Die Rapoldis: Kommunalpolitik und Widerstand
Die Rapoldis: Kommunalpolitik und Widerstand
Das Ehepaar Martin (1880 – 1926) und Maria Rapoldi (1884 – 1975) zählten vom Ende der Monarchie bis in die Nachkriegszeit zu den beeindruckendsten Persönlichkeiten der Innsbrucker Stadtpolitik. Martin Rapoldi war über Kärnten, Wien und Böhmen nach Innsbruck gekommen. Während seiner Tischlerlehre kam er erstmals mit sozialkritischen Ideen in Berührung. Gemeinsam mit anderen Lehrlingen gründete er in Klagenfurt mit jugendlichem Eifer eine Art anarchistischer Gewerkschaft. In der Hauptstadt der Donaumonarchie und in Zatek in der heutigen Tschechei, engagierte er sich in Gewerkschaft und der kurz zuvor offiziell gegründeten Sozialdemokratischen Partei. 1904 übersiedelte er nach Innsbruck, wo der Mitzwanziger bald als ambitionierter Organisator und mitreißender Redner auffiel. Im Jahr darauf heiratete er seine Frau Maria, die ebenfalls politisch aktiv war. Dank seiner sprachlichen Begabung übernahm er in den folgenden Jahren die Volkszeitung, das Pressorgan der Tiroler Sozialdemokratie. Trotz anfänglicher Euphorie für den Kriegseintritt auch auf Seiten der Sozialdemokratie setzte sich der als antiklerikaler Pfaffenfresser bekannte Rapoldi bald für den Frieden und die Einführung des allgemeinen Wahlrechts auch auf Kommunalebene ein. Ganz auf Parteilinie war er nach 1918 Anhänger eines Zusammenschlusses mit dem Deutschen Reich.
In den frühen Jahren der Ersten Republik legte er eine kurze, aber steile Karriere hin. Er wurde zum Landtagsabgeordneten in Tirol und Mitglied des ersten Nationalrates in Wien erkoren. In Innsbruck schaffte er es die Sozialdemokraten zur stärksten Partei im Gemeinderat zu machen. Auf Grund der antisozialistischen Haltung der anderen Fraktionen im Gemeinderat konnte er aber den Bürgermeisterposten nie besetzen. Ein besonderes Anliegen war ihm die städtische Energieversorgung. Er war maßgeblich am Aufbau der Innsbrucker Lichtwerke, den heutigen Innsbrucker Kommunalbetrieben, beteiligt. Auch bei der Errichtung der Achenseebahn, des Achenseekraftwerkes und der Gründung der Tiroler Wasserkraft TIWAG war Rapoldi eine treibende Kraft. 1926 verstarb der umtriebige Rote Tischlergeselle mit nur 46 Jahren an den Folgen einer Nierenentzündung.
Nicht weniger eindrucksvoll ist die Vita seiner Frau Maria. Im elterlichen Haushalt in Wörgl kam sie früh mit sozialdemokratischen Ideen in Kontakt. Die gelernte Buchhalterin übersiedelte nach Innsbruck. Wahrscheinlich bei ihrer Arbeit für die Krankenkasse lernte sie ihren zukünftigen Ehemann kennen. Trotz ihrer beiden kleinen Töchter engagierte sich Maria bereits 1912 auf der Landesfrauenkonferenz der Sozialdemokratinnen. Nach dem Tod ihres Mannes blieb sie weiterhin in der Sozialdemokratie aktiv. Als Mitarbeiterin der Volkszeitung kam sie in den Jahren des Austrofaschismus immer wieder ins Visier der Vaterländischen Front. Nachdem die Volkszeitung im Rahmen der Zensur durch das Regime verboten wurde, musste sie sich als erwerbslose Witwe durchschlagen. Sie eröffnete ein Stempelgeschäft in der Altstadt. Gleichzeitig war sie im Untergrund an der Roten Hilfe, der Unterstützung von Familien inhaftierter Mitglieder des Republikanischen Schutzbundes. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde sie für kurze Zeit inhaftiert. Nach dem Krieg trat sie auch in offizieller Funktion aus dem Schatten ihres jung verstorbenen Gatten Martin. Von 1946 – 1959 war sie Mitglied des Innsbrucker Gemeinderats. Sie setzte sich für soziale Agenden wie Altersheime, Kinderheime, die Verbesserung der Lebensmittel- und Krankenversorgung in der Nachkriegszeit ein. Als Mitglied des Tiroler Hilfswerks, des Stadtschulrats des Kuratoriums des Waisenheimes Sieberer und des Verwaltungsausschusses des Innsbrucker Realgymnasiums für Mädchen
Martin und Maria Rapoldi sind in einem Ehrengrab am Innsbrucker Westfriedhof. In Kranebitten errichtete die Sozialdemokratische Partei nach Martins frühem Tod ein Denkmal für ihn, das 1934 von Mitgliedern der Heimatwehr zerstört wurde. Der 1927 eröffnete Park in Pradl trägt ebenfalls den Namen der beiden erinnerungswürdigen Stadtpolitiker.