Spitalskirche

Maria-Theresien-Strasse 2

Deckenfresko Spitalskirche Innsbruck

Zum ersten Mal erwähnt wurde eine Kirche an diesem Platz im 14. Jahrhundert. Im 16. Jahrhundert als Innsbrucks Neustadt stark wuchs, wurde das Gotteshaus vor den Stadtmauern vergrößert. In dieser Zeit entstand auch die große Glocke, die heute noch erklingt und nach ihrem Gießer Löfflerglocke genannt wird. Die Spitalskirche in ihrem heutigen barocken Aussehen entstand zwischen 1700 und 1705 nach den Plänen von Johann Martin Gumpp. Das große Erdbeben 1689 hatte auch vor diesem Gebäude nicht Halt gemacht und einen Neubau erforderlich gemacht. Große Teile des Innenlebens aus dieser Zeit sind bis heute erhalten geblieben. Die Deckengemälde wurden zu einem großen Teil bei Luftangriffen im 2. Weltkrieg zerstört. Die nach dem Krieg neu gestalteten Fresken im expressionistischen Stil von Hans Andre sind sehenswert. Das Eckhaus Maria-Theresienstraße / Marktplatz, das 1888 anstatt des Spitals errichtet wurde, ist heute ein Wohnhaus mit Geschäften im Erdgeschoss.

Die Historie der Spitalskirche ist eng mit der Entwicklung der Kranken-, Alters und Armenversorgung der Stadt Innsbruck verbunden. Über dieses Kapitel der Innsbrucker Geschichte lässt sich gut nachempfinden, wie sich Obsorge von der Kirche hin zum modernen Staat im Lauf der Zeit veränderte. Wir modernen Menschen erwarten uns von einem Spitalsaufenthalt, das Krankenhaus wieder gesund zu verlassen. Bis ins 18. Jahrhundert waren Spitäler, so auch in Innsbruck, eher Endstation unter christlicher Obhut und Pflege. Das Spital wurde von einer karitativen Bruderschaft von Innsbrucker Bürgern gegründet und durch Spenden der Kirche und wohlhabender Innsbrucker betrieben. Die Spitalskapelle wurde erstmals im Jahr 1329 urkundlich erwähnt. Das Hospiz wurde außerhalb der Innsbrucker Stadtmauern angelegt, um die Verbreitung von Krankheiten innerhalb der engen Gassen so gut als möglich zu vermeiden. Die Aufgabe des Hospizes war es nicht nur Kranke zu pflegen. Die eigene Familie war noch immer die erste und wichtigste Instanz in Notfällen. Handwerker organisierten einen Teil der Sozialfürsorge für arbeitsunfähige Mitglieder oder deren Witwen und Waisen ebenfalls selbst. Menschen ohne Familie, Knechte, Dienstboten und Kinderlose, wurden aber, anders als oft dargestellt, nicht im Stich gelassen. Mittellose Frauen konnten in Spitälern niederkommen. Ältere und notleidende Bürger wurden mit Kleidung, Nahrung und Pflege versorgt. Auch Waisenkinder wurden aufgenommen. Dazu gehörten immer wieder auch uneheliche Kinder, die von ihren Müttern nach der Geburt weggegeben wurden. Durch diese Einrichtungen unterschied sich die Stadt auch von den Dörfern, wo die Kranken- und Altersversorgung wesentlich schlechter war und Knechte oft bis an ihr Lebensende arbeiten mussten. Wohlhabendere Mitglieder der Bruderschaft hatten als zahlende Mitglieder dabei die Aussicht auf bessere Pflege und Versorgung als Nichtmitglieder. Im Spital wurden auch Almosen an die Ärmsten verteilt. Man kann durchaus von einer frühen Form der sozialen Fürsorge auf kommunaler Ebene, einer nichtstaatlichen Wohlfahrt, sprechen. Bis ins 19. Jahrhundert, in vielen Bereichen bis nach dem Ersten Weltkrieg, war nicht der Zentralstaat, sondern die Gemeinde oder Gönner für die Fürsorge von Armen, Kranken, Waisen, Alten und Arbeitsunfähigen zuständig. Kaiser Maximilian I. (83) zum Beispiel ließ am heutigen Domplatz ein Spital für alte und kranke Mitglieder seines Hofpersonals planen, das nach ihm als „Kaiserspital“ benannt wurde. Die Kirche war häufig mitverantwortlich und Organisator dieser Sozialarbeit. Hinter der Spitalskirche befand sich seit 1509 der Friedhof. Schon damals war es üblich, die Toten etwas abseits des Geschehens zu gestatten. Das Recht, Beerdigungen abzuhalten, war lange ein Privileg des Stifts Wilten (67), an dem Innsbruck im kirchenrechtlichen Sinn hing. Erst im späten Mittelalter erhielt Innsbruck das Recht Beerdigungen durchzuführen vom Stift Wilten, das für kirchliche Angelegenheiten in Innsbruck zuständig war. Bei der heutigen Spitalskirche befand sich bis 1888 auch das Stadtspital Innsbrucks, bevor es an seinen heutigen Platz am Westende der Anichstraße übersiedelte, wo es sich zu beeindruckender Größe entwickelte. Bis zu den Entdeckungen in Mikrobiologie und Medizin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Robert Koch (1843 – 1910) oder Louis Pasteur (1922 – 1895) war Hygiene in der Krankenpflege ein unterschätzter Faktor. Die Zustände im alten Spital wurden so beschrieben:

„Für die gesamten Spitalsgebäude stand nur ein Brunnen im Hof, von dem das Wasser in alle Räume getragen werden musste, zur Verfügung. Eine Kanalisation fehlte; es gab einzig Abortgruben. Die Küche lag ebenerdig und gleich dahinter befand sich das Leichenzimmer, in dem auch die Aufbahrungen vorgenommen wurden. Der Keller diente zugleich als Trocken- und Desinfektionsraum. Die Schwestern mussten einen Backofen so lange heizen, bis alle Läuse tot waren. Der Garten war für die männlichen und weiblichen Patienten abgeteilt. In einem Stöcklgebäude waren die Irren untergebracht; zwei Zimmer standen für die ruhigen Patienten zur Verfügung, dann drei Tobzellen und eine Teeküche…. Typhuskranke wurden überhaupt nicht abgesondert. Wenn Deliranten ihre Betten verlassen wollten, dann wurde einfach ein festes Gitter um das Bett aufgestellt.“

Bereits vor dem Umzug war das Stadtspital ein Lehrkrankenhaus und eng mit der Universität verbunden. Die Lehrtätigkeit war einer der Hauptgründe für die Übersiedlung und Ausbau, das rapide Bevölkerungswachstum der andere. Nach der Wiedereröffnung der Universität 1826 waren es nur etwas mehr als 20 Studenten, die Ausmaße des heutigen Studiums- und Klinikbetriebes wäre damals unvorstellbar gewesen. Innsbrucks Klinik ist heute bis weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt, geachtet und geschätzt. Die Universitätsklinik ist heute wie ein eigener Stadtteil und zählt zu den größten Arbeitgebern der Stadt.

Glaube, Kirche, Obrigkeit und Herrschaft

Die Fülle an Kirchen, christlichen Bauten, Denkmälern und Symbolen im öffentlichen Raum Innsbrucks ist für viele Besucher aus anderen Ländern erstaunlich. Nicht nur Gotteshäuser, auch viele Privathäuser sind mit Darstellungen der Heiligen Familie oder biblischen Szenen geschmückt. Sie manifestieren den Einfluss, den das Christentum auf Politik und soziale Struktur in Europa bis ins 20. Jahrhundert hatte. Religion ist einerseits der Glaube an eine göttliche Macht, andererseits die Etablierung einer gesellschaftlichen Ordnung. Um die Bedeutung der Religion im Alltag der Menschen vergangener Zeiten zu begreifen, bedarf es einiges an Umdenken für uns Menschen des 21. Jahrhunderts. Um Handlungen und Mentalität der Menschen zu verstehen, ist es wichtig, sich ein ungefähres Bild von Religion und Glauben zu machen, waren sie alltagsbestimmend. Vieles, das wir heute als Kulturgut erleben, ist ohne Religion nicht denkbar. Allein die Dimension der Kirchen umgelegt auf die Verhältnisse vergangener Zeiten sind gigantisch. Eine Stadt wie Innsbruck mit etwa 5000 Einwohnern besaß im 16. Jahrhundert mehrere Kirchen, die in Pracht und Größe jedes andere Gebäude überstrahlte, auch die Paläste der Aristokratie. Das Kloster Wilten war ein Riesenkomplex inmitten eines kleinen Bauerndorfes, das sich darum gruppierte. Die räumlichen Ausmaße der Gotteshäuser spiegelt die Bedeutung im politischen und sozialen Gefüge wider. Die Glocken ordneten den Alltag der Untertanen. Ihr Klang rief zur Arbeit, zum Gottesdienst oder informierte als Totengeläut über das Dahinscheiden eines Mitglieds der Gemeinde. Menschen konnten einzelne Glockenklänge und ihre Bedeutung voneinander unterscheiden. Glocken waren mehr als Gegenstände. Das Einschmelzen von Glocken, wie es während den Weltkriegen passierte, hatte eine starke Symbolkraft. Anders als heute, war Religion keineswegs Privatsache. Sie war intersubjektive Realität, ein Teil des sozialen und gesetzlichen Alltags. Reliquien waren heiß begehrt. Schon in kleinsten Partikeln des Körpers eines Heiligen wurden Kräfte vermutet, die Wunder wirken konnten. Zauberei und Hexerei (81) wurden für Unglück, schlechte Ernte, Krankheit und Naturkatastrophen verantwortlich gemacht. Häresie war ein Verbrechen, das von weltlichen Gerichten geahndet wurde. Kaiser und Könige erhielten Macht und Legitimation in den Augen ihrer Untertanen direkt von Gott. Das Feudalsystem, dessen Kopf der König war und durch das die Gesellschaft Struktur und Ordnung erhielt, war gottgewollt. Bauern arbeiteten am Feld, um den für das Seelenheil betenden Klerus und die für die Schutzlosen kämpfenden und den Klerus beschützende Aristokratie zu ernähren. Man sah den Menschen ihren sozialen Stand an, nicht nur an der Kleidung. Der Großteil der Menschen litt unter Mangelernährung, je nach Region, Ernte und Grundherr. Diese Mangelernährung zog Krankheiten, schlechte Haut und Zähne nach sich. Ritter sollten wohlernährt und stark sein. Der Adel war einem komplexen System aus Ehre und christlicher Nächstenliebe verpflichtet, zumindest am Papier. Es war eine Dreierbeziehung in der eine Seite Gebet für das Seelenheil, eine Seite Schutz und die dritte Seite Gehorsam, Treue und Arbeit einbrachten. Der christliche Kirchenvater Paulus legte in seinem Römerbrief die theologische Basis für dieses System:

Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet. Darum: Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Anordnung; die ihr aber widerstreben, werden ihr Urteil empfangen. Denn die Gewalt haben, muss man nicht fürchten wegen guter, sondern wegen böser Werke. Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes, dann wirst du Lob von ihr erhalten. Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht die Strafe an dem, der Böses tut. Darum ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen. Deshalb zahlt ihr ja auch Steuer; denn sie sind Gottes Diener, auf diesen Dienst beständig bedacht.

