Der Erste Weltkrieg und die Zeit danach
Der Erste Weltkrieg und die italienische Besatzung
Beinahe hätte nicht Gavrilo Princip, sondern ein Innsbrucker Student die Geschicke der Welt verändert. Es ist dem Zufall zu verdanken, dass der 20 Jahre alte Serbe im Jahr 1913 gestoppt wurde, weil er mit dem geplanten Attentat auf den Thronfolger vor einer Kellnerin prahlte. Erst als es tatsächlich zu den die Welt verändernden Schüssen in Sarajevo kam, erschien ein Artikel in den Medien dazu. Welche Auswirkungen der daraufhin ausgebrochene Erste Weltkrieg auf die Welt und den Alltag der Menschen haben sollte, war nach dem tatsächlichen Attentat auf Franz Ferdinand am 28. Juni nicht absehbar. Zwei Tage nach der Ermordung des Habsburgers in Sarajewo war aber in den Innsbrucker Nachrichten bereits prophetisches zu lesen: „Wir sind an einem Wendepunkte – vielleicht an dem Wendepunkte“ – der Geschicke dieses Reiches angelangt“.
Auch in Innsbruck war die Begeisterung für den Krieg 1914 groß gewesen. Vom „Gott, Kaiser und Vaterland“ der Zeit angetrieben, begrüßten die Menschen den Angriff auf Serbien zum allergrößten Teil einhellig. Politiker, Klerus und Presse stimmten in den allgemeinen Jubel mit ein. Neben dem kaiserlichen Appell „An meine Völker“, der in allen Medien des Reiches erschien, druckten die Innsbrucker Nachrichten am 29. Juli, dem Tag nach der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien einen Artikel rund um die Einnahme Belgrads durch Prinz Eugen im Jahr 1717. Der Ton in den Medien war feierlich, wenn auch nicht ganz ohne böse Vorahnung auf das, was kommen sollte.
„Der Appell des Kaisers an seine Völker wird tief ergreifen. Der innere Hader ist verstummt und die Spekulationen unserer Feinde aus Unruhen und ähnliche Dinge sind jämmerlich zu Schanden geworden. In alter und vielbewährter Treue stehen vor allem auch diesmal die Deutschen zu Kaiser und Reich: auch diesmal bereit, mit ihrem Blute für Dynastie und Vaterland einzustehen. Wir gehen schweren Tagen entgegen; niemand kann auch nur ahnen, was uns das Schicksal bescheiden wird, was es Europa, was es der Welt bescheiden wird. Wir können nur mit unserem alten Kaiser auf unsere Kraft und auf Gott vertrauen und die Zuversicht hegen, daß, wenn wir einig find und zusammenhalten, uns der Sieg beschieden sein muß, denn wir wollten den Krieg nicht und unsere Sache ist die der Gerechtigkeit!“
Besonders „verdient“ machten sich bei der Kriegstreiberei Theologen wie Joseph Seeber (1856 – 1919) und Anton Müllner alias Bruder Willram (1870 – 1919) die mit ihren Predigten und Schriften wie „Das blutige Jahr“ den Krieg zu einem Kreuzzug gegen Frankreich und Italien erhoben.
Viele Innsbrucker meldeten sich freiwillig für den Feldzug gegen Serbien, von dem man dachte, er wäre eine Angelegenheit weniger Wochen oder Monate. Von außerhalb der Stadt kam eine so große Anzahl an Freiwilligen zu den Stellungskommissionen, dass Innsbruck beinahe aus allen Nähten platzte. Wie anders es kommen sollte, konnte keiner ahnen. Schon nach den ersten Schlachten im fernen Galizien war klar, dass es keine Sache von Monaten werden würde.
1915 trat das Königreich Italien an der Seite Frankreichs und Englands in den Krieg ein. Damit ging die Front quer durch das damalige Tirol. Vom Ortler im Westen über den nördlichen Gardasee bis zu den Sextener Dolomiten fanden die Gefechte des Gebirgskriegs statt. Innsbruck war nicht direkt von den Kampfhandlungen betroffen. Zumindest hören konnte man das Kriegsgeschehen aber bis in die Landeshauptstadt, wie in der Zeitung vom 7. Juli 1915 zu lesen war:
„Bald nach Beginn der Feindseligkeiten der Italiener konnte man in der Gegend der Serlesspitze deutlich Kanonendonner wahrnehmen, der von einem der Kampfplätze im Süden Tirols kam, wahrscheinlich von der Vielgereuter Hochebene. In den letzten Tagen ist nun in Innsbruck selbst und im Nordosten der Stadt unzweifelhaft der Schall von Geschützdonner festgestellt worden, einzelne starke Schläge, die dumpf, nicht rollend und tönend über den Brenner herüberklangen. Eine Täuschung ist ausgeschlossen. In Innsbruck selbst ist der Donner der Kanonen schwerer festzustellen, weil hier der Lärm zu groß ist, es wurde aber doch einmal abends ungefähr um 9 Uhr, als einigermaßen Ruhe herrschte, dieser unzweifelhafte von unseren Mörsern herrührender Donner gehört.“
Bis zur Verlegung regulärer Truppen von der Ostfront an die Tiroler Landesgrenzen hing die Landesverteidigung an den Standschützen, einer Truppe, die aus Männern unter 21, über 42 oder mit Untauglichkeit für den regulären Militärdienst bestand.
