Hungerburgbahn & Nordkettenbahn

Neue Hungerburgbahn: Talstation Kongresshaus

Alte Hungerburgbahn: Rennweg 39

Hofburg Innsbruck

Innsbruck ist selbsternannte Hauptstadt der Alpen. Man mag über den Titel der Hauptstadt uneins sein, Grenoble, Turin, Trient, Bern – viele andere Städte verdienen ihn wohl ebenfalls. Die Lage Innsbrucks zwischen dem Olympiaberg Patscherkofel (114) im Süden und der Nordkette ist spektakulär. Vor allem die Nordkette ist für Einheimische und Touristen gleichermaßen etwas ganz Besonderes. Innerhalb kürzester Zeit gelangt man vom Zentrum aus schon seit den 1920er Jahren in die hochalpine Welt des Karwendel ohne das Stadtgebiet zu verlassen. Gemeinsam mit Panoramagebäude und der alten Kettenbrücke bildete die Bahn auf die Hungerburg Anfang des 20. Jahrhunderts das moderne Zentrum der Stadt. Wie die beiden anderen Sehenswürdigkeiten ereilte auch sie das Schicksal allen Irdischen. Die majestätische Kettenbrücke wurde 1939 gegen eine modernere Stahlbetonbrücke ersetzt, das Panoramagebäude steht seit 2011 leer. 2005 wurde auch die Hungerburgbahn außer Betrieb genommen. 101 Jahr zuvor aber war sie als Verbindung zwischen Innsbruck und dem neu angelegten, als Nobel- und Tourismusort konzipierten Ortsteil über der Stadt, das Gesprächsthema Nummer 1 in den Innsbrucker Nachrichten:

Die Hungerburgbahn wurde heute früh um 7 Uhr – nicht gerade vom besten Wetter begünstigt, eröffnet. Die Züge verkehren viertelstündlich bis 10 Uhr abends. Wie es scheint, interessiert sich insbesondere auch die heimische Bevölkerung für die neue Bahn, die die erste Drahtseilbahn in Nordtirol ist. Im Hotel Mariabrunn vereinigte gestern ein interner Abend die Vertreter des Betriebes, der Bauleitung, der „Union“, des städtischen Elektrizitätswerkes und der Presse zu einem fröhlichen Zusammensein. Ingenieur Innerebner gedachte hierbei des derzeit in Karlsbad zur Kur weilenden Schöpfers der Bahn, Herrn Ing. Riehl … Die Betriebsleitung hat Betriebsinspektor Twerdy übernommen. Vor sechseinhalb Jahren hat der Genannte nur die Lokalbahn Innsbruck – Hall übernommen; seit dieser Zeit sind ihm vier Bahnen aller Systeme zugewachsen: die Mittelgebirgsbahn, die Stubaitalbahn, die elektrische Tramway und nunmehr die Drahtseilbahn auf die Hungerburg.

Die Bergwelt war immer schon Teil der Stadt, auch vor den Zeiten des Tourismus. Der Steinbruch war Lieferant der Höttinger Breccie, die bis ins 20. Jahrhundert Basis für Innsbrucker Bauten in der Altstadt oder der Triumphpforte ((34) war. An den Hängen der Nordkette hatte Innsbruck bis ins frühe 16. Jahrhundert eigene Weinberge, allerdings mit geringem Ertrag. Die Hungerburg, heute der teuerste Stadtteil Innsbrucks, hätte eine Art Luftkurort werden sollen. Etwas unterhalb in Mühlau gab es bereits ein Kurbad, das erholungsbedürftige Gäste mit genügend finanziellen Mitteln empfing. Ein künstlich angelegter See im ehemaligen Steinbruch sollte den Gästen den Aufenthalt versüßen. Die Aussichtswarte steht heute noch erhaben über Innsbruck. Das für den Kurtourismus eröffnete Hotel Mariabrunn an den Hängen der Nordkette erweckte den Charme eines noblen Schlösschens oberhalb der Stadt. Ein paar Schritte westlich der Station Hungerburg erinnert das Gasthaus zur Linde mit seiner sehenswerten Fassade samt einer Darstellung der Frau Hitt noch an diese Zeit.