Dieses Patronatssystem, das Schutz auf der einen gegen Gehorsam auf der anderen Seite tauschte, war ein Erbe der Antike. In mancherlei Hinsicht ist es vor allem in katholischen Ländern heute noch Teil des Alltags, man denke an das berühmte „Vitamin B“, das uns von der Wiege bis zur Bahre begleitet. Das Verhältnis zwischen Gott, dem gütigen Pater Familias und seinen untertänigen Schäflein, wie die Kirche es sah, war die himmlische Fortführung des irdischen Patronats. Bis in kleine Details des täglichen Lebens regelte die Kirche lange Zeit das alltägliche Sozialgefüge der Menschen. Sonn- und Feiertage strukturierten die Zeit. Fastentage regelten den Speiseplan. Familienleben, Sexualität und individuelles Verhalten hatten sich an den von der Kirche vorgegebenen Moral zu orientieren. Das Seelenheil im nächsten Leben war für viele Menschen wichtiger als das Lebensglück auf Erden, war dies doch ohnehin vom determinierten Zeitgeschehen und göttlichen Willen vorherbestimmt. Priester und Mönche waren lange Zeit die intellektuelle Elite, die im Gegensatz zum Großteil der Bevölkerung Lesen und Schreiben beherrschte. Zeitungen, Fernsehen, Radio gab es nicht. Die Menschen waren auf die Erfahrungen, die sie in ihrem Umkreis, der oft nicht über das Dorfleben hinausging, und das, was der Pfarrer in der Kirche, bei der Beichte und dem Gottesdienst ihnen erzählte, angewiesen, um sich ein Bild der Welt zu machen. Häufig waren Pfarrer am Land auch als Lehrer tätig, was den Einfluss noch verstärkte. Gepredigt wurde auf Latein, der Sprache der Bibel. Fegefeuer, letztes Gericht und Höllenqualen waren mehr als ein Märchen, mit dem man kleine Kinder erzog. Sie waren Realität und verschreckten und disziplinierten auch Erwachsene, die regelrecht besessen vom Dasein nach dem Tod waren. Es gab zwar Denker wie den Dominikaner Thomas von Aquin (1225 – 1274), der mit antiker Philosophie und Logik den Glauben unterfütterte, der überwiegende Teil des Klerus war aber eher in der populären Darstellung von Himmel und Hölle beheimatet. Auch steuerfordernd und rechtsprechend war die Kirche als einer der größten Grundbesitzer stets präsent. Gleichzeitig war es auch in Innsbruck der Klerus, der sich in großen Teilen um das Sozialwesen, Krankenpflege, Armen- und Waisenversorgung, Speisungen und Bildung sorgte. Der Glaube an die göttliche Ordnung, die sich im Feudalsystem auf Erden manifestierte, war in der Vergangenheit das, was für uns heute der Glaube an die freie Marktwirtschaft, Verfassung und Konsum darstellt: eine intersubjektive Realität, die eingehalten werden muss, um Ordnung aufrecht zu erhalten.

Die kirchlichen Anfänge Innsbrucks liegen außerhalb der damaligen Stadt. Im heutigen Stadtteil Wilten etablierte sich während der römischen Herrschaft wahrscheinlich schon vor dem 5. Jahrhundert eine Kirchengemeinschaft. Die bajuwarischen Landesherren, die den Römern im Inntal als Machtfaktor folgten, nahmen die Kirchenmänner nur allzu gerne als Verwaltungsinstitution in Anspruch. Dafür wurde das Kloster Wilten mit allerlei weltlichen Sonderrechten und Landbesitz belohnt. Der Papst in Rom war der Oberhirte der Christenheit. Kulte, die bereits vorhanden waren, wurden mit dem neuen Glauben an den einen Gott gemischt. Die Heiligen des Christentums ersetzten die vielen Götter des Volksglaubens. Alte Feste wie die Wintersonnwende, Erntedankbräuche oder der Frühlingsbeginn wurden in den christlichen Kalender integriert. Sagengestalten wie die Saligen Fräulein wurden auch von gläubigen Christen angebetet und von der offiziellen Kirche toleriert. Es war kein Entweder-Oder, mehr ein tolerantes Sowohl-als-auch. Aberglaube, Volksfrömmigkeit und theologische Lehren verschwommen mit Einfluss der Kirche in der irdischen zu einem recht komplexen System von Märchen, Moral, Gesetz und Glaube. Die Amraser Gnadenmutter, die auf Bauernhäusern in der Philippine-Welser-Straße (57) zu sehen ist, ist ein gutes Beispiel für diese Volksfrömmigkeit. Die Menschen zogen nicht in Erwägung, dass das Übernatürliche einen Einfluss auf Wetter, Ernte oder Gesundheit hatte, für sie war es eine Tatsache. Hexenprozesse wurden nicht vor kirchlichen, sondern vor weltlichen Gerichten abgehandelt. So wurden die große Pestwelle von 1347 und eine Heuschreckenplage kurz zuvor dem Faktum zugeschrieben, dass die Tiroler Landesfürstin Margarethe „Maultasch“ wegen ihrer unchristlichen Ehe vom Papst exkommuniziert worden war.

