Maximilian I.: Tiroler im Herzen, Europäer im Geiste
Maximilian I. und seine Zeit
Maximilian zählt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der europäischen und der Innsbrucker Stadtgeschichte. Über Tirol soll der passionierte Jäger gesagt haben: "Tirol ist ein grober Bauernkittel, der aber gut wärmt." Er machte Innsbruck in seiner Regierungszeit zu einem der wichtigsten Zentren des Heiligen Römischen Reichs. „Wer immer sich im Leben kein Gedächtnis macht, der hat nach seinem Tod kein Gedächtnis und derselbe Mensch wird mit dem Glockenton vergessen.“ Dieser Angst wirkte Maximilian höchst erfolgreich aktiv entgegen. Unter ihm spielten Propaganda, Bild und Medien eine immer stärkere Rolle, bedingt auch durch den aufkeimenden Buchdruck. Maximilian nutzte Kunst und Kultur, um sich präsent zu halten. So hielt er sich eine Reichskantorei, eine Musikkapelle, die vor allem bei öffentlichen Auftritten und Empfängen internationaler Gesandter zum Einsatz kam. Er ließ einen wahren Personenkult mit Münzen, Büchern, Druckschriften und Gemälden rund um sich selbst veranstalten.
Bei aller Romantik, die der Liebhaber höfischer Traditionen und des Rittertums pflegte, war er ein kühler Machtpolitiker. Unter ihm entstanden politische Institutionen wie der Reichstag, Reichshofrat und das Reichskammergericht, die das Verhältnis von Untertanen, Landesherr und Monarchie streng regelten. Die zentral beschlossenen Gesetze wurden von den Reichskreisen lokal umgesetzt. Besoldete Beamten durchdrangen das Leben des Einzelnen in einer Art und Weise, die es im Mittelalter nicht gab. Bei den Tiroler Bauern war Maximilian zu Lebzeiten unbeliebt. Er beschnitt in einem wahren Furor an neuen Gesetzen die bäuerlichen Rechte der Allmende. Holzschlag, Jagd und Fischerei wurden dem Landesherrn unterstellt und waren kein Allgemeingut mehr. Das hatte negative Auswirkungen auf die bäuerliche Selbstversorgung. Fleisch und Fisch, im Mittelalter für lange Zeit ein Teil des Speiseplans gewesen, nun wurde dieser Genuss zum Luxus. Es war um 1500, dass aus Jägern Wilderer wurden.
Zur Einschränkung in der Selbstversorgung gesellten sich neue Abgaben. Es war immer schon üblich gewesen, dass Landesfürsten im Kriegsfall die Bevölkerung mit zusätzlichen Steuern belasteten. Maximilians Kriegsführung unterschied sich zu den mittelalterlichen Konflikten. Die Hilfstruppen und ihre adeligen, ritterlich kämpfenden Grundherren wurden durch Söldner, die mit den modernen Feuerwaffen umzugehen verstanden, ergänzt oder ganz ersetzt.
Diese neue Art ins Feld zu ziehen, verschlang Unsummen. Als die Erträge aus den landesfürstlichen Besitzungen wie Münz-, Markt-, Bergwerks-, und Zollregal nicht mehr ausreichten, wurden die einzelnen Bevölkerungsgruppen je nach Stand und Vermögen besteuert, jedoch war die Steuer noch weit entfernt von unserem heutigen ausdifferenzierten System und brachten dementsprechend Ungerechtigkeit und Unmut mit sich.
Ein Beispiel für eine Abgabe war Maximilians Gemeiner Pfennig. Die Vermögenssteuer betrug zwischen 0,1 und 0,5% des Vermögens, war aber mit 1 Gulden gedeckelt. Juden mussten unabhängig von ihrem Vermögen eine Kopfsteuer von 1 Gulden bezahlen. Erstmals wurden auch Fürsten zur Kasse gebeten, bezahlten aber durch die Deckelung maximal gleich viel wie ein mittelständischer Jude. Verkündung und Exekution der Steuer unterlagen Prälaten, Pfarrern und weltlichen Herrn. Pfarrer mussten an drei Sonntagen die Steuer von der Kanzel herunter verkünden, die Beiträge gemeinsam mit Vertretern der Gerichte einsammeln und im Reichssteuerregister anlegen.
