Die Eisenbahn als Entwicklungshelfer Innsbrucks
Die Eisenbahn als Entwicklungshelfer Innsbrucks
1830 wurde zwischen Liverpool und Manchester die erste Bahnlinie der Welt eröffnet. Nur wenige Jahrzehnte später war auch das seit geraumer Zeit etwas von den Haupthandelswegen abgelegene und wirtschaftlich rückständige Tirol mit spektakulären Bahnbauten über die Alpen hinaus mit der Welt verbunden. Waren Reisen bisher teure, lange und beschwerliche Trips in Kutschen, auf Pferden oder zu Fuß, bedeutete das immer stärker ausgebaute Bahnnetz nie zuvor dagewesenen Komfort und Geschwindigkeit.
Es war Innsbrucks Bürgermeister Joseph Valentin Maurer (1797 – 1843), der die Bedeutung der Eisenbahn als Chance für den Alpenraum begriff. 1836 trat er für den Bau einer Bahnlinie ein, um das schöne, aber schwer erreichbare Land einem möglichst breiten, zahlungskräftigen Publikum zugänglich zu machen. Der erste praktische Pionier des Eisenbahnverkehrs in Tirol war Alois von Negrelli (1799 – 1858), der auch maßgeblich Anteil am Jahrhundertprojekt Suezkanal hatte. Ende der 1830er, als die ersten Bahnlinien der Donaumonarchie im Osten des Reiches in Betrieb gingen, erstellte er ein „Gutachten über den Zug einer Eisenbahn von Innsbruck über Kufstein bis zur königl. Bairischen Grenze an der Otto-Kapelle bei Kiefersfelden“ vorgelegt. Negrelli hatte in jungen Jahren in der k.k. Baudirektion Innsbruck Dienst getan, kannte die Stadt also sehr gut. Sein Gutachten enthielt bereits Skizzen und eine Aufstellung der Kosten. Als Platz für den Hauptbahnhof hatte er die Triumphpforte und den Hofgarten ins Spiel gebracht. In einem Brief äußerte er sich über die Bahnlinie durch seine ehemalige Heimatstadt mit diesen Worten:
„…Daß es mit der Eisenbahn von Innsbruck nach Kufstein ernst wird, vernehme ich ebenfalls mit innigster Theilnahme, in dem die Laage hierzu sehr geeignet ist und die Gegen dem Inn entlang so reich an Naturprodukten und so bevölkert ist, daß ich an ihr Gedeihen gar nicht zweifeln kann, auch werde ich nicht ermangeln, wenn es an die Abnahme von Actien kommen wird, selbst und durch meine Geschäftsfreunde thätigen Antheil daran zu nehmen. Das neue Leben, welches eine solche Unternehmung in der Gegen erweckt, ahnen Sie gar nicht…“
Friedrich List, bekannt als Vater der deutschen Eisenbahn, brachte den Plan einer Bahnverbindung von den norddeutschen Hansestädten über Tirol an die italienische Adria auf den Tisch. Auf österreichischer Seite erbte Carl Ritter von Ghega (1802 – 1860) die Gesamtverantwortung über das Projekt Eisenbahn innerhalb des Riesenreiches der Habsburger vom früh verstorbenen Negrelli. 1851 bekundeten Österreich und Bayern in einem Vertrag die Absicht, eine Eisenbahnlinie in die Tiroler Landeshauptstadt zu bauen. Im Mai 1855 begann der Bau. Es war die bis dahin größte Baustelle, die Innsbruck gesehen hatte. Nicht nur der Bahnhof wurde errichtet, die Bahnviadukte hinaus aus der Stadt Richtung Nordosten mussten gebaut werden.