Lange war die Bahn die einzige Verbindung zwischen Hungerburg und Innsbruck. Erst 1926 wurde die Höhenstraße mit Start bei der Höttinger Kirche gebaut. 2005 war es um die Hungerburgbahn, die bis heute viele Nostalgiker und Liebhaber historischer Verkehrsmittel und Züge besitzt, geschehen. Trotz mehrerer Appelle aus der Bevölkerung wurde der Betrieb der Bahn eingestellt. Erhalten blieben die Stahlfachwerkbrücke über den Inn und das Stampfbetonviadukt im oberen Bereich der Bahn. Bilder der alten Hungerburgbahn und Innsbrucks Seilbahnvergangenheit kann man bei der Talstation der Neuen Hungerburgbahn auf der Hungerburg besichtigen. Die Schwebebahn auf die Nordkette wurde 1928 eröffnet, im gleichen Jahr wie das südliche Äquivalent auf den Patscherkofel. Beide Stationen sind nicht nur was den Ausblick angeht spektakulär. Auch die Gebäude der Bahnen sind sehenswert. Der bis dahin unbekannte Franz Baumann, ein Vertreter des Architekturstils der Tiroler Moderne, gewann die Ausschreibung nach dem Ersten Weltkrieg. Knapp vor dem Eintreffen der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in Tirol konnte das Projekt noch ausgeführt werden. Er wandte sich von den vorherrschenden Stilen des 19. Jahrhunderts, dem Klassizismus, dem Heimatstil und dem Historismus ab. Die Gebäude sollten sich in die Landschaft hineinschmiegen und darin aufgehen, anstatt zu stören. Baumann designte sowohl die Gebäude selbst wie auch die Einrichtung, ganz im Stil des Bauhausgedankens, der ab 1919 von Weimar aus moderne europäische Architektur ergriffen hatte. Das Handwerk sollte nicht über der Kunst stehen, sondern beide Bereiche sollten sich ergänzen. Sowohl die Bergbahn als auch die Gastronomie wurden funktional berücksichtigt. In den 1930er Jahren wurde auf der Nordkette Wissenschaftsgeschichte geschrieben. Victor Franz Hess veranlasste 1931 die Einrichtung eines Labors in einer aufgelassenen Baubaracke auf dem Hafele Kar in 2300 m Seehöhe, um dort ein Labor für Ultrastrahlenforschung zum Studium der kosmischen Strahlung zu betreiben. 1936 erhielt er dafür den Nobelpreis für Physik. 

Beim Umbau 2007 wurden so weit als möglich sowohl das Interieur mit den wuchtigen Holzmöbeln wie auch das Äußere der Mittel- und Bergstation erhalten. Heute kann man am Kongresshaus mitten in der Stadt in die Nordkettenbahn einsteigen und ist innerhalb kürzester Zeit am Hafele Kar auf 2256 m Höhe. Die Stationen der neuen Bahn bis hinauf zur Hungerburg wurden von der Stararchitektin Zaha Hadid in atemberaubend futuristischem Design entworfen. Auch wer nicht zu Fuß den Spaziergang hinauf zur Weiherburg auf sich nehmen mag, kann gemütlich vom Kongresshaus zum Alpenzoo fahren. Der Alpenzoo mit Weiherburg (54) besitzt eine eigene Haltestelle der Hungerburgbahn. Von der Hungerburg aus geht es über die Seegrube hinauf zum Gipfelerfolg samt Gipfelkreuz. Der Ausblick auf die Stadt, das Wipptal und Berge wie Nockspitze und Serles oder hinab ins Karwendel Richtung Norden sind atemberaubend. Auf der westlichen Seite der Nordkette (Anm.: von der Stadt aus gesehen links) erhebt sich eine markante Bergzacke. Mit etwas Fantasie ähnelt diese Felsformation einer Frau auf einem Pferd. Mit der Sage rund um diese Frau Hitt, deren Moral vor Hochmut und Verschwendung warnen soll, wachsen Innsbrucker Kinder seit Generationen auf.

