Alte Stadtschule

Domplatz 5

Bischofshaus & Alte Stadtschule Innsbruck
Wissenswert

Im Schatten des Doms zu St. Jakob befindet sich das Gebäude, das die erste Stadtschule Innsbrucks beheimatete. Die Bildungsstätte trat wahrscheinlich bereits im 13. Jahrhundert ihren Dienst an, als Innsbruck langsam von einer Niederlassung offiziell zur Stadt wurde. Damals wurden allerdings exklusiv Kleriker in Lesen, Schreiben und Latein für den Messdienst und das Kopieren von Schriften ausgebildet.

Von einer Volksschule konnte noch keine Rede sein. Eine erste Erwähnung fand eine Unterrichtsanstalt dieser Art in den Stadtchroniken im 14. Jahrhundert. Sie blieb an dieser Stelle bis zur Theresianischen Schulreform 1768 in Betrieb. Mit der Wandlung Innsbrucks vom Dorf zur Stadt waren neue Berufsgruppen und damit auch neue Anforderungen an die Bildung dazugekommen. Zunehmend mussten auch Handwerker für kaufmännische Tätigkeiten zumindest Grundkenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen besitzen.  

Es ist kein Zufall, dass sich die Schule in der Nähe der Kirche ansiedelte. Der Schulmeister oder Scolasticus wurde zwar vom Gemeinderat der Stadt Innsbruck bestellt, die Obhut über die Ausbildung der Zöglinge aber oblag der Kirche. Wenig überraschend herrschte an der Schule ein strenges Regiment. Im 16. Jahrhundert wurde der Scolasticus ermahnt, auf den Einsatz „…der Fäuste, des Haarraufens und Kopfschlagens“ zu verzichten.

Natürlich besuchte nicht jedes Kind die mittelalterliche Schule. Es waren vor allem die Kinder des Bürgertums und der Oberen der Handwerkszünfte, die für ihren Beruf Lesen, Schreiben, Religion, teilweise Latein und Rechnen lernen sollten. Die Aristokratie wurde meist von Privatlehrern in den eigenen Gemächern unterrichtet, was zur Diversifizierung der Stände bereits in sehr jungen Jahren beitrug.

Die Kosten für die Stadtschule trugen Bürger, die es sich leisten konnten, über das Schulgeld für ihre Sprösslinge. Begabte Kinder aus weniger betuchten Schichten oder gar Waisenkinder, die sogenannten Pauperes (Anm.: pauper: lateinisch für arm), wohnten häufig im Schulgebäude und mussten als Gegenleistung für den Unterricht Kirchendienst leisten. Die Lebenserhaltungskosten dieser Schüler wurden ebenfalls teils von wohlhabenden Stadtbürgern übernommen, dafür mussten die jungen Männer für das Seelenheil ihrer Gönner beten. Waren die Zeiten schlecht, mussten sich diese Pauperes ihre Nahrung erbetteln. Die Schüler trugen auch zum Schulbetrieb bei, indem sie die Reinigung der Schulzimmer übernahmen und Dinge wie Brennholz sammelten.

Neben Katechismus, Lesen, Schreiben und Rechnen wurden die Zöglinge auch im Chorgesang ausgebildet. Besonders in der kalten Winterzeit ging der Schulmeister mit den Sängern zu den wohlhabenden Bürgern und Adeligen, um sie um Almosen zu bitten. Daraus entwickelte sich das Sternsingen, das bis heute ein fixer Brauch rund um den Dreikönigstag ist.

Pfarrkirche und Stadt profitierten von dieser Verquickung von Bildung und Kirche gleichermaßen. Die Qualität des Gottesdienstes und der Seelsorge waren damals kein alleiniges Interesse der Kirche, sondern Sache des Stadtrats. Innsbruck wollte wachsen und fähige Handwerker und Händler anlocken. Religion spielte eine wichtige Rolle im Leben der Menschen und somit bei der Wahl des Wohnortes.

