke. Das Kruzifix des Thaurer Künstlers Rudi Wach, das Christus in allzu menschlicher Art und Weise nackt und ohne Wunden zeigt, sollte 1986 aufgestellt werden. Unter dem Druck einer Unterschriftenkampagne besonders frommer Tiroler musste dieses „Skandalwerk“ bis 2007 im Volkskunstmuseum ausharren, bis Innsbrucks erste Bürgermeisterin Hilde Zach es doch noch aufstellen ließ, offiziell um dem Himmlischen für die Verschonung der Stadt vor dem Hochwasser von 2005 zu danken. 1982 wurde die Innbrücke in ihre aktuelle Form gebracht. Die letzte Renovierung samt Verbreiterung und Erneuerung des Brückengeländers fand 2023 statt.



Die Grafen von Andechs und die Gründung Innsbrucks

Das 12. Jahrhundert brachte in Europa wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwung und gilt als eine Art vorgezogener mittelalterlicher Renaissance. Über den Umweg der Kreuzzüge kam es zum verstärkten Austausch mit den in vielerlei Hinsicht weiter entwickelten Kulturen des Nahen Ostens. Arabische Gelehrte brachten über Südspanien und Italien Übersetzungen griechischer Denker wie Aristoteles nach Europa. Das Römische Recht wurde an den ersten Universitäten südlich der Alpen wiederentdeckt. Neue landwirtschaftliche Erkenntnisse und ein günstiges Klima, das bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts anhalten sollte, ermöglichten die Entstehung von Städten und größeren Siedlungen. Eine dieser Siedlungen befand sich nördlich des Klosters Wilten zwischen dem Fluss Inn und der Nordkette.

Politisch und wirtschaftlich beschränkte sich die Bedeutung des Inntals und dem Raum nördlich davon vor allem auf den Transit. Tirol hatte mit dem Reschen- und dem Brennerpass über zwei niedrige Alpenübergänge, die für die kaiserliche Verbindung zwischen den deutschen Ländern im Norden und den Ländereien in Italien wichtig waren. Im Jahr 1024 wurde der Salier Konrad II., ein Konkurrent der Bayerischen Herzöge aus dem Hause Wittelsbach, zum König gewählt. Um diese beiden Alpenübergänge weg von seinen bayrischen Konkurrenten und unter die Kontrolle der ihm treuen Reichskirche zu bringen, sprach Konrad II. das Territorium Tirols 1027 den Bischöfen von Brixen und Trient als Lehen zu. Die Bischöfe wiederum benötigten sogenannte Vögte für die Verwaltung dieser Ländereien und die Rechtsprechung.

Diese Vögte des Bischofs von Brixen waren die Grafen von Andechs. Die Andechser mögen heute im Schatten der Welfen, Staufer, Wittelsbacher und Habsburger stehen, waren im Hochmittelalter aber ein einflussreiches Geschlecht. Sie stammten aus der Gegend des bayerischen Ammersees und besaßen Güter in Oberbayern zwischen Lech und Isar sowie östlich von München. Über geschickte Heiratspolitik waren sie an die Titel der Herzöge von Meranien, einer Gegend an der dalmatischen Küste, und Markgrafen von Istrien gekommen. Damit stiegen sie im Rang innerhalb des Heiligen Römischen Reiches auf. Um Verwaltung und späteres Seelenheil in einem sicherzustellen, gründeten sie im 12. Jahrhundert das Kloster Dießen und das Kloster am Heiligen Berg Andechs oberhalb des Ammersees. 1165 kam Otto V. von Andechs auf den Bischofssitz in Brixen und vergab die Vogtei über dieses Hochstift an seinen Bruder. Ab nun verwalteten sie den mittleren Teil des Inntals, das Wipptal, das Pustertal und das Eisacktal.