In uralten Zeiten, als das Geschlecht der Riesen noch auf Erden lebte, hauste hoch in den Bergen über dem Inn, wo unten im Tal Innsbruck entstand, eine stolze, mächtige Riesenkönigin, Frau Hitt, deren Hochmut und Hartherzigkeit von allen ihren Untertanen gefürchtet war. Herrliche Wälder, saftige Weiden und wogende Felder erfüllten das Reich, das sie beherrschte. Edle Erze und kostbare Gesteine lagen in den Bergen offen herum, und ihr Reichtum war grenzenlos. Ein kristallenes Schloß, das weit in das Tal hinabglänzte, bot ihr mit seinen unzähligen prunkvollen Räumen einen wahrhaft königlichen Aufenthalt. Rings um das Schloß dehnten sich wundervolle Gärten, in denen die schönsten Rosen blühten, die es je zu sehen gab. Frau Hitt nannte einen Sohn ihr eigen, den sie über alle Maßen liebte und verhätschelte. Das junge Riesenknäblein tummelte sich gern in der Nähe des Palastes umher und machte der besorgten Mutter durch seine Neugierde und seinen Übermut gar manchen Kummer, obgleich es meist harmlose Dinge waren, um die sie sich sorgte. Einmal geschah es, daß der Riesenknabe auf einem Steckenpferd reiten wollte. Er brach sich zu diesem Zweck eine junge Tanne ab, die am Rande eines moosigen Sumpfes wuchs. Wie er sich aber da mit der Tanne herumbalgte, gab das Erdreich nach, und der Riesenjunge plumpste samt seiner Tanne in den schwarzen moorigen Schlamm. Zwar gelang es ihm, mit Hilfe seiner ihm angeborenen Kraft sich aus dem unfreiwilligen Moorbad wieder herauszuarbeiten, aber Hände und Füße und Kleider waren über und über von dem übelriechenden Morast bedeckt, und auch das Gesicht wies etliche breite Schmutzspritzer auf. Heulend lief der Junge zur Mutter ins Schloß, bei jedem Schritt die schwarze Spur seines Unglücks hinterlassend. Frau Hitt beruhigte das Kind mit liebenden Worten und versprach ihm neues, schönes Spielzeug zum Trost für die ausgestandene Angst. Dann befahl sie ihren Dienern den Knaben zu entkleiden und sauber zu baden. Damit aber nicht eine Spur von dem Morast an ihm haften bleibe, sollten sie ihn noch mit Milch und aufgeweichtem Weißbrot am ganzen Körper waschen und abreiben und dann mit wohlriechenden Essenzen besprengen. Aber kaum hatten die Diener begonnen, die göttliche Gabe der Milch und des Brotes zu ihrem schmutzigen Werk zu mißbrauchen, als sich plötzlich der Himmel verfinsterte und mit rasender Schnelligkeit ein schweres Gewitter heranzog. Ein gewaltiges Erdbeben erschütterte die Berge, und mit donnerndem Krachen stürzte der kristallene Palast der Frau Hitt zu einem unförmigen Trümmerhaufen in sich zusammen. Und da kamen auch schon, gleichwie vom Himmel herabgeschleudert, riesige Muren und Steinlawinen die Berghänge herabgetost, fegten die Wälder hinweg, verschlangen die grünenden Almen und die blühenden Gärten und machten die herrlichen Fluren zur schreckenerregenden Steinwüste, aus der kein Grashalm mehr aufsprossen konnte. Das Reich der Frau Hitt war vernichtet, sie selbst aber zur schaurigen Felsensgestalt erstarrt, die ihren versteinerten Sohn in den Armen hält. Und so muß sie bleiben zum ewigen Gedächtnis ihres Frevels bis ans Ende der Zeiten.“

 

