Wissenswert

Etwas oberhalb des Brenners entspringt auf über 2300 m Höhe der Vennebach. Nach einem kurzen Stopover neben der Autobahn im Brennersee fließt sein eiskaltes Wasser, nun unter seinem bekannteren Namen Sill, Richtung Innsbruck. Unterwegs versorgen mehrere Bäche und Flüsse aus den alpinen Seitentälern die Sill und lassen sie zu ansehnlicher Dimension anschwellen. Zwischen Gärberbach und dem Stift Wilten formte der Fluss eine spektakuläre Landschaft. Die Sillschlucht ist eine schmale Klamm zwischen Stadt, Brennerbahn, Bundesstraße und Autobahn, die nicht nur Ruhe und Frieden, sondern auch ein ganz besonderes Flair bietet. Kaum ein Sonnenstrahl schafft es an Bäumen und Felsen vorbei. Schon früh umspielte die mystische Landschaft ein Hauch des Unheimlichen und wurde so zur Quelle etlicher Urban Legends. Den Anfang machte der Drache der Haymonsage, der sein Nest in der Sillschlucht hatte und schon in der Spätantike die Bewohner Wiltens mit seiner Zerstörungswut auf Trab hielt. Im 19. Jahrhundert konnte man in den Innsbrucker Nachrichten regelmäßig von Schreckensmeldungen aus der stadtnahmen Wildnis lesen. Räuber und Mörder versteckten sich vor der Obrigkeit gerne in der Sillschlucht. Dazu kamen verbotene Treffen sozialistischer „Aufwiegler“, Vermisste, Ertrunkene, verunglückte Holzarbeiter, verunfallte Wanderer, geheimnisvolle Leichenfunde und Selbstmorde. Die grausigsten Verbrechen allerdings waren wenig mysteriös, sondern geschahen mit voller Absicht und auf Anordnung. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden Deserteure in der Sillschlucht hingerichtet. In jüngerer Vergangenheit siedelten sich Obdachlose abseits der Stadt an während Jugendliche sich zu Partys und Raves ohne offizielle Genehmigung trafen.

Trotz des Gruselfaktors, oder vielleicht gerade deshalb, ist die Sillschlucht aber vor allem eins: Innsbrucks schönstes Naherholungsgebiet. Im Sommer bietet sie Hitzeflüchtlingen lauschige Badeplätze, während man im Winter mächtige Eiszapfen begutachten kann, die sich von den Felswänden abseilen. Das milde Sonnenlicht des Herbstes färbt die Blätter des Mischwaldes besonders schön. An den Ufern des teils langsam dahinfließenden, dann wieder wild donnernden Gewässers bizarre Felsformationen, Efeu und kleine Wasserfälle. Brücken und Stege führen immer wieder über den Fluss und erlauben schöne Ausblicke auf die beeindruckende, wildromantische Landschaft. In der Mitte der Sillschlucht zweigt der Berg Isel Panoramaweg ab, der zum Drachenfelsen mit der spektakulären Aussichtsplattform führt. Im südlichen Teil wird der Weg zum engen Pfad, der ein wenig Trittsicherheit und angemessenes Schuhwerk erfordert, jedoch ohne große Probleme auch mit Kindern begehbar bleibt. Nach heftigen Regenfällen und Gewittern kommt es immer wieder zu Sperren wegen Hangrutschen. Kurz vor Gärberbach spaziert man an Gärten mit kleinen Wochenendhäusern vorbei bevor man das spektakuläre Viadukt am Ende der Sillschlucht erreicht.

Auf einem der mächtigen Pfeiler unter der Brücke erinnert eine Bronzetafel an die sich ewig hinziehende Instandsetzung des Panoramaweges. 1907 tauchte erstmals die Idee auf, die schwer zugängliche Klamm für Wanderer zu erschließen. Wegen der Unwegsamkeit des Geländes und des schlechten Rufes der Sillschlucht sollte es 25 Jahre dauern, bis der Sillschluchtweg vom Innsbrucker Verschönerungsverein an die Stadt übergeben werden konnte.

Der Einstieg in die Sillschlucht ist an mehreren Stellen möglich. Vom Gasthaus Bretterkeller aus führt ein Weg vorbei an der Baustelle des Brennerbasistunnels an den Anfang des Spazierweges direkt am Fluss. Wer mit dem Auto anreist, kann am Berg Isel parken und von dort aus direkt absteigen. Etwas weiter südlich führt ein Pfad vom Sonnenburger Hof in den mittleren Teil der Sillschlucht. Wer den Spaziergang vom Ende aus starten möchte, kann mit dem Bus oder dem Auto nach Gärberbach fahren. Neben der Plakette an der Brücke erinnert ein Stein bei einer der grünen Bänke des Verschönerungsvereins am nördlichen Ende der Sillschlucht, die Schober Ruh, an den Vereinsobmann, unter dessen Ägide der Weg angelegt und die wilde Klamm gezähmt und für Spaziergänger geöffnet werden konnte.

