Kaiser-Franz-Josef-Greisenasyl

Ingenieur-Etzel-Straße 59

Graisenasyl Saggen Innsbruck

Wie der Bürgermeister in einer der letzten Gemeinderatssitzungen berichtete, trägt sich Herr von Sieberer mit dem Plan, hier ein großes, schönes Armenhaus zu errichten … Der Bau soll auf einer jetzt freistehenden Parzelle hinter dem Claudiaplatz, neben dem Südbahnviadukt errichtet werden und zwei gesonderte Trakte (einen für Frauen und einen für Männer) erhalten. Zwischen den Trakten ist die Erbauung einer Kapelle projektiert.“

Das konnte man am 1. Juni 1907 als Innsbrucker der Presse rund um die Pläne des bürgerlichen Gönners entnehmen, der die Wohnstätte für Innsbrucks Senioren plante. 1908 stiftete Johann von Sieberer das Innsbrucker Greisenasyl zur Ehre des 60jährigen Thronjubiläums von Kaiser Franz Josef I. Am 29. August 1909, zum 100. Jubiläum der Berg-Isel Schlacht wurde das Gebäude von Franz Josef I. persönlich in Anwesenheit des Bischofs von Brixen eingeweiht. 

Neben dem ÖBB-Verwaltungsgebäude und dem Waisenhaus ist das Greisenasyl der dritte beeindruckende Profanbau im Saggen. Die prächtige Fassade auf einer Länge von 86 m ist bis heute erhalten geblieben. Sie erinnert nicht nur entfernt an einen Palast, sondern wurde bewusst so angelegt, um der Würde des Alters einen geeigneten baulichen Rahmen zu geben. Dies spiegelte sich auch in der Einrichtung des Greisenasyls. Die Küche war ausgestattet, um bis zu 300 Personen zu verköstigen. Die Kapelle wird von einem Glockenturm gekrönt. Man sieht die Statuen der Heiligen Petrus und Paulus sowie Christus als Zeichen für Güte gegenüber allen Menschen.

Eine staatlich geregelte Pensionsversicherung wie wir sie heute kennen, gab es im Habsburgerreich nicht. Ältere Untertaten, die nicht mehr arbeiten konnten, wurden zu Hause von Verwandten oder Angestellten versorgt. Bei Bauern wurde dies mit dem sogenannten Ausgedinge im Rahmen der Übergabe des Hofes geregelt. Wer nicht zu einer dieser privilegierten Schichten gehörte, fiel schnell durch den Rost. Arbeiter, Handwerksgesellen, Tagelöhner, Knechte und niederes Personal mussten betteln oder waren auf die Armen- und Altenpflege von Gönnern oder der Kirche angewiesen, die seit dem 16. Jahrhundert in Tirol Sache der Gemeinden war, denen ein Untertan angehörte. In Notzeiten waren die Gemeinden damit aber oft überfordert. Auch die Kirche konnte sich nicht dauerhaft und zuverlässig diesem Problem annehmen. Durch den durch die Industrialisierung und Urbanisierung bedingten Zuzug nach Innsbruck und dem Verkauf zweier Armenhäuser in St. Nikolaus, war die Situation in Innsbruck um 1900 angespannt. Johann von Sieberer, zu dieser Zeit bereits selbst in fortgeschrittenem Alter, kam zum Entschluss, der Stadt Innsbruck mit Planung des Projekts und der Finanzierung eines großen Teils davon, bei der Errichtung eines Greisenasyls zu unterstützen. Die Stadt musste sich dafür verpflichten einen Baugrund, die Übernahme der Erschließung von Kanalisation und Elektrifizierung und den Kosten für Rechtliches, Architekten und der Bauleitung zu übernehmen. Das Armenamt der Stadt sollte das Altersheim betreiben. Die Betreuung wurde den Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz und Paul überlassen. Die revolutionäre Idee Freiherr Johann von Sieberers war es, älteren Ehepaaren die Möglichkeit zu geben ihren Lebensabend gemeinsam zu verbringen. Die Zimmer waren für damalige Verhältnisse mit Eisenbetten, Nachtkästchen, Kleiderschrank und Spucknapf gut ausgestattet. Der schmucklose Raum sollte die Pflege der Unterkünfte und die Freihaltung von Ungeziefer und Schädlingen erleichtern. Schwer sozialisierbare Bewohner wie Alkoholkranke wurden angenommen, jedoch separat untergebracht. Für die Stadtentwicklung waren Einrichtungen wie Greisenasyl und Waisenhaus sehr wichtig. Das Altersheim besteht bis zum heutigen Tag, auch wenn es natürlich mehrmals modernisiert wurde. An den Erbauer Freiherr Johann von Sieberer erinnert der Schriftzug an der Ostseite des Gebäudes „Gespendet von einem Patrioten„.  