Am 24. November 1858 ging die Bahnlinie zwischen Innsbruck und Kufstein und weiter über Rosenheim nach München in Betrieb. Die Linie war ihrer Zeit voraus. Anders als der Rest der Eisenbahn, der erst 1860 privatisiert wurde, eröffnete die Linie bereits als Privatbahn, betrieben von der zuvor gegründeten k.k. privilegierten südlichen Staats-, Lombardisch-, Venetianisch- und Zentral-italienischen Eisenbahngesellschaft. Mit diesem Schachzug konnte der aufwändige Bahnbau aus dem ohnehin stets klammen Staatshaushalt Österreichs ausgeklammert werden. Der erste Schritt war mit dieser Öffnung in die Richtung der östlichen Teile der Monarchie, vor allem nach München getan. Waren und Reisende konnten nun schnell und komfortabel von Bayern in die Alpen und retour transportiert werden. In Südtirol rollten die ersten Züge zwischen Verona und Trient im Frühjahr 1859 über die Schienen.
Der Nord-Süd-Korridor war damit aber noch unvollendet. Erste seriöse Erwägungen zur Brennerbahn wurden 1847 angestellt. Die Auseinandersetzungen südlich des Brenners und die geschäftliche Notwendigkeit der Verbindung der beiden Landesteile riefen 1854 die Permanente Central-Befestigungs-Commission auf den Plan. Durch den Verlust der Lombardei nach dem Krieg mit Frankreich und Sardinien-Piemont 1859 verzögerte sich im politisch instabil gewordenen Norditalien das Projekt. Aus der k.k. privilegierten südlichen Staats-, Lombardisch-, Venetianisch- und Zentral-italienischen Eisenbahngesellschaft musste 1860 die k.k. privilegierte Südbahngesellschaft werden, um mit den Detailplanungen zu starten. Im Folgejahr begann das Mastermind hinter dieser herausragenden infrastrukturellen Leistung der Zeit, Ing. Carl von Etzel (1812 – 1865), das Gelände zu vermessen und konkrete Pläne für die Anlage der Schienen zu erstellen. Der Planer war von den Investoren der privaten Gesellschaft angehalten, möglichst sparsam und ohne große Viadukte und Brücken auszukommen. Entgegen älterer Überlegungen Carl Ritter von Ghegas die Steigung hinauf auf die Passhöhe in 1370 m Seehöhe durch einen Start der Strecke in Hall abzufedern, erarbeitete Etzel den Plan, der Innsbruck miteinschloss, gemeinsam mit seinem Bauleiter Achilles Thommen und erkor die Sillschlucht als beste Route aus. Damit sparte er nicht nur sieben Kilometer Streckenlänge und viel Geld, sondern sicherte Innsbruck auch den wichtigen Status als Verkehrsknotenpunkt. Das alpine Gelände, Muren, Schneestürme und Hochwasser waren große Herausforderungen im Bau. Flussläufe mussten verlegt, Felsen gesprengt, Erdbauten gegraben und Mauern errichtet werden, um der alpinen Streckenführung Herr zu werden. Die ärgsten Probleme bereitete aber der 1866 ausgebrochene Krieg in Italien. Besonders patriotische deutschsprachige Arbeiter weigerten sich, mit dem „Feind“ zu arbeiten. 14.000 italienischsprachige Arbeiter mussten entlassen werden, bevor die Arbeiten weitergehen konnten. Trotzdem konnte die höchst gelegene reguläre Eisenbahnstrecke der W mit ihren 22 aus dem Fels gesprengten Tunneln in bemerkenswert kurzer Bauzeit fertiggestellt werden. Wie viele Männer bei der Arbeit an der Brennerbahn Gesundheit und Leben ließen, ist nicht bekannt.
