Helblinghaus

Herzog-Friedrich-Straße 10

Wissenswert

Das Helblinghaus wird oft als das schönste Gebäude Innsbrucks bezeichnet. Als einziges Barockgebäude der Innsbrucker Altstadt wirkt das reich mit Rokokostuck geschmückte Bürgerhaus für Puristen hingegen deplatziert. Die verspielte Fassade wurde mit Naturmotiven, Putti, Masken und anderem Schmuck nach Plänen des Architekten Anton Gigl in Rokokostil der Zeit im Jahr 1730 verziert.

Nachdem Sebastian Helbling hier im 19. Jahrhundert ein Kaffeehaus betrieben hatte, wurde das Helblinghaus im frühen 20. Jahrhundert zum Katholischen Kasino. Dabei handelte es sich nicht um ein Etablissement in dem gespielt wurde, sondern um den Treffpunkt der Kasinobewegung in Innsbruck.

Diese Bewegung entstand in Süddeutschland als konservative Reaktion auf die liberalen Bestrebungen aufgeklärter Schichten, die Macht der katholischen Kirche zu beschneiden. Konservative wollten den Status Quo im politischen und sozialen Leben beibehalten. Vor allem Bildungs- und Schulfragen sollten weiterhin unter den Fittichen der katholischen Kirche bleiben. Das allgemeine und freie Wahlrecht für alle, das die Sozialdemokratie bevorzugt hätte, war ihnen ebenso ein Dorn im Auge wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

In den ländlichen Gegenden Tirols erfreuten sich die Konservativen großer Beliebtheit, hatten sie doch die Unterstützung der Pfarrer während der Sonntagspredigt sicher. Die Stadt Innsbruck hingegen war um die Jahrhundertwende von den liberalen Großdeutschen regiert. Nach wenigen Jahren war auch das Katholische Kasino im Helblinghaus wieder Geschichte.

Heute beherbergt das Helblinghaus einen Juwelier, Wohnungen und Büros. 

Barock: Kunstrichtung und Lebenskunst

Wer in Österreich unterwegs ist, kennt die Kuppen und Zwiebeltürme der Kirchen in Dörfern und Städten. Diese Form der Kirchtürme entstand in der Zeit der Gegenreformation und ist ein typisches Kennzeichen des Architekturstils Barock. Auch in Innsbrucks Stadtbild sind sie vorherrschend. Die bekanntesten Gotteshäuser Innsbrucks wie der Dom, die Johanneskirche oder die Jesuitenkirche, sind im Stile des Barocks gehalten. Prachtvoll und prunkvoll sollten Gotteshäuser sein, ein Symbol des Sieges des rechten Glaubens. Die Religiosität spiegelte sich in der Kunst und Kultur wider: Großes Drama, Pathos, Leiden, Glanz und Herrlichkeit vereinten sich zum Barock.  

Das Stadtbild Innsbrucks veränderte sich enorm. Die Gumpps und Johann Georg Fischer als Baumeister sowie die Bilder Franz Altmutters prägen Innsbruck bis heute nachhaltig. Das Alte Landhaus in der Altstadt, das Neue Landhaus in der Maria-Theresien-Straße, die unzähligen Palazzi, Bilder, Figuren – der Barock war im 17. und 18. Jahrhundert das stilbildende Element des Hauses Habsburg und brannte sich in den Alltag ein. Das Bürgertum wollte den Adeligen und Fürsten nicht nachstehen und ließen ihre Privathäuser im Stile des Barocks errichten. Auf Bauernhäusern prangen Heiligenbilder, Darstellungen der Mutter Gottes und des Herzen Jesu.

