Mitten im Wald etwas oberhalb von Schloss Ambras liegt die sehenswerte Begräbnis- und Gedenkstätte Tummelplatz, die an gefallene Soldaten von den napoleonischen Kriegen bis zum Zweiten Weltkrieg erinnert. Die unterschiedlich alten und teils kunstvoll gestalteten Kreuze und Grabsteine erzählen die Schicksale und Geschichten von Soldaten verschiedener Epochen. Den Namen trägt die Waldlichtung von den Pferden des Schloss Ambras, die hier vor den Toren der Anlage zugeritten wurden, sich also „tummelten“.
Als von 1796 bis 1815 die Napoleonischen Kriege auch in Tirol wüteten, wurde das leerstehende Schloss Ambras zu einem Lazarett umgewandelt. Viele der Verstorbenen wurden am Tummelplatz begraben. Der Amraser Gemeindevorsteher Johann Georg Sokopf ließ 1799 einen Hinweis am Eingang der Begräbnisstätte im Wald anbringen,, um sie als solche dezidiert auszuweisen. Auch in den Kriegen der Jahre 1848, 1859 und 1866 diente Schloss Ambras als Spital für die Verwundeten. Die aus allen Kronländern des riesigen Habsburgerreiches stammenden Soldaten und auch fünf Krankenpflegerinnen, die in Schloss Ambras starben, wurden bis 1856 am Tummelplatz bestattet. In der Innsbrucker Bevölkerung machten bald allerhand unheimliche Geschichten rund um den Soldatenfriedhof die Runde. Nach einer Marienerscheinung samt Wunderheilung wurde der Tummelplatz zu einem Wallfahrtsort. Bald wurden die ersten Kapellen errichtet. Heute ist der Platz für Angehörige von Kriegsopfern, die weit entfernt auf den Schlachtfeldern der Weltkriege begraben wurden, eine wertvolle Gedenkstätte.
Insgesamt befinden sich am Tummelplatz sechs sehr unterschiedlich gestaltete Kapellen aus verschiedenen Perioden. Am östlichen Eingang empfängt die von Clemens Holzmeister entworfene und unter der Leitung Theodor Prachenskys 1922 erbaute Kaiserschützenkapelle den Besucher. Der Tiroler Künstler Alfons Walde gestaltete die Wandmalerei, die großflächig zwei Kaiserschützen zeigt. Das Besondere an der Kaiserschützenkapelle ist eine Reliquie des letzten Kaisers aus dem Haus Habsburg. Karl von Habsburg war 2004, mehr als 80 Jahre nach seinem Tod auf Madeira, auf Antrieb der seit 1895 bestehenden Kaiser-Karl-Gebetsliga unter Vorsitz des Erzbischofs von Wien seliggesprochen worden. Die Reliquie, ein Splitter eines kaiserlichen Fingerknochens, wurde 2017 im Beisein des letzten Enkels Karls und Vertretern des Kaiserschützenbundes, der Musikkapelle Wilten, der Tiroler Schützen und vieler hochrangiger Tiroler und Innsbrucker Politiker in die Kaiserschützenkapelle überführt.