Zitiert aus: Die schönsten Sagen aus Österreich / sagen.at

Tourismusland Tirol

In den 1990er Jahren sorgte eine österreichische Fernsehserie für einen Skandal. Die Piefke Saga aus der Feder des Tiroler Schriftstellers Felix Mitterer beschrieb in vier skurril-entlarvend-amüsanten Folgen die Beziehung zwi-schen der deutschen Urlauberfamilie Sattmann und ihrem fiktiven Tiroler Urlaubsort. Bei aller Skepsis gegenüber dem Tourismus in seinen heutigen teils extremen Auswüchsen sollte man nicht vergessen, dass der Fremden-verkehr im 19. Jahrhundert ein wichtiger Faktor in Innsbruck und Umge-bung war, der die Entwicklung der Region nachhaltig antrieb, nicht nur wirtschaftlich. Anfangs waren es die Berggipfel der Alpen, die Besucher anzogen. Für lange Zeit war die Zone zwischen Mittenwald in Bayern und Italien nur eine Art Durchzugskorridor gewesen. Zwar verdienten die Inns-brucker Gasthöfe und Wirte bereits im Mittelalter und der Frühen Neuzeit an Händlern und der Entourage der adligen Gäste des Hofs, von Fremden-verkehr wie wir ihn heute verstehen war aber noch keine Rede. Lange waren die Berge eine reine Bedrohung für die Menschen gewesen. Es waren vor allem Briten, die sich aufmachten, sich nach den Weltmeeren auch die Ge-birge dieser Erde untertan zu machen. Über Reiseberichte verbreitete sich ab dem späten 18. Jahrhundert, der Epoche der Romantik, die Kunde von der Naturschönheit der Alpen. Neben der alpinen Attraktion waren es die wil-den und exotischen Eingeborenen Tirols, die international für Aufsehen sorg-ten. Der bärtige Revoluzzer namens Andreas Hofer, der es mit seinem Bau-ernheer geschafft hatte, Napoleons Armee in die Knie zu zwingen, erzeugte bei den Briten, den notorischen Erzfeinden der Franzosen, ebenso großes Interesse wie bei deutschen Nationalisten nördlich der Alpen, die in ihm einen frühen Protodeutschen sahen. Die Tiroler galten als unbeugbarer Men-schenschlag, archetypisch und ungezähmt, ähnlich den Germanen unter Arminius, die das Imperium Romanum herausgefordert hatten. Die Be-schreibungen Innsbrucks aus der Feder des Autors Beda Weber (1798 – 1858) und andere Reiseberichte in der boomenden Presselandschaft dieser Zeit trugen dazu bei, ein attraktives Bild Innsbrucks zu prägen. Nun mussten die wilden Alpen nur noch der Masse an Touristen zugänglich gemacht werden, die zwar gerne den Expeditionen nacheifern wollten, deren Risikobereit-schaft und Fitness mit den Wünschen nicht schritthalten konnten. Der Deut-sche Alpenverein eröffnete 1869 eine Sektion Innsbruck, nachdem der 1862 Österreichische Alpenverein wenig erfolgreich war. Es waren wohl vor allem die großdeutsch orientierten Mitglieder, die 1873 die beiden Stellen fusioniert für das alpine Wohl sorgend sehen wollten. Der Alpenverein war bürgerlich geprägt, sein sozialdemokratisches Pendant waren die Naturfreunde, die sich vor allem aus der Arbeiterschaft speisten. Neben dem sportlichen er-möglichten diese Vereine auch ein touristisches Wachstum. Das Wegenetz wuchs durch dessen Erschließung ebenso wie die Zahl an Hütten, die Gäste beherbergen konnten. Die Alpenvereine bildeten auch Bergführer aus. Der Tiroler Theologe Franz Senn (1831 – 1884) und der Schriftsteller Adolf Pichler (1819 – 1900) waren maßgeblich an der Vermessung Tirols und der Erstel-lung von Kartenmaterial beteiligt. Anders als gerne behauptet waren die Tiroler nicht geborene Bergsteiger, sondern mussten sich die Fähigkeiten die Bergwelt zu erobern erst beibringen lassen. Bis dato waren Berge vor allem eins: gefährlich und mühsam im landwirtschaftlichen Alltag. Sie zu bestei-gen, war zuvor kaum jemandem in den Sinn gekommen. Ab der Jahrhun-dertwende kam der Skisport in Mode. Lifte gab es noch nicht, um auf die Berge zu gelangen, musste man sich der Felle bedienen, die heute noch auf Tourenski geklebt werden. 