Bis ins 18. Jahrhundert waren es auch fast ausschließlich Buben, die in den Genuss schulischer Bildung kamen. Eine eigene Schule für Mädchen entstand im 17. Jahrhundert. Hinter der heutigen Spitalskirche siedelten 1689 die Ursulinen an, die sich um den Unterricht für Mädchen kümmerten. Graf Hieronymus Ferrari d´Occhieppo stiftete 30.000 Gulden, mit denen Nonnen aus Freising in Bayern nach Innsbruck geholt werden konnten.

Deutsche Schulen, die sogenannten Normalschulen, zum Beispiel in St. Nikolaus, machten der ersten Stadtschule nach und nach in der Zeit der Reformation Konkurrenz. Mit dem Jesuitengymnasium, der Lateinschule, das im 16. Jahrhundert in Innsbruck eingerichtet wurde, verlor die Stadtschule an Bedeutung.

Heute dient die alte Stadtschule als Wohnsitz des Bischofs.

Glaube, Kirche, Obrigkeit und Herrschaft

Die Fülle an Kirchen, Kapellen, Kruzifixen und Wandmalereien im öffentlichen Raum wirkt auf viele Besucher Innsbrucks aus anderen Ländern eigenartig. Nicht nur Gotteshäuser, auch viele Privathäuser sind mit Darstellungen der Heiligen Familie oder biblischen Szenen geschmückt. Der christliche Glaube und seine Institutionen waren in ganz Europa über Jahrhunderte alltagsbestimmend. Innsbruck als Residenzstadt der streng katholischen Habsburger und Hauptstadt des selbsternannten Heiligen Landes Tirol wurde bei der Ausstattung mit kirchlichen Bauwerkern besonders beglückt. Allein die Dimension der Kirchen umgelegt auf die Verhältnisse vergangener Zeiten sind gigantisch. Die Stadt mit ihren knapp 5000 Einwohnern besaß im 16. Jahrhundert mehrere Kirchen, die in Pracht und Größe jedes andere Gebäude überstrahlte, auch die Paläste der Aristokratie. Das Kloster Wilten war ein Riesenkomplex inmitten eines kleinen Bauerndorfes, das sich darum gruppierte. Die räumlichen Ausmaße der Gotteshäuser spiegelt die Bedeutung im politischen und sozialen Gefüge wider.

Die Kirche war für viele Innsbrucker nicht nur moralische Instanz, sondern auch weltlicher Grundherr. Der Bischof von Brixen war formal hierarchisch dem Landesfürsten gleichgestellt. Die Bauern arbeiteten auf den Landgütern des Bischofs wie sie auf den Landgütern eines weltlichen Fürsten für diesen arbeiteten. Damit hatte sie die Steuer- und Rechtshoheit über viele Menschen. Die kirchlichen Grundbesitzer galten dabei nicht als weniger streng, sondern sogar als besonders fordernd gegenüber ihren Untertanen. Gleichzeitig war es auch in Innsbruck der Klerus, der sich in großen Teilen um das Sozialwesen, Krankenpflege, Armen- und Waisenversorgung, Speisungen und Bildung sorgte. Der Einfluss der Kirche reichte in die materielle Welt ähnlich wie es heute der Staat mit Finanzamt, Polizei, Schulwesen und Arbeitsamt tut. Was uns heute Demokratie, Parlament und Marktwirtschaft sind, waren den Menschen vergangener Jahrhunderte Bibel und Pfarrer: Eine Realität, die die Ordnung aufrecht hält. Zu glauben, alle Kirchenmänner wären zynische Machtmenschen gewesen, die ihre ungebildeten Untertanen ausnützten, ist nicht richtig. Der Großteil sowohl des Klerus wie auch der Adeligen war fromm und gottergeben, wenn auch auf eine aus heutiger Sicht nur schwer verständliche Art und Weise. Verletzungen der Religion und Sitten wurden in der späten Neuzeit vor weltlichen Gerichten verhandelt und streng geahndet. Die Anklage bei Verfehlungen lautete Häresie, worunter eine Vielzahl an Vergehen zusammengefasst wurde. Sodomie, also jede sexuelle Handlung, die nicht der Fortpflanzung diente, Zauberei, Hexerei, Gotteslästerung – kurz jede Abwendung vom rechten Gottesglauben, konnte mit Verbrennung geahndet werden. Das Verbrennen sollte die Verurteilten gleichzeitig reinigen und sie samt ihrem sündigen Treiben endgültig vernichten, um das Böse aus der Gemeinschaft zu tilgen. Bis in die Angelegenheiten des täglichen Lebens regelte die Kirche lange Zeit das alltägliche Sozialgefüge der Menschen. Kirchenglocken bestimmten den Zeitplan der Menschen. Ihr Klang rief zur Arbeit, zum Gottesdienst oder informierte als Totengeläut über das Dahinscheiden eines Mitglieds der Gemeinde. Menschen konnten einzelne Glockenklänge und ihre Bedeutung voneinander unterscheiden. Sonn- und Feiertage strukturierten die Zeit. Fastentage regelten den Speiseplan. Familienleben, Sexualität und individuelles Verhalten hatten sich an den von der Kirche vorgegebenen Moral zu orientieren. Das Seelenheil im nächsten Leben war für viele Menschen wichtiger als das Lebensglück auf Erden, war dies doch ohnehin vom determinierten Zeitgeschehen und göttlichen Willen vorherbestimmt. Fegefeuer, letztes Gericht und Höllenqualen waren Realität und verschreckten und disziplinierten auch Erwachsene.

