Palais Fugger-Taxis

Maria-Theresienstraße 45

Wissenswert

Die Namen Fugger und Taxis stehen für frühe Globalisierung, Kapitalismus und eine Veränderung in der Welt der Kommunikation und Medien. Mit den Fuggern und den Thurn und Taxis beherbergte das Palais Mitglieder von zwei der bedeutendsten Familien der frühen Neuzeit, die in Innsbruck ihren Geschäften nachgingen. Würde man heutige Maßstäbe anlegen, müsste man die Familien Warren Buffetts und Mark Zuckerbergs bemühen, um einen adäquaten Vergleich zu haben. Das Palais Fugger-Taxis zeugt gleichermaßen von den Veränderungen, die die Welt ab 1500 nahm wie von der zunehmenden Bedeutung Innsbrucks als Residenzstadt der Habsburger.

Viele einflussreiche Aristokraten ließen sich im 16. und 17. Jahrhundert in der Neustadt ihre Palazzi errichten, um möglichst nahe am Hof des Tiroler Landesfürsten zu sein. Innsbruck hatte zwar ein wenig an Ansehen verloren seit den Tagen Maximilians, war aber noch immer eine der wichtigsten Städte des Heiligen Römischen Reichs. Nach einem Brand ließ der kaiserliche Geheimrat Graf Hans Otto Fugger ein Palais planen, das alle anderen Stadtpaläste in den Schatten stellen sollte. Wer wenn nicht er sollte sich das leisten können, kam er doch aus der Kaufmannsippe der Augsburger Fugger, einer der reichsten Familien Europas der frühen Neuzeit. Johann Martin Gumpp der Ältere wurde für die Planung engagiert. Zum Vorbild nahm er sich ganz im Chic der Zeit das Genueser Stadtpalais. Der 1679 eröffnete Palast nahm wie die meisten in Innsbruck beim großen Erdbeben von 1689 erheblichen Schaden. Über Heirat kam das Gebäude an die Familie von Welsberg, die es in den folgenden Jahren vermietete. 1784 kaufte Joseph Sebastian von Thurn und Taxis das Palais Fugger, um es als Wohnhaus und Poststation zu verwenden. Das Adelsgeschlecht der Thurn und Taxis war eine der wichtigsten Dynastien ihrer Zeit. Über die Einführung des Postwesens brachten sie es zu Ruhm, Ehre und Vermögen im Kaiserreich. 1905 ging das nunmehrige Palais Fugger-Taxis in den Besitz des Landes Tirol über, um darin Amtsräume des Landhauses unterzubringen. Die Amtsräume wanderten nach Fertigstellung des Landhauses 1938 in den Neubau ums Eck. Heute befindet sich im Gebäude eine Kunsthalle mit wechselnden Ausstellungen moderner Kunst.

Thurn und Taxis und die Erfindung der Post

Das 20. und 21. Jahrhundert gilt als das Informationszeitalter. Das Internet revolutionierte beinahe jeden Aspekt des Lebens. Auch die großen Veränderungen, die sich um 1500 abspielten, hatten viel mit neuen Möglichkeiten der Nachrichtenverbreitung zu tun. Produktion und Verteilung von Nachrichten, Neuigkeiten und Ideen revolutionierten sich dank zweier Innovationen. Mit dem Buchdruck war die Vervielfältigung von Information einfacher geworden. Ungefähr zur selben Zeit begann sich im Heiligen Römischen Reich ein effizienteres Postwesen zu etablieren. Die Geschichte der Familie Taxis, die diesen Postdienst in Szene setzte, ist ein Beispiel für die Entwicklungsmöglichkeiten, die die frühe Neuzeit um 1500 bot. Sie ist eng mit den Habsburgern und der Stadt Innsbruck verbunden, das unter Kaiser Maximilian für kurze Zeit nicht nur Residenzstadt, sondern die europäische Postzentrale war.

Die Taxis waren ein lombardisches Geschlecht aus dem niederen Adel. Bereits im 13. Jahrhundert hatte Omodeo de Tasso in Norditalien einen Kurierdienst zwischen den großen italienischen Städten eingerichtet. Ein einigermaßen funktionierendes, länderübergreifendes Postwesen, wie es bereits im antiken Rom existiert hatte, gab es im Mittelalter nicht. Das größer werdende Reich unter Maximilian, das von den Niederlanden über Augsburg und Regensburg bis nach Wien reichte benötigte eine möglichst effiziente Kommunikation. Er engagierte dafür die Compania de Tassis die für den Kaiser eine eigene dauerhafte Stafettenlinie mit Infrastruktur und Personal einrichteten. Die Brüder Janetto, Francesco sowie Giovanni Battista de Tassis, zu Deutsch Franz und Johann Baptist von Taxis, wurden von Maximilian I. zu Reichspostmeistern gemacht. Der Kaiser wollte sich deren Erfahrungen zu Nutze machen, um sein Riesenreich informationstechnisch zu verbinden.

