In zartem Rosa markiert die Spitalskirche den Anfang der Maria-Theresienstraße, auch wenn sie neben den aufgestockten und direkt angebauten Gebäuden ein wenig untergeht. Den auffälligen Farbton mit dem klingenden Namen American Pink erhielt die Fassade 1992. Es war die jüngste einer ganzen Reihe von Entwicklungsschritten, die von einer kleinen gotischen Kapelle am Stadtspital zum Gotteshaus von heute führte. Nach den Erdbeben von 1689 und 1700 erhielt die Spitalskirche ihr barockes Grundgerüst vom Hofarchitekten Johann Martin Gumpp. Das Fresko der Heiligen Maria über der Orgel, die Stuckfiguren der Apostel an den Säulen samt Putti und barocker Verzierung, der Hauptaltar aus Marmor und die Seitenaltare aus Marmor nachempfundenem Holz samt gotischem Kruzifix überlebten die nächste Zerstörungswelle, als während der Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs eine Bombe das Gebäude traf. Zwischen 1959 und 1962 erfolgte die Renovierung. „In medio civitatis ecclesia illibata“ – eine Kirche ohne Makel inmitten der Stadt, steht programmatisch über dem Eingangstor. Dem Innsbrucker Künstler Hans Andre gelang es, die barocken Malereien wie das Fresko des Heiligen Geistes an der Decke in die Moderne zu überführen. Er hielt die Sieben Tugenden Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Mäßigung, Glaube, Liebe und Hoffnung nach den Schrecken der Kriegsjahre fest.
Hinter der Spitalskirche befand sich seit 1509 der Friedhof. Schon damals war es üblich, die Toten etwas abseits des Geschehens zu gestatten. Das Recht, Beerdigungen abzuhalten, war lange ein Privileg des Stifts Wilten, an dem Innsbruck im kirchenrechtlichen Sinn hing. Erst im späten Mittelalter erhielt Innsbruck das Recht Beerdigungen durchzuführen vom Stift Wilten, das für kirchliche Angelegenheiten in Innsbruck zuständig war.
Die Kirche ist dem Heiligen Geist geweiht, der als Patron für Heilung, Trost und Mut im Angesicht der Last des Lebens steht. Die Historie der Spitalskirche und des ehemals angeschlossenen Stadtspitals ist eng mit der Entwicklung der Kranken-, Alters und Armenversorgung der Stadt Innsbruck verbunden. Über dieses Kapitel der Innsbrucker Geschichte lässt sich gut nachempfinden, wie sich die Obsorge für Untertanen und Bürger weg von der Kirche in Richtung des modernen Sozialstaats verlagerte. Als Menschen des 21. Jahrhunderts erwarten wir von einem Spitalaufenthalt, das Krankenhaus wieder gesund zu verlassen. Bis ins 18. Jahrhundert waren Spitäler, so auch in Innsbruck, eher die Endstation vor dem Jenseits unter christlicher Obhut und Pflege. Die Innsbrucker Spitalskapelle wurde erstmals im Jahr 1307 in einer Urkunde Herzog Heinrichs von Kärnten und Tirol erwähnt. Das Spital wurde von einer karitativen Bruderschaft von Innsbrucker Bürgern gegründet und durch Spenden der Kirche und Stiftungen wohlhabender Innsbrucker betrieben.
Das 14. Jahrhundert war geprägt von einer zunehmenden Verstädterung. Städte genossen ob ihrer wirtschaftlichen Bedeutung Privilegien. Das Bürgerspital sollte sich um das Wohl der wichtigen Schlüsselarbeitskräfte kümmern. Das Hospiz wurde außerhalb der Innsbrucker Stadtmauern angelegt, um die Verbreitung von Krankheiten innerhalb der engen Gassen so gut als möglich zu vermeiden. Die Aufgabe des Hospizes war es nicht nur Kranke zu pflegen, sondern auch sich um Mittellose zu kümmern. Die eigene Familie war noch immer die erste und wichtigste Instanz in Notfällen. Handwerker organisierten einen Teil der Sozialfürsorge für arbeitsunfähige Mitglieder oder deren Witwen und Waisen ebenfalls selbst. Menschen ohne Familie, Knechte, Dienstboten und Kinderlose, wurden aber, anders als oft dargestellt, nicht im Stich gelassen. Mittellose Frauen konnten in Spitälern niederkommen. Ältere und notleidende Bürger wurden mit Kleidung, Nahrung und Pflege versorgt. Auch Waisen und uneheliche Kinder wurden aufgenommen.