1869 hatte mit dem Grand Hotel d´Europe am Innsbrucker Hauptbahnhof ein Etablissement ersten Ranges eröffnet und Innsbruck einen Schritt weiter zur Tourismusdestination gebracht. Bis dahin waren es vor allem die Umland-gemeinden gewesen, die von den Gästen profitierten. Vor allem Igls war als Kurort für Sommerfrischler bekannt. Der Igler Hof, damals Grandhotel Igler Hof und das Sporthotel Igls, verströmen heute noch teilweise den Chic dieser Zeit. Auch das Kuren, die frühe Form der Wellness, bei der betuchte Kunden sich in alpinem Umfeld von unterschiedlichsten Krankheiten erholen konn-ten, war in Innsbruck möglich. Am heutigen Stadtgebiet Innsbrucks, in E-gerdach zwischen Amras und Ampass und in Mühlau, gab es zwei Kurbä-der. So schick wie die Hotspots der Zeit in Bad Ischl, Marienbad oder Baden bei Wien waren die Anlagen nicht, wie man auf alten Fotos und Postkarten sehen kann, die Anwendungen mit Sole, Dampf, Gymnastik, sogar Magne-tismus, entsprachen aber dem damaligen Standard dessen, was heute teil-weise noch bei Kur- und Wellnessurlaubern beliebt ist. Bad Egerdach bei Innsbruck war als Heilquelle seit dem 17. Jahrhundert bekannt. Die Quelle sollte Gicht, Hautkrankheiten, Anämie, ja sogar die im 19. Jahrhundert als Vorgängerin des Burnouts als Neurasthenie bekannte Nervenkrankheit be-heben. Die Kapelle der Anstalt besteht bis heute gegenüber dem SOS Kin-derdorf. Die Badeanstalt in Mühlau existierte seit 1768 und wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem Gasthaus mit Kuranstalt ganz im Stil der Zeit umgebaut. Das Viertel in direkter Nähe zu den Villas des Saggen rund um die alte Kettenbrücke und die Hungerburgbahn, die Innsbruck mit dem Luftkurort über der Stadt verband, war zur Jahrhundertwende das schicke und moderne Zentrum der Stadt. Heute ist das schicke Gebäude als Wohn-haus in der Anton-Rauch-Straße noch zu besichtigen. 1888 gründeten die Profiteure des Fremdenverkehrs in Innsbruck eine Kom-mission zur Förderung des Tourismus, den Vorgänger des heutigen Tourismus-verbands. Durch vereinte Kräfte in Werbung und Qualitätssicherung bei den Beherbergungsbetrieben hofften die einzelnen Player, den Tourismus weiter anzukurbeln. Ab 1880 sorgten neben der Werbung auch Postkarten dafür, dass Innsbruck als Reiseziel an Bekanntheit gewann. Für Digital Natives, die mit Social Media aufwuchsen, ist es nur schwer vorstellbar, dass man Ur-laubsgrüße noch mit Karton und Briefmarke versandte. Postkarten waren die ersten massentauglichen Influencer der Tourismusgeschichte. Viele Betriebe ließen ihre eigenen Postkarten drucken. Daneben gab es die offiziell von den Verlagen verkauften. Es ist interessant zu sehen, was damals als sehenswert galt und auf den Karten abgebildet wurde. Anders als heute waren es vor allem die neuen Errungenschaften der Stadt wie der Leopoldbrunnen, das Stadtcafé beim Theater, die neu errichtete Kettenbrücke, die 1845 eröffnete Stefansbrücke an der Brennerstraße, die als Steinbogen aus Quadern die Sill überquerte, die Hungerburgbahn, der Gasthof Schupfen in dem Andreas Hofer sein Hauptquartier hatte und der Berg Isel mit dem großen Andreas-Hofer-Denkmal. Andreas Hofer selbst war bereits damals ein gut funktionierendes Testimonial. Mit dem Ersten Weltkrieg versandete die erste touristische Welle. 1914 gab es in Innsbruck 17 Hotels, die Gäste anlockten. Dazu kamen die Sommer- und Winterfrischler in Igls und dem Stubaital. Der Krieg zerstörte dies alles mit abrupt. Gerade als sich der Fremdenverkehr Ende der 1920er Jahre lang-sam wieder erholt hatte, kamen mit der Wirtschaftskrise und Hitlers 1000 Mark Sperre, mit der er die österreichische Regierung 1933 unter Druck setzen wollte, um das Verbot der NSDAP zu beenden, die nächsten Dämpfer. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Flughafen vom Osten der Stadt an seinen heutigen Standort in der Höttinger Au verlegt. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Krieg erholte sich auch der Tourismus wieder. Nach den beschwerlichen 1950er Jahren konnten Tirol und Innsbruck den Frem-denverkehr langsam, aber stetig als verlässlichen Motor der Wirtschaft stabil etablieren.