Barock war nicht nur eine architektonische Stilrichtung, es war ein Lebensgefühl, das seinen Ausgang nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges nahm. Die Türkengefahr aus dem Osten, die in der zweimaligen Belagerung Wiens gipfelte, bestimmte die Außenpolitik des Reiches, während die Reformation die Innenpolitik dominierte. Die Barockkultur war ein zentrales Element des Katholizismus und der politischen Darstellung derselben in der Öffentlichkeit, das Gegenmodell zum spröden und strengen Lebensentwurf Calvins und Luthers. Feiertage mit christlichem Hintergrund wurden eingeführt, um den Alltag der Menschen aufzuhellen. Architektur, Musik und Malerei waren reich, füllig und üppig. In Theaterhäusern wie dem Comedihaus in Innsbruck wurden Dramen mit religiösem Hintergrund aufgeführt. Kreuzwege mit Kapellen und Darstellungen des gekreuzigten Jesus durchzogen die Landschaft. Die Volksfrömmigkeit in Form der Wallfahrten, Marien- und Heiligenverehrung hielt Einzug in den Kirchenalltag. Die Barockfrömmigkeit wurde auch zur Erziehung der Untertanen eingesetzt. Auch wenn der Ablasshandel in der Zeit nach dem 16. Jahrhundert keine gängige Praxis mehr in der katholischen Kirche war, so gab es doch noch eine rege Vorstellung von Himmel und Hölle. Durch ein tugendhaftes Leben, sprich ein Leben im Einklang mit katholischen Werten und gutem Verhalten als Untertan gegenüber der göttlichen Ordnung, konnte man dem Paradies einen großen Schritt näherkommen.

Die sogenannte Christliche Erbauungsliteratur war nach der Schulreformation des 18. Jahrhunderts in der Bevölkerung beliebt und zeigte vor, wie das Leben zu führen war. Das Leiden des Gekreuzigten für die Menschheit galt als Symbol für die Mühsal der Untertanen auf Erden innerhalb des Feudalsystems. Mit Votivbildern baten Menschen um Beistand in schweren Zeiten oder bedankten sich vor allem bei der Mutter Gottes für überstandene Gefahren und Krankheiten. Tolle Beispiele dafür finden sich an der östlichen Fassade der Basilika in Wilten.

Der Historiker Ernst Hanisch beschrieb den Barock und den Einfluss, den er auf die österreichische Lebensart hatte, so:

Österreich entstand in seiner modernen Form als Kreuzzugsimperialismus gegen die Türken und im Inneren gegen die Reformatoren. Das brachte Bürokratie und Militär, im Äußeren aber Multiethnien. Staat und Kirche probierten den intimen Lebensbereich der Bürger zu kontrollieren. Jeder musste sich durch den Beichtstuhl reformieren, die Sexualität wurde eingeschränkt, die normengerechte Sexualität wurden erzwungen. Menschen wurden systematisch zum Heucheln angeleitet.

Die Rituale und das untertänige Verhalten gegenüber der Obrigkeit hinterließen ihre Spuren in der Alltagskultur, die katholische Länder wie Österreich und Italien bis heute von protestantisch geprägten Regionen wie Deutschland, England oder Skandinavien unterscheiden. Die Leidenschaft für akademische Titel der Österreicher hat ihren Ursprung in den barocken Hierarchien. Der Ausdruck Barockfürst bezeichnet einen besonders patriarchal-gönnerhaften Politiker, der mit großen Gesten sein Publikum zu becircen weiß. Während man in Deutschland politische Sachlichkeit schätzt, ist der Stil von österreichischen Politikern theatralisch, ganz nach dem österreichischen Bonmot des „Schaumamal“.

Wilhelm Greil: DER Bürgermeister Innsbrucks

Einer der wichtigsten Akteure der Stadtgeschichte war Wilhelm Greil (1850 – 1923). Von 1896 bis 1923 bekleidete der Unternehmer das Amt des Bürgermeisters, nachdem er vorher bereits als Vizebürgermeister die Geschicke der Stadt mitgestaltet hatte. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war in der Innsbrucker Stadtpolitik vom Kampf liberaler und konservativer Kräfte geprägt. Greil war ein geschickter Politiker, der sich innerhalb der vorgegebenen Machtstrukturen seiner Zeit bewegte. Er wusste sich um die traditionellen Kräfte, die Monarchie und den Klerus geschickt zu manövrieren und sich mit ihnen zu arrangieren.

Unter ihm wurde von der Stadt ganz im Sinne des Kaufmanns vorausschauend Grund angekauft, um Projekte zu ermöglichen. Unter Wilhelm Greil erweiterte sich Innsbruck beträchtlich. Der Politiker Greil konnte sich bei den großen Bauprojekten der Zeit auf die Beamten und Stadtplaner Eduard Klingler, Jakob Albert und Theodor Prachensky stützen. Neben den Villen im Saggen entstanden auch die Wohnhäuser im östlichen Teil des Stadtviertels. Infrastrukturprojekte wie das neue Rathaus in der Maria-Theresienstraße 1897, die Hungerburgbahn 1906 und die Karwendelbahn wurden umgesetzt. Andere Projekte waren die Erneuerung des Marktplatzes und der Bau der Markthalle.