Durch Einrichtungen wie dem Innsbrucker Spital unterschied sich die Stadt von den Dörfern, wo die Kranken- und Altersversorgung wesentlich schlechter war und Knechte oft bis an ihr Lebensende arbeiten mussten. Wohlhabendere Mitglieder der Bruderschaft hatten als zahlende Mitglieder dabei die Aussicht auf bessere Pflege und Versorgung als Nichtmitglieder. Im Spital wurden auch Almosen an die Ärmsten verteilt. Man kann durchaus von einer frühen Form der sozialen Fürsorge auf kommunaler Ebene, einer nichtstaatlichen Wohlfahrt, sprechen.
Dieses Gefüge sollte sich lange halten. Bis ins 19. Jahrhundert, in vielen Bereichen bis nach dem Ersten Weltkrieg, war nicht der Zentralstaat, sondern die Gemeinde oder Gönner für die Fürsorge von Armen, Kranken, Waisen, Alten und Arbeitsunfähigen zuständig. Kaiser Maximilian I. zum Beispiel ließ am heutigen Domplatz ein Spital für alte und kranke Mitglieder seines Hofpersonals planen, das nach ihm als „Kaiserspital“ benannt wurde. Die Kirche war häufig mitverantwortlich und Organisator dieser Sozialarbeit.
Mit der Industrialisierung und dem Wachstum der Stadt wurde das Spital zu klein. Die Innsbrucker Gesellschaft veränderte sich nicht nur quantitativ. Arbeiter und Angestellte wurden im Fall von Krankheit oder Unfällen nicht mehr im Schoß der bäuerlichen Großfamilie aufgefangen. Beda Weber beschrieb die alte Pflegeanstalt in seinem Handbuch für Reisende in Tirol als Teil seines Innsbruck Reiseführers:
„An die Kirche schließt sich das Spital an, dessen vorzüglicher Wohlthäter König Heinrich von Böhmen ist, welcher im Jahre 1307 ansehnliche Gefälle dazu anwies. Die Zahl der darin verpflegten Kranken, Irren und Pfründner übestehgt wenigsten die Zahl von 100… Neben dem Spitale besteht auch ein sogenanntes Bruderhaus für 36 arme Weiber und Dienstmägde, welche darin freie Wohnung, Wäsche, Holz und täglich 6 Kreuzer genießen. Aus dem Krankenhause tritt man auf den Gottesacker von Gärten und Feldern umfangen und von Arkaden eingefaßt.“
Bis zu den Entdeckungen in Mikrobiologie und Medizin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Robert Koch (1843 – 1910) oder Louis Pasteur (1922 – 1895) war Hygiene in der Krankenpflege ein unterschätzter Faktor.
„Für die gesamten Spitalsgebäude stand nur ein Brunnen im Hof, von dem das Wasser in alle Räume getragen werden musste, zur Verfügung. Eine Kanalisation fehlte; es gab einzig Abortgruben. Die Küche lag ebenerdig und gleich dahinter befand sich das Leichenzimmer, in dem auch die Aufbahrungen vorgenommen wurden. Der Keller diente zugleich als Trocken- und Desinfektionsraum. Die Schwestern mussten einen Backofen so lange heizen, bis alle Läuse tot waren. Der Garten war für die männlichen und weiblichen Patienten abgeteilt. In einem Stöcklgebäude waren die Irren untergebracht; zwei Zimmer standen für die ruhigen Patienten zur Verfügung, dann drei Tobzellen und eine Teeküche…. Typhuskranke wurden überhaupt nicht abgesondert. Wenn Deliranten ihre Betten verlassen wollten, dann wurde einfach ein festes Gitter um das Bett aufgestellt.“
Bereits vor dem Umzug war das Stadtspital ein Lehrkrankenhaus und eng mit der Universität verbunden. Die Lehrtätigkeit war einer der Hauptgründe für die Übersiedlung und Ausbau, das rapide Bevölkerungswachstum der andere. Nach der Wiedereröffnung der Universität 1826 waren es nur etwas mehr als 20 Studenten, die Ausmaße des heutigen Studiums- und Klinikbetriebes wäre damals unvorstellbar gewesen. 1888 übersiedelte das Krankenhaus an seinen heutigen Platz am Westende der Anichstraße, wo es sich zu beeindruckender Größe entwickelte. Innsbrucks Klinik ist heute bis weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt, geachtet und geschätzt. Das Areal ist beinahe ein eigener Stadtteil, die Tirol Kliniken sind der größte Arbeitgeber des Landes.