Die Eröffnung ging bemerkenswert unspektakulär über die Bühne. Viele Menschen waren sich nicht sicher, ob ihnen die technische Neuerung gefällt oder nicht. Wirtschaftszweige wie das Rodfuhrwesen und die Poststationen entlang der Brennerstrecke waren dem Untergang geweiht, wie das Sterben der Flößerei nach der Eröffnung der Bahnlinie ins Unterland gezeigt hatte. Schon während der Bauarbeiten war es zu Protesten der Bauern, die ob des drohenden Imports landwirtschaftlicher Güter um ihren Gewinn fürchteten, gekommen. Auf eine Feier wurde, wie bereits zuvor der Bau der Bahnstrecke, von der Weltpolitik beeinflusst. Wegen der Hinrichtung des ehemaligen Kaisers Maximilians von Mexiko, dem Bruder Franz Josef I., vor einem revolutionären Kriegsgericht, war Österreich in Staatstrauer. Man verzichtete man auf einen großen, dem Projekt eigentlich würdigen Staatsakt. Anstelle einer priesterlichen Weihe und festlicher Taufe spendete die Südbahngesellschaft 6000 Gulden an den Armenfonds. Auch in den Innsbrucker Nachrichten findet sich kein Wort über die Revolution im Verkehrswesen, sieht man von der Meldung des letzten Eilwagens über den Brenner und der Veröffentlichung des Fahrplans der Südbahn ab.
(Der letzte Eilwagen). Gestern Abends halb 8 Uhr fuhr der letzte Eilwagen nach Südtirol von hier ab. Der älteste Postillon in Innsbruck lenkte die Rosse, sein Hut war mit Trauer umflort, und der Wagen zur letzten Fahrt mit Zweigen von Trauerweiden geschmückt. Zwei Schützen, die nach Matrei fuhren, waren die einzigen Passagiere, welche dem Eilwagen die letzte Ehre erwiesen. Schon 1797 in den letzten Tagen war es auf der schönen, sonst so belebten und nun verödeten Straße auffallend tod.
Bis zur Eröffnung der Bahnlinie über den Brenner am 24. August 1867 war Innsbruck ein Kopfbahnhof mit regionaler Bedeutung. Mit der neuen, spektakulären Brennerbahn über die Alpen waren der nördliche und südliche Landesteil sowie Deutschland und Italien verbunden. Die Alpen hatten ihren trennenden Charakter und ihren Schrecken für den Transit verloren, zumindest ein klein wenig. Das zweite Hindernis, das zur Landeseinheit überwunden werden musste, war der Arlberg. Erste Pläne einer Bahnlinie, die die Region um den Bodensee mit dem Rest der Donaumonarchie verbinden würde, gab es bereits 1847, immer wieder wurde das Projekt aber zurückgestellt. 1871 kam es wegen durch Exportverbote von Lebensmitteln auf Grund des deutsch-französischen Krieges zu einer Hungersnot in Vorarlberg, weil Nahrungsmittel nicht schnell genug vom Osten des Riesenreiches in den äußersten Westen geliefert werden konnten. Die Wirtschaftskrise von 1873 verzögerte den Bau trotzdem erneut. Erst sieben Jahre später fiel der Beschluss im Parlament, die Bahnlinie zu realisieren. Im selben Jahr begannen östlich und westlich des Arlbergmassivs die komplizierten Bauarbeiten. 38 Wildbäche und 54 Lawinengefahrstellen mussten mit 3100 Bauwerken bei prekären Wetterverhältnissen im alpinen Gelände verbaut werden. Die bemerkenswerteste Leistung war der zehn Kilometer lange Tunnel, der zwei Gleise führt.
Am 30. Juni 1883 fuhr der letzte Transport der Post mit dem Pferdewagen in feierlichem Trauerflor von Innsbruck nach Landeck. Tags darauf erledigte die Eisenbahn diesen Dienst. Mit der Eröffnung der Eisenbahn von Innsbruck nach Landeck und der endgültigen Fertigstellung der Arlbergbahn bis Bludenz 1884 inklusive dem Tunneldurchschlag durch den Arlberg war Innsbruck endgültig wieder zum Verkehrsknotenpunkt zwischen Deutschland und Italien, Frankreich, der Schweiz und Wien geworden. 1904 wurde die Stubaitalbahn, 1912 die Mittenwaldbahn eröffnet. Beide Projekte plante Josef Riehl (1842 – 1917).