In 20 – 40 km Abstand wurden Stationen, sogenannte Posten, eingerichtet, auf denen Boten und Pferde wechselten, um die Auslieferzeiten der Nachrichten zu verkürzen. Innsbruck wurde zur ersten modernen Postzentrale im Habsburgerreich der Frühen Neuzeit. Die Lage am Fuße des Brennerpasses war nun nicht nur für den Handel ausschlaggebend, auch Informationen wurden entlang dieser Route ausgetauscht. Die erste Linie führte ab 1489 von Innsbruck nach Mechelen. Bald war die Route zwischen den Niederlanden nach Italien als Deutsche Route bekannt. Mit der Post kam auch weitere Verwaltung nach Innsbruck. Die Stadt war Sammelplatz für die Hofpost, die dem Kaiser von hier aus an seinen jeweiligen Standort nachgeschickt wurde. Die Hofkanzlei sammelte in Innsbruck das Archiv mit dem Schriftverkehr und den Büchern der Kammerverwaltung. Die Nachrichten, die sogenannten Zeitungen, die zwischen den einzelnen Verfassern und Empfängern hin- und hergeschickt wurden, bedurften des Berufsstandes der Novellanten, die die Neuigkeiten er- und verfassten.

Wenige Jahre nach Maximilians Tod öffnete sich der Kurierdienst der Taxis auch für private Post. Der Habsburger war ein säumiger Zahler gewesen, die Kosten mussten gedeckt werden. Auch die Personenbeförderung wurde als Service angeboten. Zum einen konnte man so die Kosten für seinen Dienst senken, zum anderen konnte man seinerseits andere Teilnehmer des Postsystems ausspionieren. Die Postmeister fungierten auch als eine Art Geheimdienst. Gegenreformation und Militär nutzten den Postdienst für ihre Zwecke. In den einzelnen Poststellen gab es Schwarze Kammern, in denen verdächtige Briefe geöffnet wurden.

Mit dem Anwachsen des Habsburgerreiches nach der Expansion der Habsburger wuchs auch der Stafettendienst der Taxis. 1505 vergab Philipp I. von Spanien auch auf der iberischen Halbinsel an die bewährten Dienstleister. Nach den italienischen Eroberungen unter Karl V. kontrollierten die Habsburger auch große Teile Norditaliens. Von Spanien bis nach Ungarn, von Mailand bis Brüssel reichte das Informationsnetzwerk.

Durch die Kontrolle der europäischen Kommunikation kamen die Taxis zu Macht, Einfluss und Reichtum. Seit 1650 nannte sich das Geschlecht Thurn und Taxis. Vom alten Tasso, zu Deutsch Dachs, war nichts mehr übriggeblieben. Erst mit der Zentralisierung und dem neuen Staatsverständnis der Aufklärung des 17. Jahrhunderts begann ihr Stern zu sinken. 1769 wurde das Postregal der Familie Taxis für Vorderösterreich aufgehoben. Die Umwälzungen der Napoleonischen Kriege brachten weitere Änderungen mit sich. Als das Heilige Römische Reich 1806 aufgelöst wurde, konnten die Thurn und Taxis nur noch in einigen deutschen Fürstentümern das Postwesen für sich beanspruchen. Die Dienstleistung wurde mehr und mehr von monopolisiert. Postämter wurden zu Symbolen der Durchdringung der Staatsgewalt im öffentlichen Raum. 1908 wurde in der Maximilianstraße in Innsbruck die neue Hauptpost nach den Plänen Natale Tommasis errichtet. Ähnlich wie bei Bahnhöfen unterschied sich die Architektur des Gebäudes nicht von anderen großen Poststellen innerhalb des Habsburgerreiches. Wer als Untertan Kaiser Franz Josefs I. seine Postgeschäfte erledigte, sollte dies in der gesamten Monarchie zwischen Trient und Lemberg im selben Look and Feel tun können.

Nach dem Ersten Weltkrieg verloren die Thurn und Taxis das Adelsprivileg. Viele der Schlösser, Besitztümer und Palazzi in ganz Europa sind bis heute aber noch im Besitz der Familie. Bis 1969 bestand gegenüber der Hauptpost die Alte Post, die zeitweise auch im Besitz der Familie Thurn und Taxis war. Seit der Jahrtausendwende geht es dem Postwesen wie der Familie Taxis. Versand- und Kurierdienste gehen mehr und mehr in private Hand über. Das staatlich-monopolisierte Postwesen des 20. Jahrhunderts war vielleicht nur ein kurzes Intermezzo. Anders als die Familie Taxis müssen sich DHL, UPS & CO aber mit schnödem Mammon trösten und werden nicht in den Adelsstand erhoben. Das Palais Fugger-Taxis in Innsbruck hingegen erinnert bis heute an die Postmeister des Kaisers.

