Palais Fugger-Taxis

Maria-Theresienstraße 45

Nordkette Innsbruck

Das Palais Fugger-Taxis zeugt gleichermaßen von den Veränderungen, die die Welt ab 1500 nahm wie von der Bedeutung Innsbrucks in ihr. Die Namen Fugger und Taxis stehen für frühe Globalisierung, Kapitalismus und eine Veränderung in der Welt der Kommunikation und Medien. Viele einflussreiche Aristokraten ließen sich in der Neustadt ihre Palazzi errichten, um möglichst nahe am Hof des Tiroler Landesfürsten zu sein. Innsbruck hatte zwar ein wenig an Ansehen verloren seit den Tagen Maximilians, war aber noch immer eine der wichtigsten Städte des Heiligen Römischen Reichs. Nach einem Brand ließ der kaiserliche Geheimrat Graf Hans Otto Fugger ein Palais planen, das alle anderen Stadtpaläste in den Schatten stellen sollte. Wer wenn nicht er sollte sich das leisten können, kam er doch aus der Kaufmannsippe der Augsburger Fugger, einer der reichsten Familien Europas der frühen Neuzeit. Niemand geringerer als Johann Martin Gumpp der Ältere wurde für die Planung engagiert. Zum Vorbild nahm er sich ganz im Chic der Zeit das Genueser Stadtpalais. Der 1679 eröffnete Palast nahm wie die meisten in Innsbruck beim großen Erdbeben von 1689 erheblichen Schaden. Über Heirat kam das Gebäude an die Familie von Welsberg, die es in den folgenden Jahren teilweise vermietete. 1784 kaufte Joseph Sebastian von Thurn und Taxis das Palais Fugger, um es als Wohnhaus und Poststation zu verwenden. Die Fassade wurde umgestaltet. Das Adelsgeschlecht der Thurn und Taxis war eine der wichtigsten Dynastien ihrer Zeit. Über die Einführung des Postwesens brachten sie es zu Ruhm, Ehre und Vermögen im Kaiserreich. Mit den Fuggern und den Thurn und Taxis beherbergte das Palais Mitglieder von zwei der bedeutendsten Familien der frühen Neuzeit, die in Innsbruck ihren Geschäften nachgingen.

1905 ging das nunmehrige Palais Fugger-Taxis in den Besitz des Landes Tirol über, um darin Amtsräume des Landhauses unterzubringen. Die Amtsräume wanderten nach Fertigstellung des Landhauses 1938 in den Neubau ums Eck.  Heute befindet sich im Gebäude eine Kunsthalle mit wechselnden Ausstellungen moderner Kunst.

