Arbeiterwohnhaus & Weyrerareal

Ferdinand-Weyrer-Straße 1 – 3 / 5 – 15

Hofburg Innsbruck

Die Gegend westlich der Kettenbrücke und des Panoramagebäudes ist vielleicht die unscheinbarste Ecke Innsbrucks mit reicher Geschichte. Die Ferdinand-Weyrer-Straße, ein kleiner Weg zwischen Hallerstraße im Tal und Arzlerstraße beheimatet mit dem Arbeiterwohnhaus und dem Weyrerareal zwei Gebäudekomplexe, deren wirtschaftliche Bedeutung für das Innsbruck vergangener Tage aber immens war. Sowohl die industrielle Revolution um 1500 wie auch die, die sich Ende des 19. Jahrhunderts abspielte, hatte das Weyrerareal als Bühne. Wer von Mühlau aus über den Durchgang in die kleine Gasse kommt, wird von einem kleinen Schild empfangen, das drei Arbeiter zeigt und die Unterschrift trägt: „Ehret die Arbeit und achten den Arbeiter“. Bereits 1511 wurde am Platz, an dem das heutige Arbeiterwohnhaus steht von Hofbaumeister Nicolas Türing eine Gusshütte errichtet. Das Zeughaus und Büchsenhausen waren die Metallverarbeitungsbetriebe Innsbrucks. Der Platz eignete sich durch seine Nähe zum noch immer munter plätschernden Mühlaubach und seiner Lage hervorragend für eine Gießerei. Hier wurden die Figuren für das Grabmal Maximilians in der Hofkirche hergestellt. Im angebauten Bilderhaus wurde eine Säulenhalle errichtet, in der die fertigen Figuren untergebracht wurden. Als die Arbeit an den Figuren abgeschlossen war, wurde die Betriebsanlage, die strategisch gut am Ostende der Stadt lag, zum Münzwalzwerk umfunktioniert.

Ferdinand Weyrer (1842 – 1892) übernahm 1875 die Schafwollfabrik seines Vaters. Vieles an Weyrers Leben erinnert an die Geschichte der Familie Epp, deren Villa und Fabrik in Pradl beheimatet war. Der bei den Arbeitern beliebte Unternehmer war Gründer der Feuerwehr und Bürgermeister des Dorfes Mühlau, das heute ein Teil Innsbrucks ist. 1889 übersiedelte auch das Textilunternehmen Franz Baur´s Söhne von der Betriebsstätte in der Sillgasse in die heutige Ferdinand-Weyrer-Straße 9. Ferdinand Weyrer ließ den südlichen gelben Teil mit einem Flachdach ausstatten um es als privates Wohnhaus umzufunktionieren. Der nördliche Teil des Gebäudes wurde von der Familie Baur zum Arbeiterwohnhaus umgebaut. Hier wohnten vor allem Menschen, die vom ländlichen Umland in die Stadt gezogen waren, um hier Arbeit zu finden. Die Verwandlung Mühlaus vom Dorf zu einem Teil des urbanen Raums begann. Auch der gesellschaftliche Wandel lässt sich an Gebäuden wie diesem festmachen. Wer vom Land in die Stadt zog, tauschte nicht nur die Adresse. Es war eine Umstellung von einem Leben im Verband der Großfamilie hin zu dem, was wir heute als Kernfamilie bezeichnen, mit allen Vor- und Nachteilen. Die schmucklose Fassade des Arbeiterwohnhauses und das gusseiserne Stiegenhaus im Innenhof sind sehenswerte Relikte aus der Zeit der Mietskasernen der Jahrhundertwende. 1890 und 1900 entstanden die Gebäude mit den Nummern 7 und 11. Ein Kesselhaus, eine Fabrikhalle und sogar ein eigenes kleines Elektrizitätswerk waren dort untergebracht. Im Obergeschoss befanden sich Wohnungen. Auch die Villa Baur, das Privathaus der Familie, befand sich in diesem Komplex. In den 1920er Jahren wurde der Betrieb nochmals erweitert. Das Haus Ferdinand-Weyrer-Straße 5 wurde vom bekannten Tiroler Architekten und Designer Clemens Holzmeister entworfen. Nachdem 1943 der Bau nochmals erweitert wurde, übersiedelte man nach erneutem Platzmangel 1955 in die Reichenau. In den 1970er Jahren wurde die Baur´sche Produktion am Weyrerareal endgültig aufgelassen. Seither wird das Areal von unterschiedlichen Kleinunternehmen besiedelt. In der Hallerstraße 43 siedelte sich die Firma mg interior an. Die Räumlichkeiten der alten Produktionshalle der Franz Baur´s Söhne Loden- & Schafwollfabrik wurden gelungen erhalten und zu einem modernen Schauraum umfunktioniert. Die Gusshalle des ehemaligen Bilderhauses wurde saniert und ist seit der Renovierung 1995 als Kreuzgewölbe mit Säulen zu besichtigen.