Sportliches Innsbruck

Wer den Beweis benötigt, dass die Innsbrucker stets ein aktives Völkchen waren, könnte das Bild Winterlandschaft des niederländischen Malers Pieter Bruegel (circa 1525 – 1569) aus dem 16. Jahrhundert bemühen. Auf seiner Rückreise von Italien gen Norden hielt der Meister wohl auch in Innsbruck und beobachtete dabei die Bevölkerung beim Eislaufen auf dem zugefrorenen Amraser See. Dieses Freizeitvergnügen der Menschen als Sport zu bezeichnen, ginge aber wohl zu weit. Muse und frei verfügbare Zeit, für Sport und Hobbies wie der Jagd oder Reiten war im Mittelalter und der Frühen Neuzeit vor allem ein Privileg des Adels. Erst durch die geänderten Lebensumstände des 19. Jahrhunderts hatte ein guter Teil der Bevölkerung, vor allem in den Städten, zum ersten Mal so etwas wie Freizeit. Mehr und mehr arbeiteten Menschen nicht mehr in der Landwirtschaft, sondern als Arbeiter und Angestellte in Büros, Werkstätten und Fabriken. In vielen Ländern Europas sank durch die Rationalisierung der Erwerbsarbeit die Arbeitszeit. Vorreiter war das industrialisierte England, in dem sich Arbeiter und Angestellte langsam vom Turbokapitalismus der frühen Industrialisierung zu befreien begannen. 16-Stunden-Tage waren nicht nur gesundheitlich bedenklich für den Arbeiter, auch Unternehmer merkten, dass eine Überbelastung unrentabel war. Gesunde und glückliche Arbeiter waren besser fürs Geschäft. Seit den 1860er Jahren gab es Bestrebungen, einen 8-Stunden-Tag einzuführen. Der Weg dorthin war lang, Schritt für Schritt ging es aber in diese Richtung. 1873 setzten die österreichischen Buchdrucker eine Arbeitszeit von zehn Stunden pro Tag durch. 1918 stellt man in Österreich auf eine 48-Stunden-Woche um. Ab 1930 galten in Industriebetrieben 40 Stunden pro Woche als Normalarbeitszeit. Diese Änderungen in der Arbeitswelt, zogen ein geändertes Freizeitverhalten nach sich. Menschen jeder Schicht, nicht mehr nur die Aristokratie, hatten nun Geist für Hobbies, Vereinsleben und sportliche Betätigung.

Die Stadt hatte von Anfang an ein Auge darauf, Möglichkeiten für die Bevölkerung zur sportlichen Betätigung zu schaffen. Den Anfang des organisierten Vereinssports machte der ITV, der Innsbrucker Turnverein, der sich 1849 gründete. Turnvereine waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts groß in Mode. Das Turnen war der Inbegriff des Sports. Der Wettkampfgedanke stand nicht im Vordergrund bei den Vereinen. Viele Vereine hatten einen politischen Hintergrund. Es gab christliche, sozialistische, und großdeutsche Sportvereine. Sie dienten vielfach als Vorfeldorganisation politischer Parteien und Organe. Mehr oder minder alle Vereine hatten Arierparagraphen in ihren Statuten, weshalb jüdische Bürger ihre eigenen Sportvereine gründeten. Aus den deutschen Turnvereinen ging neben den Studentenverbindungen die Nationalbewegung hervor. Die Mitglieder sollten sich körperlich ertüchtigen, um dem nationalen Volkskörper im Kriegsfall bestmöglich zu dienen. Die Ritter- und Söldnerheere hatten ausgedient, der Militärdienst war unter Maria Theresia in Österreich zur Bürgerpflicht geworden. Sitzende Berufe, vor allem die akademischen, wurden mehr, Turnen diente als Ausgleich Der großdeutsche Agitator Friedrich Ludwig Jahn (1778 – 1852), landläufig bekannt als Turnvater Jahn, war nicht nur Vorturner der Nation, sondern war auch geistiger Vater des Lützow´schen Freikorps das gegen Napoleon als eine Art gesamtdeutsches Freiwilligenheer ins Feld zog. Im Saggen erinnern die Jahnstraße und ein kleiner Park an Friedrich Ludwig Jahn. 1883 gründeten die Radfahrer den Verein Bicycle Club. Die ersten Radrennen in Frankreich und Großbritannien hatten in ab 1869 stattgefunden. Bereits im selben Jahre hatte die Innsbrucker Presse von den modernen Mitteln des Individualverkehrs berichtet, als sich „einige Herren mit mehreren von der Firma Peterlongo bestellten Velocipedes auf die Straße wagten“. 