Vieles, was in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorangetrieben wurde, gehört heute zum Alltag. Für die Menschen dieser Zeit waren diese Dinge aber eine echte Sensation und lebensverändernd. Die vier Jahrzehnte zwischen der Wirtschaftskrise 1873 und dem Ersten Weltkrieg von einem nie dagewesenen Wirtschaftswachstum und einer rasenden Modernisierung gekennzeichnet. Die Wirtschaft der Stadt boomte. Betriebe in Pradl und Wilten gründeten sich und lockten Arbeitskräfte an. Auch der Tourismus brachte frisches Kapital in die Stadt.

Bereits sein Vorgänger Bürgermeister Heinrich Falk (1840 – 1917) hatte erheblich zur Modernisierung der Stadt und zur Besiedelung des Saggen beigetragen. Seit 1859 war die Beleuchtung der Stadt mit Gasrohrleitungen stetig vorangeschritten. Zwischen 1887 und 1891 wurde Innsbruck mit einer modernen Hochdruckwasserleitung ausgestattet, über die auch Wohnungen in höher gelegenen Stockwerken mit frischem Wasser versorgt werden konnten. Wilhelm Greil veranlasste die Übernahme des Gaswerks in Pradl und des Elektrizitätswerks in Mühlau in städtischen Besitz. Die Straßenbeleuchtung wurde auf elektrisches Licht umgestellt.

Greil konnte sich bei dieser Innsbrucker Renaissance auf der Stadt geneigte Mäzen aus dem Bürgertum stützen. Freiherr Johann von Sieberer stiftete das Greisenasyl und das Waisenhaus im Saggen. Leonhard Lang stiftete das Gebäude, das vorher als Hotel genutzt wurde, in das das Rathaus von der Altstadt 1897 übersiedelte, gegen das Versprechen der Stadt ein Lehrlingsheim zu bauen.

In seinen letzten Amtsjahren begleitete Greil Innsbruck am Übergang von der Habsburgermonarchie zur Republik durch Jahre, die vor allem durch Hunger, Elend, Mittelknappheit und Unsicherheit geprägt waren. Er war 68 Jahre alt, als italienische Truppen nach dem Ersten Weltkrieg die Stadt besetzten und Tirol am Brenner geteilt wurde, was für ihn als Vertreter des Deutschnationalismus besonders bitter war.

Greil gehörte der "Deutschen Volkspartei" an, einer liberalen und national-großdeutschen Partei. Was uns heute als Widerspruch erscheint, liberal und national, war im 19. Jahrhundert ein politisch übliches und gut funktionierendes Gedankenpaar. Der Pangermanismus war keine politische Besonderheit einer rechtsradikalen Minderheit, sondern eine Strömung der Mitte, die bis nach dem Zweiten Weltkrieg durch fast alle Parteien hindurch in unterschiedlicher Ausprägung Bedeutung hatte. Unter anderem war Bürgermeister Wilhelm Greil ein Verfechter einer deutschnationalen Lösung, die sich mehr nach Norden als in die östlichen Teile der Monarchie orientierte.

Bedingt durch eine Wahlordnung, die auf das Stimmrecht über Vermögensklassen aufgebaut war, konnten sich große Massenparteien wie die Sozialdemokraten noch nicht durchsetzen. Die Konservativen hatten es, anders als im restlichen Tirol, schwer in Innsbruck, dessen Bevölkerung seit der Zeit Napoleons liberale Morgenluft geschnuppert hatte. Viel mehr waren es eben die von wohlhabenden Bürgern und Unternehmern unterstützten liberalnationalen Politiker, die den politischen Ton Innsbrucks dieser Zeit vorgaben.

1928 verstarb Altbürgermeister Greil als Ehrenbürger der Stadt Innsbruck im Alter von 78 Jahren. Die Wilhelm-Greil-Straße war noch zu seinen Lebzeiten nach ihm benannt worden.