Der auffälligste Bau ist die Kreuzkapelle, die 1897 durch Spenden finanziert wurde. Am 11. Oktober des Errichtungsjahres war in den Innsbrucker Nachrichten zu lesen:
„Auf der dem Tummelplatz zugekehrten Stirnseite ist der Eingang der Kapelle in gothischem Spitzbogen. Eine über dem Portale angebrachten Marmortafel verkündet die Widmung der Kapelle zur frommen Erinnerung an die in den Freiheitskämpfen von 1797 und 1809 gefallenen und hier begrabenen Krieger. Den oberen Teil des Giebels schmückt ein Rundfenster in Form eines Dreipasses. Überkrönt ist die ganze Stirnseite von einem als Thürmchen für 2 hellklingende Glöcklein verwendeten Dachreiter, der einen stilgerechten Abschluss bildet. … Im Schiffe der Kapelle ist an der Wand der Westseite neben dem Fenster eine Votivtafel aus Marmor in die Mauer eingelassen, deren Inschrift an das furchtbare Schicksal erinnert, welches beim Brande eines Wohltätigkeitsbazarss in Paris am 4. Mai 1897 die Herzogin Charlotte Augusta von Alencon ereilte.“
Die Fassade wurde während des Ersten Weltkriegs 1917 von Anton Kirchner gestaltet und zeigt Soldaten der Italienfront, die einen Holzsarg ziehen. Die Mater Dolorosa mit dem Leichnam Christi im Arm, bekniet von Schützen und Soldaten wacht über der gespenstischen Szene. Darunter findet sich ein martialisches Gedicht Anton Müllers (1870 – 1939), besser bekannt als Bruder Willram, der während des Ersten Weltkriegs mit seinen Schriften und Predigten zu Antisemitismus, Kriegshetze und Propaganda beitrug. Er verband die Erhebung von 1809, Tiroler Heldenmut, Kaisertreue und Katholizismus in einer Art, dem die Schlachten des industrialisierten Kriegs zwischen 1914 und 1918 wohl nicht entsprachen. Die erste Strophe lautet:
„Das war in herrlicher Väterzeit,
Da der Ahne sich dem Tod geweiht,
Als Opfer feindlicher Schergen,
Nun färbte der Enkel in seinem Blut,
den Staub der Väter mit heiliger Glut,
Auf unseren ewigen Bergen.“
Bei der Renovierung der Kapelle 1969 kam das Gemälde „Der auferstandene Heiland überwindet den Tod“ Anton Plattners im Innenraum hinzu. Neben diesen beiden Hauptkapellen stehen am Tummelplatz die Sokopfkapelle, benannt nach dem Amraser Gemeindevorsteher, der den Tummelplatz offiziell markieren ließ, die Lourdeskapelle, die Antoniuskapelle und die Josephkapelle. Studentenverbindungen, Berufsinnungen und Vereine erinnern mit Denkmälern am Tummelplatz ihren gefallenen Mitgliedern.
Der Tummelplatz ist aber mehr als eine Landesgedenkstätte. Er dient als internationaler Gedenkplatz für Kriegsopfer und als Mahnmal zur Erhaltung des Friedens. Die verschiedenen Denkmäler zeigen wie sehr sich die Perspektive auf Krieg und Frieden geändert haben seit den Zeiten des ersten Weltkriegs, als ein durch Propaganda beeinflusste Bevölkerung für Gott, Kaiser und Vaterland das eigene Leben am Feld der Ehre hinzugeben bereit war. Ein Gedicht auf einem Grabstein mit einem Bild der Gnadenmutter Mariahilf von Lucas Cranach lautet:
Ich hab mit Ehr getragen,
der Kaiserjäger Ehrenkleid,
und war in jungen Tagen,
auch gern zum Tod bereit.
Fürs Vaterland zu sterben,
ist des Soldaten Glück, er wird den Himmel erben,
und wünscht sich nicht zurück.
So weinet nicht ihre Lieben,
mir ist ja wohl gescheh´n,
und euch der Trost geblieben,
dass wir uns wiederseh´n.
Es bleibt zu hoffen, dass falsch verstandener Patriotismus auf Kreuzesinschriften wie „Dem Vaterland hab und Leben hinzugeben sind wir bereit“ für immer der Vergangenheit angehören. Zu Weihnachten und anderen Feiertagen, vor allem am ersten Sonntag nach Allerheiligen, finden Veranstaltungen statt, um der Gefallenen zu gedenken. Kaiserjäger, Kaiserschützen, Politiker und Klerus geben sich ein Stelldichein, um unter teils skurril anmutenden Traditionen kostümiert Frieden einzumahnen.