Thurn und Taxis und die Erfindung der Post

Das 20. und 21. Jahrhundert gilt als das Informationszeitalter. Auch die Veränderungen, die sich um 1500 abspielten, hatten viel mit neuen Möglichkeiten der Nachrichtenverbreitung zu tun. Produktion und Verteilung von Nachrichten, Neuigkeiten und Ideen revolutionierten sich dank zweier Innovationen. Mit dem Buchdruck war die Vervielfältigung von Information einfacher geworden. Ungefähr zur selben Zeit begann sich im Heiligen Römischen Reich ein Postwesen zu etablieren. Die Geschichte der Familie Taxis, die den Postdienst in Szene setzte, ist auch ein Beispiel für die Entwicklungsmöglichkeiten, die die frühe Neuzeit um 1500 bot. Sie ist eng mit den Habsburgern und der Stadt Innsbruck verbunden, das unter Kaiser Maximilian für kurze Zeit nicht nur Residenzstadt, sondern die europäische Postzentrale war. Die Taxis waren ein lombardisches Geschlecht aus dem niederen Adel. Bereits im 13. Jahrhundert hatte Omodeo de Tasso in Norditalien einen Kurierdienst zwischen den großen italienischen Städten eingerichtet. Ein einigermaßen funktionierendes Postwesen, wie es bereits im antiken Rom existiert hatte, gab es im Mittelalter nicht. Als Maximilian 1490 Innsbruck zu seiner Residenz machte, benötigte er aber eine möglichst effiziente Kommunikation innerhalb seines großen Reiches, das von den Niederlanden über Augsburg und Regensburg bis nach Wien reichte. Er engagierte dafür die Compania de Tassis die für den Kaiser eine eigene dauerhafte Stafettenlinie mit Infrastruktur und Personal einrichteten. Die verstaatlichte und monopolisierte Post des 19. und 20. Jahrhunderts war so gesehen nur ein kurzes Intermezzo, das mittlerweile faktisch beendet ist. Die erste Postzentrale der Neuzeit in Europa war die Residenzstadt Innsbruck geworden. Die Brüder Janetto, Francesco sowie Giovanni Battista de Tassis, zu Deutsch Franz und Johann Baptist von Taxis wurden von Maximilian I. zu Reichspostmeistern gemacht. In 20 – 40 km Abstand wurden Stationen, sogenannte Posten, eingerichtet, auf denen Boten und Pferde wechselten, um die Auslieferzeiten der Nachrichten zu verkürzen. Mit dem Anwachsen des Habsburgerreiches stiegen auch die Anforderungen an den Stafettendienst. Von Spanien bis nach Ungarn, von Mailand bis Brüssel musste das Netz reichen. Ebenso weit verzweigt in Europa wie die einzelnen Posten, waren auch die Mitglieder des Geschlechts der Taxis. Wenige Jahre nach Maximilians Tod öffnete sich der Kurierdienst der Taxis auch für private Post. Zum einen konnte der Kaiser so die Kosten für seinen Dienst senken, zum anderen konnte man andere Teilnehmer des Postsystems ausspionieren. In den Poststellen gab es Schwarze Kammern, in denen verdächtige Briefe geöffnet wurden. Mit der Aufgabe stiegen auch Ansehen und Vermögen der Familie. Sie waren zu den Betreibern der Kaiserlichen Reichspost geworden und kontrollierten die Kommunikation in Europa. Seit 1650 nannte sich das Geschlecht Thurn und Taxis. Vom alten Tasso, zu Deutsch Dachs, war nichts mehr übriggeblieben. Als das Heilige Römische Reich Deutscher Nation 1806 aufgelöst wurde, konnten die Thurn und Taxis zwar in einigen deutschen Fürstentümern das Postwesen für sich beanspruchen, langsam ging es für ihren Service aber bergab. 1908 wurde in der Maximilianstraße die neue Hauptpost im nach den Plänen Natale Tommasis errichtet. Ähnlich wie bei Bahnhöfen unterschied sich die Architektur des Gebäudes nicht von anderen großen Poststellen innerhalb des Habsburgerreiches. Wer als Untertan Kaiser Franz Josefs seine Postgeschäfte erledigte, sollte dies zwischen Trient und Lemberg im selben Look and Feel tun können. Bis 1969 stand gegenüber die Alte Post, die zeitweise auch im Besitz der Familie Thurn und Taxis war. Nach dem Ersten Weltkrieg verloren sie das Adelsprivileg. Viele der Schlösser, Besitztümer und Palazzi in ganz Europa sind bis heute aber noch im Besitz der Familie. Das Palais Fugger-Taxis erinnert bis heute an die Postmeister des Kaisers.