Thyrsus, Haymon und die Bajuwaren

Nach dem Verschwinden des weströmischen Reiches und der dazugehörenden Verwaltung übernahmen germanische Stämme die Kontrolle über das Gebiet des heutigen Innsbrucks. Im Gebiet des heutigen Nordtirol tummelten sich zwischen der Zeitenwende und der Krönung Karls des Großen im Jahr 800, der Zeit, die als Völkerwanderung, Spätantike oder Frühmittelalter bezeichnet wird, eine ganze Reihe von Völkerschaften. Breonen, Romanen, Goten, Langobarden, Bajuwaren, Sueven und Slawen siedelten sich in verschiedenen Gebieten nördlich des Brenners neben- und hintereinander an. Im mittleren Inntal konnten sich die Bajuwaren als regionale Macht durchsetzen. Bei der Landnahme wurde zwar das Castell Veldidena zerstört, der Übergang zur bajuwarischen Herrschaft war für die breonisch-romanisierte Bevölkerung aber weniger plötzlich und kriegerisch als viel mehr fließend. Es waren keine barbarischen Zerstörer, sondern Gruppen, die seit Jahrhunderten mit der römischen Welt in der einen oder anderen Form im Austausch standen. Kampfhandlungen waren wohl die Ausnahme. Die Kulturen vermischten sich nach und nach in einer Zeit, in der das Herrschaftsgefüge eher von loser Natur war. Die Alltagssprache der Menschen war eine Form des Germanischen, schon früh hatte sich als Schriftsprache aber auch bei den „Barbaren“ nördlich der Alpen Latein durchgesetzt.

Das wichtigste Überbleibsel der Römer war aber das Christentum. Spätestens ab dem 8. Jahrhundert waren die Bajuwaren christianisiert. Zur Zeit Karls des Großen (ca. 748 – 814) wurden die Herzöge von Bayern und mit ihnen das Inntal zu einem Teil des Heiligen Römischen Reiches, das sich über weite Teile Zentraleuropas und Norditaliens erstreckte. Die Machthaber stützten sich in der Verwaltung auf die kirchlichen Strukturen der Römer zur Verwaltung des Gebiets, waren Kleriker doch vielfach die einzigen Schriftgelehrten. Anstatt Römischer Kaiser herrschte eine geharnischte Aristokratie als Lehensmänner des vom Papst gesalbten Frankenkönigs Karl im Namen Gottes über die Untertanen, die in er Landwirtschaft malochten. Der christliche Kirchenvater Paulus hatte in seinem Römerbrief die theologische Basis für dieses System gelegt:

Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet. Darum: Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Anordnung; die ihr aber widerstreben, werden ihr Urteil empfangen. Denn die Gewalt haben, muss man nicht fürchten wegen guter, sondern wegen böser Werke. Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes, dann wirst du Lob von ihr erhalten. Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht die Strafe an dem, der Böses tut. Darum ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen. Deshalb zahlt ihr ja auch Steuer; denn sie sind Gottes Diener, auf diesen Dienst beständig bedacht.

Kulturell zeigte sich das Christentum auch im alpinen Raum anpassungsfähig an Traditionen und Bräuche. Die Märtyrer und Heiligen des Christentums ersetzten die heidnische Vielgötterei. Alte Feste wie die Wintersonnwende, Erntedank oder der Frühlingsbeginn wurden in den christlichen Kalender integriert und von Weihnachten, Allerheiligen und Ostern ersetzt. Beliebte Legenden um wunderkräftige Pflanzen, unheilbringende Berggipfel, zauberkundige Wesen wie die Saligen Fräulein, verwunschene Könige und andere Sagengestalten konnten problemlos parallel zum Christentum verehrt werden.

Zwei der bis heute in Innsbruck populärsten unter ihnen spielen die Hauptrolle im Gründungsmythos des Stiftes Wilten. Ein außerordentlich kräftiger Ritter, bekannt als Riese Haymon begab sich irgendwann zwischen Spätantike und frühem Mittelalter nach Tirol. In Tirol traf er auf den alteingesessenen Riesen Thyrsus von Seefeld. Während der germanische Ritter Haymon mit Schwert und Schild bewaffnet war, hatte Thyrsus, der zwar einen romanisierten Namen trug, eigentlich aber ein wilder Alpenbewohner war, nur einen Baumstamm zur Verfügung. Es kam, wie es kommen musste, das moderne Schwert schlug die hölzerne Keule und Haymon tötete Thyrsus. In Reue über seine Tat trat er zum Christentum über und ließ sich vom Bischof von Chur taufen. Anstatt wie geplant eine Burg im Inntal zu bauen, errichtete er aufbauend auf den Ruinen der römischen Festung Veldidena ein Kloster. In der nahen Sillschlucht aber hauste ein furchterregender Drache, der nicht nur jede Nacht den Neubau des nun christlichen Helden verwüstete, sondern auch eine sinnvolle Besiedlung des Landstrichs unmöglich machte. Haymon tötete das Untier, schnitt ihm die Zunge ab und vermachte sie seiner eigenen Stiftung. Nach seiner Karriere als Drachentöter übergab Haymon das Kloster den Benediktinermönchen vom Tegernsee und trat als Laienbruder selbst der Bruderschaft bei. Die Menschen der Region waren dem Riesen für die Befreiung vom Drachen so dankbar, dass sie sich gerne in die abgabenpflichtige Obhut des Stiftes Wilten begaben, um das einst wilde Land als Bauern fruchtbar zu bestellen.

Haymon steht in dieser Parabel für die anfangs gewaltbereiten, später aber edlen und wohltätigen germanischen Besiedler, Thyrsus für die mutigen und wilden, am Ende aber doch unterlegenen Bewohner der Region zwischen Seefelder Plateau und Brenner. Der Drache symbolisiert das böse, zerstörerische und unchristliche Heidentum, das vom konvertierten Germanen ausgemerzt wird. Die Klosterbrüder, reich beschenkt vom tapferen Ritter, sind die ordnende Hand, ohne die nichts funktionieren würde.

