Pradler Bauernhöfe

Pradlerstraße / Egerdachstraße

Wissenswert

Bis ins 19. Jahrhundert war Pradl eine kleine ländliche Siedlung zwischen der Sill und der heutigen Pradler Pfarrkirche bestehend aus etwa 20 Bauernhäusern. Der Ursprung des Dorfes ist auf einen Gutshof der Grafen von Andechs zurückzuverfolgen. Der älteste Bauernhof konnte bis ins 13. Jahrhundert nachgewiesen werden.

Die Pradler Bauern konzentrierten sich schon früh auf die Viehzucht. Stadtbürger und Adelshof wie auch die Handwerker und Facharbeiter konsumierten mehr kostspieliges Fleisch als der Durchschnittstiroler vergangener Jahrhunderte. Wie streng die frühe Lebensmittelaufsicht war, zeigt ein Polizeiakt aus dem Jahr 1748, in dem ein Pradler Metzger für die Überschreitung der Fleischtare mit Geldbußen belegt wurde.

Der kleine Platz mit dem 1865 errichteten und 1913 um die barocke Statue des Heiligen Florian erweiterte Florianibrunnen bildet bis heute einen beliebten Pradler Treffpunkt. Mäzen dieses Dorfzentrums war die Familie Hörtnagl. Der Hörtnaglhof in der Egerdachstraße 20 mit einer Statue der Gnadenmutter und Malereien des Heiligen Florian und des Erzengels Michael datiert auf das Jahr 1580 zurück. Die Hörtnagls sind das erfolgreichste Beispiel eines Werdegangs vom Viehbauern zum Unternehmer. Andrä Hörtnagl gründete 1862 Jahre eine Fleischwarenhandlung. Unter seinem Sohn Hans Hörtnagl (1864 – 1944) wuchs das Unternehmen. Auch an infrastrukturell wichtigen Großprojekten wie der Errichtung des Schlachthofes im Saggen war die politisch engagierte und einflussreiche Familie maßgeblich beteiligt. In den 1930er Jahren ermöglichten Hans Hörtnagl der Stadt den Bau der Hörtnaglsiedlung auf einem ihrer Grundstücke im Westen der Stadt. Bis heute ist das Traditionsunternehmen Hörtnagl ein fixer Teil der Tiroler Feinschmeckerlandschaft.

In der Egerdachstraße und Pradlerstraße rund um den Florianibrunnen befinden sich weitere schöne Gutshöfe. In der Egerdachstraße 10 steht mit dem Stamserhof der Familie Plattner ein weiteres sehenswertes Bauernhaus. St. Florian und St. Wendelin flankieren das Wappen der Familie und den frommen Spruch: „Sie sind uns nah, in Glück und Freud, Not und Leid.“ Der Lodronische Hof (Egerdachstraße 11) besteht ebenfalls seit dem 16. Jahrhundert. Hier hatte das Pradler Bauerntheater seinen Standort, das mit Stücken wie Der letzte Rottenburger oder die Tochter des Geächteten Innsbrucker und Inszenierungen des Tiroler Freiheitskampfes von 1809 viele Städter ins ländliche Pradl lockte. Das zweistöckige barocke Bauernhaus (Hausnummer 20) direkt neben dem Florianibrunnen trägt eine um 1920 entstandene Wandmalerei der Heiligen Maria von Rafael Thaler (1870 – 1947).

Die Pradler Bauernhöfe sind zum größten Teil nicht mehr als landwirtschaftliche Güter in Betrieb. Zwischen der Pembaurstraße und dem als Fackngassl bekannten Teil der Gabelsbergerstraße tummeln sich noch ein paar Pferde. Die mit bäuerlichem Barock reich geschmückten Gutshöfe sind aber noch immer sehenswerte Relikte der nicht allzu fernen Vergangenheit Pradls als Dorf.

Barock: Kunstrichtung und Lebenskunst

Wer in Österreich unterwegs ist, kennt die Kuppen und Zwiebeltürme der Kirchen in Dörfern und Städten. Diese Form der Kirchtürme entstand in der Zeit der Gegenreformation und ist ein typisches Kennzeichen des Architekturstils Barock. Auch in Innsbrucks Stadtbild sind sie vorherrschend. Die bekanntesten Gotteshäuser Innsbrucks wie der Dom, die Johanneskirche oder die Jesuitenkirche, sind im Stile des Barocks gehalten. Prachtvoll und prunkvoll sollten Gotteshäuser sein, ein Symbol des Sieges des rechten Glaubens. Die Religiosität spiegelte sich in Kunst und Kultur wider: Großes Drama, Pathos, Leiden, Glanz und Herrlichkeit vereinten sich zum Barock, der den gesamten katholisch orientierten Einflussbereich der Habsburger und ihrer Verbündeten zwischen Spanien und Ungarn nachhaltig prägte.