Jakob Fugger: der reichste Mann der Geschichte

Es gibt wohl kaum eine ungekrönte Person, die größeren Einfluss auf die Geschichte Europas um 1500 hatte als Jakob Fugger (1459-1525). Er war der reichste Mann seiner Zeit, vielleicht sogar aller Zeiten. Wie hoch sein Vermögen war, ist schwer in heutige Maßstäbe umzurechnen, als die FAZ 2016 einen Versuch unternahm, kam sie auf 300 Milliarden Dollar. Fuggers Lebenszeit deckt sich nicht nur zeitlich recht gut mit der Kaiser Maximilians, die beiden waren sich auch in ihren Schicksalen ausgeliefert. Jakob Fugger entstammte einer Augsburger Kaufmannsfamilie. Er und seine Brüder handelten Baumwolle mit norditalienischen Städten. In der Region zwischen Florenz, Venedig und Mailand war eine frühe Form des Finanzkapitalismus entstanden. Das Bankwesen begann im Spätmittelalter hier seinen Siegeszug durch Europa zu starten. Kaufleute, die nicht Unmengen an Bargeld mit sich führen wollten, benötigten die sogenannten Wechsel, um ihre Transaktionen durchführen zu können. In den Handelsstädten begannen sie Kontoreien aufzubauen. In Venedig lernte Fugger auf seinen Handelsreisen die Kunst der doppelten Buchführung und die Feinheiten der fortgeschrittenen italienischen Finanzwirtschaft kennen. Er erkannte schnell, dass mit Finanzgeschäften und Krediten mehr Geld zu verdienen war als mit Baumwolle. Monarchen und Aristokraten Europas finanzierten ihren Hofstaat und die Kriegsführung über den Zehnten. Diese Abgabe wurde von den Bauern innerhalb des Feudalsystems nach oben hin geleistet. Besonders die Kriegsführung war, angetrieben durch moderne Schusswaffen, teurer geworden. Deshalb reichte dieser Zehent oft nicht mehr aus. Sich über Glaube und Kirche zu legitimieren hatte bis hierher funktioniert, um 1500 begannen Gold und Silber in Form des Finanzkapitalismus langsam aber sicher Gott als letztgültige Instanz auf Erden abzulösen. Die Verbindung Jakob Fuggers mit dem Hause Habsburg und im Speziellen mit Tirol begann sich 1487 zu intensivieren. Der Tiroler Landesfürst Siegmund verlor einen Krieg gegen die Republik Venedig. Um seine Kriegsschulden in Höhe von 100.000 Gulden zu bezahlen, lieh er sich Geld von den Fuggern. Dafür stellte er Schuldscheine aus, die er durch die Verpfändung der Schwazer Silbermine an die Fugger deckte. Schwaz war vor der Erschließung der amerikanischen Silberminen die größte der Welt. Die Fugger kamen auch in den Besitz der Haller Münzprägeanstalt. Sie verkauften ihr Schwazer Silber an die Münze Hall und liehen diese Münzen wiederum Herzog Siegmund. Ein Kreislauf der besonderen Art war geboren. Damit endete der politische Einfluss der Fugger aber nicht, vielmehr fing er erst an. Als 1490 die Tiroler Landstände Siegmund wegen seines desaströsen Geschäftsgebarens absetzten, folgte ihm Maximilian I. als Landesfürst Tirols nach. Fugger war klug genug auf den neuen Landesfürsten zu setzen. Das Wort Kredit, zurückgehend auf das lateinische credere, also glauben, zeigt sich in dieser Wahl. Fugger glaubte an einen mächtigen Maximilian als sein bestes Asset. Er finanzierte 1493 die Wahl Maximilians zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und sicherte sich damit seinen Einfluss. Als Maximilian 1519 starb, wiederholte Fugger dies und ließ über seine Finanzkraft Maximilians Enkel Karl V. zum Kaiser wählen. Fugger war es auch, der die Wiener Doppelhochzeit, Maximilians Meisterstück der Heiratspolitik, sponsorte, womit Ungarn ein Teil des Habsburgerreiches wurde. 1507 wurde Jakob Fugger in den Adelsstand gehoben. Es wird geschätzt, dass die Fugger zum Zeitpunkt des Todes etwa 50% des Staatshaushalt Tirols abwickelten und 10% der Vermögenswerte des Heiligen Römischen Reiches besaßen. Sie besaßen Minen in Tirol, Tschechien, der Slowakei und Spanien und finanzierten Handelsexpeditionen in der gesamten damals bekannten Welt wie auch zahlreiche Kriege in Europa. Es ist natürlich schwer zu sagen, manchem Historiker gilt Jakob Fugger aber als der reichste Mann der Weltgeschichte. In Innsbruck erinnern das Palais Fugger-Taxis sowie eine kleine Gasse zwischen Maria-Theresien-Straße und Landhausplatz an die Fugger.