Innsbruck erstreckt sich heute zu beiden Seiten entlang des Inns. Im 12. Jahrhundert stand dieses Gebiet unter dem Einfluss zweier Grundherren. Südlich des Inns übte das Stift Wilten die Grundherrschaft aus. Das Gebiet nördlich des Flusses stand unter der Verwaltung der Andechser. Während das südliche Stadtgebiet rund um das Stift schon seit Jahrhunderten landwirtschaftlich genutzt wurde, war das Schwemmgebiet des nicht regulierten Gewässers vor dem Hochmittelalter nicht kultivierbar und wenig besiedelt. Das Inntal war dicht bewaldet und an den Ufern des breiten Inns sumpfiges Gelände. Die Menschen arbeiteten zum allergrößten Teil in der Landwirtschaft, die von ihrem Grundherrn betrieben wurde. Sie lebten in armseligen Hütten aus Lehm und Holz. Medizinische Versorgung außerhalb der Städte gab es kaum, die Kindersterblichkeit war hoch und kaum jemand wurde älter als 50 Jahre alt. Etwa um das Jahr 1133 gründeten die Andechser im heutigen St. Nikolaus den Markt Anbruggen und verbanden das nördliche und das südliche Innufer über eine Brücke. Aus dem landwirtschaftlich nicht nutzbaren Stück Land am Fuß der Nordkette war durch den Bau der Brücke ein Handelsplatz geworden. Sie erleichterte den Warenverkehr in den Ostalpen ungemein. Die Brennerroute war durch eine der Neuerungen der mittelalterlichen Renaissance interessanter geworden: neue Zuggeschirre ermöglichten es die steilen Anstiege mit Fuhrwerken zu bewältigen. Die kürzere Via Raetia hatte die Via Claudia Augusta über den Reschenpass als Hauptverkehrsweg über die Alpen abgelöst. Die Zolleinnahmen des Handels zwischen den deutschen und italienischen Städten, die daraus erwirtschaftet wurden, ließen die Siedlung prosperieren. Im kleinen Markt siedelten sich Schmiede, Wirte, Fuhrwerksbetreiber, Schneider, Zimmerleute, Seiler, Wagenmacher und Gerber an. Pferde, Händler und Fuhrleute mussten versorgt und logiert, Fuhrwerke repariert werden. Die größeren dieser Betriebe beschäftigten Angestellte und Knechte. Die Wandlung von der reinen Landwirtschaft hin zur Stadt begann.

Anbruggen wuchs schnell, der Platz zwischen Nordkette und Inn war aber knapp bemessen. 1180 erwarb Berchtold V. von Andechs vom Kloster Wilten ein Stück Land auf der Südseite des Inns. Das war endgültig der Startschuss für die Genese Innsbrucks. Ganz wollte der Abt den Fuß nicht aus der Tür nehmen, entwickelte sich die neue Siedlung doch prächtig dank der Zolleinnahmen. In der Urkunde ist die Rede von drei Häusern, die dem Stift Wilten innerhalb der neuen Siedlung vorbehalten blieben. Die Grafen von Andechs ließen im Zuge der Errichtung der Stadtmauer die Andechser Burg bauen und verlegten ihren Stammsitz von Meran nach Innsbruck. Irgendwann zwischen 1187 und 1204 konnten sich die Bürger Innsbrucks über das Stadtrecht freuen. Als offizielles Gründungsdatum wird häufig 1239 herangezogen, als vom letzten Grafen aus der Andechser Dynastie Otto VIII. das Stadtrecht formal in einer Urkunde bestätigt wurde. Innsbruck war zu dieser Zeit bereits die Münzprägestätte der Andechser und wäre wohl zur Hauptstadt in deren Fürstentum geworden. Es kam aber anders. 1246 zerstörten die bayerischen Wittelsbacher, die größten Konkurrenten der Andechser im süddeutschen Raum, deren Stammburg am Ammersee. Otto, der letzte Graf aus dem Haus Andechs-Meranien starb im Jahr 1248 ohne Nachkommen. 12 Jahre zuvor hatte er Elisabeth, die Tochter Graf Alberts VIII. von Tirol geheiratet. Dieses Adelsgeschlecht mit ihrer Stammburg in Meran übernahm damit die Lehen und Teile der Besitztümer inklusive der Stadt am Inn sowie die Erzfeindschaft mit den bayerischen Wittelsbachern.