Während des Mittelalters bis weit hinein ins 19. Jahrhundert war die Kirche neben dem Landesfürsten der größte Besitzer von Grund und Boden in Tirol. Der Bischof von Brixen war formal hierarchisch dem Landesfürsten gleichgestellt, verlor aber im Laufe der Jahrhunderte immer mehr an politischem Einfluss. Die Bauern arbeiteten auf den Landgütern des Bischofs für den Bischof wie sie auf den Landgütern eines weltlichen Fürsten für diesen arbeiteten. Die kirchlichen Grundbesitzer galten dabei nicht als weniger streng, sondern sogar als besonders fordernd gegenüber ihren Untertanen. Die Kirche hatte über den Glauben nicht nur genug Macht und Legitimation, um dieses System aufrecht zu erhalten, sie stand sogar im Wettstreit mit dem Kaiser und den mittelalterlichen Königen, was die Macht anbelangt. Der Römisch Deutsche Kaiser (73) war der militärische Schutzherr des Papsttums, der Papst krönte den Kaiser und legitimierte dessen weltliche Macht über das Gottesgnadentum. Weltliche Fürsten und Ritter zogen in den Krieg, um die Untertanen zu schützen, die dafür auf dem Feld zu arbeiten, den Zehent als Steuer zu bezahlen und zu gehorchen hatten. Die Kirche bestimmte über Moralvorstellungen und hatte das Bildungswesen fest in der Hand. Auf ihren Territorien hatte die Kirche auch die Gerichtsbarkeit über, wenn auch nur die niedrige. Vögte dienten als Verwalter. Zu glauben, alle Kirchenmänner wären zynische Machtmenschen gewesen, die ihre ungebildeten Untertanen ausnützten, ist nicht richtig. Der Großteil sowohl des Klerus wie auch der Adeligen war fromm und gottergeben, wenn auch auf eine aus heutiger Sicht nur schwer verständliche Art und Weise. Außerdem ist auch der frommste Mann nicht vor dem Rausch und dem Missbrauch der Macht gefeit.

Mit den Reformatoren des 15. und 16. Jahrhunderts begann das Feudalsystem, das Kirche und Adel über Volk und Bürgerschaft sah, brüchig zu werden. Der böhmische Geistliche Jan Hus hatte im 15. Jahrhundert als einer der ersten in Festlandeuropa Papst und den hohen Klerus angezweifelt. In Frankreich und der Schweiz war es Jean Calvin, der die Römische Kirche im 16. Jahrhundert herausforderte, im Heiligen Römischen Reich vor allem Martin Luther. In Tirol begann unter dem Sterzinger Michael Gaismair 1525 ein blutiger Aufstand, in dessen Rahmen auch das Stift Wilten als Großgrundbesitzer und Verwaltungsstelle der Macht von aufgebrachten Bauern belagert wurde.

In den folgenden Religionskriegen war Tirol als Teil des Hauses Habsburg stets auf Seiten der Katholiken. Der Dreißigjährige Krieg zog an Tirol und der Stadt Innsbruck größtenteils vorbei, Protestanten hatten es in Tirol aber bis ins 20. Jahrhundert alles andere als leicht. Die Habsburger hatten in Innsbruck mehrere Orden neben den bis dato alles bestimmenden Prämonstratensern des Stiftes Wilten zugelassen, um das Voranschreiten der Protestanten einzudämmen. Besonders dominant traten ab den 1560er Jahren die Jesuiten auf, die zuerst auf das Schulwesen, später auf die Universität erheblichen Einfluss ausübten. Weite Teile Europas wurden ab dem 17. Jahrhundert von der Aufklärung, im 19. Jahrhundert von Säkularisierung, Republikanismus und Nationalismus ergriffen. Natürlich gab es auch in Tirol, vor allem in der Hauptstadt Innsbruck Teile des Bürgertums die diesen neuen Ideen positiv gegenüberstanden. Die breite Masse des Volkes war aber weiterhin der Mischung aus obrigkeitshörigem, konservativem Katholizismus und abergläubischer Volksfrömmigkeit verbunden. Es war eine Art Tauschgeschäft. Die Kirche versprach Seelenheil und das ewige Leben, sorgte fürsorglich für die Ärmsten, verlangte dafür aber Gehorsam von ihren Schäflein. Von der Wiege bis zur Bahre war vieles von der Kirche geregelt. Die Moralvorstellungen basierten auf den konservativen Werten des Feudalsystems, in dem jeder seinen Platz hatte. Vorstellungen von Fegefeuer und Hölle sorgten für artiges Benehmen gegenüber Obrigkeiten kirchlicher und weltlicher Natur. Der Glaube schenkte Trost, das Leben nach dem irdischen Tod war eine Aussicht, die man sich nicht durch missliebiges Benehmen verderben wollte. Demokratische oder gar sozialistisch-umstürzlerische Gedanken wurden nicht nur von weltlichen, sondern auch von kirchlichen Autoritäten verdammt. Kirchenmänner vom Dorfpfarrer bis zum Bischof, die ihr an die Monarchie gebundenes Primat, erhalten wollten, schürten diese Mischung von den Kanzeln weiter an. Tradition vor Innovation. Die Tiroler Schützen vertrauten ihr Schicksal vor einer entscheidenden Schlacht im Kampf gegen Napoleon 1796 (98) dem Herzen Jesu an und schlossen einen Bund mit Gott persönlich, der ihr Heiliges Land Tirol vor dem gottlosen Napoleon behüten sollte. Die Säcularfeier des Bundes Tirols mit dem göttlichen Herzen Jesu wurde noch im 20. Jahrhundert unter großer Anteilnahme der politischen Elite des Landes Tirols gefeiert. Während des Ersten Weltkrieges war es in Tirol Bruder Willram alias Anton Müller, Theologe und Autor, der gegen Italiener und Franzosen hetzte und die Bevölkerung für Gott, Kaiser und Vaterland zu den Waffen und zur Schlachtbank hetzte. Ein Auszug seines literarischen Werkens kann an der Fassade der Hauptkapelle am Tummelplatz begutachtet werden.