Barock: Kunstrichtung und Lebenskunst

Wer in Österreich unterwegs ist, kennt die Kuppen und Zwiebeltürme der Kirchen in Dörfern und Städten. Diese Form der Kirchtürme entstand in der Zeit der Gegenreformation und ist ein typisches Kennzeichen des Barock. Prachtvoll und prunkvoll sollten Gotteshäuser sein, ein Symbol des Sieges des rechten Glaubens. Die Religiosität spiegelte sich in der Kunst wider: Großes Drama, Pathos, Leiden, Glanz und Herrlichkeit vereinten sich zum Barock.  Barock war nicht nur eine Stilrichtung, es war ein Lebensgefühl, das seinen Ausgang zur Mitte des 17. Jahrhunderts nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, der Mitteleuropa schwer in Mitleidenschaft gezogen hatte, nahm. Die Türkengefahr aus dem Osten, die in der zweimaligen Belagerung Wiens gipfelte, bestimmte die Politik, während die Reformation den christlichen Glauben spaltete. Nach den Entbehrungen dieser turbulenten Jahre und der theologischen Streitigkeiten sollte der öffentliche Raum in einem neuen Stil, abseits der dunklen Gotik neu erstrahlen. Die Bedeutung des Religiösen gegenüber dem Weltlichen sowie die Einflussnahme des Religiösen auf das Weltliche nahmen nach der kritischen Renaissance wieder zu. Die Barockkultur war ein zentrales Element des Katholizismus und der politischen Darstellung derselben in der Öffentlichkeit. Der Alltag der Menschen wurde von Feiertagen mit christlichem Hintergrund aufgehellt. Architektur, Musik und Malerei waren reich, füllig und üppig. Man wollte den katholischen Glauben gegenüber dem protestantischen für die Bevölkerung attraktiver machen. Der Strenge Calvins und Luthers, die den Fehler machten, die Volksfrömmigkeit in Form der Wallfahrten, Marien- und Heiligenverehrung als Aberglauben abzutun, ja sogar verbieten zu lassen, gefiel nicht allen. Die Macht des Kaisers wurde vom Papst legitimiert. Die Ideen Martin Luthers und anderer Reformatoren waren nicht nur katholischen Herrschern ein Dorn im Auge. Der Barockstil wurde in der Zeit der Gegenreformation häufig als eine Art Propagandamittel gegen die Reformation genutzt, um die Einheit von Kaisertum und Katholizismus in all seiner Pracht zu demonstrieren. Man musste nicht lesen können, um die allgegenwärtige Bildsprache zu verstehen. Prunk und Protz statt puritanischer Genügsamkeit und sparsamer Lebensart, die Reformatoren zu eigen war. Kreuzwege mit Kapellen durchzogen die Landschaft. Auch absolutistische Fürsten wählten den Barock als architektonisches und künstlerisches Stilmittel, um ihre Macht in der Mode der Zeit zu demonstrieren. Jesus wurde verstärkt als der Gekreuzigte dargestellt, um sein Leiden für die Welt hervorzuheben und so das Leiden der Masse der bäuerlichen Bevölkerung innerhalb des Feudalsystems zu rechtfertigen. Neben Kirchen sind es die prunkvollen Schlösser und Parkanlagen, die in ganz Europa in dieser Zeit errichtet wurden. Das Bürgertum wollte den Adeligen und Fürsten nicht nachstehen und ließen ihre Privathäuser im Stile des Barocks errichten. Auf Bauernhäusern prangen ebenfalls häufig Heiligenbilder, Darstellungen der Mutter Gottes und des Herzen Jesu als eine Art bäuerlicher Barock.