Die Front war relativ weit von Innsbruck entfernt, der Krieg drang aber ins zivile Leben ein. Diese Erfahrung der totalen Einbeziehung der gesamten Gesellschaft war für die Menschen neu. In der Höttinger Au wurden Baracken zur Unterbringung von Kriegsgefangenen errichtet. Verwundetentransporte brachten eine so große Zahl grauenhaft Verletzter, dass viele eigentlich zivile Gebäude wie die sich gerade im Bau befindliche Universitätsbibliothek oder Schloss Ambras in Militärspitäler umfunktioniert wurden. Um der großen Zahl an Gefallenen Herr zu werden, wurde der Militärfriedhof Pradl angelegt. Ein Vorgänger der Straßenbahnlinie 3 wurde eingerichtet, um die Verwundeten vom Bahnhof ins neue Garnisonsspital, die heutige Conradkaserne in Pradl, bringen zu können. Die Bevölkerung in Innsbruck litt unter Mangel, vor allem im letzten Winter, der als Hungerwinter in die europäische Geschichte einging. Die Versorgung erfolgte in den letzten Kriegsjahren über Bezugsscheine. 500 g Fleisch, 60 g Butter und 2 kg Kartoffel waren die Basiskost pro Person – pro Woche, wohlgemerkt. Auf Archivbildern kann man die langen Schlangen verzweifelter und hungriger Menschen vor den Lebensmittelläden sehen.
Im Oktober 1918 kam es zum ersten Mal zu einem Fliegeralarm, Schaden entstand keiner. Zu dieser Zeit war den meisten Menschen schon klar, dass der Krieg verloren war, und welches Schicksal Tirol erwarten würde, wie dieser Artikel vom 6. Oktober 1918 zeigt:
„Aeußere und innere Feinde würfeln heute um das Land Andreas Hofers. Der letzte Wurf ist noch grausamer; schändlicher ist noch nie ein freies Land geschachert worden. Das Blut unserer Väter, Söhne und Brüder ist umsonst geflossen, wenn dieser schändliche Plan Wirklichkeit werden soll. Der letzte Wurf ist noch nicht getan. Darum auf Tiroler, zum Tiroler Volkstag in Brixen am 13. Oktober 1918 (nächsten Sonntag). Deutscher Boden muß deutsch bleiben, Tiroler Boden muß tirolisch bleiben. Tiroler entscheidet selbst über Eure Zukunft!“
Am 4. November vereinbarten Österreich-Ungarn und das Königreich Italien schließlich einen Waffenstillstand. Damit verbunden war das Recht der Alliierten Gebiete der Monarchie zu besetzen. Bereits am nächsten Tag rückten bayerische Truppen in Innsbruck ein. Der österreichische Verbündete Deutschland befand sich noch im Krieg mit Italien und hatte Angst, die Front könnte nach Nordtirol näher an das Deutsche Reich verlegt werden. Zum großen Glück für Innsbruck und die Umgebung kapitulierte aber auch Deutschland eine Woche später am 11. November. So blieben die großen Kampfhandlungen zwischen regulären Armeen außen vor.
Trotzdem war Innsbruck in Gefahr. Gewaltige Kolonnen an militärischen Kraftfahrzeugen, Züge voller Soldaten und tausende ausgezehrte Soldaten, die sich zu Fuß auf den Heimweg von der Front machten, passierten die Stadt. Die Stadt musste nicht nur die eigenen Bürger in Zaum halten, die Verpflegung garantieren, sondern sich auch vor Plünderungen schützen. Um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, bildeten sich Wehrgruppen aus Schülern, Studenten, Arbeitern und Bürgern. Am 23. November 1918 besetzten italienische Truppen die Stadt und das Umland. Der beschwichtigende Aufruf an die Innsbrucker von Bürgermeister Greil, die Stadt ohne Aufruhr zu übergeben, hatte Erfolg. Es kam zwar zu vereinzelten Ausschreitungen, Hungerkrawallen und Plünderungen, bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Besatzungstruppen oder gar eine bolschewistische Revolution wie in München gab es aber nicht.