Schnell begriff man, dass diese Art der Steuereinhebung nicht funktionierte. Es bedurfte eines modernen Systems und Steuermodells. Eine kollegiale Kammer, das Regiment, wachte zentral über die Länder Tirol und Vorderösterreich nach dem modernen Vorbild der Burgunder Finanzwirtschaft, die Maximilian in seiner Zeit in den Niederlanden kennengelernt hatte. Innsbruck wurde zum Finanz- und Buchhaltungszentrum für die österreichischen Länder. Die Raitkammer und die Hauskammer befanden sich im Neuhof, wo heute das Goldene Dachl über die Altstadt residiert. 1496 wurden die alle finanziellen Mittel der österreichischen Erbländer in der Schatzkammer in Innsbruck gebündelt. Vorsitzender der Hofkammer war der Brixner Bischof Melchior von Meckau, der mehr und mehr die Fugger als Kreditgeber miteinbezog. Beamten wie Jakob Villinger (1480 - 1529) wickelten in der italienisch geprägten Form der doppelten Buchhaltung den Geldverkehr mit Bankhäusern aus ganz Europa ab und probierten den kaiserlichen Finanzhaushalt in Zaum zu halten. Talentierte Kleinadelige und Bürger, studierte Juristen und ausgebildete Beamten lösten den Hochadel in bestimmender Funktion ab. Finanzexperten aus Burgund hatten die kaufmännische Leiter des Regiments über. Die Übergänge zwischen Finanz- und anderen Feldern wie Kriegsplanung und Innenpolitik waren fließend, was der neuen Beamtenschicht große Macht verlieh.
War es bisher üblich, dass das Gleichgewicht zwischen Landesfürsten, Kirche, Grundherr und Untertan aus Beitrag und militärischem Schutz bestand, wurde dieses System nun durch Zwang von der Obrigkeit durchgesetzt. Maximilian argumentierte, dass es Pflicht jedes Christenmenschen, egal welchen Standes, sei, das Heilige Römische Reich gegen äußere Feinde zu verteidigen. Die Aufzeichnungen rund um die Streitereien zwischen König, Adel, Klerus, Bauern und Städten um die Abgabenleistung erinnerten schon vor Maximilian stark an heutige politische Diskussion um das Thema der gesellschaftlichen Umverteilung. Der große Unterschied und Bruch zwischen dem ausgehenden 15. Jahrhundert und den vorhergegangenen Jahrhunderten entstand dadurch, dass dank des modernen Beamtenapparats diese Steuern nun auch exekutiert und eingetrieben werden konnten. Der Vergleich mit der Registrierkassenpflicht, der Besteuerung von Trinkgeldern in der Gastronomie und der Diskussion um die Abschaffung des Bargeldes drängt sich auf.
Das Kapital folgte der politischen Bedeutung ebenfalls nach Innsbruck. Während seiner Regentschaft beschäftigte Maximilian 350 Räte, die ihm zur Seite standen. Knapp ein Viertel dieser hochbezahlten Räte stammte aus Tirol. Gesandte und Politiker aus ganz Europa bis zum osmanischen Reich sowie Adelige ließen sich ihren Wohnsitz in Innsbruck bauen oder übernachteten in den Wirtshäusern der Stadt. Ähnlich wie Big Money aus Ölgeschäften heute Fachkräfte aller Art nach Dubai lockt, zogen das Schwazer Silber und die daran hängende Finanzwirtschaft damals Experten aller Art nach Innsbruck, einer kleinen Stadt inmitten der unwirtlichen Alpen.
Innsbruck veränderte sich unter Maximilian Regentschaft baulich und infrastrukturell wie nie zuvor. Neben dem repräsentativen Goldenen Dachl ließ er die Hofburg umgestalten, begann mit dem Bau der Hofkirche und erschuf mit dem Innsbrucker Zeughaus Europas führende Waffenschmiede. Die Straßen durch die Altstadt wurden für das feine Volk des Hofstaats befestigt und gepflastert. 1499 ließ Maximilian die Salvatorikapelle, ein Spital für notleidende Innsbrucker, die keinen Anspruch auf einen Platz im Stadtspital hatten, renovieren und erweitern. Eine moderne Wasserleitung von der Nordkette in die Stadt verbesserte die Trinkwasserversorgung, Hygiene und Sicherheit. Maximilian ließ den Handelsweg im heutigen Mariahilf verlegen und verbesserte die Wasserversorgung der Stadt. Eine Feuerordnung für die Stadt Innsbruck folgte 1510. Maximilian begann auch an den Privilegien des Stiftes Wilten, dem größten Grundherrn im heutigen Stadtgebiet, zu sägen. Infrastruktur im Besitz des Klosters wie Mühle, Säge und Sillkanal sollten stärker unter landesfürstliche Kontrolle kommen.
Der kaiserliche Hof und die wohlhabende Beamtenschaft, die in Innsbruck ansässig waren, transformierte Aussehen und Attitüde Innsbrucks. Maximilian hatte die distinguierte höfische Kultur Burgunds seiner ersten Ehefrau nach Mitteleuropa eingeführt. Kulturell war es vor allem seine zweite Ehefrau Bianca Maria Sforza, die Innsbruck förderte. Nicht nur die königliche Hochzeit fand hier statt, sie residierte auch lange Zeit hier, war die Stadt doch näher an ihrer Heimat Mailand als die anderen Residenzen Maximilians. Sie brachte ihren gesamten Hofstaat aus der Renaissancemetropole mit in die deutschen Länder nördlich der Alpen. Kunst Unterhaltung in allen Formen blühten auf.