Die Haymonsage und ihre Moral zeigten sich im Laufe der Jahrhunderte je nach Zeitgeist ebenso flexibel wie das Christentum bei seiner Einführung in der Spätantike. Einmal war Haymon ein Adliger vom Rhein, der nach dem Tod Karls des Großen nach Tirol kam, ein anderes Mal unterwegs zwischen Ravenna und Deutschland als Gefolgsmann des ostgotischen Königs Theoderich, besser bekannt als Dietrich von Bern. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert standen die Konvertierung Haymons, der Schutz der bäuerlichen Untertanen durch das christliche Rittertum und die Klostergründung im Mittelpunkt, um das segensreiche Feudalwesen zu untermauern. In einem Artikel in den Innsbrucker Nachrichten vom 2. Oktober hingegen ließ der Autor Dr. Franz Wöß das katholische Element des Klosterbaus fast komplett beiseite und betonte das heldenhafte Deutsche, bevor er sich der heiltätigen Wirkung des Thyrsusöls widmete, das die Seefelder Bauern seit dem Mittelalter aus den ölhaltigen Schiefersteinen gewannen. In dieser Version der Sage zog sich Haymon nach seinen Heldentaten in die Wildnis in Seefeld als Einsiedler zurück anstatt als Kleriker sein Leben im Stift Wilten zu beenden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wiederum wollte man sich vom Germanentum so weit als möglich distanzieren. Die 1956 an der Fassade des „Gasthauses Zum Riesen Haymon“ entstandene Wandmalerei zeigt den unterlegenen Thyrsus, mit österreichischem Wappenschild, ganz im Sinne des Opfermythos der Nachkriegszeit.

Die Macht der Geographie

Was den meisten Besuchern Innsbrucks zuallererst auffällt, sind die Berge, die die Stadt einzukesseln scheinen. Die Bergwelt ist nicht nur wunderschön anzusehen, sondern beeinflusste schon immer vieles in der Stadt. Das fängt bei vermeintlichen Kleinigkeiten wie dem Wetter an, wie uns der Blick des Schriftstellers und Politikers Beda Webers aus vergangenen Tagen beweist:

"Eine eigene Erscheinung ist der warme Wind oder Scirocco. Er kommt aus dem Süden, prallt am Nordgebirge ab, und fällt mit Gewalt ins Thal. Er macht gern Kopfweh, schmelzt aber die winterlichen Schneemasen schnell und befördert die Fruchtbarkeit ungemein. Dadurch wird in Innsbruck die Pflanzung des Maises möglich"

Dieses Wetterphänomen mag seinen Namen von Scirocco auf Föhn geändert haben und Verkehr war 1851 noch kein großes Problem. Genau wie der Innsbrucker Autofahrer heute jammerten aber mit Sicherheit der Hufschmied in der Altstadt im Jahr 1450 und der aus Mittelitalien in die Alpen abkommandierte Legionär im Jahr 350 über den warmen Fallwind, der mehrmals pro Monat alle verrückt zu machen scheint. Waren früher die Menschen froh um die warme, den Schnee auf den Feldern schmelzende Luft, jammern Touristiker heute über die aperen Skipisten auf der Seegrube.

Die Lage zwischen dem Wipptal im Süden und der Nordkette beeinflusst nicht nur die Migränehäufigkeit, sondern auch die Freizeitgestaltung der Innsbrucker, wie schon Weber ebenfalls erkannte. "Die Einwohner zeichnen sich durch ihre Leutseligkeit und Wohlthätigkeit aus, sie lieben besonders Landausflüge in der schönen Jahreszeit.“ Man mag über Leutseligkeit und Wohlthätigkeit der Innsbrucker streiten, Landausflüge in Form von Wanderung, Skitour oder Radfahren erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit. Kein Wunder, Innsbruck ist von Bergen umgeben. Innerhalb weniger Minuten kann man von jedem Ort in der Stadt aus mitten im Wald stehen. Junge Menschen aus ganz Europa verbringen ihre Studienzeit zumindest zu einem Teil an der Universität Innsbruck, nicht nur wegen der hervorragenden Professoren und Einrichtungen, sondern auch um ihre Freizeit auf den Pisten, Mountainbikerouten und Wanderwegen zu verbringen, ohne auf urbanes Flair vermissen zu müssen. Das ist Fluch und Segen zugleich. Die Universität als großer Arbeitgeber und Ausbildungsort kurbelt die Wirtschaft an, gleichzeitig steigen durch auswärtige Studenten die Lebenserhaltungskosten in der Stadt, die zwischen den Bergen eingeklemmt räumlich nicht weiterwachsen kann.

Der Aufstieg Innsbrucks zum Zentrum Tirols im 15. Jahrhundert ist ebenfalls zu einem großen Teil auf die Lage der Stadt zurückzuführen. Der Brennerpass ist sehr niedrig und erlaubt es, den Alpengürtel, der sich rund um Italiens Nordgrenze schlängelt, verhältnismäßig einfach zu überqueren. In den Zeiten vor die Eisenbahn Waren und Menschen mühelos von A nach B brachte, war die Alpenüberquerung harte Arbeit, der Brenner eine willkommene Erleichterung. Zwischen 1239 und 1303 war Innsbruck die einzige Stadt zwischen „Mellach und Ziller“ im mittleren Inntal, die das landesfürstliche Niederlagsrecht hatte. Hier mussten innerhalb des regulierten Rodfuhrwesens die Waren von einem Fuhrwerk auf das nächste umgeladen werden, ein enormer Vorteil für die Innsbrucker Wirtschaft. Innsbruck war nicht ganz so reich wie Bozen und hatte bis ins frühe 15. Jahrhundert keine politische Bedeutung, wurde aber zu einem der wichtigsten Verkehrs- und Handelsknotenpunkte im Alpenraum Die ehemalige Landeshauptstadt Meran hatte langfristig in ihrer Abgelegenheit keine Chance gegen die Stadt am Inn zwischen Brenner, Scharnitz und Achenpass. Die Lage in den Alpen begünstigte auch den Tourismus, der spätestens ab den 1860er Jahren Fuß fassen konnte. Reisende schätzten die Kombination aus leichter Erreichbarkeit, städtischer Infrastruktur und alpinem Flair. Mit der Erschließung des Landes im Gebirge durch die Eisenbahn konnte man bequem anreisen, seine Freizeit in der Bergwelt oder einem der Kurbäder verbringen, ohne auf den Komfort des Stadtlebens verzichten zu müssen. Spätestens mit ihrer Zähmung durch die Schienen waren die Alpen vom Problembereiter zum Wirtschaftsfaktor geworden. Vorbei waren die von der schwierigen Landwirtschaft geprägten Zeiten, der Feind von gestern wurde zum Heilsbringer.