Während das Innsbrucker Bürgertum von den Ideen der Aufklärung nach den Napoleonischen Kriegen zumindest sanft wachgeküsst wurde, blieb der Großteil der Menschen weiterhin der Mischung aus konservativem Katholizismus und abergläubischer Volksfrömmigkeit verbunden. Religiosität war nicht unbedingt eine Frage von Herkunft und Stand, wie die gesellschaftlichen, medialen und politischen Auseinandersetzungen entlang der Bruchlinie zwischen Liberalen und Konservativ immer wieder aufzeigten. Seit der Dezemberverfassung von 1867 war die freie Religionsausübung zwar gesetzlich verankert, Staat und Religion blieben aber eng verknüpft. Die Wahrmund-Affäre, die sich im frühen 20. Jahrhundert ausgehend von der Universität Innsbruck über die gesamte K.u.K. Monarchie ausbreitete, war nur eines von vielen Beispielen für den Einfluss, den die Kirche bis in die 1970er Jahre hin ausübte. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg nahm diese politische Krise, die die gesamte Monarchie erfassen sollte in Innsbruck ihren Anfang. Ludwig Wahrmund (1861 – 1932) war Ordinarius für Kirchenrecht an der Juridischen Fakultät der Universität Innsbruck. Wahrmund, vom Tiroler Landeshauptmann eigentlich dafür ausgewählt, um den Katholizismus an der als zu liberal eingestuften Innsbrucker Universität zu stärken, war Anhänger einer aufgeklärten Theologie. Im Gegensatz zu den konservativen Vertretern in Klerus und Politik sahen Reformkatholiken den Papst nur als spirituelles Oberhaupt, nicht aber als weltlich Instanz, an. Studenten sollten nach Wahrmunds Auffassung die Lücke und die Gegensätze zwischen Kirche und moderner Welt verringern, anstatt sie einzuzementieren. Seit 1848 hatten sich die Gräben zwischen liberal-nationalen, sozialistischen, konservativen und reformorientiert-katholischen Interessensgruppen und Parteien vertieft. Eine der heftigsten Bruchlinien verlief durch das Bildungs- und Hochschulwesen entlang der Frage, wie sich das übernatürliche Gebaren und die Ansichten der Kirche, die noch immer maßgeblich die Universitäten besetzten, mit der modernen Wissenschaft vereinbaren ließen. Liberale und katholische Studenten verachteten sich gegenseitig und krachten immer aneinander. Bis 1906 war Wahrmund Teil der Leo-Gesellschaft, die die Förderung der Wissenschaft auf katholischer Basis zum Ziel hatte, bevor er zum Obmann der Innsbrucker Ortsgruppe des Vereins Freie Schule wurde, der für eine komplette Entklerikalisierung des gesamten Bildungswesens eintrat. Vom Reformkatholiken wurde er zu einem Verfechter der kompletten Trennung von Kirche und Staat. Seine Vorlesungen erregten immer wieder die Aufmerksamkeit der Obrigkeit. Angeheizt von den Medien fand der Kulturkampf zwischen liberalen Deutschnationalisten, Konservativen, Christlichsozialen und Sozialdemokraten in der Person Ludwig Wahrmunds eine ideale Projektionsfläche. Was folgte waren Ausschreitungen, Streiks, Schlägereien zwischen Studentenverbindungen verschiedener Couleur und Ausrichtung und gegenseitige Diffamierungen unter Politikern. Die Los-von-Rom Bewegung des Deutschradikalen Georg Ritter von Schönerer (1842 – 1921) krachte auf der Bühne der Universität Innsbruck auf den politischen Katholizismus der Christlichsozialen. Die deutschnationalen Akademiker erhielten Unterstützung von den ebenfalls antiklerikalen Sozialdemokraten sowie von Bürgermeister Greil, auf konservativer Seite sprang die Tiroler Landesregierung ein. Die Wahrmund Affäre schaffte es als Kulturkampfdebatte bis in den Reichsrat. Für Christlichsoziale war es ein „Kampf des freissinnigen Judentums gegen das Christentum“ in dem sich „Zionisten, deutsche Kulturkämpfer, tschechische und ruthenische Radikale“ in einer „internationalen Koalition“ als „freisinniger Ring des jüdischen Radikalismus und des radikalen Slawentums“ präsentierten. Wahrmund hingegen bezeichnete in der allgemein aufgeheizten Stimmung katholische Studenten als „Verräter und Parasiten“. Als Wahrmund 1908 eine seiner Reden, in der er Gott, die christliche Moral und die katholische Heiligenverehrung anzweifelte, in Druck bringen ließ, erhielt er eine Anzeige wegen Gotteslästerung. Nach weiteren teils gewalttätigen Versammlungen sowohl auf konservativer und antiklerikaler Seite, studentischen Ausschreitungen und Streiks musste kurzzeitig sogar der Unibetrieb eingestellt werden. Wahrmund wurde zuerst beurlaubt, später an die deutsche Universität Prag versetzt.

