Thurn und Taxis und die Erfindung der Post
Thurn und Taxis und die Erfindung der Post
Das 20. und 21. Jahrhundert gilt als das Informationszeitalter. Das Internet revolutionierte beinahe jeden Aspekt des Lebens. Auch die großen Veränderungen, die sich um 1500 abspielten, hatten viel mit neuen Möglichkeiten der Nachrichtenverbreitung zu tun. Produktion und Verteilung von Nachrichten, Neuigkeiten und Ideen revolutionierten sich dank zweier Innovationen. Mit dem Buchdruck war die Vervielfältigung von Information einfacher geworden. Ungefähr zur selben Zeit begann sich im Heiligen Römischen Reich ein effizienteres Postwesen zu etablieren. Die Geschichte der Familie Taxis, die diesen Postdienst in Szene setzte, ist ein Beispiel für die Entwicklungsmöglichkeiten, die die frühe Neuzeit um 1500 bot. Sie ist eng mit den Habsburgern und der Stadt Innsbruck verbunden, das unter Kaiser Maximilian für kurze Zeit nicht nur Residenzstadt, sondern die europäische Postzentrale war.
Die Taxis waren ein lombardisches Geschlecht aus dem niederen Adel. Bereits im 13. Jahrhundert hatte Omodeo de Tasso in Norditalien einen Kurierdienst zwischen den großen italienischen Städten eingerichtet. Ein einigermaßen funktionierendes, länderübergreifendes Postwesen, wie es bereits im antiken Rom existiert hatte, gab es im Mittelalter nicht. Das größer werdende Reich unter Maximilian, das von den Niederlanden über Augsburg und Regensburg bis nach Wien reichte benötigte eine möglichst effiziente Kommunikation. Er engagierte dafür die Compania de Tassis die für den Kaiser eine eigene dauerhafte Stafettenlinie mit Infrastruktur und Personal einrichteten. Die Brüder Janetto, Francesco sowie Giovanni Battista de Tassis, zu Deutsch Franz und Johann Baptist von Taxis, wurden von Maximilian I. zu Reichspostmeistern gemacht. Der Kaiser wollte sich deren Erfahrungen zu Nutze machen, um sein Riesenreich informationstechnisch zu verbinden.
In 20 – 40 km Abstand wurden Stationen, sogenannte Posten, eingerichtet, auf denen Boten und Pferde wechselten, um die Auslieferzeiten der Nachrichten zu verkürzen. Innsbruck wurde zur ersten modernen Postzentrale im Habsburgerreich der Frühen Neuzeit. Die Lage am Fuße des Brennerpasses war nun nicht nur für den Handel ausschlaggebend, auch Informationen wurden entlang dieser Route ausgetauscht. Die erste Linie führte ab 1489 von Innsbruck nach Mechelen. Bald war die Route zwischen den Niederlanden nach Italien als Deutsche Route bekannt. Mit der Post kam auch weitere Verwaltung nach Innsbruck. Die Stadt war Sammelplatz für die Hofpost, die dem Kaiser von hier aus an seinen jeweiligen Standort nachgeschickt wurde. Die Hofkanzlei sammelte in Innsbruck das Archiv mit dem Schriftverkehr und den Büchern der Kammerverwaltung. Die Nachrichten, die sogenannten Zeitungen, die zwischen den einzelnen Verfassern und Empfängern hin- und hergeschickt wurden, bedurften des Berufsstandes der Novellanten, die die Neuigkeiten er- und verfassten.
Wenige Jahre nach Maximilians Tod öffnete sich der Kurierdienst der Taxis auch für private Post. Der Habsburger war ein säumiger Zahler gewesen, die Kosten mussten gedeckt werden. Auch die Personenbeförderung wurde als Service angeboten. Zum einen konnte man so die Kosten für seinen Dienst senken, zum anderen konnte man seinerseits andere Teilnehmer des Postsystems ausspionieren. Die Postmeister fungierten auch als eine Art Geheimdienst. Gegenreformation und Militär nutzten den Postdienst für ihre Zwecke. In den einzelnen Poststellen gab es Schwarze Kammern, in denen verdächtige Briefe geöffnet wurden.
Mit dem Anwachsen des Habsburgerreiches nach der Expansion der Habsburger wuchs auch der Stafettendienst der Taxis. 1505 vergab Philipp I. von Spanien auch auf der iberischen Halbinsel an die bewährten Dienstleister. Nach den italienischen Eroberungen unter Karl V. kontrollierten die Habsburger auch große Teile Norditaliens. Von Spanien bis nach Ungarn, von Mailand bis Brüssel reichte das Informationsnetzwerk.
Durch die Kontrolle der europäischen Kommunikation kamen die Taxis zu Macht, Einfluss und Reichtum. Seit 1650 nannte sich das Geschlecht Thurn und Taxis. Vom alten Tasso, zu Deutsch Dachs, war nichts mehr übriggeblieben. Erst mit der Zentralisierung und dem neuen Staatsverständnis der Aufklärung des 17. Jahrhunderts begann ihr Stern zu sinken. 1769 wurde das Postregal der Familie Taxis für Vorderösterreich aufgehoben. Die Umwälzungen der Napoleonischen Kriege brachten weitere Änderungen mit sich. Als das Heilige Römische Reich 1806 aufgelöst wurde, konnten die Thurn und Taxis nur noch in einigen deutschen Fürstentümern das Postwesen für sich beanspruchen. Die Dienstleistung wurde mehr und mehr von monopolisiert. Postämter wurden zu Symbolen der Durchdringung der Staatsgewalt im öffentlichen Raum. 1908 wurde in der Maximilianstraße in Innsbruck die neue Hauptpost nach den Plänen Natale Tommasis errichtet. Ähnlich wie bei Bahnhöfen unterschied sich die Architektur des Gebäudes nicht von anderen großen Poststellen innerhalb des Habsburgerreiches. Wer als Untertan Kaiser Franz Josefs I. seine Postgeschäfte erledigte, sollte dies in der gesamten Monarchie zwischen Trient und Lemberg im selben Look and Feel tun können.
Nach dem Ersten Weltkrieg verloren die Thurn und Taxis das Adelsprivileg. Viele der Schlösser, Besitztümer und Palazzi in ganz Europa sind bis heute aber noch im Besitz der Familie. Bis 1969 bestand gegenüber der Hauptpost die Alte Post, die zeitweise auch im Besitz der Familie Thurn und Taxis war. Seit der Jahrtausendwende geht es dem Postwesen wie der Familie Taxis. Versand- und Kurierdienste gehen mehr und mehr in private Hand über. Das staatlich-monopolisierte Postwesen des 20. Jahrhunderts war vielleicht nur ein kurzes Intermezzo. Anders als die Familie Taxis müssen sich DHL, UPS & CO aber mit schnödem Mammon trösten und werden nicht in den Adelsstand erhoben. Das Palais Fugger-Taxis in Innsbruck hingegen erinnert bis heute an die Postmeister des Kaisers.