1876 kam es zu einem kurzzeitigen Verbot des Radverkehrs, da es immer wieder zu Unfällen gekommen war. Die Gefährte waren teils abenteuerliche Konstrukte, Hochräder, die keinen Antrieb mit Kette hatten. Die Velocipedisten siedelten sich im Saggen nahe der Viaduktbögen mit einer Radrennbahn samt Tribüne an. Neben Radrennen fanden hier Boxkämpfe und Tennismatches statt. 1896 fand am Ausstellungsplatz bei der Radrennbahn die „Internationale Ausstellung für körperliche Erziehung, Gesundheitspflege und Sport“ statt. Die Fußballer waren wegen des Arierparagraphen, der Matches mit Mannschaften mit jüdischen Spielern verbot, aus dem Dachverein ITV ausgetreten. Es gründete sich zuerst der Verein Fußball Innsbruck, der später zum SVI werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits überregionale Fußballspiele, zum Beispiel ein 1:1 Unentschieden der Mannschaft des ITV gegen Bayern München. In Wilten, mittlerweile ein Teil Innsbrucks, entstand 1910 der SK Wilten. 1913 gründete sich mit Wacker Innsbruck der erfolgreichste Tiroler Fußballverein. 1925 errichtete die Stadt bei den Sillhöfen ein Sportzentrum, um dem steigenden Bedarf nachzukommen. Schon im 19. Jahrhundert war dieses Areal zwischen Wilten, Pradl und Amras am Fuße des Berg Isel ein beliebtes Ausflugsziel für Innsbrucker. Die erste Anlage bestand aus zwei Fußballfeldern samt Aschenbahn für Leichtathletik. Die Sportplätze wurden während des Zweiten Weltkrieges Opfer der Bomben und wurden in der Nachkriegszeit als Schrebergärten genutzt. 1953 wurde das alte Tivoli-Fußballstadion eröffnet, in dem der FC Wacker Innsbruck unter verschiedenen Vereinsnamen bis zum Umzug in die neue Heimstätte hinter dem Olympiastadion im Jahr 2000 acht von insgesamt zehn österreichischen Meistertiteln feiern konnte. 1961 wurde das Sportangebot um das Freischwimmbad Tivoli erweitert. Abgesehen von einigen Erneuerungen und der Umstrukturierung auf Grund der Wohnanlage Tivoli besteht das Schwimmbad im Kern seit über 60 Jahren nach den Plänen dieser Zeit und gilt als internationales Vorbild für die Gestaltung einer städtischen Freizeitanlage. Bereits 1928 wurde mit dem Städtischen Hallenbad die überdachte Anlage für die Sportschwimmer eröffnet. Die 1920er Jahre waren die Zeit, in der Theodor Prachensky Wohnprojekte, Schulen, Kindergärten und Volkshäuser für die Arbeiterschicht in Innsbruck umsetzte. Eine Zeit der Emanzipation und des Aufbruchs nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs und den Krisenjahren, die von Inflation und Versorgungsengpässen charakterisiert waren. Neben den diversen Sommersportarten wurde auch der Wintersport immer populärer. 1884 gründete sich der Eislaufverein und nutzte das Ausstellungsgelände als Eisbahn. Mit dem Lansersee, dem Amraser See (heute: Einkaufszentrum DEZ), der Schwimmanlage Höttinger Au und dem Sillkanal in der Kohlstatt standen den Innsbruckern Möglichkeiten zum Eislaufen zur Verfügung. Der Skisport, anfangs ein nordisches Vergnügen im Tal, breitete sich bald auch als Abfahrtsdisziplin aus. Nach St. Anton und Kitzbühel gründete sich 1906 der erste Innsbrucker Skiverein. Die Ausrüstung war primitiv, trotzdem wagte man sich in Mutters oder auf der Ferrariwiese die Pisten hinabzudüsen. Seit 1928 führten zwei Seilschwebebahnen sowohl auf die Nordkette und den Patscherkofel.