Auch in der Ersten Republik war die Verbindung zwischen Kirche und Staat stark. Der christlichsoziale, als Eiserner Prälat in die Geschichte eingegangen Ignaz Seipel schaffte es in den 1920er Jahren bis ins höchste Amt des Staates. Bundeskanzler Engelbert Dollfuß sah seinen Ständestaat als Konstrukt auf katholischer Basis als Bollwerk gegen den Sozialismus. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg waren Kirche und Politik in Person von Bischof Rusch und Kanzler Wallnöfer ein Gespann. Erst dann begann eine ernsthafte Trennung. Glaube und Kirche haben noch immer ihren fixen Platz im Alltag der Innsbrucker, wenn auch oft unbemerkt. Die Kirchenaustritte der letzten Jahrzehnte haben der offiziellen Mitgliederzahl zwar eine Delle versetzt und Freizeitevents werden besser besucht als Sonntagsmessen. Die römisch-katholische Kirche besitzt aber noch immer viel Grund in und rund um Innsbruck, auch außerhalb der Mauern der jeweiligen Klöster und Ausbildungsstätten. Etliche Schulen in und rund um Innsbruck stehen ebenfalls unter dem Einfluss konservativer Kräfte und der Kirche. Und wer immer einen freien Feiertag genießt, ein Osterei ans andere peckt oder eine Kerze am Christbaum anzündet, muss nicht Christ sein, um als Tradition getarnt im Namen Jesu zu handeln.