Unter sich ändernden Vorzeichen und in wechselnder Intensität blieben die römisch-katholische Kirche und die habsburgischen Landesherren Tirols sowie ihre konservativen Nachfolger nach 1918 eng miteinander verbunden. Die Kirchenmänner entwickelten sich durch die Jahrhunderte, ihre Treue zum Herrscherhaus blieb erhalten. So war Professor Joachim Suppan, der Rektor der Universität Innsbruck nach deren Wiedereröffnung 1826, ein aufgeklärter und wissenschaftlich interessierter Mann, gleichzeitig geweihter Priester. Wie sehr dieser Kleriker und Beamte der staatlichen Obrigkeit verbunden war, zeigt die abschließende Ermahnung der Studenten bei einer Eröffnungsrede, „dereinst dem Vaterlande durch Kenntnis und Tugend ersprießliche Dienste zu leisten“. Die Kirche St. Nikolaus gibt ein gutes Bild der von oben verordneten Volksfrömmigkeit samt Verehrung diverser Heiliger und dem Herzen Jesu. Das Jahr 1848 (100) schlug zwar ein paar Kerben in die Allmacht von Kirche und Obrigkeit, konnte sie aber auch im mehr und mehr sich urbanisierenden Innsbruck nicht brechen. In der Zwischenkriegszeit wurde mit Ignaz Seipel ein ehemaliger Priester Bundeskanzler. In der Periode, die als Austrofaschismus (109) in den 1930ern in die österreichische Geschichte einging, stützten sich die Kanzler Dollfuß und Schuschnigg auf die katholische Kirche, die in der Verfassung ihren Platz fand. Während des Nationalsozialismus (110) wurde die katholische Kirche systematisch bekämpft. Der Rückhalt des Katholizismus in breiten Teilen der Bevölkerung war den neuen Machthabern ein Dorn im Auge. Die Treue sollte nicht der Religion, sondern dem Staat gelten. Katholische Schulen wurden umfunktioniert, Jugendorganisationen verboten, Klöster geschlossen, besonders hartnäckige Pfarrer wie Otto Neururer verfolgt und in Konzentrationslager gebracht. Die Kirche konnte Einfluss und Macht zu einem guten Teil trotzdem auch in dieser Zeit bewahren beziehungsweise nach dem Krieg wieder aufbauen. Die Kirchenaustritte der letzten Jahrzehnte haben der offiziellen Mitgliederzahl zwar eine Delle versetzt, die Bedeutung besteht aber noch immer. Die römisch-katholische Kirche als Entität besitzt noch immer viel Grund in und rund um Innsbruck, auch außerhalb der Mauern der jeweiligen Klöster und Ausbildungsstätten. So ist zum Beispiel das Gelände des Berg Isel im Besitz des Stiftes Wilten. Etliche Schulen in und rund um Innsbruck stehen noch unter dem Einfluss konservativer Kräfte und der Kirche. Und wer immer einen freien Feiertag genießt, ein Osterei ans andere peckt oder eine Kerze am Christbaum anzündet, muss nicht Christ sein, um über die Tradition im Namen Jesu zu handeln.

Barock: Kunstrichtung und Lebenskunst

Wer in Österreich unterwegs ist, kennt die Kuppen und Zwiebeltürme der Kirchen in Dörfern und Städten. Diese Form der Kirchtürme entstand in der Zeit der Gegenreformation und ist ein typisches Kennzeichen des Barock. Prachtvoll und prunkvoll sollten Gotteshäuser sein, ein Symbol des Sieges des rechten Glaubens. Die Religiosität spiegelte sich in der Kunst wider: Großes Drama, Pathos, Leiden, Glanz und Herrlichkeit vereinten sich zum Barock.  Barock war nicht nur eine Stilrichtung, es war ein Lebensgefühl, das seinen Ausgang zur Mitte des 17. Jahrhunderts nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, der Mitteleuropa schwer in Mitleidenschaft gezogen hatte, nahm. Die Türkengefahr aus dem Osten, die in der zweimaligen Belagerung Wiens gipfelte, bestimmte die Politik, während die Reformation den christlichen Glauben spaltete. Nach den Entbehrungen dieser turbulenten Jahre und der theologischen Streitigkeiten sollte der öffentliche Raum in einem neuen Stil, abseits der dunklen Gotik neu erstrahlen. Die Bedeutung des Religiösen gegenüber dem Weltlichen sowie die Einflussnahme des Religiösen auf das Weltliche nahmen nach der kritischen Renaissance wieder zu. Die Barockkultur war ein zentrales Element des Katholizismus und der politischen Darstellung derselben in der Öffentlichkeit. Der Alltag der Menschen wurde von Feiertagen mit christlichem Hintergrund aufgehellt. Architektur, Musik und Malerei waren reich, füllig und üppig. Man wollte den katholischen Glauben gegenüber dem protestantischen für die Bevölkerung attraktiver machen. Der Strenge Calvins und Luthers, die den Fehler machten, die Volksfrömmigkeit in Form der Wallfahrten, Marien- und Heiligenverehrung als Aberglauben abzutun, ja sogar verbieten zu lassen, gefiel nicht allen. Die Macht des Kaisers wurde vom Papst legitimiert. Die Ideen Martin Luthers und anderer Reformatoren waren nicht nur katholischen Herrschern ein Dorn im Auge. Der Barockstil wurde in der Zeit der Gegenreformation häufig als eine Art Propagandamittel gegen die Reformation genutzt, um die Einheit von Kaisertum und Katholizismus in all seiner Pracht zu demonstrieren. Man musste nicht lesen können, um die allgegenwärtige Bildsprache zu verstehen. Prunk und Protz statt puritanischer Genügsamkeit und sparsamer Lebensart, die Reformatoren zu eigen war. Kreuzwege mit Kapellen durchzogen die Landschaft. Auch absolutistische Fürsten wählten den Barock als architektonisches und künstlerisches Stilmittel, um ihre Macht in der Mode der Zeit zu demonstrieren. Jesus wurde verstärkt als der Gekreuzigte dargestellt, um sein Leiden für die Welt hervorzuheben und so das Leiden der Masse der bäuerlichen Bevölkerung innerhalb des Feudalsystems zu rechtfertigen. Neben Kirchen sind es die prunkvollen Schlösser und Parkanlagen, die in ganz Europa in dieser Zeit errichtet wurden. Das Bürgertum wollte den Adeligen und Fürsten nicht nachstehen und ließen ihre Privathäuser im Stile des Barocks errichten. Auf Bauernhäusern prangen ebenfalls häufig Heiligenbilder, Darstellungen der Mutter Gottes und des Herzen Jesu als eine Art bäuerlicher Barock.