Die Eisenbahn war das am direktesten spürbare Merkmal des Fortschritts für einen großen Teil der Bevölkerung. Die Bahnviadukte, die aus Höttinger Breccie aus dem nahen Steinbruch errichtet wurden, setzten der Stadt im Osten Richtung Pradl ein physisches und sichtbares Ende. Aber nicht nur aus einer rein technischen Perspektive veränderte die Bahn das Land. Sie brachte einen immensen gesellschaftlichen Wandel. Die Bahnhöfe entlang der Linie belebten die Orte immens. Der Bahnhofsvorplatz in Innsbruck wurde zu einem der neuen Zentren der Stadt. Arbeitskräfte, Studenten, Soldaten und Touristen strömten in großer Zahl in die Stadt und brachten neue Lebensentwürfe und Ideen mit. Nicht allen war diese Entwicklung allerdings recht. Die Schifffahrt am Inn, bis dahin ein wichtiger Verkehrsweg, kam beinahe umgehend zum Erliegen. Der ohnehin nach 1848 schwer gerupfte Kleinadel und besonders strenge Kleriker befürchteten den Kollaps der heimischen Landwirtschaft und den endgültigen Sittenverfall durch die Fremden in der Stadt.
Bis 1870 stieg die Einwohnerzahl Innsbrucks vor allem wegen der Wirtschaftsimpulse, die die Bahn brachte von 12.000 auf 17.000 Menschen. Lokale Produzenten profitieren von der Möglichkeit der kostengünstigen und schnellen Warenein- und Ausfuhren. Der Arbeitsmarkt veränderte sich. Vor der Eröffnung der Bahnlinien waren 9 von 10 Tirolern in der Landwirtschaft tätig. Mit der Eröffnung der Brennerbahn sank dieser Wert auf unter 70%.
Für den Tourismus war die Bahn Gold wert. Es war nun möglich, die abgelegene und exotische Bergwelt der Alpen Tirols zu erreichen. Kurorte wie Igls und ganze Täler wie das Stubaital, aber auch der Innsbrucker Stadtverkehr profitierten von der Entwicklung der Bahn. 1904 Jahre später verband die Stubaitalbahn als erste österreichische Bahn mit Wechselstrom das Seitental mit der Hauptstadt. Am 24.12.1904 wurden 780.000 Kronen, umgerechnet etwa 6 Millionen Euro, als Kapitalstock für die Straßenbahnlinie 1 gezeichnet. Im Sommer des Folgejahres verband die Linie die neuen Stadtteile Pradl und Wilten mit dem Saggen und der Innenstadt. Drei Jahre später eröffnete mit der Line 3 die nächste innerstädtische Verbindung des öffentlichen Verkehrs, die erst 1942 nach dem Anschluss von Amras an Innsbruck bis ins abgelegene Dorf führte.
Das neue Verkehrsmittel trug zur gesellschaftlichen Demokratisierung und Verbürgerlichung bei. Nicht nur für wohlhabende Touristen, auch für Untertanen, die nicht der Upper Class angehörten, wurden mit der Bahn Ausflüge in die Umgebung möglich. Neue Lebensmittel veränderten den Speiseplan der Menschen. Erste Kaufhäuser entstanden mit dem Erscheinen von Konsumartikeln, die vorher nicht verfügbar waren. Das Erscheinungsbild der Innsbrucker wandelte sich mit neuer, modischer Kleidung, die für viele zum ersten Mal erschwinglich wurde. Der Warentransport auf dem Inn erhielt den endgültigen Todesstoß. In den 1870er Jahren wurde der letzte Floßabladeplatz der Stadt an der Stelle, an der sich heute der Waltherpark in St. Nikolaus befindet, geschlossen.
Die Bundesbahndirektion der K.u.K. General-Direction der österreichischen Staatsbahnen in Innsbruck war eine von nur drei Direktionen in Cisleithanien. Neue soziale Schichten entstanden durch die Bahn als Arbeitgeber. Es bedurfte Menschen aller Bevölkerungsschichten, um den Bahnbetrieb am Laufen zu halten. Arbeiter und Handwerker konnten bei der Bahn, ähnlich wie in der staatlichen Verwaltung oder dem Militär, sozial aufsteigen. Neue Berufe wie Bahnwärter, Schaffner, Heizer oder Lokführer entstanden. Bei der Bahn zu arbeiten, brachte ein gewisses Prestige mit sich. Nicht nur war man ein Teil der modernsten Branche der Zeit, die Titel und Uniformen machten aus Angestellten und Arbeitern Respektpersonen.