Innsbrucker identifizieren sich bis heute sehr stark über den Sport. Mit der Fußball-EM 2008, der Radsport-WM 2018 und der Kletter-WM 2018 konnte man an die glorreichen 1930er Jahre mit zwei Skiweltmeisterschaften und die beiden Olympiaden von 1964 und 1976 auch im Spitzensportbereich wieder anknüpfen. Trotzdem ist es weniger der Spitzen- als vielmehr der Breitensport, der dazu beiträgt. Es gibt kaum jemanden der nicht zumindest den Alpinski anschnallt. Mountainbiken auf den zahlreichen Almen rund um Innsbruck, Skibergsteigen, Sportklettern und Wandern sind überdurchschnittlich populär in der Bevölkerung und fest im Alltag vieler Innsbrucker verankert.

Wilhelm Greil: DER Bürgermeister Innsbrucks

Eine der wichtigsten Figuren der Stadtgeschichte war Wilhelm Greil (1850 – 1923). Von 1896 bis 1923 war er Innsbrucker Bürgermeister, nachdem er vorher bereits als Vizebürgermeister tätig war. Greil war selbst als Unternehmer tätig. Er gehörte der "Deutschen Volkspartei" an, die sich als nationale, großdeutsch orientierte Partei aus der liberalen Bewegung herausgeschält hatte. Was uns heute als Widerspruch erscheint, liberal und national, war im 19. Jahrhundert ein politisch übliches und gut funktionierendes Gedankenpaar. Der Pangermanismus war keine politische Besonderheit einer rechtsradikalen Minderheit, sondern eine Strömung der Mitte, die bis nach dem Zweiten Weltkrieg durch fast alle Parteien hindurch in unterschiedlicher Ausprägung Bedeutung hatte. Bedingt durch eine Wahlordnung, die auf das Stimmrecht über Vermögensklassen aufgebaut war, konnten sich große Massenparteien wie die Sozialdemokraten noch nicht durchsetzen. Die Konservativen hatten es, anders als im restlichen Tirol, schwer in Innsbruck, dessen Bevölkerung seit der Zeit Napoleons liberale Morgenluft geschnuppert hatte. Viel mehr waren es eben die von wohlhabenden Bürgern und Unternehmern unterstützten liberalnationalen Politiker, die den politischen Ton Innsbrucks dieser Zeit vorgaben. Politik, öffentliche Verwaltung, Bildung und das Militär sollten zentral, möglichst unter Ausschluss der landbesitzenden Kirche geregelt werden.

Die Amtszeit Greils war dreigeteilt. Sie fiel in die Epoche des Wirtschaftsaufschwungs nach dem Börsenkrach von 1873, den Ersten Weltkrieg und die karge Nachkriegszeit. Diese Epoche war für Innsbruck in vielerlei Hinsicht richtungsweisend. Unter ihm wurde von der Stadt ganz im Sinne des Kaufmanns vorausschauend Grund angekauft, um Projekte zu ermöglichen. Vieles das damals vorangetrieben wurden, gehören heute wie selbstverständlich zum täglichen Leben in Innsbruck, waren um die Jahrhundertwende aber eine echte Revolution. Bereits sein Vorgänger Bürgermeister Heinrich Falk (1840 – 1917) hatte erheblich zur Modernisierung der Stadt und zur Besiedelung des Saggen beigetragen. Wie viele andere europäische Städte erlebte Innsbruck zwischen 1890 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs einen großen Modernisierungsschub. Greil war ein geschickter Politiker, der sich innerhalb der vorgegebenen Machtstrukturen seiner Zeit bewegte. Er wusste sich um die traditionellen Kräfte, die Monarchie und den Klerus geschickt zu manövrieren und sich mit ihnen zu arrangieren. Unter Wilhelm Greil erweiterte sich Innsbruck beträchtlich. Der Politiker Greil konnte sich auf die Beamten und Stadtplaner Eduard Klingler, Jakob Albert und Theodor Prachensky stützen. Die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg war im Allgemeinen von einem nie dagewesenen Wirtschaftswachstum und einer rasenden Modernisierung gekennzeichnet. Die Wirtschaft der Stadt boomte. Betriebe in Pradl und Wilten gründeten sich und lockten Arbeitskräfte an. Auch der Tourismus brachte frisches Kapital in die Stadt. Greil konnte sich bei dieser Innsbrucker Renaissance auf der Stadt geneigte Mäzen aus dem Bürgertum stützen. Freiherr Johann von Sieberer (103) stiftete das Greisenasyl und das Waisenhaus im Saggen. Leonhard Lang stiftete das Gebäude, das vorher als Hotel genutzt wurde, in das das Rathaus von der Altstadt 1897 übersiedelte, gegen das Versprechen der Stadt ein Lehrlingsheim zu bauen. Neben den Villen im Saggen entstanden auch die Wohnhäuser im östlichen Teil des Stadtviertels. Infrastrukturprojekte wie das neue Rathaus in der Maria-Theresienstraße 1897, die Hungerburgbahn 1906 und die Karwendelbahn, die Innsbruck bis heute mit Seefeld verbindet, wurden umgesetzt. Andere Projekte waren die Erneuerung des Marktplatzes und der Bau der Markthalle. Wilhelm Greil veranlasste die Übernahme des Gaswerks in Pradl und des Elektrizitätswerks in Mühlau in städtischen Besitz. Unter ihm erfolgte die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf elektrisches Licht. Seit 1859 war die Beleuchtung der Stadt mit Gasrohrleitungen stetig vorangeschritten. Nun war es an der Zeit, dass auch in Innsbruck Elektrizität Einkehr hielt. Die Berufsfeuerwehr Innsbruck entstand 1899. In seinen letzten Amtsjahren begleitete Greil Innsbruck am Übergang von der Habsburgermonarchie zur Republik durch Jahre, die vor allem durch Mittelknappheit geprägt waren. 1928 verstarb der verdiente Altbürgermeister als Ehrenbürger der Stadt Innsbruck im Alter von 78 Jahren. Die Wilhelm-Greil-Straße wurde noch zu seinen Lebzeiten nach ihm benannt.