Das Stadtbild Innsbrucks veränderte sich enorm. Die Gumpps und Johann Georg Fischer als Baumeister sowie die Bilder Franz Altmutters prägen Innsbruck bis heute nachhaltig. Das Alte Landhaus in der Altstadt, das Neue Landhaus in der Maria-Theresien-Straße, die unzähligen Palazzi, Bilder, Figuren – der Barock war im 17. und 18. Jahrhundert das stilbildende Element des Hauses Habsburg und brannte sich in den Alltag ein. Das Bürgertum wollte den Adeligen und Fürsten nicht nachstehen und ließen ihre Privathäuser im Stile des Barocks errichten. Auf Bauernhäusern prangen Heiligenbilder, Darstellungen der Mutter Gottes und des Herzen Jesu.

Barock war nicht nur eine architektonische Stilrichtung, es war ein Lebensgefühl, das seinen Ausgang nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges nahm. Die Türkengefahr aus dem Osten, die in der zweimaligen Belagerung Wiens gipfelte, bestimmte die Außenpolitik des Reiches, während die Reformation die Innenpolitik dominierte. Die Barockkultur war ein zentrales Element des Katholizismus und der politischen Darstellung derselben in der Öffentlichkeit, das Gegenmodell zum spröden und strengen Lebensentwurf Calvins und Luthers. Feiertage mit christlichem Hintergrund wurden eingeführt, um den Alltag der Menschen aufzuhellen. Architektur, Musik und Malerei waren reich, füllig und üppig. In Theaterhäusern wie dem Comedihaus in Innsbruck wurden Dramen mit religiösem Hintergrund aufgeführt. Kreuzwege mit Kapellen und Darstellungen des gekreuzigten Jesus durchzogen die Landschaft. Die Volksfrömmigkeit in Form der Wallfahrten, Marien- und Heiligenverehrung hielt Einzug in den Kirchenalltag.

Die Barockfrömmigkeit wurde auch zur Erziehung der Untertanen eingesetzt. Auch wenn der Ablasshandel in der Zeit nach dem 16. Jahrhundert keine gängige Praxis mehr in der katholischen Kirche war, so gab es doch noch eine rege Vorstellung von Himmel und Hölle. Durch ein tugendhaftes Leben, sprich ein Leben im Einklang mit katholischen Werten und gutem Verhalten als Untertan gegenüber der göttlichen Ordnung, konnte man dem Paradies einen großen Schritt näherkommen. Die sogenannte Christliche Erbauungsliteratur war nach der Schulreformation des 18. Jahrhunderts in der Bevölkerung beliebt und zeigte vor, wie das Leben zu führen war. Das Leiden des Gekreuzigten für die Menschheit galt als Symbol für die Mühsal der Untertanen auf Erden innerhalb des Feudalsystems. Mit Votivbildern baten Menschen um Beistand in schweren Zeiten oder bedankten sich vor allem bei der Mutter Gottes für überstandene Gefahren und Krankheiten. Tolle Beispiele dafür finden sich an der östlichen Fassade der Basilika in Wilten.

Der Historiker Ernst Hanisch beschrieb den Barock und den Einfluss, den er auf die österreichische Lebensart hatte, so:

Österreich entstand in seiner modernen Form als Kreuzzugsimperialismus gegen die Türken und im Inneren gegen die Reformatoren. Das brachte Bürokratie und Militär, im Äußeren aber Multiethnien. Staat und Kirche probierten den intimen Lebensbereich der Bürger zu kontrollieren. Jeder musste sich durch den Beichtstuhl reformieren, die Sexualität wurde eingeschränkt, die normengerechte Sexualität wurden erzwungen. Menschen wurden systematisch zum Heucheln angeleitet.

Die Rituale und das untertänige Verhalten gegenüber der Obrigkeit hinterließen ihre Spuren in der Alltagskultur, die katholische Länder wie Österreich und Italien bis heute von protestantisch geprägten Regionen wie Deutschland, England oder Skandinavien unterscheiden. Die Leidenschaft für akademische Titel der Österreicher hat ihren Ursprung in den barocken Hierarchien. Der Ausdruck Barockfürst bezeichnet einen besonders patriarchal-gönnerhaften Politiker, der mit großen Gesten sein Publikum zu becircen weiß. Während man in Deutschland politische Sachlichkeit schätzt, ist der Stil von österreichischen Politikern theatralisch, ganz nach dem österreichischen Bonmot des „Schaumamal“.