Neben den Bergen waren die Flüsse maßgeblich an der Entwicklung Innsbrucks beteiligt. Innsbrucks Trinkwasser kam seit den Zeiten Maximilians von der Nordkette über eine Wasserleitung in die Stadt, für die sanitäre Versorgung waren Inn und Sill zuständig. Das Vieh wurde am Inn zur Tränke geführt, die Wäsche gewaschen und Abfälle aller Art, inklusive Fäkalien von Mensch und Tier, entsorgt. Als die während der Industrialisierung zu wachsen begann, entstand am Sillspitz im Osten der Stadt eine erste Mülldeponie, die später um eine weitere im Westen am heutigen Sieglanger ergänzt wurde. Bis zur Verbesserung des Straßennetzes im 16. Jahrhundert herrschte zwischen Telfs, Innsbruck und Hall reger Schiffsverkehr. Das Inntal war über 1000 Jahre nach der römischen Besiedlung noch immer ein sumpfiger, von Auwäldern durchzogener Landstrich. Siedlungen wie Wilten, Burgen wie die Festung über Amras und Straßen entstanden etwas vom Fluss entfernt auf Schwemmkegeln oder in Mittelgebirgshöhen. Rund um Innsbruck wurden die Auen als Allmende der Dörfer genutzt. Je nach Wasserhöhe standen Weideland und Brennholz zur Verfügung und der Fluss konnte als Transportweg genutzt werden – oder eben nicht. Flurnamen wie Am Gießen in der Höttinger Au erinnern bis heute daran, dass der Inn am heutigen Stadtgebiet bis in die frühe Neuzeit ebenfalls nicht gebändigt, sondern mehr schlecht als recht kultvierte Wildnis war. Überschwemmungen waren immer wieder Folge des unregulierten Flusses. Zwischen 1749 und 1789 forderten mehrere Hochwasser in Innsbruck viele Tote.

Auch der wirtschaftliche Schaden war immens. Die Innbrücke spülte Zolleinnahmen in die Stadtkassa und war der Grund, warum die Siedlung zur Stadt werden konnte. Vom Tiroler Oberland wurde über Jahrhundert hinweg Holz als Trift den Inn flussabwärts geschickt. In Hall fischte ein Holzrechen an der Innbrücke das kostbare Treibgut aus dem Wasser. Innsbruck, vor allem aber die Salz- und Silberbergwerke in Hall und Schwaz benötigten den Werkstoff und Energieträger. Bei der Bergfahrt gegen den Strom benötigte man Pferdegespanne mit über 20 Tieren, die auf den Treidelwegen genannten Trassen Waren flussaufwärts zogen. Nahe Siedlungen und Städten errichtete man befestigte Archen-Verbauungen, um den Fluss zumindest ein wenig zu zähmen und die Beeinträchtigung von Hochwasser und Dürre einzudämmen.

Im 18. Jahrhundert förderten Ökonomisierung und Verwissenschaftlichung, die sich in allen Lebensbereichen bemerkbar machten, auch die Kultivierung der Landschaft. Von diesem Geist der Aufklärung erfasst, wurde auch die Optimierung des Inns als Transportweg und die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit des verfügbaren Bodens in Angriff genommen. Die Allmende entlang des Inn wurde mehr und mehr in die Obhut einzelner Grundherren gegeben, die die Urbarmachung dieses Schwemmlandes vorantrieben. Der Theresianische Staatsapparat wollte das Reich nicht nur am Landweg mit Straßen, sondern auch über die Hauptflüsse verbinden. Die Verantwortung für Regulierung und Verbauung des Inns ging von den Gemeinden und der Saline Hall auf den Staat über. Innsbrucks erster Oberarcheninspektor Franz Anton Rangger begann 1739 mit dem Kartografieren des Inns, um den Flusslauf durch Begradigungen und Verbauungen planbarer und schneller zu machen. Das Projekt der Bändigung sollte mehr als 100 Jahre in Anspruch nehmen. Die Napoleonischen Kriege verzögerten den Bau der Anlagen. Erst nach der wirtschaftlichen Not des frühen 19. Jahrhunderts war der Staat wieder in der Lage, das Projekt fortzusetzen. Blocksteindämme ersetzten nach und nach die Archen-Verbauungen. Als der Inn gebändigt war, hatte die Eisenbahn die Schifffahrt als Transportweg abgelöst. Die nächste größere Verbauungswelle des Inns kam in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Olympische Dorf, die Autobahn und Siedlungen wie der Sieglanger benötigten Raum, das vorher dem Fluss vorenthalten war, um das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit zu ermöglichen.