Das Stadtbild Innsbrucks veränderte sich enorm. Viele Palazzi der Neustadt, der heutigen Maria-Theresienstraße erstrahlten unter den Baumeistern der Familie Gumpp (94), oder Johann Georg Fischers. Einer der bekanntesten Vertreter in der Malerei war Franz Altmutter. Seine Bilder verbinden auf überfrachtete Art und Weise Himmel und Erde. Die Antike als Vorbild wie es in der Renaissance üblich war, hatte ausgedient. Die bekanntesten Gotteshäuser Innsbrucks wie der Dom, die Johanneskirche oder die Jesuitenkirche, sind im Stile des Barocks gehalten. Die gotische Altstadt wurde mit Ausnahme des Helblinghaus in ihrem Stil erhalten. Um- und Neubauten sowie Innenräume wurden aber häufig barock ausgestattet. Das Alte Landhaus in der Altstadt, das Neue Landhaus in der Maria-Theresien-Straße, die unzähligen Palazzi, Bilder, Figuren – der Barock war im 17. und 18. Jahrhundert das stilbildende Element des Hauses Habsburg und brannte sich in den Alltag ein. Besonders in Österreich gab es das Phänomen der Barockfrömmigkeit, die von Kaiser und Fürsten zur Erziehung der Untertanen eingesetzt wurde. Auch wenn der Ablass, das Freikaufen von Sünden, in der Zeit nach dem 16. Jahrhundert keine gängige Praxis mehr in der katholischen Kirche war, so gab es doch noch eine rege Vorstellung von Himmel und Hölle. Durch ein tugendhaftes Leben, sprich ein Leben im Einklang mit katholischen Werten und gutem Verhalten als Untertan gegenüber der göttlichen Ordnung, konnte man dem Paradies einen großen Schritt näherkommen. Die sogenannte christliche Erbauungsliteratur war in der Bevölkerung beliebt und zeigte vor, wie das Leben zu führen war. Der Historiker Ernst Hanisch beschrieb den Barock und den Einfluss, den er auf die österreichische Lebensart hatte, so:

Österreich entstand in seiner modernen Form als Kreuzzugsimperialismus gegen die Türken und im Inneren gegen die Reformatoren. Das brachte Bürokratie und Militär, im Äußeren aber Multiethnien. Staat und Kirche probierten den intimen Lebensbereich der Bürger zu kontrollieren. Jeder musste sich durch den Beichtstuhl reformieren, die Sexualität wurde eingeschränkt, die normengerechte Sexualität wurden erzwungen. Menschen wurden systematisch zum Heucheln angeleitet.

Die Rituale und das untertänige Verhalten gegenüber der Obrigkeit hinterließen auch im Alltag ihre Spuren in Verhalten und sozialer Alltagskultur, die katholische Länder wie Österreich und Italien bis heute von protestantisch geprägten Regionen wie Deutschland oder Skandinavien unterscheiden. Die Leidenschaft für akademische Titel der Österreicher hat ihren Ursprung in den barocken Hierarchien. Diese Hierarchien manifestierten sich in einem feudalen System der Patronage, das heute als Vitamin B Korruption im Kleinen begünstigt. Auch die Sprache, das typisch österreichische „Schaumamal“ zum Beispiel, lässt auf barocke Art und Weise dem Sprecher mehr Handlungsspielraum als eine konkrete Aussage. Während man in Deutschland politische Sachlichkeit schätzt, ist der Stil von Politikern in Österreich eher theatralisch, angelehnt an die katholischen Prozessionen, die in protestantischen Ländern nicht Teil des Alltags waren. Der konservative politische Beamte Bernhard Bonelli, der vor Gericht mit einer Zeichnung des Lieben Gottes, die sein Sohn angefertigt hatte, anmerkte, er wäre für einen guten Ausgangs der Verhandlung wallfahrten gegangen, mag skurril erscheinen, ist aber nichts weiter als eine Ausprägung der barocken Tradition Österreichs. Der Ausdruck Barockfürst bezeichnet noch immer einen besonders patriarchal-gönnerhaften Politiker, der mit großen Gesten sein Publikum zu becircen weiß. Es ist kein Zufall, dass die ersten fixen Theater im deutschsprachigen Raum ebenfalls in der Zeit der Gegenreformation entstanden. Nur langsam konnte sich die Aufklärung ausgehend von England und Frankreich, quasi als eine Art Gegenbewegung zur absoluten Frömmigkeit des Barock, durchsetzen. Der bekannteste aufgeklärte Vertreter der Habsburger war Josef II., der Sohn Maria Theresias. Unter ihm begann auch Österreich sich des säkularen Lebens stärker zu besinnen. Beamte, Militärs, Universitätsprofessoren, Lehrer, Juristen, Mediziner und aufgeklärte Theologen wagten sich aus der Deckung um die Vormachtstellung der Kirche, besonders der Jesuiten im Bildungsbereich in Frage zu stellen. Im konservativen Tirol wurden diese Schritte besonders misstrauisch beäugt. Wie man sieht, prägen Barockbauten, aber auch Gebräuche wie Prozessionen, Feiertage und Festlichkeiten, die in dieser Zeit entstanden, das Leben in Österreich bis heute.