Jakob Fugger: der reichste Mann der Geschichte

Es gibt wohl kaum eine ungekrönte Person, die größeren Einfluss auf die Geschichte Europas bis ins 20. Jahrhundert hatte als Jakob Fugger (1459 - 1525). Nicht nur deckt sich seine Lebenszeit mit der Kaiser Maximilians, die Schicksale der beiden Männer hingen eng aneinander. Auch die Geschichte Tirols wurde vom bedeutendsten Finanzmagnaten seiner Zeit bestimmt.

Jakob Fugger entstammte einer Augsburger Kaufmannsfamilie. Die Ankunft des Stammvaters der Familie wurde im Steuerbuch Augsburgs unter „Fucker advenit“ vermerkt. Im 15. Jahrhundert entstand nach und nach ein Fugger´sches Handelsnetzwerk aus Faktoreien. Die Kaufleute gründeten für ihr Textilunternehmen Faktoreien in Venedig, Bozen, Mailand, Nürnberg, Frankfurt, Brügge und Antwerpen. Faktoreien waren ein multifunktioneller Mix aus Verkaufsfläche, Finanzniederlassung, Pferdestation, Lagerhaus, Post- und Nachrichtenstelle und diplomatischer Vertretung. Dieses System war aus Norditalien über die Alpen geschwappt. In der Region zwischen Florenz, Venedig und Mailand war eine frühe Form des Finanzkapitalismus entstanden. Das Bankwesen begann im Spätmittelalter hier seinen Siegeszug durch Europa. Kaufleute, die nicht Unmengen an Bargeld mit sich führen wollten, benötigten sogenannte Wechsel, um ihre Transaktionen durchführen zu können. In den bedeutenden Handelsstädten begannen sie deshalb Kontoreien aufzubauen. Auch in Innsbruck hatten italienische Finanzinstitute seit dem Hochmittelalter Niederlassungen.

Jakob und seine Brüder handelten in guter Familientradition zuerst ebenfalls Baumwolle mit den wohlhabenden norditalienischen Städten. In Venedig, dem Finanzzentrum des östlichen Mittelmeerraumes, lernte Jakob Fugger die Kunst der doppelten Buchführung und die Feinheiten der fortschrittlichen italienischen Finanzwirtschaft kennen. Er erkannte, dass mit Geldgeschäften und Krediten mehr zu verdienen war als mit Baumwolle. Die Monarchen und Aristokraten Europas finanzierten ihren Hofstaat und Kriege im Mittelalter über den Zehnten. Diese Abgabe wurde von den Bauern innerhalb des Feudalsystems geleistet. Besonders die Kriegsführung war, angetrieben durch moderne Schusswaffen, im 15. Jahrhundert immer kostspieliger geworden. Deshalb reichte der Zehent oft nicht mehr aus. Die Legitimation als Stellvertreter Gottes auf Erden hatte für Monarchen bis hierher funktioniert, um 1500 begannen klingende Münze und Zinsen in Form des Finanzkapitalismus langsam, aber sicher Gott als letztgültige Instanz abzulösen.

Die Verbindung Jakob Fuggers mit dem Hause Habsburg und im Speziellen mit Tirol begann sich 1487 zu intensivieren. Der Tiroler Landesfürst Siegmund unterlag in einer kriegerischen Auseinandersetzung der Republik Venedig. Um seine Schulden gegenüber der Mittelmeermacht in Höhe von 100.000 Gulden zu bezahlen, lieh er sich Geld von den Fuggern. Dafür stellte er Schuldscheine aus, die er durch die Verpfändung der Schwazer Silbermine an seine Kreditgeber deckte. Schwaz war vor der Erschließung der amerikanischen Silberminen die größte der Welt. Die Fugger verkauften das Schwazer Silber an die Münze Hall, deren Betreiber sie ebenfalls waren, und liehen diese Münzen wiederum Herzog Siegmund. Ein Kreislauf der besonderen Art war geboren.