Fast genauso wichtig wie der Inn war der kleinere Fluss, der Innsbruck durchquert. Wo heute die Sill die Sillschlucht verlässt, entstand der Sillkanal, der die Stadt mit Wasser versorgte. Als die Grafen von Andechs 1180 den Markt an der Innbrücke gründeten, bestand der Kanal bereits, war doch die Mühle des Stiftes Wilten in St. Bartlmä bereits in Betrieb. Von hier führte der Kanal weiter entlang der Route Karmelitergasse, Adamgasse, Salurnerstraße, Meinhardstraße, Sillgasse, Ing.-Etzel-Straße bis zur Pradler Brücke, wo sie sich wieder mit der Sill verband, um dann in den Inn zu fließen. Anfangs vor allem zum Brandschutz gedacht, machten sich viele Betriebe an diesem künstlich angelegten Kanal das durch die Stadt fließende Wasser bald für den Betrieb von Mühlen zur Energiegewinnung dienstbar. Erst in den 1970er Jahren verschwanden die letzten Teile davon, nachdem Bombentreffer ihn während des Zweiten Weltkriegs beschädigt hatten.

Die letzte geographische Zutat zur Erfolgsgeschichte der Stadt ist der breite Talkessel, der die Entwicklung Innsbrucks begünstigte. Durch das Städtewachstum und den Bevölkerungsaufstieg stieg auch der Bedarf nach Nahrungsmitteln. Während die Bauern in den höhergelegenen Seitentälern harte Bedingungen vorfanden, bot das Inntal fruchtbaren Boden und Fläche für Viehzucht und Ackerwirtschaft. Bis ins Hochmittelalter war das Inntal wesentlich stärker bewaldet. Im 13. Jahrhundert war es rund um Innsbruck wie in vielen Teilen Europas zu frühen großen und langfristigen Eingriffen des Menschen für wirtschaftliche Zwecke in die Natur gekommen. Anders als oft dargestellt, war das Mittelalter keine primitive Zeit des Stillstands. Ab dem 12. Jahrhundert verließ man sich nicht mehr auf Gebete und Gottes Gnade, um den Auswirkungen regelmäßig auftretender Ernteausfälle zu entkommen. Innovationen wie die Dreifelderwirtschaft ermöglichten die Ernährung der landwirtschaftlich gesehen unproduktiven Stadtbevölkerung, die man im modernen Sprachgebrauch als Overhead bezeichnen würde. Die Urbarmachung des Landes erlaubte das Wachstum der Stadt. Die Städte wie Schwaz, Hall und Innsbruck konnten sich zwar nicht selbst ernähren, und es bedurfte vor allem in der Frühen Neuzeit während des Booms im Bergwerksbau erheblicher Lebensmittelimporte. Neben Fleisch war es lange vor allem Wein, der aus dem Ausland in die Grafschaft Tirol kam. Ohne die Bauern der Umgebung wäre Innsbruck aber nicht lebensfähig gewesen. Der Mais, den Beda Weber schon 1851 im Innsbrucker Stadtbild für erwähnenswert hielt, wächst noch immer munter vor sich hin und gibt auch heute noch großen Flächen am Stadtrand einen landwirtschaftlichen Anstrich.

Tourismus: Von alpiner Sommerfrische zur Piefke Saga

In den 1990er Jahren sorgte eine österreichische Fernsehserie für einen Skandal. Die Piefke Saga aus der Feder des Tiroler Schriftstellers Felix Mitterer beschrieb in vier skurril-entlarvend-amüsanten Folgen die Beziehung zwischen der deutschen Urlauberfamilie Sattmann und ihren Gastgebern in einem fiktiven Tiroler Urlaubsort. Bei aller Skepsis gegenüber dem Tourismus in seinen heutigen teils extremen Auswüchsen sollte man nicht vergessen, dass der Fremdenverkehr im 19. Jahrhundert ein wichtiger Faktor in Innsbruck und Umgebung war, der die Entwicklung der Region nachhaltig antrieb, nicht nur wirtschaftlich.

Die ersten Reisenden, die Innsbruck ansteuerten, waren Pilger und Business People. Händler, Gesellen auf der Walz, Beamte, Soldaten, Entourage adeliger Gäste bei Hof, Fachkräfte verschiedener Gewerbe, Bergleute, Kleriker, Wallfahrer und Wissenschaftler waren die ersten Touristen, die es in die Stadt zwischen Italien und Deutschland zog. Reisen war teuer, gefährlich und mühsam. Zudem war es einem großen Teil der Untertanen ohne Einwilligung ihres Grundherrn oder Abtes nicht gestattet, die eigene Scholle zu verlassen. Wer sich fortbewegte, tat dies im Normalfall auf des Schusters Rappen. Zwar verdienten die Innsbrucker Gasthöfe und Wirte bereits im Mittelalter und der Frühen Neuzeit an den Reisenden, von Fremdenverkehr wie wir ihn heute verstehen war aber noch keine Rede. Der fing an, als es einige Verrückte erstmals auf die Berggipfel zog. Dazu bedurfte es neben einer wachsenden Mittelschicht auch einer neuen Einstellung gegenüber den Alpen. Lange waren die Berge eine reine Bedrohung für die Menschen gewesen. Es waren vor allem Briten, die sich aufmachten, sich nach den Weltmeeren auch die Gebirge dieser Erde untertan zu machen. Über Reiseberichte verbreitete sich ab dem späten 18. Jahrhundert, der Epoche der Romantik, die Kunde von der Naturschönheit der Alpen. Der erste fremdsprachige Reiseführer für Tirol, Travells through the Rhaetian Alps von Jean Francois Beaumont erschien 1796.

Neben der alpinen Attraktion waren es die wilden und exotischen Eingeborenen Tirols, die international für Aufsehen sorgten. Der bärtige Revoluzzer namens Andreas Hofer, der es mit seinem Bauernheer geschafft hatte, Napoleons Armee in die Knie zu zwingen, erzeugte bei den Briten, den notorischen Erzfeinden der Franzosen, ebenso großes Interesse wie bei deutschen Nationalisten nördlich der Alpen, die in ihm einen frühen Protodeutschen sahen. Die Tiroler galten als unbeugsamer Menschenschlag, archetypisch und ungezähmt, ähnlich den Germanen unter Arminius, die das Imperium Romanum herausgefordert hatten. Die Beschreibungen Innsbrucks aus der Feder des Autors Beda Weber (1798 – 1858) und andere Reiseberichte in der boomenden Presselandschaft dieser Zeit trugen dazu bei, ein attraktives Bild Innsbrucks zu prägen.