Die Baumeister Gumpp und die Barockisierung Innsbrucks

Die Familie Gumpp bestimmt bis heute sehr stark das Aussehen Innsbrucks. Vor allem die barocken Teile der Stadt sind auf die Hofbaumeister zurückzuführen. Der Begründer der Dynastie in Tirol, Christoph Gumpp (1600-1672) war eigentlich Tischler. Die Gumpps waren aus dem Schwabenland nach Tirol gekommen. Gumpp war eigentlich Tischler, sein Talent allerdings hatte ihn für höhere Weihen auserkoren. Den Beruf des Architekten gab es zu dieser Zeit noch nicht. Michelangelo und Leonardo Da Vinci galten in ihrer Zeit als Handwerker, nicht als Künstler. Christoph Gumpp trat in die Fußstapfen der von Ferdinand II. hochgeschätzten Renaissance-Architekten aus Italien. Gumpps Tätigkeit als Hofbaumeister begann 1633 und er sollte diesen Titel an die nächsten beiden Generationen weitervererben. Über die folgenden Jahrzehnte sollte Innsbruck einer kompletten Renovierung unterzogen werden. Neue Zeiten bedurften eines neuen Designs, abseits des düsteren, von der Gotik geprägten Mittelalters. Die Gumpps traten nicht nur als Baumeister in Erscheinung. Sie waren Tischler, Maler, Kupferstecher und Architekten, was ihnen erlaubte, ähnlich der Bewegung der Tiroler Moderne rund um Franz Baumann und Clemens Holzmeister Anfang des 20. Jahrhunderts, Projekte ganzheitlich umzusetzen. Johann Martin Gumpp der Ältere, Georg Anton Gumpp und Johann Martin Gumpp der Jüngere waren für viele der bis heute prägendsten Gebäude zuständig. So stammen die Wiltener Stiftskirche, die Mariahilfkirche, die Johanneskirche und die Spitalskirche von den Gumpps.  Neben Kirchen und ihrer Arbeit als Hofbaumeister machten sie sich auch als Planer von Profanbauten einen Namen. Viele der Bürgerhäuser und Stadtpaläste Innsbrucks wie das Taxispalais oder das Alte Landhaus in der Maria-Theresien-Straße wurden von Ihnen entworfen. Das Meisterstück aber war das Comedihaus, das Christoph Gumpp für Leopold V. und Claudia de Medici im ehemaligen Ballhaus plante. Die überdimensionierten Maße des damals richtungsweisenden Theaters, das in Europa zu den ersten seiner Art überhaupt gehörte, erlaubte nicht nur die Aufführung von Theaterstücken, sondern auch Wasserspiele mit echten Schiffen und aufwändige Pferdeballettaufführungen. Das Comedihaus war ein Gesamtkunstwerk an und für sich, das in seiner damaligen Bedeutung wohl mit dem Festspielhaus in Bayreuth des 19. Jahrhunderts oder der Elbphilharmonie heute verglichen werden muss. Das ehemalige Wohnhaus der Familie Gumpp kann heute noch begutachtet werden, es beherbergt heute die Konditorei Munding, eines der traditionsreichsten Cafés der Stadt.

Luftangriffe auf Innsbruck

In der Geschichte Innsbrucks gab es viele Umwälzungen. Rund um die Jahre 1500 und 1900 kam es durch politische und wirtschaftliche Veränderungen zu Wandeln im Stadtbild. Das einschneidendste Erlebnis waren aber wohl die Luftangriffe auf die Stadt im Zweiten Weltkrieg. Neben der Lebensmittelknappheit waren die Menschen an der von den Nationalsozialisten so genannten „Heimatfront“ in der Stadt vor allem von den Bombenangriffen der Alliierten betroffen. Innsbruck war zwar nicht so arg von den Luftangriffen des Zweiten Weltkriegs in Mitleidenschaft gezogen wie andere Städte, auch hier war der Schaden aber erheblich. Deutschland hatte 1943 die nördlichen Teile Italiens besetzt. Innsbruck war ein wichtiger Versorgungsbahnhof für den Nachschub an der Front. In der Nacht vom 15. auf den 16. Dezember 1943 erfolgte der erste alliierte Luftangriff auf die schlecht vorbereitete Stadt. 269 Menschen fielen den Bomben zum Opfer, 500 wurden verletzt und mehr als 1500 obdachlos. Über 300 Gebäude, vor allem in Wilten und der Innenstadt, wurden zerstört und beschädigt. Am Montag, den 18. Dezember fanden sich in den Innsbrucker Nachrichten, dem Vorgänger der Tiroler Tageszeitung, auf der Titelseite allerhand propagandistische Meldungen vom erfolgreichen und heroischen Abwehrkampf der Deutschen Wehrmacht an allen Fronten gegenüber dem Bündnis aus Anglo-Amerikanern und dem Russen, nicht aber vom Bombenangriff auf Innsbruck.