Damit endete der politische Einfluss der Fugger auf die Weltpolitik aber nicht. Als 1490 die Tiroler Landstände Siegmund wegen seines desaströsen Geschäftsgebarens absetzten, folgte ihm Maximilian I. als Landesfürst Tirols nach. Fugger war klug genug auf den neuen Landesfürsten zu setzen. Das Wort Kredit, zurückgehend auf das lateinische credere, also glauben, zeigt sich in dieser Wahl. Fugger glaubte an einen mächtigen Maximilian als sein bestes Asset. Er finanzierte 1493 die Wahl Maximilians zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und sicherte sich damit seinen Einfluss und eine Erhebung in den Adelsstand. Fugger war es auch, der die Wiener Doppelhochzeit, Maximilians Meisterstück der Heiratspolitik, sponsorte, womit Ungarn ein Teil des Habsburgerreiches wurde. Als Maximilian 1519 starb, wiederholte Fugger dies und ließ über seine Finanzkraft Maximilians Enkel Karl V. zum Kaiser wählen. Ein Kredit von 540.000 Gulden ging von den Fuggern an die Habsburger, um damit Werbe- und Bestechungsgelder zu begleichen. Karl V. räumte Fugger dafür Rechte an Bergwerken in Spanien und Südamerika ein, auf denen Sklaven unter menschenverachtenden Bedingungen zu arbeiteten, um dieses Rad an Ausbeutung und Korruption am Laufen zu halten

Geschätzte zwei Millionen Gulden an Krediten räumten die Fugger den Habsburgern allein zwischen 1487 und 1525 ein. Ein Gulden entsprach 60 Kronen. Ein Tagelöhner verdiente zu dieser Zeit etwa 6 Kronen. Man hätte mit dieser Summe knapp 55.000 Menschen für ein Jahr täglich beschäftigen können. Ein großer Teil dieser Schulden wurde mit Nutzungsrechten an Tiroler Assets und erhöhten Steuern beglichen. Es wird geschätzt, dass das Finanzimperium Fuggers zum Zeitpunkt seines Todes etwa 50% des Staatshaushalt Tirols abwickelten und 10% der Vermögenswerte des Heiligen Römischen Reiches besaßen. Seine Beamten verwalteten Minen in Tirol, Tschechien, der Slowakei und Spanien, finanzierten Handelsexpeditionen in der gesamten damals bekannten Welt und zahlreiche Kriege in Europa. Manchem Historiker gilt Jakob Fugger als der reichste Mann der Weltgeschichte. Wie hoch sein Vermögen war, ist schwer in heutige Maßstäbe umzurechnen. Als die FAZ 2016 einen Versuch unternahm, kam sie auf 300 Milliarden Dollar. Jakob Fugger war wie Maximilian I. gleichzeitig Machtmensch und gebildeter, frommer Katholik. Korruption, Ausbeutung, die Finanzierung von Kriegen und aus Gottesfurcht und Angst vor dem Fegefeuer die Fuggerei, die erste Sozialsiedlung der Welt in Augsburg, zu gründen, schloss sich nicht aus.

In Innsbruck erinnern das Palais Fugger-Taxis sowie eine kleine Gasse zwischen Maria-Theresien-Straße und Landhausplatz an die Fugger. Auf die Art und Weise, wie die Kaufmannsdynastie zu Reichtum kam, wird nicht hingewiesen.

Innsbruck - Stadt der Bürokraten und Beamten

Innsbruck brüstet sich voll Stolz seiner vielen Titulierungen. Universitätsstadt, Österreichs Hauptstadt des Sportes oder Heimat des weltbesten Krankenhauses. Wirft man einen Blick auf die Liste der größten Arbeitgeber der Region oder in die Geschichte, ist Innsbruck vor allem eins: Beamtenstadt. Universität und Landeskrankenhaus sind die größten singulären Arbeitgeber. Rechnet man aber die öffentlichen Bediensteten aller Ebenen, Stadt, Land und Bund zusammen und nimmt die ausgelagerten Unternehmen im Besitz der öffentlichen Hand wie die ÖBB, TIWAG oder die Innsbrucker Kommunalbetriebe hinzu sowie Lehrer und Polizei, sind die Beamten klar in der Überzahl. Spätestens seit der Übersiedlung der landesfürstlichen Residenz unter Friedrich IV. machte die Beamtenschaft nicht nur einen beträchtlichen quantitativen Teil der Bürgerschaft aus, sie bestimmt die Geschicke der Stadt in einflussreicher, wenn auch unauffälliger Manier. Bis heute sind es Beamten, die den Laden am Laufen halten. Sie setzen Gesetze durch, kümmern sich um die Planung und Instandhaltung von Infrastruktur, machen eifrig Aufzeichnungen über die Bevölkerung, um Steuern ein- und Soldaten auszuheben.