Wilhelm Greil: DER Bürgermeister Innsbrucks

Eine der wichtigsten Figuren der Stadtgeschichte war Wilhelm Greil (1850 – 1923). Von 1896 bis 1923 war er Innsbrucker Bürgermeister, nachdem er vorher bereits als Vizebürgermeister tätig war. Greil war selbst als Unternehmer tätig. Er gehörte der "Deutschen Volkspartei" an, die sich als nationale, großdeutsch orientierte Partei aus der liberalen Bewegung herausgeschält hatte. Was uns heute als Widerspruch erscheint, liberal und national, war im 19. Jahrhundert ein politisch übliches und gut funktionierendes Gedankenpaar. Der Pangermanismus war keine politische Besonderheit einer rechtsradikalen Minderheit, sondern eine Strömung der Mitte, die bis nach dem Zweiten Weltkrieg durch fast alle Parteien hindurch in unterschiedlicher Ausprägung Bedeutung hatte. Bedingt durch eine Wahlordnung, die auf das Stimmrecht über Vermögensklassen aufgebaut war, konnten sich große Massenparteien wie die Sozialdemokraten noch nicht durchsetzen. Die Konservativen hatten es, anders als im restlichen Tirol, schwer in Innsbruck, dessen Bevölkerung seit der Zeit Napoleons liberale Morgenluft geschnuppert hatte. Viel mehr waren es eben die von wohlhabenden Bürgern und Unternehmern unterstützten liberalnationalen Politiker, die den politischen Ton Innsbrucks dieser Zeit vorgaben. Politik, öffentliche Verwaltung, Bildung und das Militär sollten zentral, möglichst unter Ausschluss der landbesitzenden Kirche geregelt werden.

Die Amtszeit Greils war dreigeteilt. Sie fiel in die Epoche des Wirtschaftsaufschwungs nach dem Börsenkrach von 1873, den Ersten Weltkrieg und die karge Nachkriegszeit. Diese Epoche war für Innsbruck in vielerlei Hinsicht richtungsweisend. Unter ihm wurde von der Stadt ganz im Sinne des Kaufmanns vorausschauend Grund angekauft, um Projekte zu ermöglichen. Vieles das damals vorangetrieben wurden, gehören heute wie selbstverständlich zum täglichen Leben in Innsbruck, waren um die Jahrhundertwende aber eine echte Revolution. Bereits sein Vorgänger Bürgermeister Heinrich Falk (1840 – 1917) hatte erheblich zur Modernisierung der Stadt und zur Besiedelung des Saggen beigetragen. Wie viele andere europäische Städte erlebte Innsbruck zwischen 1890 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs einen großen Modernisierungsschub. Greil war ein geschickter Politiker, der sich innerhalb der vorgegebenen Machtstrukturen seiner Zeit bewegte. Er wusste sich um die traditionellen Kräfte, die Monarchie und den Klerus geschickt zu manövrieren und sich mit ihnen zu arrangieren. Unter Wilhelm Greil erweiterte sich Innsbruck beträchtlich. Der Politiker Greil konnte sich auf die Beamten und Stadtplaner Eduard Klingler, Jakob Albert und Theodor Prachensky stützen. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war im Allgemeinen von einem nie dagewesenen Wirtschaftswachstum und einer rasenden Modernisierung gekennzeichnet. Die Wirtschaft der Stadt boomte. Betriebe in Pradl und Wilten gründeten sich und lockten Arbeitskräfte an. Auch der Tourismus brachte frisches Kapital in die Stadt. Greil konnte sich bei dieser Innsbrucker Renaissance auf der Stadt geneigte Mäzen aus dem Bürgertum stützen. Freiherr Johann von Sieberer (103) stiftete das Greisenasyl und das Waisenhaus im Saggen. Leonhard Lang stiftete das Gebäude, das vorher als Hotel genutzt wurde, in das das Rathaus von der Altstadt 1897 übersiedelte, gegen das Versprechen der Stadt ein Lehrlingsheim zu bauen. Neben den Villen im Saggen entstanden auch die Wohnhäuser im östlichen Teil des Stadtviertels. Infrastrukturprojekte wie das neue Rathaus in der Maria-Theresienstraße 1897, die Hungerburgbahn 1906 und die Karwendelbahn, die Innsbruck bis heute mit Seefeld verbindet, wurden umgesetzt. Andere Projekte waren die Erneuerung des Marktplatzes und der Bau der Markthalle. Wilhelm Greil veranlasste die Übernahme des Gaswerks in Pradl und des Elektrizitätswerks in Mühlau in städtischen Besitz. Unter ihm erfolgte die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf elektrisches Licht. Seit 1859 war die Beleuchtung der Stadt mit Gasrohrleitungen stetig vorangeschritten. Nun war es an der Zeit, dass auch in Innsbruck Elektrizität Einkehr hielt. Die Berufsfeuerwehr Innsbruck entstand 1899. In seinen letzten Amtsjahren begleitete Greil Innsbruck am Übergang von der Habsburgermonarchie zur Republik durch Jahre, die vor allem durch Mittelknappheit geprägt waren. 1928 verstarb der verdiente Altbürgermeister als Ehrenbürger der Stadt Innsbruck im Alter von 78 Jahren. Die Wilhelm-Greil-Straße wurde noch zu seinen Lebzeiten nach ihm benannt.