Die Macht der Geographie

Was den meisten Besuchern Innsbrucks zuallererst auffällt, sind die Berge, die die Stadt einzukesseln scheinen. Die Bergwelt ist nicht nur wunderschön anzusehen, sondern beeinflusste schon immer vieles in der Stadt. Das fängt bei vermeintlichen Kleinigkeiten wie dem Wetter an, wie uns der Blick des Schriftstellers und Politikers Beda Webers aus vergangenen Tagen beweist:

"Eine eigene Erscheinung ist der warme Wind oder Scirocco. Er kommt aus dem Süden, prallt am Nordgebirge ab, und fällt mit Gewalt ins Thal. Er macht gern Kopfweh, schmelzt aber die winterlichen Schneemasen schnell und befördert die Fruchtbarkeit ungemein. Dadurch wird in Innsbruck die Pflanzung des Maises möglich"

Dieses Wetterphänomen mag seinen Namen von Scirocco auf Föhn geändert haben und Verkehr war 1851 noch kein großes Problem. Genau wie der Innsbrucker Autofahrer heute jammerten aber mit Sicherheit der Hufschmied in der Altstadt im Jahr 1450 und der aus Mittelitalien in die Alpen abkommandierte Legionär im Jahr 350 über den warmen Fallwind, der mehrmals pro Monat alle verrückt zu machen scheint. Waren früher die Menschen froh um die warme, den Schnee auf den Feldern schmelzende Luft, jammern Touristiker heute über die aperen Skipisten auf der Seegrube.

Die Lage zwischen dem Wipptal im Süden und der Nordkette beeinflusst nicht nur die Migränehäufigkeit, sondern auch die Freizeitgestaltung der Innsbrucker, wie schon Weber ebenfalls erkannte. "Die Einwohner zeichnen sich durch ihre Leutseligkeit und Wohlthätigkeit aus, sie lieben besonders Landausflüge in der schönen Jahreszeit.“ Man mag über Leutseligkeit und Wohlthätigkeit der Innsbrucker streiten, Landausflüge in Form von Wanderung, Skitour oder Radfahren erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit. Kein Wunder, Innsbruck ist von Bergen umgeben. Innerhalb weniger Minuten kann man von jedem Ort in der Stadt aus mitten im Wald stehen. Junge Menschen aus ganz Europa verbringen ihre Studienzeit zumindest zu einem Teil an der Universität Innsbruck, nicht nur wegen der hervorragenden Professoren und Einrichtungen, sondern auch um ihre Freizeit auf den Pisten, Mountainbikerouten und Wanderwegen zu verbringen, ohne auf urbanes Flair vermissen zu müssen. Das ist Fluch und Segen zugleich. Die Universität als großer Arbeitgeber und Ausbildungsort kurbelt die Wirtschaft an, gleichzeitig steigen durch auswärtige Studenten die Lebenserhaltungskosten in der Stadt, die zwischen den Bergen eingeklemmt räumlich nicht weiterwachsen kann.

Der Aufstieg Innsbrucks zum Zentrum Tirols im 15. Jahrhundert ist ebenfalls zu einem großen Teil auf die Lage der Stadt zurückzuführen. Der Brennerpass ist sehr niedrig und erlaubt es, den Alpengürtel, der sich rund um Italiens Nordgrenze schlängelt, verhältnismäßig einfach zu überqueren. In den Zeiten vor die Eisenbahn Waren und Menschen mühelos von A nach B brachte, war die Alpenüberquerung harte Arbeit, der Brenner eine willkommene Erleichterung. Zwischen 1239 und 1303 war Innsbruck die einzige Stadt zwischen „Mellach und Ziller“ im mittleren Inntal, die das landesfürstliche Niederlagsrecht hatte. Hier mussten innerhalb des regulierten Rodfuhrwesens die Waren von einem Fuhrwerk auf das nächste umgeladen werden, ein enormer Vorteil für die Innsbrucker Wirtschaft. Innsbruck war nicht ganz so reich wie Bozen und hatte bis ins frühe 15. Jahrhundert keine politische Bedeutung, wurde aber zu einem der wichtigsten Verkehrs- und Handelsknotenpunkte im Alpenraum Die ehemalige Landeshauptstadt Meran hatte langfristig in ihrer Abgelegenheit keine Chance gegen die Stadt am Inn zwischen Brenner, Scharnitz und Achenpass. Die Lage in den Alpen begünstigte auch den Tourismus, der spätestens ab den 1860er Jahren Fuß fassen konnte. Reisende schätzten die Kombination aus leichter Erreichbarkeit, städtischer Infrastruktur und alpinem Flair. Mit der Erschließung des Landes im Gebirge durch die Eisenbahn konnte man bequem anreisen, seine Freizeit in der Bergwelt oder einem der Kurbäder verbringen, ohne auf den Komfort des Stadtlebens verzichten zu müssen. Spätestens mit ihrer Zähmung durch die Schienen waren die Alpen vom Problembereiter zum Wirtschaftsfaktor geworden. Vorbei waren die von der schwierigen Landwirtschaft geprägten Zeiten, der Feind von gestern wurde zum Heilsbringer.