Die erste nennenswerte Bürokratie kam wohl mit dem Imperium Romanum. Den Römern folgten die Brüder des Stiftes Wilten im Mittelalter. Die schreibkundigen Männer verwalteten nicht nur die herzoglichen und eigenen Besitztümer durch ihre Urbare und hoben die Abgaben bei den bäuerlichen Untertanen ein, sondern legten Taufmatrikel, Heiratsverzeichnisse und Sterbebücher an. Die Feudalherrschaft erforderte zwar einen Panoramablick über das, was sich innerhalb ihres Herrschaftsbereichs abspielte, vor allem in der Stadt war das Leben aber eher von den Beschränkungen der Zünfte als von denen der Obrigkeit bestimmt. Es gab Gesetze, aber keine Polizei, Steuern aber kein Finanzamt. Städtische Infrastruktur war praktisch nicht vorhanden, schließlich gab es weder fließend Wasser, elektrischen Strom, Kanalisation, städtische Kindergarten, ein Arbeitsamt oder eine Krankenkasse. Die zur Stadt erhobene Gemeinde Innsbruck wurde lange von einem Stadtrichter, ab dem 14. Jahrhundert von einem Bürgermeister mit Gemeinderat regiert. Es handelte sich dabei nicht um hauptberufliche Beamte, sondern Mitglieder der städtischen Elite.

Im 15. Jahrhundert wurden Berufswelt und Gesellschaft differenzierter, die Heere größer und die Steuerbelastungen höher. Das traditionelle Gewohnheitsrecht wurde vom modernen, für Unkundige schwerer durchschaubaren Römischen Recht abgelöst. Mit der Stadt wuchs auch der Beamtenapparat. Hofstaat, Verwaltung, Zoll, Steuern, Fernhandel und Finanzwirtschaft benötigten schreibkundiges Personal. Wenn überhaupt kamen die Bürger mit diesen fremden Beamten nur in unangenehmen Situationen in Berührung. Besonders straff wurden die Zügel von Maximilian I. angezogen. Seine zentral beschlossenen Gesetze wurden von den Reichskreisen lokal umgesetzt. Die besoldeten Beamten durchdrangen das Leben des Einzelnen in einer Art und Weise, die es im Mittelalter so nicht gab.

Zu allem Übel kamen die Beamten oft aus dem Ausland. Besonders Italiener und Burgunder waren gefragte Schlüsselarbeitskräfte, die aber mit der einheimischen Bevölkerung fremdelten. Nicht nur sprachen sie oft kein Deutsch, sie konnten lesen und schreiben, waren Angestellte und keine untertänigen Landwirten und hatten mehr Geld zur Verfügung. Sie kleideten sich anders, hatten andere Sitten und aßen andere Speisen. Anders als der Landesfürst beriefen sie sich nicht auf Gott, sondern auf von Menschen geschriebene, von der Antike und der Vernunft inspirierte Regelwerke. Je nach Mode, Sitte und Moralvorstellung der Zeit, änderten sich die Gesetze. So wie Naturschutz  oder Tempolimits auf Autobahnen heute immer wieder zur Diskussion gestellt werden obwohl sie Sinn machen, wurden damals Verbote von Ausspucken, Entsorgung des Nachttopfes, Holzbauten und Viehhaltung innerhalb der Stadtmauern kritisch gesehen, obwohl sie Hygiene und Sicherheit drastisch erhöhten.

War es lange Sitte gewesen, dass Bürger sich in Abwesenheit des Regenten gewisse Freiheiten bei der Holzschlägerung, dem Bauwesen, der Jagd und der Fischerei herausnahmen, war die Bürokratie immer anwesend. Während der Landesfürst als guter Vater seiner Untertanen gesehen wurde und Bischöfe und Äbte zwar strenge Grundherren waren, aber als Gegenleistung zumindest Seelenheil anbieten konnten, erschienen die neue Amtsgewalt anonym, abgehoben, gesichtslos, fremd und distanziert. Die Verhandlungsbasis, die man im direkten Kontakt als Untertan mit seinem Grundherrn hatte, wurde vom gnadenlosen Gesetz beerdigt, zumindest wenn man keine Bestechungsgelder bezahlen konnte oder niemand in höherer Position kannte. Als der unbedingte Glaube an den immer korrupter werdenden Klerus zu bröckeln begann und Ferdinand I. den Spanier Salamanca als obersten Finanzverwalter des Landes einsetzte, verwandelte sich das unterschwellige unzufriedene Brodeln 1525 in eine offene Rebellion. Die Untertanen forderten nicht die Absetzung des Fürsten, sondern eine Veränderung der Herrschaft des Klerus und der fremdländischen Beamtenschaft. Auch im 17. Jahrhundert war es mit Wilhelm Biener der oberste Beamte des Landes, dessen Kopf rollte und nicht der des Landesherrn.