Das Stadtbild Innsbrucks veränderte sich enorm. Viele Palazzi der Neustadt, der heutigen Maria-Theresienstraße erstrahlten unter den Baumeistern der Familie Gumpp (94), oder Johann Georg Fischers. Einer der bekanntesten Vertreter in der Malerei war Franz Altmutter. Seine Bilder verbinden auf überfrachtete Art und Weise Himmel und Erde. Die Antike als Vorbild wie es in der Renaissance üblich war, hatte ausgedient. Die bekanntesten Gotteshäuser Innsbrucks wie der Dom, die Johanneskirche oder die Jesuitenkirche, sind im Stile des Barocks gehalten. Die gotische Altstadt wurde mit Ausnahme des Helblinghaus in ihrem Stil erhalten. Um- und Neubauten sowie Innenräume wurden aber häufig barock ausgestattet. Das Alte Landhaus in der Altstadt, das Neue Landhaus in der Maria-Theresien-Straße, die unzähligen Palazzi, Bilder, Figuren – der Barock war im 17. und 18. Jahrhundert das stilbildende Element des Hauses Habsburg und brannte sich in den Alltag ein. Besonders in Österreich gab es das Phänomen der Barockfrömmigkeit, die von Kaiser und Fürsten zur Erziehung der Untertanen eingesetzt wurde. Auch wenn der Ablass, das Freikaufen von Sünden, in der Zeit nach dem 16. Jahrhundert keine gängige Praxis mehr in der katholischen Kirche war, so gab es doch noch eine rege Vorstellung von Himmel und Hölle. Durch ein tugendhaftes Leben, sprich ein Leben im Einklang mit katholischen Werten und gutem Verhalten als Untertan gegenüber der göttlichen Ordnung, konnte man dem Paradies einen großen Schritt näherkommen. Die sogenannte christliche Erbauungsliteratur war in der Bevölkerung beliebt und zeigte vor, wie das Leben zu führen war. Der Historiker Ernst Hanisch beschrieb den Barock und den Einfluss, den er auf die österreichische Lebensart hatte, so:

Österreich entstand in seiner modernen Form als Kreuzzugsimperialismus gegen die Türken und im Inneren gegen die Reformatoren. Das brachte Bürokratie und Militär, im Äußeren aber Multiethnien. Staat und Kirche probierten den intimen Lebensbereich der Bürger zu kontrollieren. Jeder musste sich durch den Beichtstuhl reformieren, die Sexualität wurde eingeschränkt, die normengerechte Sexualität wurden erzwungen. Menschen wurden systematisch zum Heucheln angeleitet.

Die Rituale und das untertänige Verhalten gegenüber der Obrigkeit hinterließen auch im Alltag ihre Spuren in Verhalten und sozialer Alltagskultur, die katholische Länder wie Österreich und Italien bis heute von protestantisch geprägten Regionen wie Deutschland oder Skandinavien unterscheiden. Die Leidenschaft für akademische Titel der Österreicher hat ihren Ursprung in den barocken Hierarchien. Diese Hierarchien manifestierten sich in einem feudalen System der Patronage, das heute als Vitamin B Korruption im Kleinen begünstigt. Auch die Sprache, das typisch österreichische „Schaumamal“ zum Beispiel, lässt auf barocke Art und Weise dem Sprecher mehr Handlungsspielraum als eine konkrete Aussage. Während man in Deutschland politische Sachlichkeit schätzt, ist der Stil von Politikern in Österreich eher theatralisch, angelehnt an die katholischen Prozessionen, die in protestantischen Ländern nicht Teil des Alltags waren. Der konservative politische Beamte Bernhard Bonelli, der vor Gericht mit einer Zeichnung des Lieben Gottes, die sein Sohn angefertigt hatte, anmerkte, er wäre für einen guten Ausgangs der Verhandlung wallfahrten gegangen, mag skurril erscheinen, ist aber nichts weiter als eine Ausprägung der barocken Tradition Österreichs. Der Ausdruck Barockfürst bezeichnet noch immer einen besonders patriarchal-gönnerhaften Politiker, der mit großen Gesten sein Publikum zu becircen weiß. Es ist kein Zufall, dass die ersten fixen Theater im deutschsprachigen Raum ebenfalls in der Zeit der Gegenreformation entstanden. Nur langsam konnte sich die Aufklärung ausgehend von England und Frankreich, quasi als eine Art Gegenbewegung zur absoluten Frömmigkeit des Barock, durchsetzen. Der bekannteste aufgeklärte Vertreter der Habsburger war Josef II., der Sohn Maria Theresias. Unter ihm begann auch Österreich sich des säkularen Lebens stärker zu besinnen. Beamte, Militärs, Universitätsprofessoren, Lehrer, Juristen, Mediziner und aufgeklärte Theologen wagten sich aus der Deckung um die Vormachtstellung der Kirche, besonders der Jesuiten im Bildungsbereich in Frage zu stellen. Im konservativen Tirol wurden diese Schritte besonders misstrauisch beäugt. Wie man sieht, prägen Barockbauten, aber auch Gebräuche wie Prozessionen, Feiertage und Festlichkeiten, die in dieser Zeit entstanden, das Leben in Österreich bis heute.