Nun mussten die wilden Alpen nur noch der Masse an Touristen zugänglich gemacht werden, die zwar gerne den frühen Abenteurern auf ihren Expeditionen nacheifern wollten, deren Risikobereitschaft und Fitness mit den Wünschen nicht schritthalten konnten. Der Deutsche Alpenverein eröffnete 1869 eine Sektion Innsbruck, nachdem der 1862 Österreichische Alpenverein wenig erfolgreich war. Angetrieben vom großdeutschen Gedanken vieler Mitglieder fusionierten die beiden Institutionen 1873. Der Alpenverein ist bis heute bürgerlich geprägt, sein sozialdemokratisches Pendant sind die Naturfreunde. Das Wegenetz wuchs durch dessen Erschließung ebenso wie die Zahl an Hütten, die Gäste beherbergen konnten. Das Transitland Tirol besaß unzählige Saumpfade und Fußwege, die seit Jahrhunderten bestanden, und als Basis für den Alpinismus dienten. Kleine Gasthöfe, Bauernhöfe und Stationen entlang der Postwege dienten als Unterkünfte. Der Tiroler Theologe Franz Senn (1831 – 1884) und der Schriftsteller Adolf Pichler (1819 – 1900) waren maßgeblich an der Vermessung Tirols und der Erstellung von Kartenmaterial beteiligt. Anders als gerne behauptet, waren die Tiroler nicht geborene Bergsteiger, sondern mussten sich die Fähigkeiten die Bergwelt zu erobern erst beibringen lassen. Bis dato waren Berge vor allem eins: gefährlich und mühsam im landwirtschaftlichen Alltag. Sie zu besteigen, war zuvor kaum jemandem in den Sinn gekommen. Die Alpenvereine bildeten auch Bergführer aus. Ab der Jahrhundertwende kam neben Wandern und Bergsteigen der Skisport in Mode. Lifte gab es noch nicht, um auf die Berge zu gelangen, musste man sich der Felle bedienen, die heute noch auf Tourenski geklebt werden. Erst ab den 1920ern konnte nach dem Bau der Seilbahnen auf die Nordkette und dem Patscherkofel eine zahlungskräftige Klientel den modernen Luxus von Bergbahnen beim Skivergnügen genießen.  

Es bedurfte neuer Hotels, Cafés, Gasthäuser, Geschäfte und Transportmittel, um die Bedürfnisse der Gäste zu befriedigen. Wer zu Hause in London oder Paris fließend Wasser und einen Telefonanschluss hatte, wollte im Urlaub nicht mit einem Plumpsklo am Gang oder vor dem Haus Vorlieb nehmen. Die sogenannten Gasthöfe ersten und zweiten Ranges waren für den Transitverkehr geeignet, um gehobene Touristen zu empfangen waren sie aber nicht ausgestattet. Wirte in der Stadt und in den Dörfern rund um Innsbruck zählten bis ins 19. Jahrhundert zur gehobenen Mittelschicht, was das Einkommen betraf. Oft waren sie Bauern, die im Nebenerwerb eine Ausschank hatten und Speisen verkauften. Sie hatten, wie das Beispiel Andreas Hofers zeigt, durchaus auch Ansehen und Einfluss innerhalb der lokalen Gesellschaft. Als Treffpunkte der Einheimischen und Knotenpunkte im Post- und Warenverkehr waren sie oft gut informiert über das Geschehen in der kleinen und großen Welt. Da sie aber weder Mitglieder einer Zunft waren noch zum Bürgertum gezählt wurden, zählte der Beruf des Gastwirtes nicht zu den ehrbarsten Berufen. Das änderte sich mit der Professionalisierung der Tourismuswirtschaft. Unternehmer wie Robert Nißl, der 1865 Schloss Büchsenhausen übernahm und in eine Bierbrauerei umbaute, investierten in die Infrastruktur. Aus ehemaligen Adelsansitzen wie der Weiherburg wurden Gasthöfe und Hotels. Die Revolution vollzog sich in Innsbruck nicht 1848 auf den Barrikaden, sondern im Tourismus einige Jahrzehnte später, als findige Bürger die Aristokratie als Besitzer von Schlössern wie Büchsenhausen und der Weiherburg ablösten.

Der 1849 eröffnete Österreichische Hof galt lange als Platzhirsch moderner Hotellerie, war offiziell aber nur ein Abklatsch eines Grand Hotels. Erst mit dem Grand Hotel Europa hatte 1869 bekam in Innsbruck ein Haus ersten Ranges geöffnet. Die Blütezeit der Gasthöfe in der Altstadt war vorüber. 1892 folgte mit dem zeitgeistigen Reformhotel Habsburger Hof ein zweiter großer Betrieb. Wo heute das Metropolkino steht, war der Kaiserhof als Neubau errichtet worden. Der Habsburger Hof bot seinen Gästen bereits elektrisches Licht, eine absolute Sensation. Ebenfalls auf der bis dato unverbauten Fläche vor dem Bahnhof war der Arlberger Hof angesiedelt. Was heute eher als Wettbewerbsnachteil angesehen würde, war zu dieser Zeit ein Verkaufsargument. Bahnhöfe waren die Zentren moderner Städte. Die Bahnhofsplätze waren keine überfüllten Verkehrsknotenpunkte wie heute, sondern mondäne und gepflegte Orte vor den architektonisch anspruchsvoll gestalteten Hallen, in denen die Züge ankamen.