Dabei barg die Bürokratie, die Herrschaft der Verwaltung, durchaus auch Vorteile für die Untertanen. Sie setzte fixe Regeln dort ein, wo oft Willkür herrschte. Das über unterschiedliche Territorien harmonisierte Gesetz war berechenbarer. Und man konnte mit etwas Glück und Talent auch ohne dem Adel anzugehören sozial durch den Dienst für die öffentliche Hand sozial aufsteigen. Michael Gaismair, einer der Anführer der Rebellion von 1525, war als Sohn eines Bergwerksunternehmers vor seiner Karriere als Revolutionär in Diensten des Landeshauptmanns gestanden.

Die nächste Modernisierung der Verwaltung erfolgte im 18. Jahrhundert. Unter den aufgeklärten, absolutistischen Monarchen Maria Theresia und Josef II. wehte ein neuer Wind bis hin zur Kommunalebene. Innsbruck erhielt erstmals eine Polizei. Die Stadtverwaltung wurde 1784 modernisiert. Anstelle des alten Stadtrats mit Gemein regierte nun ein von einem Rat, vor allem aber von Beamten unterstützter Bürgermeister. Dieser Magistrat bestand aus besoldeten Experten, die zwar immer noch vorwiegend aus Mitgliedern des Kleinadels bestanden, sich nun aber durch Prüfungen für die Ausübung ihres Amtes qualifizieren mussten. Die Bürokratie erhielt auf operativer politischer Ebene mehr Macht. Während der Bürgermeisterposten zeitlich begrenzt war, kamen Beamte in den Genuss einer lebenslangen, unkündbaren Stellung. Diese Pragmatisierung und ein neuerlicher Schwall an neuen, oftmals den Traditionen widersprechenden Gesetzen, verstärkten den Ruf der Beamten, abgehoben und bürgerfern zu sein. Als mit der bayerischen Besetzung Tirols das Element des ausländischen, noch dazu nach französischem Vorbild, dazukam, brach 1809 erneut ein Aufstand aus. Die Massenaushebung junger Männer für den Militärdienst, eine Reglementierung des religiösen Lebens und eine Impfpflicht, durchgesetzt von bayerischen Beamten, war zu viel für die Tiroler Seelenlandschaft.

Nach 1809 hielt die Bürokratie im Rahmen der Industrialisierung und neuen Technologien in immer mehr Lebensbereichen Einzug. Nicht nur das Staatswesen über Steuern und Militär, auch Universität, Schulen, Bauwesen, Eisenbahn, Post und Institutionen wie die Kammer für Handel und Gewerbe bedurften Verwaltungsmitarbeitern. Die Stadt wuchs was Einwohner und Unternehmen anbelangte. Neue Infrastruktur wie Gas, Kanalisation und Elektrizität und neue Vorstellungen was Hygiene, Lebensmittelkontrolle, Gesundheit und Bildung anbelangte, verlangten nach neuen Mitarbeitern im Stadtmagistrat. Das alte Rathaus in der Altstadt wurde zu klein. Eine angedachte Erweiterung erwies sich als unmöglich. 1897 übersiedelten die Beamten in das Neue Rathaus in der Maria-Theresien-Straße. Die Tiroler Landesregierung mit den diversen Ämtern fand 1905 im Palais Fugger-Taxis für kurze Zeit eine neue Heimstätte, bevor sie ins Gauhaus am Landhausplatz zog.

Als 1918 die Monarchie zusammenbrach, war der Übergang nicht nahtlos, dank der Strukturen verlief er aber unvorstellbar glatt. Es war aber nicht mehr der Kaiser, der die Last des Staates trug, sondern eine Heerschar an Staatsbediensteten und Hütern der Ordnung, die für Wasser, Strom und ein funktionierendes Eisenbahnnetz sorgten. Mit Eduard Klingler und Theodor Prachensky hinterließen zwei Bauamtsleiter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihre bis heute gut sichtbaren Spuren im Innsbrucker Stadtbild. Die Republik übernahm mit Agenden wie dem öffentlichen Wohnbau, dem Arbeitsamt, dem Bildungswesen, der städtischen Infrastruktur, Straßenbau, öffentlichem Verkehr bis hin zu Meldewesen und Hochzeit mehr oder minder alle Aufgaben des täglichen Lebens von Monarchie und Kirche. Wer sich also beim nächsten Besuch im Neuen Rathaus über überbordendes Beamtentum und quälend langsame Bürokratie ärgert, dem sei in Erinnerung gerufen, dass der Wohlfahrtsstaat in Person seiner Staatsdiener von der Wiege bis zur Bahre das soziale Auskommen und öffentliche Infrastruktur Tausender Menschen meist unbemerkt managet.