Erinnerungsorte an den Ersten Weltkrieg und die Gefallenen finden sich in Innsbruck vor allem an Kirchen und Friedhöfen. Das Kaiserjägermuseum am Berg Isel zeigt Uniformen, Waffen und Bilder des Schlachtgeschehens. Den beiden Theologen Anton Müllner und Josef Seeber sind in Innsbruck Straßennamen gewidmet. Auch nach dem Oberbefehlshaber der k.u.k Armee an der Südfront, Erzherzog Eugen, wurde eine Straße benannt. Vor dem Hofgarten befindet sich ein Denkmal für den erfolglosen Feldherren. An die italienische Besatzung erinnert der östliche Teil des Amraser Militärfriedhofs.
"Das Attentat seit Jahren geplant"
Erschienen: Innsbrucker Nachrichten, 30. Juni 1914
Dass sich die großserbischen Agitationshetzer schon seit Jahren mit dem Plane einer Ermordung des Thronfolgers beschäftigten, beweist am besten eine Episode, die sich vor ungefähr anderthalb Jahren in Frankfurt zutrug und im vorigen Sommer ihr gerichtliches Nachspiel hatte.
Die an der hiesigen medizinischen Fakultät inskribierten südslawischen Studierenden versammelten sich damals regelmäßig in einem Lokale im Zentrum der Stadt. Unter den Gästen, der 20jährige Weichsel Serbanovic aus Belgrad, behauptete in die Gunst der dort anwesenden schönen Mädchen zu kommen und sich der Beliebtheit zu erfreuen. Um bei ihr Eindruck zu machen, erzählte er ihr, dass er einem geheimen Bunde angehöre, der es sich zur Aufgabe gemacht habe, nach Wien zu reisen und dort den Erzherzog zu töten.
Als das Mädchen ihm erschrocken fragte, ob er sichere Kenntnis von dem Vorhaben, verfassten nicht nur Serbanovic, sondern auch noch zehn seiner Freunde. Die Haussuchungen, die bei Folge, dass der Zahl der inskribierten Serben der dem Eingang jeglichen Antispartenprotokolls unfreiwillig herausgefischten jungen Leute vorgenommen wurden, hatten zum Ergebnis, dass jenes gelang es, beim Hauptbeteiligten den scharf geladenen Browning, eine serbische Fahne und viele Zünder zu finden. Bei der Einvernahme versuchte Serbanovic an, nur Hörensagen gesprochen zu haben, doch gab es untermauerten, mit der das Wort von Bondentrat und aus geschrien zu sein, weil er ein guter Gymnasiast, (Tonković oder ein serb. Gemeiner), diese Fertigkeit erlernt habe.
Der Prozess Serbanovic, der als Minderjähriger das spätere Ereignis der Untersuchung nur noch teilweise zugeführt wurde, hatte durch die Sensation wenig Wert, er endete mit einer Freisprache, weil es der Verteidigung gelang nachzuweisen, dass die Kronzeugen ein damals besonders verhetzter Studenten schlecht verstandenen Scherz ausgaben.
Die behördlichen Organe blieben trotzdem bei der Ansicht, dass Serbanovic doch kein harmloser Phantast, sondern ein gefährlicher Agent sei, und veranlassten seine Ausweisung aus Österreich. Die ungarischen Behörden taten dasselbe.
Scheine zweifelt wohl kein Mensch daran, dass die jungen Studenten wirklich in einer serbischen Organisation standen, der die Mordtat in Sarajevo geplant wurde. Es ist auch bezeichnend, dass Serbanovic, trotz seines jungen Alters, sofort wieder Anschluss an einen revolutionären Bund fand, der die gesamte südslawische Jugend umfasst.
An meine Völker
Diese Verlautbarung Kaiser Franz Josef I. erschien am 29. Juli 1914, am Tag nach dem Kriegsbeginn in allen Zeitungen des Reiches.
Es war Mein sehnlichster Wunsch, die Jahre, die Mir durch Gottes Gnade noch beschieden sind, Werken des Friedens zu weihen und Meine Völker vor den schweren Opfern und Lasten des Krieges zu bewahren.
Im Rate der Vorsehung ward es anders beschlossen.
Die Umtriebe eines haßerfüllten Gegners zwingen Mich, zur Wahrung der Ehre Meiner Monarchie, zum Schutze ihres Ansehens und ihrer Machtstellung, zur Sicherung ihres Besitzstandes nach langen Jahren des Friedens zum Schwerte zu greifen.
Mit rasch vergessendem Undank hat das Königreich Serbien, das von den ersten Anfängen seiner staatlichen Selbständigkeit bis in die neueste Zeit von Meinen Vorfahren und Mir gestützt und gefördert worden war, schon vor Jahren den Weg offener Feindseligkeit gegen Österreich-Ungarn betreten.