Neben den Bergen waren die Flüsse maßgeblich an der Entwicklung Innsbrucks beteiligt. Innsbrucks Trinkwasser kam seit den Zeiten Maximilians von der Nordkette über eine Wasserleitung in die Stadt, für die sanitäre Versorgung waren Inn und Sill zuständig. Das Vieh wurde am Inn zur Tränke geführt, die Wäsche gewaschen und Abfälle aller Art, inklusive Fäkalien von Mensch und Tier, entsorgt. Als die während der Industrialisierung zu wachsen begann, entstand am Sillspitz im Osten der Stadt eine erste Mülldeponie, die später um eine weitere im Westen am heutigen Sieglanger ergänzt wurde. Bis zur Verbesserung des Straßennetzes im 16. Jahrhundert herrschte zwischen Telfs, Innsbruck und Hall reger Schiffsverkehr. Das Inntal war über 1000 Jahre nach der römischen Besiedlung noch immer ein sumpfiger, von Auwäldern durchzogener Landstrich. Siedlungen wie Wilten, Burgen wie die Festung über Amras und Straßen entstanden etwas vom Fluss entfernt auf Schwemmkegeln oder in Mittelgebirgshöhen. Rund um Innsbruck wurden die Auen als Allmende der Dörfer genutzt. Je nach Wasserhöhe standen Weideland und Brennholz zur Verfügung und der Fluss konnte als Transportweg genutzt werden – oder eben nicht. Flurnamen wie Am Gießen in der Höttinger Au erinnern bis heute daran, dass der Inn am heutigen Stadtgebiet bis in die frühe Neuzeit ebenfalls nicht gebändigt, sondern mehr schlecht als recht kultvierte Wildnis war. Überschwemmungen waren immer wieder Folge des unregulierten Flusses. Zwischen 1749 und 1789 forderten mehrere Hochwasser in Innsbruck viele Tote.

Auch der wirtschaftliche Schaden war immens. Die Innbrücke spülte Zolleinnahmen in die Stadtkassa und war der Grund, warum die Siedlung zur Stadt werden konnte. Vom Tiroler Oberland wurde über Jahrhundert hinweg Holz als Trift den Inn flussabwärts geschickt. In Hall fischte ein Holzrechen an der Innbrücke das kostbare Treibgut aus dem Wasser. Innsbruck, vor allem aber die Salz- und Silberbergwerke in Hall und Schwaz benötigten den Werkstoff und Energieträger. Bei der Bergfahrt gegen den Strom benötigte man Pferdegespanne mit über 20 Tieren, die auf den Treidelwegen genannten Trassen Waren flussaufwärts zogen. Nahe Siedlungen und Städten errichtete man befestigte Archen-Verbauungen, um den Fluss zumindest ein wenig zu zähmen und die Beeinträchtigung von Hochwasser und Dürre einzudämmen.