Barock: Kunstrichtung und Lebenskunst

Wer in Österreich unterwegs ist, kennt die Kuppen und Zwiebeltürme der Kirchen in Dörfern und Städten. Diese Form der Kirchtürme entstand in der Zeit der Gegenreformation und ist ein typisches Kennzeichen des Architekturstils Barock. Auch in Innsbrucks Stadtbild sind sie vorherrschend. Die bekanntesten Gotteshäuser Innsbrucks wie der Dom, die Johanneskirche oder die Jesuitenkirche, sind im Stile des Barocks gehalten. Prachtvoll und prunkvoll sollten Gotteshäuser sein, ein Symbol des Sieges des rechten Glaubens. Die Religiosität spiegelte sich in Kunst und Kultur wider: Großes Drama, Pathos, Leiden, Glanz und Herrlichkeit vereinten sich zum Barock, der den gesamten katholisch orientierten Einflussbereich der Habsburger und ihrer Verbündeten zwischen Spanien und Ungarn nachhaltig prägte.

Das Stadtbild Innsbrucks veränderte sich enorm. Die Gumpps und Johann Georg Fischer als Baumeister sowie die Bilder Franz Altmutters prägen Innsbruck bis heute nachhaltig. Das Alte Landhaus in der Altstadt, das Neue Landhaus in der Maria-Theresien-Straße, die unzähligen Palazzi, Bilder, Figuren – der Barock war im 17. und 18. Jahrhundert das stilbildende Element des Hauses Habsburg und brannte sich in den Alltag ein. Das Bürgertum wollte den Adeligen und Fürsten nicht nachstehen und ließen ihre Privathäuser im Stile des Barocks errichten. Auf Bauernhäusern prangen Heiligenbilder, Darstellungen der Mutter Gottes und des Herzen Jesu.

Barock war nicht nur eine architektonische Stilrichtung, es war ein Lebensgefühl, das seinen Ausgang nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges nahm. Die Türkengefahr aus dem Osten, die in der zweimaligen Belagerung Wiens gipfelte, bestimmte die Außenpolitik des Reiches, während die Reformation die Innenpolitik dominierte. Die Barockkultur war ein zentrales Element des Katholizismus und der politischen Darstellung derselben in der Öffentlichkeit, das Gegenmodell zum spröden und strengen Lebensentwurf Calvins und Luthers. Feiertage mit christlichem Hintergrund wurden eingeführt, um den Alltag der Menschen aufzuhellen. Architektur, Musik und Malerei waren reich, füllig und üppig. In Theaterhäusern wie dem Comedihaus in Innsbruck wurden Dramen mit religiösem Hintergrund aufgeführt. Kreuzwege mit Kapellen und Darstellungen des gekreuzigten Jesus durchzogen die Landschaft. Die Volksfrömmigkeit in Form der Wallfahrten, Marien- und Heiligenverehrung hielt Einzug in den Kirchenalltag.

Die Barockfrömmigkeit wurde auch zur Erziehung der Untertanen eingesetzt. Auch wenn der Ablasshandel in der Zeit nach dem 16. Jahrhundert keine gängige Praxis mehr in der katholischen Kirche war, so gab es doch noch eine rege Vorstellung von Himmel und Hölle. Durch ein tugendhaftes Leben, sprich ein Leben im Einklang mit katholischen Werten und gutem Verhalten als Untertan gegenüber der göttlichen Ordnung, konnte man dem Paradies einen großen Schritt näherkommen. Die sogenannte Christliche Erbauungsliteratur war nach der Schulreformation des 18. Jahrhunderts in der Bevölkerung beliebt und zeigte vor, wie das Leben zu führen war. Das Leiden des Gekreuzigten für die Menschheit galt als Symbol für die Mühsal der Untertanen auf Erden innerhalb des Feudalsystems. Mit Votivbildern baten Menschen um Beistand in schweren Zeiten oder bedankten sich vor allem bei der Mutter Gottes für überstandene Gefahren und Krankheiten. Tolle Beispiele dafür finden sich an der östlichen Fassade der Basilika in Wilten.

Der Historiker Ernst Hanisch beschrieb den Barock und den Einfluss, den er auf die österreichische Lebensart hatte, so:

Österreich entstand in seiner modernen Form als Kreuzzugsimperialismus gegen die Türken und im Inneren gegen die Reformatoren. Das brachte Bürokratie und Militär, im Äußeren aber Multiethnien. Staat und Kirche probierten den intimen Lebensbereich der Bürger zu kontrollieren. Jeder musste sich durch den Beichtstuhl reformieren, die Sexualität wurde eingeschränkt, die normengerechte Sexualität wurden erzwungen. Menschen wurden systematisch zum Heucheln angeleitet.