Johann von Sieberer, der gute Geist Innsbrucks

Waren es in Mittelalter und früher Neuzeit vor allem Kirche und Aristokratie, die für die Entwicklung von Städten, Infrastruktur und Bauwesen verantwortlich waren, machten sich im 18. und 19. Jahrhundert Mitglieder des wohlhabenden Bürgertums dazu auf, das Stadtbild mit ihren Projekten zu prägen. Manche wie Josef Kiebach und Johann Sieberer waren dem Gemeinwohl der Stadt im christlichen Sinn der Nächstenliebe über ihre eigene Villa hinaus in eindrucksvoller Weise verbunden. Der spätere Freiherr Johann von Sieberer kam 1830 in Going bei Kitzbühel als uneheliches Kind zur Welt. Dieser Teil Tirols ist ein Teil des Bistums Salzburg, das Bildungswesen wurde somit ebenfalls von hier aus gesteuert. Der Bischof von Salzburg verbrachte seine freien Tage gerne in den Tiroler Bergen. Bei einer Visite der örtlichen Volksschule bemerkte er einen besonders wiffen Burschen. 1840 wurde Sieberer auf Geheiß des Bischofs im Borromäum zu Salzburg als Singknabe aufgenommen. Der Erzbischof von Salzburg erkannte früh das herausragende Talent und ermöglichte dem Jungen den Besuch des Franziskanergymnasiums in Hall in Tirol. Nach dem Schulabschluss studierte er in Wien Rechtswissenschaften, bevor er in den Dienst der Familie des Bischofs von Salzburg, den Fürsten von Schwarzenberg eintrat. Diese Familie zählte zu den einflussreichsten der österreichischen Aristokratie. Erzherzog Albrecht, in dessen Dienst Sieberer stand, war der Begründer der Wiener Kunstsammlung Albertina. Sieberer arbeitete in der Administration der Industrieanlagen der Familie und lernte auf Reisen durch die Monarchie viele Mitglieder der Aristokratie und des Geldadels der K&K Monarchie kennen. Als er auf Vermittlung Albrechts ab 1860 für die Versicherungsgesellschaft Österreichischer Phönix arbeitete, konnte er diese Kontakte zu Geld machen. Durch den Verkauf hoher Polizzen an Mitglieder der Habsburgerfamilie und andere Adlige kam er zu einem großen Vermögen. In Meidling bei Wien erwarb er seine Privatvilla und legte sein Geld in Zinshäusern in der Hauptstadt an. Trotz seines gesellschaftlichen Aufstiegs und seines Vermögens vergaß Sieberer nie seine Herkunft, weder sein Heimatland Tirol noch die Familie Schwarzenberg.

Mit den gesellschaftlichen Veränderungen nach 1848 begann im städtischen Bereich die traditionelle Großfamilie ihre Rolle als erste Anlaufstelle in Not zu verlieren. Der Staat hatte zwar die Wohlfahrt von der Kirche seit Maria Theresia mehr und mehr übernommen und an die Kommunen ausgelagert, häufig fehlten aber die Mittel dafür. Diese Lücke schloss der streng gläubige und fromme Katholik Sieberer in Innsbruck als eine Art christlicher Mäzen im Sinne der christlichen Nächstenliebe. Wofür Johann von Sieberer vor allem bekannt ist, sind seine großzügigen Stiftungen in Innsbruck. Das Waisenhaus samt einem Fond zur Betreibung sowie das Franz-Joseph-Jubiläums-Greisenasyl gehen auf die Spenden des Menschenfreunds Sieberer zurück. Auch am Umbau der Jesuitenkirche beteiligte er sich. Von 1885 bis zu seinem Tod 1914 ließ Sieberer der Tiroler Landeshauptstadt seine Wohltätigkeit angedeihen. 1909 wurde Sieberer von Bürgermeister Wilhelm Greil zum Ehrenbürger Innsbrucks, 1910 vom Kaiser zum Freiherrn ernannt. In Innsbruck erinnert die Siebererstraße im Stadtteil Saggen an diesen großen Innsbrucker. Ein Denkmal zu Ehren Sieberers war noch zu dessen Lebzeiten geplant. Der Erste Weltkrieg und die darauffolgenden politischen und finanziellen Probleme verhinderten die Errichtung.