Die Bahn war auch von großer Bedeutung für das Militär. Schon 1866 bei der Schlacht von Königgrätz zwischen Österreich und Preußen war zu sehen, wie wichtig der Truppentransport in Zukunft sein würde. Österreich war bis 1918 ein Riesenreich, das sich von Vorarlberg und Tirol im Südwesten bis nach Galizien, einem Gebiet im heutigen Polen und der Ukraine im Osten erstreckte. Um die unruhige Südgrenze zum neuen Nachbarn, dem Königreich Italien zu verstärken, bedurfte es der Brennerbahn. Auch im Ersten Weltkrieg waren Tiroler Soldaten in den ersten Kriegsjahren bis zur Kriegserklärung Italiens an Österreich in Galizien im Einsatz. Als es zur Öffnung der Frontlinie in Südtirol kam, war die Bahn wichtig, um Truppen schnell vom Osten des Reiches an die Südfront bewegen zu können.
An Carl von Etzel, der die Eröffnung der Brennerbahn nicht mehr erlebte, erinnert heute die Ing.-Etzel-Straße im Saggen entlang der Bahnviadukte. An Josef Riehl erinnert die Dr. -Ing.-Riehl-Straße in Wilten in der Nähe des Westbahnhofs. Auch Achilles Thommen ist eine Straße gewidmet. Als Spaziergänger oder Radfahrer kann man die Karwendelbrücke in der Höttinger Au einen Stock unter der Karwendelbahn überqueren und das Stahlfachwerk bewundern. Einen guten Eindruck vom Goldenen Zeitalter der Eisenbahn erhält man bei einem Besuch des ÖBB-Verwaltungsgebäudes im Saggen oder beim denkmalgeschützten Westbahnhof in Wilten. In den Viaduktbögen im Saggen kann man in einer der vielen Kneipen überdacht von der Geschichte das Nachtleben Innsbrucks genießen.
Einfluss der Eisenbahn auf die Landwirtschaft
Erschienen: Neue Tiroler Stimmen / 11. Februar 1868
Unläugbar ist die Thatsache, daß den Tiroler praktischer Sinn für Alles, was er angreift und Arbeitseifer in hohem Grade auszeichnen. Auf allen Gebieten der Wissenschaft, der Kunst und der Industrie ragten Tiroler hervor, ebenso wie sich viele durch Unternehmensgeist und tüchtige Geschäftskenntniß im Ausland ein gutes Fortkommen, eine achtbare Stellung errungen haben. Auch die Handwerker aus Tirol, die schaarenweise in die Fremde nach Arbeit ziehen, sind überall geschätzt und gut entlohnt. Eine Eigenthümlichkeite aber ist es, die den Tiroler vor allen auszeichnet, und die kaum anderswo zu solcher Geltung und Bedeutung gelangt, wie bei ihm, und das ist, – sein Streben nach Selbstständigkeit in der eigenen Heimat. Die allermeisten Auswanderer zieht es wieder in die Berge zurück. Hat sich der Tiroler Arbeiter mit Mühe und Schweiß ein kleines Capital, sei es auch nur von wenigen hundert Gulden erworben, kauft er sich damit ein „Heimatl“ oder wenigstens einen Acker. Das Merkwürdigste dabei aber ist, daß er nur aus Luft und Liebe zur Arbeit, seine Scholle bebaut – und Umstand, der sich leicht erweisen läßt.