Bombenterror über Innsbruck

Innsbruck, 17. Dez. Der 16. Dezember wird in der Geschichte Innsbrucks als der Tag vermerkt bleiben, an dem der Luftterror der Anglo-Amerikaner die Gauhauptstadt mit der ganzen Schwere dieser gemeinen und brutalen Kampfweise, die man nicht mehr Kriegführung nennen kann, getroffen hat. In mehreren Wellen flogen feindliche Kampfverbände die Stadt an und richteten ihre Angriffe mit zahlreichen Spreng- und Brandbomben gegen die Wohngebiete. Schwerste Schäden an Wohngebäuden, an Krankenhäusern und anderen Gemeinschaftseinrichtungen waren das traurige, alle bisherigen Schäden übersteigende Ergebnis dieses verbrecherischen Überfalles, der über zahlreiche Familien unserer Stadt schwerste Leiden und empfindliche Belastung der Lebensführung, das bittere Los der Vernichtung liebgewordenen Besitzes, der Zerstörung von Heim und Herd und der Heimatlosigkeit gebracht hat. Grenzenloser Haß und das glühende Verlangen diese unmenschliche Untat mit schonungsloser Schärfe zu vergelten, sind die einzige Empfindung, die außer der Auseinandersetzung mit den eigenen und den Gemeinschaftssorgen alle Gemüter bewegt. Wir alle blicken voll Vertrauen auf unsere Soldaten und erwarten mit Zuversicht den Tag, an dem der Führer den Befehl geben wird, ihre geballte Kraft mit neuen Waffen gegen den Feind im Westen einzusetzen, der durch seinen Mord- und Brandterror gegen Wehrlose neuerdings bewiesen hat, daß er sich von den asiatischen Bestien im Osten durch nichts unterscheidet – es wäre denn durch größere Feigheit. Die Luftschutzeinrichtungen der Stadt haben sich ebenso bewährt, wie die Luftschutzdisziplin der Bevölkerung. Bis zur Stunde sind 26 Gefallene gemeldet, deren Zahl sich aller Voraussicht nach nicht wesentlich erhöhen dürfte. Die Hilfsmaßnahmen haben unter Führung der Partei und tatkräftigen Mitarbeit der Wehrmacht sofort und wirkungsvoll eingesetzt.

Diese durch Zensur und Gleichschaltung der Medien fantasievoll gestaltete Nachricht schaffte es gerade mal auf Seite 3. Prominenter wollte man die schlechte Vorbereitung der Stadt auf das absehbare Bombardement wohl nicht dem Volkskörper präsentieren. Ganz so groß wie 1938 nach dem Anschluss, als Hitler am 5. April von 100.000 Menschen in Innsbruck begeistert empfangen worden war, dürfte die Begeisterung für den Nationalsozialismus nicht mehr gewesen sein. Zu groß waren die Schäden an der Stadt und die persönlichen, tragischen Verluste in der Bevölkerung. Im Jänner 1944 begann man Luftschutzstollen und andere Schutzmaßnahmen zu errichten. Die Arbeiten wurden zu einem großen Teil von Gefangenen des Konzentrationslagers Reichenau durchgeführt.

Insgesamt wurde Innsbruck zwischen 1943 und 1945 zweiundzwanzig Mal angegriffen. Dabei wurden knapp 3833, also knapp 50%, der Gebäude in der Stadt beschädigt und 504 Menschen starben. Innsbruck wurde zum Glück nur Opfer gezielter Angriffe. Große deutsche Städte wie Dresden wurden von den Alliierten mit Feuerstürmen mit Zehntausenden Toten innerhalb weniger Stunden komplett dem Erdboden gleichgemacht. Viele Gebäude wie die Jesuitenkirche, das Stift Wilten, die Servitenkirche, der Dom, das Hallenbad in der Amraserstraße wurden getroffen. Eine besondere Behandlung erfuhren während der Angriffe historische Gebäude. Das Goldene Dachl wurde mit einer speziellen Konstruktion ebenso geschützt wie der Sarkophag Maximilians in der Hofkirche. Die Figuren der Hofkirche, die Schwarzen Mannder, wurden nach Kundl gebracht. Die Gnadenmutter, das berühmte Bild aus dem Innsbrucker Dom, wurde während des Krieges ins Ötztal überführt. Weniges erinnert in Innsbruck noch an die Luftangriffe, es sei denn, man bezeichnet die Bausünden der Nachkriegszeit als Erinnerungsorte. Es mag ein großes Glück sein, dass die Altstadt gut erhalten blieb. Die Maria-Theresien-Straße, die Museumstraße, das Bahnhofsviertel, Wilten oder die Pradlerstraße wären wohl noch um einiges ansehnlicher, hätte man nicht die Löcher im Straßenbild stopfen müssen. Der Luftschutzstollen südlich von Innsbruck an der Brennerstraße und die Kennzeichnungen von Häusern mit Luftschutzkellern mit ihren schwarzen Vierecken und den weißen Kreisen kann man heute noch begutachten. In Pradl, wo neben Wilten die meisten Gebäude beschädigt wurden, weisen die grauen Tafeln mit dem Hinweis auf den Wiederaufbau des jeweiligen Gebäudes auf einen Bombentreffer hin.