Im 18. Jahrhundert förderten Ökonomisierung und Verwissenschaftlichung, die sich in allen Lebensbereichen bemerkbar machten, auch die Kultivierung der Landschaft. Von diesem Geist der Aufklärung erfasst, wurde auch die Optimierung des Inns als Transportweg und die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit des verfügbaren Bodens in Angriff genommen. Die Allmende entlang des Inn wurde mehr und mehr in die Obhut einzelner Grundherren gegeben, die die Urbarmachung dieses Schwemmlandes vorantrieben. Der Theresianische Staatsapparat wollte das Reich nicht nur am Landweg mit Straßen, sondern auch über die Hauptflüsse verbinden. Die Verantwortung für Regulierung und Verbauung des Inns ging von den Gemeinden und der Saline Hall auf den Staat über. Innsbrucks erster Oberarcheninspektor Franz Anton Rangger begann 1739 mit dem Kartografieren des Inns, um den Flusslauf durch Begradigungen und Verbauungen planbarer und schneller zu machen. Das Projekt der Bändigung sollte mehr als 100 Jahre in Anspruch nehmen. Die Napoleonischen Kriege verzögerten den Bau der Anlagen. Erst nach der wirtschaftlichen Not des frühen 19. Jahrhunderts war der Staat wieder in der Lage, das Projekt fortzusetzen. Blocksteindämme ersetzten nach und nach die Archen-Verbauungen. Als der Inn gebändigt war, hatte die Eisenbahn die Schifffahrt als Transportweg abgelöst. Die nächste größere Verbauungswelle des Inns kam in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Olympische Dorf, die Autobahn und Siedlungen wie der Sieglanger benötigten Raum, das vorher dem Fluss vorenthalten war, um das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit zu ermöglichen.

Fast genauso wichtig wie der Inn war der kleinere Fluss, der Innsbruck durchquert. Wo heute die Sill die Sillschlucht verlässt, entstand der Sillkanal, der die Stadt mit Wasser versorgte. Als die Grafen von Andechs 1180 den Markt an der Innbrücke gründeten, bestand der Kanal bereits, war doch die Mühle des Stiftes Wilten in St. Bartlmä bereits in Betrieb. Von hier führte der Kanal weiter entlang der Route Karmelitergasse, Adamgasse, Salurnerstraße, Meinhardstraße, Sillgasse, Ing.-Etzel-Straße bis zur Pradler Brücke, wo sie sich wieder mit der Sill verband, um dann in den Inn zu fließen. Anfangs vor allem zum Brandschutz gedacht, machten sich viele Betriebe an diesem künstlich angelegten Kanal das durch die Stadt fließende Wasser bald für den Betrieb von Mühlen zur Energiegewinnung dienstbar. Erst in den 1970er Jahren verschwanden die letzten Teile davon, nachdem Bombentreffer ihn während des Zweiten Weltkriegs beschädigt hatten.

Die letzte geographische Zutat zur Erfolgsgeschichte der Stadt ist der breite Talkessel, der die Entwicklung Innsbrucks begünstigte. Durch das Städtewachstum und den Bevölkerungsaufstieg stieg auch der Bedarf nach Nahrungsmitteln. Während die Bauern in den höhergelegenen Seitentälern harte Bedingungen vorfanden, bot das Inntal fruchtbaren Boden und Fläche für Viehzucht und Ackerwirtschaft. Bis ins Hochmittelalter war das Inntal wesentlich stärker bewaldet. Im 13. Jahrhundert war es rund um Innsbruck wie in vielen Teilen Europas zu frühen großen und langfristigen Eingriffen des Menschen für wirtschaftliche Zwecke in die Natur gekommen. Anders als oft dargestellt, war das Mittelalter keine primitive Zeit des Stillstands. Ab dem 12. Jahrhundert verließ man sich nicht mehr auf Gebete und Gottes Gnade, um den Auswirkungen regelmäßig auftretender Ernteausfälle zu entkommen. Innovationen wie die Dreifelderwirtschaft ermöglichten die Ernährung der landwirtschaftlich gesehen unproduktiven Stadtbevölkerung, die man im modernen Sprachgebrauch als Overhead bezeichnen würde. Die Urbarmachung des Landes erlaubte das Wachstum der Stadt. Die Städte wie Schwaz, Hall und Innsbruck konnten sich zwar nicht selbst ernähren, und es bedurfte vor allem in der Frühen Neuzeit während des Booms im Bergwerksbau erheblicher Lebensmittelimporte. Neben Fleisch war es lange vor allem Wein, der aus dem Ausland in die Grafschaft Tirol kam. Ohne die Bauern der Umgebung wäre Innsbruck aber nicht lebensfähig gewesen. Der Mais, den Beda Weber schon 1851 im Innsbrucker Stadtbild für erwähnenswert hielt, wächst noch immer munter vor sich hin und gibt auch heute noch großen Flächen am Stadtrand einen landwirtschaftlichen Anstrich.