Nehmen wir z.B. einen Acker aus der Umgebung Innsbrucks, wo 1 Jauch in den besseren Lagen sammt Gerichtsunkosten 1500 fl. kostet. Davon betragen die (nur 5%) Zinsen 75 fl., dazu rechnen wir zu Türkenfeld 8 Doppelfuhren Dünger auf das Feld gestellt zu 48 fl. Eggen und Bauen sammt Saamen 10 fl., „Becken“, „Häufeln“ 8 fl., Abnehmen, Einführen, Abmachen und „Abnehmen“ 12 fl., Steiern 8 fl., so ergibt sich die Summe von 161 fl. als Auslage. Rechnet man nun durchschnittlich 60 Staar Türken a 2 fl., Stroh und Kolben 20 fl., so beträgt die Einnahme 140 fl. – Es bearbeitet demnach der Besitzer ein solches Feld umsonst und weil er hiezu nicht gezwungen ist, so bleibt kein andererer Erklärungsgrund übrig, als der, daß er es aus Vergnügen thut.
Allerdings geschieht die meiste Arbeit nebenher – wie man sagt – „man rechnet“ die eigene Arbeit nicht“ und bekommt dabei doch etwas in´s Haus, was für Arbeiter, die im Winter vielfach ohne Brschäftigung sind, wie Maurer, Zimmerleute u.s.w. von größerer oder geringerer Ausdehnung in der jüngsten Zeit immer häufiger werden, und ein solcher Besitzer, der obendrein oft kaum die Hälfte des Ankaufs-Capitales seines „Ackerles“ selbst besitzt und das übrige darauf schuldig ist, wird, wenn nicht ruinirt, so doch auf viele Jahre empfindlich berührt sein. So lange das Korn noch die jetzigen Preise hält, wird man sich wohl durch Mühen und harte Entbehrungen durchzuschlagen vermögen, was aber dann, wenn die Kornpreise sinken? Wenn die Pusterthaler Bahn den Weg, den das ungarische Korn bis zu uns jetzt macht, fast um die Hälfte verkürzt? Was dann, wenn in Ungarn selbst durch Zweigbahnen und gute Strassen die Zufuhr des Korns zu den Stationsplätzen (was bisher das meiste kostet) erleichtert und endlich die Bahnverwaltungen selbst einsehen werden, daß sie durch Herabsetzung des Fahr-Tarifes nicht nur den allgemeinen, sondern auch ihren eigenen Wohlstand fördern? Wenn man dann z.B. den Weizen in Ungarn um 2 fl. kauft und die Fracht ebenfalls 2 fl. beträgt. Welche Rückwirkung wird das auf unsere eigenen Erzeugnisse, auf unsere ganze Bodenkultur haben?
Es ist hohe Zeit, daß sich die Landwirthe mit dieser Frage allen Ernstes beschäftigen. Denn wenn es einmal durch weitere Ausbreitung des Bahnnetzes im Osten (auch auf die an Ungarn grenzenden Länder) möglich wird, daß wir das Staar Weizen nur um 2 1/2 fl. kaufen, wird die hier herum meist gezogene Fruchte – der Türken im Preise um die Hälfte herabgedrückt, und dadurch der jetzige enorme Werth der Felder selbst natürlich gemindert. Die Bedeutung der Frage ist einleuchtend und verdient unsere Beachtung im höchsten Grade. Zwar ist die Eisenbahn schon deshalb für unser Land von ungeheurem Nutzen, weil wir bei 1/3 unserer Bedürfnisse von Außen beziehen müssen, weshalb es auf der Hand liegt, daß sich das Gesamtvermögen steigern muß, wenn wir diesen Mehrbedarf billiger als es durch Are möglich ist, beziehen und für unsere eigenen Ausfuhr-Artikel weitere Absatz Quellen suchen können. Nichtsdestoweniger werden durch die Vervollständigung des Bahnnetzes manche tiefgehende Umgestaltungen in unseren landwirthschaftlichen Verhältnissen eintreten müssen, um die einzelnen nachtheiligen Folgen durch zeitgemäßere Ausnützung des Bodens möglichst auszugleichen. In erster Linie dürfen hierzug wohl die Hebung der Viehzucht und folgerichtig bessere Kultivierung der Futterkräuter und vorzüglich der Alpen liegen.
Sehenswürdigkeiten dazu…
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Haltestellen: Mühlau – Igls
Viaduktbögen
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Palais Ferrari & Altes Garnisonsspital
Weinhartstraße 2 – 4
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