Innsbruck wurde unter Maximilian aber nicht nur kulturell zu einem Zentrum des Reiches, auch wirtschaftlich brummte die Stadt. Unter anderem war Innsbruck Zentrale des Postdienstes im Kaiserreich. Die Familie Thurn und Taxis erhielt das Monopol auf diesen wichtigen Dienst und wählte Innsbruck als Zentrale ihrer privaten Reichspost. In der Waffenherstellung konnte Maximilian auf das Fachwissen der Büchsenmeister aufbauen, die sich bereits unter seinem Vorgänger Siegmund in den Gießereien in Hötting etabliert hatten. Der berühmteste von ihnen war Peter „Löffler“ Laiminger. Die Geschichte der Löfflers ist im Roman Der Meister des siebten Siegels lesenswert verarbeitet. Die Fugger unterhielten eine Kontorei in Innsbruck. Neben seiner ihm gerne unterstellten Liebe für die Tiroler Natur waren ihm die Kostbarkeiten wie das Haller Salz und das Schwazer Silber mindestens ebenso teuer und nützlich. Seinen aufwändigen Hofstaat, die Wahl zum König durch die Kurfürsten und den acht Jahre dauernden Krieg gegen die Republik Venedig finanzierte sich Maximilian unter anderem durch Verpfändung der Bodenschätze des Landes.
Auch die strategisch günstige Lage Innsbrucks nahe an den italienischen Kriegsschauplätzen machte die Stadt so interessant für den Kaiser. Viele Tiroler mussten auf den Schlachtfeldern den kaiserlichen Willen durchsetzen, anstatt die heimischen Felder zu bestellen. Das änderte sich erst in den letzten Regierungsjahren. Maximilian gestand 1511 den Tirolern im Tiroler Landlibell, einer Art Verfassung zu, dass sie als Soldaten nur für den Krieg zur Verteidigung des eigenen Landes herangezogen werden dürfen. Ebenfalls geregelt wurde in diesem Dokument die Einhebung von Sondersteuern im Kriegsfall.
Maximilians Wirken in Innsbruck zu fassen, ist schwierig. Liebesbekundungen eines Kaisers schmeicheln natürlich der Volksseele bis heute. Seine materielle Hinterlassenschaft mit den vielen Prunkbauten verstärken dieses positive Image. Er machte Innsbruck zu einer kaiserlichen Residenzstadt und trieb die Modernisierung der Infrastruktur voran. Innsbruck wurde dank dem Zeughaus zum Zentrum der Rüstungsindustrie, die Schatzkammer des Reiches und wuchs wirtschaftlich und räumlich. Die Schulden, die er dafür aufnahm und das Landesvermögen, das er an die Fugger verpfändete, prägten Tirol nach seinem Tod mindestens ebenso wie die strengen Gesetze, die er der einfachen Bevölkerung verordnete. 5 Millionen Gulden soll er an Schulden hinterlassen haben, einen Betrag, den seine österreichischen Besitzungen in 20 Jahren erwirtschaften konnten. Die ausständigen Zahlungen ruinierten nach seinem Tod viele Betriebe und Dienstleute, die auf den kaiserlichen Versprechungen sitzen blieben. Frühneuzeitliche Herrscher waren nicht an die Verbindlichkeiten ihrer Vorgänger gebunden. Eine Ausnahme bildeten die Vereinbarungen mit den Fuggern, hingen daran doch Pfandrechte.
In den Legenden über den Kaiser sind die harten Zeiten nicht so präsent wie das Goldene Dachl und die in der Schule gelernten Soft Facts. 2019 überschlug man sich mit den Feierlichkeiten zum 500. Todestag des für Innsbruck wohl wichtigsten Habsburgers unter dem Motto „Tiroler im Herzen, Europäer im Geiste“. Der Wiener wurde wohlwollend eingebürgert. Salzburg hat Mozart, Innsbruck Maximilian, einen Kaiser, den Tiroler passend zur gewünschten Identität Innsbrucks als rauen Gesellen, der am liebsten in den Bergen ist, angepasst haben. Sein markantes Gesicht prangt heute auf allerhand Konsumartikeln, vom Käse bis zum Skilift steht der Kaiser für allerhand Profanes Pate. Lediglich für politische Agenden lässt er sich weniger gut vor den Karren spannen als Andreas Hofer. Wahrscheinlich ist es für den Durchschnittsbürger einfacher, sich mit einem revolutionären Wirt zu identifizieren als mit einem Kaiser.
Sehenswürdigkeiten dazu…
Weiherburg & Alpenzoo
Weiherburggasse 37-39
Hofgarten
Rennweg / Karl-Kapfererstraße
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Zeughausgasse 1
Hofkirche
Universitätsstraße 2
Goldenes Dachl
Herzog Friedrich Straße
Hofburg
Rennweg 1