Die Rituale und das untertänige Verhalten gegenüber der Obrigkeit hinterließen ihre Spuren in der Alltagskultur, die katholische Länder wie Österreich und Italien bis heute von protestantisch geprägten Regionen wie Deutschland, England oder Skandinavien unterscheiden. Die Leidenschaft für akademische Titel der Österreicher hat ihren Ursprung in den barocken Hierarchien. Der Ausdruck Barockfürst bezeichnet einen besonders patriarchal-gönnerhaften Politiker, der mit großen Gesten sein Publikum zu becircen weiß. Während man in Deutschland politische Sachlichkeit schätzt, ist der Stil von österreichischen Politikern theatralisch, ganz nach dem österreichischen Bonmot des „Schaumamal“.

Die Baumeister Gumpp und die Barockisierung Innsbrucks

Die Werke der Familie Gumpp bestimmen bis heute sehr stark das Aussehen Innsbrucks. Vor allem die barocken Teile der Stadt sind auf sie zurückzuführen. Der Begründer der Dynastie in Tirol, Christoph Gumpp (1600-1672) war eigentlich Tischler. Sein Talent allerdings hatte ihn für höhere Weihen auserkoren. Den Beruf des Architekten oder Künstler gab es zu dieser Zeit noch nicht, selbst Michelangelo und Leonardo da Vinci galten als Handwerker. Der gebürtige Schwabe Gumpp trat nach seiner Mitarbeit an der Dreifaltigkeitskirche in die Fußstapfen der italienischen Baumeister, die unter Ferdinand II den Ton angegeben hatten. Auf Geheiß Leopolds V. reiste Gumpp nach Italien, um dort Theaterbauten zu studieren und bei den zeitgenössisch stilbildenden Kollegen sein Know-How für das geplante landesfürstliche Comedihaus aufzupolieren.

Seine offizielle Tätigkeit als Hofbaumeister begann 1633. Neue Zeiten bedurften eines neuen Designs, abseits des architektonisch von der Gotik geprägten Mittelalters und den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges. Über die folgenden Jahrzehnte wurde Innsbruck unter der Regentschaft Claudia de Medicis einer kompletten Renovierung unterzogen. Gumpp vererbte seinen Titel an die nächsten beiden Generationen innerhalb der Familie weiter. Die Gumpps traten nicht nur als Baumeister in Erscheinung. Sie waren Tischler, Maler, Kupferstecher und Architekten, was ihnen erlaubte, ähnlich der Bewegung der Tiroler Moderne rund um Franz Baumann und Clemens Holzmeister Anfang des 20. Jahrhunderts, Projekte ganzheitlich umzusetzen. Auch bei der Errichtung der Schanzwerke zur Landesverteidigung während des Dreißigjährigen Krieges waren sie als Planer beteiligt.

Christoph Gumpps Meisterstück aber war die Errichtung des Comedihaus im ehemaligen Ballhaus. Die überdimensionierten Maße des damals richtungsweisenden Theaters, das in Europa zu den ersten seiner Art überhaupt gehörte, erlaubte nicht nur die Aufführung von Theaterstücken, sondern auch Wasserspiele mit echten Schiffen und aufwändige Pferdeballettaufführungen. Das Comedihaus war ein Gesamtkunstwerk an und für sich, das in seiner damaligen Bedeutung wohl mit dem Festspielhaus in Bayreuth des 19. Jahrhunderts oder der Elbphilharmonie heute verglichen werden muss.

Seine Nachfahren Johann Martin Gumpp der Ältere, Georg Anton Gumpp und Johann Martin Gumpp der Jüngere waren für viele der bis heute prägendsten Gebäude im Stadtbild zuständig. So stammen die Wiltener Stiftskirche, die Mariahilfkirche, die Johanneskirche und die Spitalskirche von den Gumpps. Neben dem Entwurf von Kirchen und ihrer Arbeit als Hofbaumeister machten sie sich auch als Planer von Profanbauten einen Namen. Viele der Bürgerhäuser und Stadtpaläste Innsbrucks wie das Taxispalais oder das Alte Landhaus in der Maria-Theresien-Straße wurden von Ihnen entworfen. Mit dem Verlust des Status als Residenzstadt gingen die prunkvollen Großaufträge zurück und damit auch der Ruhm der Familie Gumpp. Ihr ehemaliges Wohnhaus beherbergt heute die Konditorei Munding in der Altstadt. Im Stadtteil Pradl erinnert die Gumppstraße an die Innsbrucker Baumeisterdynastie.