Als Ich nach drei Jahrzehnten segensvoller Friedensarbeit in Bosnien und der Hercegovina Meine Herrscherrechte auf diese Länder erstreckte, hat diese Meine Verfügung im Königreiche Serbien, dessen Rechte in keiner Weise verletzt wurden, Ausbrüche zügelloser Leidenschaft und erbittertsten Hasses hervorgerufen. Meine Regierung hat damals von dem schönen Vorrechte des Stärkeren Gebrauch gemacht und in äußerster Nachsicht und Milde von Serbien nur die Herabsetzung seines Heeres auf den Friedensstand und das Versprechen verlangt, in Hinkunft die Bahn des Friedens und der Freundschaft zu gehen.
Von demselben Geiste der Mäßigung geleitet, hat sich Meine Regierung, als Serbien vor zwei Jahren im Kampfe mit dem türkischen Reiche begriffen war, auf die Wahrung der wichtigsten Lebensbedingungen der Monarchie beschränkt. Dieser Haltung hatte Serbien in erster Linie die Erreichung des Kriegszweckes zu verdanken.
Die Hoffnung, daß das serbische Königreich die Langmut und Friedensliebe Meiner Regierung würdigen und sein Wort einlösen werde, hat sich nicht erfüllt.
Immer höher lodert der Haß gegen Mich und Mein Haus empor, immer unverhüllter tritt das Streben zutage, untrennbare Gebiete Österreich-Ungarns gewaltsam loszureißen.
Ein verbrecherisches Treiben greift über die Grenze, um im Südosten der Monarchie die Grundlagen staatlicher Ordnung zu untergraben, das Volk, dem Ich in landesväterlicher Liebe Meine volle Fürsorge zuwende, in seiner Treue zum Herrscherhaus und zum Vaterlande wankend zu machen, die heranwachsende Jugend irrezuleiten und zu frevelhaften Taten des Wahnwitzes und des Hochverrates aufzureizen. Eine Reihe von Mordanschlägen, eine planmäßig vorbereitete und durchgeführte Verschwörung, deren furchtbares Gelingen Mich und Meine Völker ins Herz getroffen hat, bildet die weithin sichtbare blutige Spur jener geheimen Machenschaften, die von Serbien aus ins Werk gesetzt und geleitet wurden.
Diesem unerträglichen Treiben muß Einhalt geboten, den unaufhörlichen Herausforderungen Serbiens ein Ende bereitet werden, soll die Ehre und Würde Meiner Monarchie unverletzt erhalten und ihre staatliche, wirtschaftliche und militärische Entwicklung vor beständigen Erschütterungen bewahrt bleiben.
Vergebens hat Meine Regierung noch einen letzten Versuch unternommen, dieses Ziel mit friedlichen Mitteln zu erreichen, Serbien durch eine ernste Mahnung zur Umkehr zu bewegen.
Serbien hat die maßvollen und gerechten Forderungen Meiner Regierung zurückgewiesen und es abgelehnt, jenen Pflichten nachzukommen, deren Erfüllung im Leben der Völker und Staaten die natürliche und notwendige Grundlage des Friedens bildet.
So muß Ich denn daran schreiten, mit Waffengewalt die unerläßlichen Bürgschaften zu schaffen, die Meinen Staaten die Ruhe im Inneren und den dauernden Frieden nach außen sichern sollen.
In dieser ernsten Stunde bin Ich Mir der ganzen Tragweite Meines Entschlusses und Meiner Verantwortung vor dem Allmächtigen voll bewußt.
Ich habe alles geprüft und erwogen.
Mit ruhigem Gewissen betrete Ich den Weg, den die Pflicht Mir weist.
Ich vertraue auf Meine Völker, die sich in allen Stürmen stets in Einigkeit und Treue um Meinen Thron geschart haben und für die Ehre, Größe und Macht des Vaterlandes zu schwersten Opfern immer bereit waren.
Ich vertraue auf Österreich-Ungarns tapfere und von hingebungsvoller Begeisterung erfüllte Wehrmacht.
Und Ich vertraue auf den Allmächtigen, daß Er Meinen Waffen den Sieg verleihen werde.
Sehenswürdigkeiten dazu…
Verbindungshaus Austria
Josef-Hirn-Straße
Johanneskirche
Bischof-Reinhold-Stecher-Platz
Militärfriedhof & Pradler Friedhof
Kaufmannstraße / Wiesengasse
Alter Militärfriedhof Pradl
Anzengruberstraße
Turnusvereinshaus
Innstraße 2
Kirche & Friedhof St. Nikolaus
Schmelzergasse 1
Universität Innsbruck
Innrain 52
Panoramagebäude
Rennweg 39
Tummelplatz
Haltestelle Tummelplatz