Die Baumeister Gumpp und die Barockisierung Innsbrucks

Die Familie Gumpp bestimmt bis heute sehr stark das Aussehen Innsbrucks. Vor allem die barocken Teile der Stadt sind auf die Hofbaumeister zurückzuführen. Der Begründer der Dynastie in Tirol, Christoph Gumpp (1600-1672) war eigentlich Tischler. Die Gumpps waren aus dem Schwabenland nach Tirol gekommen. Gumpp war eigentlich Tischler, sein Talent allerdings hatte ihn für höhere Weihen auserkoren. Den Beruf des Architekten gab es zu dieser Zeit noch nicht. Michelangelo und Leonardo Da Vinci galten in ihrer Zeit als Handwerker, nicht als Künstler. Christoph Gumpp trat in die Fußstapfen der von Ferdinand II. hochgeschätzten Renaissance-Architekten aus Italien. Gumpps Tätigkeit als Hofbaumeister begann 1633 und er sollte diesen Titel an die nächsten beiden Generationen weitervererben. Über die folgenden Jahrzehnte sollte Innsbruck einer kompletten Renovierung unterzogen werden. Neue Zeiten bedurften eines neuen Designs, abseits des düsteren, von der Gotik geprägten Mittelalters. Die Gumpps traten nicht nur als Baumeister in Erscheinung. Sie waren Tischler, Maler, Kupferstecher und Architekten, was ihnen erlaubte, ähnlich der Bewegung der Tiroler Moderne rund um Franz Baumann und Clemens Holzmeister Anfang des 20. Jahrhunderts, Projekte ganzheitlich umzusetzen. Johann Martin Gumpp der Ältere, Georg Anton Gumpp und Johann Martin Gumpp der Jüngere waren für viele der bis heute prägendsten Gebäude zuständig. So stammen die Wiltener Stiftskirche, die Mariahilfkirche, die Johanneskirche und die Spitalskirche von den Gumpps.  Neben Kirchen und ihrer Arbeit als Hofbaumeister machten sie sich auch als Planer von Profanbauten einen Namen. Viele der Bürgerhäuser und Stadtpaläste Innsbrucks wie das Taxispalais oder das Alte Landhaus in der Maria-Theresien-Straße wurden von Ihnen entworfen. Das Meisterstück aber war das Comedihaus, das Christoph Gumpp für Leopold V. und Claudia de Medici im ehemaligen Ballhaus plante. Die überdimensionierten Maße des damals richtungsweisenden Theaters, das in Europa zu den ersten seiner Art überhaupt gehörte, erlaubte nicht nur die Aufführung von Theaterstücken, sondern auch Wasserspiele mit echten Schiffen und aufwändige Pferdeballettaufführungen. Das Comedihaus war ein Gesamtkunstwerk an und für sich, das in seiner damaligen Bedeutung wohl mit dem Festspielhaus in Bayreuth des 19. Jahrhunderts oder der Elbphilharmonie heute verglichen werden muss. Das ehemalige Wohnhaus der Familie Gumpp kann heute noch begutachtet werden, es beherbergt heute die Konditorei Munding, eines der traditionsreichsten Cafés der Stadt.