Die Anzahl der Gäste stieg langsam, aber stetig an. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges zählte Innsbruck 200.000 Gäste. Im Juni 1896 berichteten die Innsbrucker Nachrichten:

„Der Fremdenverkehr in Innsbruck bezifferte sich im Monat Mai auf 5647 Personen. Darunter befanden sich (außer 2763 Reisenden aus Oesterreich-Ungarn) 1974 Reichsdeutsche, 282 Engländer, 65 Italiener, 68 Franzosen, 53 Amerikaner, 51 Russen und 388 Personen aus verschiedenen anderen Ländern.“

Neben der Menge an Reisenden, die einen Einfluss auf das Leben in der Kleinstadt Innsbruck hatten, war es auch die Internationalität der Besucher, die Innsbruck nach und nach einen neuen Anstrich gaben. Neben der rein touristischen Infrastruktur wurde auch die Entwicklung der allgemeinen Neuerungen beschleunigt. Die wohlhabenden Gäste konnten kaum in Gaststätten mit Senkgruben hinterm Haus verkehren. Natürlich wäre eine Kanalisation ohnehin am Plan gestanden, der Wirtschaftsfaktor Tourismus aber ermöglichte und beschleunigte die Mittelfreistellung für die Großprojekte der Jahrhundertwende. Das veränderte nicht nur das Aussehen der Stadt, sondern auch den Alltag und das Arbeitsleben der Menschen. Findige Unternehmer wie Heinrich Menardi schafften es, die Wertschöpfungskette, um kostenpflichtige Urlaubsfreuden neben Kost und Logis zu erweitern. Er eröffnete 1880 die Lohnkutscherei und Autovermietung Heinrich Menardi für Ausflugsfahrten in die alpine Umgebung. Anfangs mit Kutschen, nach dem 1. Weltkrieg mit Bussen und PKW, wurden zahlungskräftige Touristen bis nach Venedig chauffiert. Das Unternehmen besteht bis heute und hat seinen Firmensitz mittlerweile im Menardihaus in der Wilhelm-Greil-Strasse 17 gegenüber des Landhausplatzes, auch wenn man sich von der Transport- und Handelsbranche im Lauf der Zeit auf die einträglichere Immobilienwirtschaft verlegt hat. Auch der lokale Handel profitierte von der zahlungskräftigen Klientel aus dem Ausland. 1909 gab es bereits drei dezidierte Touristen-Ausrüstungsgeschäfte neben den wenige Jahre zuvor frisch eröffneten mondänen Warenhäusern.

Innsbruck und die umgebenden Orte waren auch für Kururlaub, dem Vorgänger des heutigen Wellness, bei der betuchte Kunden sich in alpinem Umfeld von unterschiedlichsten Krankheiten erholten, bekannt. Der Igler Hof, damals Grandhotel Igler Hof und das Sporthotel Igls, verströmen heute noch teilweise den Chic dieser Zeit. Michael Obexer, der Gründer des Kurortes Igls und Besitzer des Grandhotels, war ein Tourismuspionier. In Egerdach bei Amras und in Mühlau, gab es zwei Kurbäder. So bekannt wie die Hotspots der Zeit in Bad Ischl, Marienbad oder Baden bei Wien waren die Anlagen nicht, wie man auf alten Fotos und Postkarten sehen kann, die Anwendungen mit Sole, Dampf, Gymnastik, sogar Magnetismus, entsprachen aber dem damaligen Standard dessen, was heute teilweise noch bei Kur- und Wellnessurlaubern beliebt ist. Bad Egerdach bei Innsbruck war als Heilquelle seit dem 17. Jahrhundert bekannt. Die Quelle sollte Gicht, Hautkrankheiten, Anämie, ja sogar die im 19. Jahrhundert als Vorgängerin des Burnouts als Neurasthenie bekannte Nervenkrankheit beheben. Die Kapelle der Anstalt besteht bis heute gegenüber dem SOS Kinderdorf. Die Badeanstalt in Mühlau existierte seit 1768 und wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem Gasthaus mit Kuranstalt ganz im Stil der Zeit umgebaut. Die ehemalige Badeanstalt ist heute ein sehenswertes Wohnhaus in der Anton-Rauch-Straße. Das spektakulärste touristische Projekt, das Innsbruck jemals erlebte, war aber wohl Hoch Innsbruck, die heutige Hungerburg. Nicht nur die Hungerburgbahn und Hotels, sogar ein eigener See wurde hier nach der Jahrhundertwende geschaffen, um Gäste anzuziehen.

Einer der ehemaligen Besitzer des Grund und Bodens der Hungerburg und Innsbrucker Tourismuspionier, Richard von Attlmayr, war am Vorgänger des heutigen Tourismusverbandes maßgeblich beteiligt. Seit 1881 kümmerte sich der Innsbrucker Verschönerungsverein um Befriedigung der steigenden Bedürfnisse der Gäste. Der Verein kümmerte sich um die Anlage von Wander- und Spazierwegen, dem Aufstellen von Bänken und der Erschließung unwegsamer Gebiete wie der Mühlauer Klamm oder der Sillschlucht. Die markanten grünen Bänke entlang vieler Wege erinnern bis heute an den noch immer existierenden Verein. 1888 Jahre später gründeten die Profiteure des Fremdenverkehrs in Innsbruck die Kommission zur Förderung des Tourismus, den Vorgänger des heutigen Tourismusverbands. Durch vereinte Kräfte in Werbung und Qualitätssicherung bei den Beherbergungsbetrieben hofften die einzelnen Betriebe, den Tourismus weiter anzukurbeln.