Wilhelm Greil: DER Bürgermeister Innsbrucks

Eine der wichtigsten Figuren der Stadtgeschichte war Wilhelm Greil (1850 – 1923). Von 1896 bis 1923 war er Innsbrucker Bürgermeister, nachdem er vorher bereits als Vizebürgermeister tätig war. Greil war selbst als Unternehmer tätig. Er gehörte der "Deutschen Volkspartei" an, die sich als nationale, großdeutsch orientierte Partei aus der liberalen Bewegung herausgeschält hatte. Was uns heute als Widerspruch erscheint, liberal und national, war im 19. Jahrhundert ein politisch übliches und gut funktionierendes Gedankenpaar. Der Pangermanismus war keine politische Besonderheit einer rechtsradikalen Minderheit, sondern eine Strömung der Mitte, die bis nach dem Zweiten Weltkrieg durch fast alle Parteien hindurch in unterschiedlicher Ausprägung Bedeutung hatte. Bedingt durch eine Wahlordnung, die auf das Stimmrecht über Vermögensklassen aufgebaut war, konnten sich große Massenparteien wie die Sozialdemokraten noch nicht durchsetzen. Die Konservativen hatten es, anders als im restlichen Tirol, schwer in Innsbruck, dessen Bevölkerung seit der Zeit Napoleons liberale Morgenluft geschnuppert hatte. Viel mehr waren es eben die von wohlhabenden Bürgern und Unternehmern unterstützten liberalnationalen Politiker, die den politischen Ton Innsbrucks dieser Zeit vorgaben. Politik, öffentliche Verwaltung, Bildung und das Militär sollten zentral, möglichst unter Ausschluss der landbesitzenden Kirche geregelt werden.

Die Amtszeit Greils war dreigeteilt. Sie fiel in die Epoche des Wirtschaftsaufschwungs nach dem Börsenkrach von 1873, den Ersten Weltkrieg und die karge Nachkriegszeit. Diese Epoche war für Innsbruck in vielerlei Hinsicht richtungsweisend. Unter ihm wurde von der Stadt ganz im Sinne des Kaufmanns vorausschauend Grund angekauft, um Projekte zu ermöglichen. Vieles das damals vorangetrieben wurden, gehören heute wie selbstverständlich zum täglichen Leben in Innsbruck, waren um die Jahrhundertwende aber eine echte Revolution. Bereits sein Vorgänger Bürgermeister Heinrich Falk (1840 – 1917) hatte erheblich zur Modernisierung der Stadt und zur Besiedelung des Saggen beigetragen. Wie viele andere europäische Städte erlebte Innsbruck zwischen 1890 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs einen großen Modernisierungsschub. Greil war ein geschickter Politiker, der sich innerhalb der vorgegebenen Machtstrukturen seiner Zeit bewegte. Er wusste sich um die traditionellen Kräfte, die Monarchie und den Klerus geschickt zu manövrieren und sich mit ihnen zu arrangieren. Unter Wilhelm Greil erweiterte sich Innsbruck beträchtlich. Der Politiker Greil konnte sich auf die Beamten und Stadtplaner Eduard Klingler, Jakob Albert und Theodor Prachensky stützen. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war im Allgemeinen von einem nie dagewesenen Wirtschaftswachstum und einer rasenden Modernisierung gekennzeichnet. Die Wirtschaft der Stadt boomte. Betriebe in Pradl und Wilten gründeten sich und lockten Arbeitskräfte an. Auch der Tourismus brachte frisches Kapital in die Stadt. Greil konnte sich bei dieser Innsbrucker Renaissance auf der Stadt geneigte Mäzen aus dem Bürgertum stützen. Freiherr Johann von Sieberer (103) stiftete das Greisenasyl und das Waisenhaus im Saggen. Leonhard Lang stiftete das Gebäude, das vorher als Hotel genutzt wurde, in das das Rathaus von der Altstadt 1897 übersiedelte, gegen das Versprechen der Stadt ein Lehrlingsheim zu bauen. Neben den Villen im Saggen entstanden auch die Wohnhäuser im östlichen Teil des Stadtviertels. Infrastrukturprojekte wie das neue Rathaus in der Maria-Theresienstraße 1897, die Hungerburgbahn 1906 und die Karwendelbahn, die Innsbruck bis heute mit Seefeld verbindet, wurden umgesetzt. Andere Projekte waren die Erneuerung des Marktplatzes und der Bau der Markthalle. Wilhelm Greil veranlasste die Übernahme des Gaswerks in Pradl und des Elektrizitätswerks in Mühlau in städtischen Besitz. Unter ihm erfolgte die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf elektrisches Licht. Seit 1859 war die Beleuchtung der Stadt mit Gasrohrleitungen stetig vorangeschritten. Nun war es an der Zeit, dass auch in Innsbruck Elektrizität Einkehr hielt. Die Berufsfeuerwehr Innsbruck entstand 1899. In seinen letzten Amtsjahren begleitete Greil Innsbruck am Übergang von der Habsburgermonarchie zur Republik durch Jahre, die vor allem durch Mittelknappheit geprägt waren. 1928 verstarb der verdiente Altbürgermeister als Ehrenbürger der Stadt Innsbruck im Alter von 78 Jahren. Die Wilhelm-Greil-Straße wurde noch zu seinen Lebzeiten nach ihm benannt.