„Alljährlich mehrt sich die Zahl der überseeischen Pilger, die unser Land und dessen gletscherbekrönte Berge zum Verdrusse unserer freundnachbarlichen Schweizer besuchen und manch klingenden Dollar zurücklassen. Die Engländer fangen an Tirol ebenso interessant zu finden wie die Schweiz, die Zahl der Franzosen und Niederländer, die den Sommer bei uns zubringen, mehrt sich von Jahr zu Jahr.“

Postkarten waren die ersten massentauglichen Influencer der Tourismusgeschichte. Viele Betriebe ließen ihre eigenen Postkarten drucken. Verlage produzierten unzählige Sujets der beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Es ist interessant zu sehen, was damals als sehenswert galt und auf den Karten abgebildet wurde. Anders als heute waren es vor allem die zeitgenössisch modernen Errungenschaften der Stadt: der Leopoldbrunnen, das Stadtcafé beim Theater, die Kettenbrücke, die Zahnradbahn auf die Hungerburg oder die 1845 eröffnete Stefansbrücke an der Brennerstraße, die als Steinbogen aus Quadern die Sill überquerte, waren die Attraktionen. Auch Andreas Hofer war ein gut funktionierendes Testimonial auf den Postkarten: Der Gasthof Schupfen in dem Andreas Hofer sein Hauptquartier hatte und der Berg Isel mit dem großen Andreas-Hofer-Denkmal waren gerne abgebildete Motive.

1914 gab es in Innsbruck 17 Hotels, die Gäste anlockten. Dazu kamen die Sommer- und Winterfrischler in Igls und dem Stubaital. Der Erste Weltkrieg ließ die erste touristische Welle mit einem Streich versanden. Gerade als sich der Fremdenverkehr Ende der 1920er Jahre langsam wieder erholt hatte, kamen mit der Wirtschaftskrise und Hitlers 1000 Mark Sperre, mit der er die österreichische Regierung 1933 unter Druck setzen wollte, um das Verbot der NSDAP zu beenden, die nächsten Dämpfer.

Es bedurfte des Wirtschaftswunders der 1950er und 1960er, um den Tourismus in Innsbruck nach den Zerstörungen wieder anzukurbeln. Zwischen 1955 und 1972 verfünffachen sich die Nächtigungszahlen in Tirol. Nach den beschwerlichen Kriegsjahren und dem Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft Jahren konnten Tirol und Innsbruck den Fremdenverkehr langsam, aber stetig stabil als Einnahmequelle etablieren, auch abseits der offiziellen Hotels und Pensionen. Viele Innsbrucker Familien rückten in den ohnehin engen Wohnungen zusammen, um die Haushaltskasse durch die Vermietung von Betten an Gäste aus dem Ausland aufzubessern. Der Tourismus brachte nicht nur Devisen, sondern ermöglichte es den Einheimischen ein neues Image nach innen und außen von sich zu kreieren. Gleichzeitig ermöglichte der Wirtschaftsaufschwung immer mehr Innsbruckern einen Urlaub im Ausland. Besonders beliebt waren die Strände Italiens. Aus den Kriegsfeinden vergangener Jahrzehnte wurden Gäste und Gastgeber.

Artikel: Ausgestelltes Relief

Erschienen: Innsbrucker Nachrichten / 10. Mai 1907

Im Schaufenster der Wagner’schen Buchhandlung ist seit einiger Zeit ein von dem Herrn Lehrer Karl Hausleitner modelliertes und koloriertes Relief zur allgemeinen Besichtigung ausgestellt, das die Anlage des Innsbrucker Verschönerungsvereines am Süd- und Südwestabhange des Stiftes der Stadt Innsbruck, des Bieler Weges, sowie die Weiterführung desselben nach den östlichen Hängen und bis zur Sonnenburgerhofstraße, besonders des dem Dr. Richard Wirth gewidmeten Weges deutlich zur Anschauung bringt. Die Berglehne namentlich beim Sonnenburgerhof ist, gleich einem Serpentinenschlusse, so in derartigem Gefälle am Schloßhof und Fürstenweg herabgeleitet, daß er im Sommer eine herrliche Waldpromenade und im Winter eine Straße zum Rodeln sein wird. Die Arbeiten werden nach Maßgabe der eingegangenen Subskriptionen und unter Leitung der Bau-Interessenten des Herrn Ingenieurs Riehl durchgeführt, und dieser Name bürgt für die Zweckmäßigkeit sowie gute Ausführung. Der Weg soll in Zukunft seine Ausgestaltung durch die Fortführung über den Berg Isel zur Sillschlucht erhalten. Die Wagner’sche Universitäts-Buchhandlung hat bereits einige Spenden in Opferfreude zu diesem Weg übernommen. Spaziergänger, welche sich dieser gemeinnützigen Bestrebungen des Verschönerungsvereins zu den besten Bestrebungen zählen, werden sich als Förderer des Werkes freuen.

Artikel: Roßa Peer

Erschienen: Innsbrucker Nachrichten / 8. Mai 1879

Es ist nun mit völliger Bestimmtheit anzunehmen, daß Roßa Peer von Igls nicht das Opfer irgend eines Verbrechens geworden, sondern daß sie verunglückt ist; sie scheint, um den Weg möglichst abzukürzen, den in Folge der ununterbrochenen Abholzung gefährlich gewordenen Steig eingeschlagen zu haben, der beim Steinbruche am Eingange der Sillschlucht emporführt, und ausgestürzt zu sein; denn oberhalb der Stelle, wo die Leiche gefunden worden ist, ist der Steig derartig, daß er immer mit größter Vorsicht passiert werden muß, und zu allen Zeiten, besonders aber im Zwielichte gefährlich bleibt. Es wäre sehr zu wünschen, wenn dieser Fußpfad gänzlich unpraktikabel gemacht werden würde.